Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 23. Februar 2012
Aktenzeichen: 6 U 173/11

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 23.02.2012, Az.: 6 U 173/11)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Äußerungen in Anwaltsschriftsätzen, die eine Herabsetzung des gegnerischen Anwalts beinhalten, gerichtlich untersagt werden können, insbesondere dazu, ob in solchen Fällen ein verfahrensrechtliches Äußerungsprivileg eingreift und ob die Äußerungen gegebenenfalls nach wettbewerbsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen sind.

Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 18.8.2011verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. teilweise abgeändert.

Dem Antragsgegner wird über die erfolgte Verurteilung hinaus im Wege der einstweiligen Verfügung weiter untersagt, es bei Meidung der vom Landgericht angedrohten Ordnungsmittel zu unterlassen,

in Schriftsätzen an ein Gericht den Antragsteller als €gewerblich Prozessbetrug begehenden Rechtsanwalt Dr.A€ oder €Meisterbetrüger Dr. A€ zu bezeichnen.

Im Übrigen werden die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen.

Von den Kosten des Eilverfahrens haben der Antragsteller 1/10und der Antragsgegner 9/10 zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 i.V. mit § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufungen sind zulässig; die Berufung des Antragsgegners hat keinen, die Berufung des Antragstellers teilweise Erfolg.

Das Landgericht hat mit Recht die beanstandeten Äußerungen des Antragsgegners in Newslettern, in Schriftsätzen im €Außenverhältnis€, d. h. in solchen Verfahren, an denen weder die Mandantinnen des Antragstellers noch er als deren Prozessbevollmächtigter beteiligt ist, und zuletzt seine schriftsätzlichen Äußerungen im €Innenverhältnis€, d.h. in solchen Verfahren, an denen die Mandantinnen des Antragstellers beteiligt sind und er als deren Bevollmächtigter auftritt, als eigenständige Streitgegenstände behandelt.

1.

Die Berufung des Antragsgegners ist unbegründet.

Das Landgericht hat den Antragsgegner mit Recht wegen seiner herabsetzenden Äußerungen gegenüber dem Antragsteller in Newslettern - wie geschehen in Anlage Ast 10 - bzw. in Schriftsätzen €im Außenverhältnis€ - wie geschehen in Anlage Ast 22 - zur Unterlassung verurteilt. Der Anspruch des Antragstellers ergibt sich jeweils aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 i.V. m.§§ 3, 4 Nr. 7 UWG.

Die Anwendbarkeit des UWG hängt allein davon ab, ob die Äußerungen im Newsletter bzw. im Schriftsatz als geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu qualifizieren sind.Wenn man das bejaht, ist der Antragsteller in Bezug auf eine gegen ihn gerichtete Herabsetzung i.S.v. § 4 Nr. 7 UWG aktivlegitimierter Mitbewerber. Aus der gezielten Herabsetzung ergibt sich das durch die jeweilige Handlung hergestellte konkrete Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30.Aufl., Rn 102 zu § 2 UWG m. w. N.).

Die Äußerungen des Antragsgegners sind als geschäftliche Handlungen einzuordnen, weil sie mit der Förderung des eigenen Absatzes des Antragsgegners objektiv zusammenhängen (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn 51 zu § 2 UWG). Dafür kommt es allein darauf an, ob es dem Antragsgegner bei seiner Kritik am Antragsteller (objektiv) ausschließlich darum ging, die Interessen seiner Mandanten zu verfolgen, und der Angriff auf den Antragsteller daher nur einen Reflex darstellte, oder ob es ihm auch darum ging, seine Position als Verbraucherschutzanwalt zu Lasten des Antragstellers zu verbessern. Letzteres ist hier der Fall:

Im Newsletter ist die streitgegenständliche Äußerung des Antragsgegners in seine Schilderung der Entscheidungsgründe eines Urteils des Oberlandesgerichts Oldenburg €eingebettet€.Sozusagen nebenbei und ohne konkreten Bezug zum sonstigen Inhalt seiner Ausführungen qualifiziert der Antragsgegner den Antragsteller als Prozessbetrüger ab.

Auch im Kontext des Schriftsatzes vom 9. Mai 2011 wird der Antragsteller ohne erkennbaren Anlass, d.h. ohne inhaltliche Verbindung mit dem dortigen Rechtsstreit, an dem weder die Mandantinnen des Antragstellers noch er beteiligt sind, als Prozessbetrüger bezeichnet. Diese Äußerung richtet sich somit an Dritte, die sie weiterverbreiten (sollen). Damit wird die Wettbewerbsposition des Antragstellers beeinträchtigt und die des Antragsgegners als €couragierter€Verbraucherschutzanwalt, der auch vor deutlichen Worten nicht zurückschreckt, gefördert.

Die Äußerungen sowohl im Newsletter als auch im Schriftsatz vom 9. Mai 2011 sind somit dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsgegner gegenüber außenstehenden Dritten, die mit den Vorgängen nicht vertraut sind, den Antragsteller ohne erkennbaren Bezug zu dem sonstigen Inhalt der Darstellungen des Prozessbetrugs bezichtigt. Diese Umstände rechtfertigen es, einen objektiven Zusammenhang mit der Absatzförderung zu Lasten des Antragstellers anzunehmen, ohne dass es für die Beurteilung noch darauf ankommt,ob und in welchem Umfang die Parteien des Rechtsstreits in der Vergangenheit dieselben Mandantenkreise angesprochen haben oder nicht.

Die Äußerungen sind jeweils als geschäftsehrverletzende Herabsetzung zu qualifizieren (§ 4 Nr. 7 UWG). Der Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens (z.B. betrügerisch) ist grundsätzlich als Werturteil anzusehen (vgl. BGH WRP 2009, 631 Tz 15 -Fraport-Manila-Skandal; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., Rn 8.16 zu § 4 UWG). Der Vorwurf des Prozessbetrugs ist massiv, ohne dass in dem Newsletter oder in dem Schriftsatz auch nur ansatzweise der Versuch unternommen wird, ihn durch entsprechende Tatsachen zu untermauern. Dies ist im Rahmen der bei § 4 Nr. 7 UWGvorzunehmenden Interessenabwägung regelmäßig unlauter (vgl. BGHGRUR 2012, 74, Tz. 37 - Coaching-Newsletter).

Hinsichtlich der Äußerung im Schriftsatz vom 9. Mai 2011 greifen zu Gunsten des Antragstellers auch nicht die Grundsätze über das verfahrensrechtliche Äußerungsprivileg ein. Danach sind bei der Ausführung von Parteirechten innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens auch ehrverletzende Äußerungen als Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) grundsätzlich privilegiert und von einer zivilrechtlichen Verfolgung durch Ehrenschutzklage ausgeschlossen (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1251, 1253; Burkhardt in:Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage,Kap. 10, Rn 31 m. w. N.).

Die Privilegierung verfahrensinterner Äußerungen ist jedoch nicht grenzenlos. Die Durchsetzung individueller Ansprüche auf Ehrenschutz ist ausnahmsweise dann möglich, wenn ein Bezug der Äußerungen zum Ausgangsrechtsstreit nicht erkennbar ist, wenn diese Äußerungen auf der Hand liegend falsch sind oder wenn sie sich als eine unzulässige Schmähung darstellen (BGH MDR 2008, 332, 333€ bei juris Tz. 17).

Hier greift der erste der genannten Ausnahmetatbestände ein,weil € wie bereits ausgeführt € der Vorwurf des Prozessbetruges im Schriftsatz vom 9. Mai 2011 keinen Bezug zum Ausgangsrechtsstreit erkennen lässt.

2.

Die Berufung des Antragstellers ist teilweise begründet.

a) Der umfassende Unterlassungsantrag (€€den Antragsteller des Betrugs zu bezichtigen, insbesondere €€) geht nach dem erklärten Rechtsschutzziel des Antragstellers über die vorgelegten Verletzungsfälle hinaus und will jedweden Vorwurf betrügerischen Verhaltens auch im €Innenverhältnis€, d.h. im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, in denen die hiesigen Parteien sowie die vom Antragsteller vertretenen Kreditinstitute beteiligt sind,verbieten. Der Antragsteller hat in seiner Berufungsbegründung ausdrücklich klargestellt, dass er mit seiner abstrahierenden Antragstellung beabsichtigt, in einem etwaigen Vollstreckungsverfahren jede Unsicherheit darüber zu vermeiden, ob der Antragsgegner mit einer Variierung seiner Äußerungen einem auf die konkrete Verletzungsform beschränkten Verbot nachgekommen ist.

In dieser abstrahierten Form kann der Verbotsantrag aber keinen Erfolg haben. Es sind nämlich Fälle denkbar, bei denen sich die Parteien als Prozessbevollmächtigte der B-Bank AG oder der B-Bank € AG auf der einen bzw. von Kapitalanlegern auf der anderen Seite gegenüberstehen und bei denen der Vorwurf des Prozessbetrugs unter dem oben dargestellten Gesichtspunkt de verfahrensrechtlichen Äußerungsprivilegs nicht untersagt werden kann. So wäre es, nicht nur theoretisch, möglich, dass der Antragsteller als Prozessbevollmächtigter der B-Bank wahrheitswidrig über den Kenntnisstand von Mitarbeitern seiner Mandantin vorträgt und dass der Antragsgegner, bezogen auf diesen Sachvortrag und mit entsprechender Begründung, den Vorwurf des Prozessbetrugs erhebt.Bei einer solchen Konstellation griffen auch die oben dargestellten Ausnahmen vom verfahrensrechtlichen Äußerungsprivileg nicht ein.

b) Der Senat kann im Rahmen von § 938 ZPO den Unterlassungstenor auch nicht so konkretisieren, dass er sich auf unzulässiges innerprozessuales Verhalten beschränkt. Die Vorschrift gibt dem Gericht lediglich die Möglichkeit, den Unterlassungstenor innerhalb des vom Antragsteller bestimmten prozessualen Anspruchs sachgerecht zu fassen. Der prozessuale Anspruch wird aus Sachverhalt und Antrag bestimmt. Da der Unterlassungsantrag so weit abstrahiert ist, dass er den Vorwurf des Prozessbetrugs in jeder Fallkonstellation erfassen soll, fehlen dem Senat hinreichende Anknüpfungskriterien für eine eigenständige Konkretisierung.

c) Davon ausgenommen sind lediglich die in den Urteilstenor aufgenommenen Äußerungen, der Antragsteller betreibe €gewerblichen Prozessbetrug€ bzw. sei ein €Meisterbetrüger€. Der Antragsteller hat dadurch, dass er diese Äußerungen in Form eines €insbesondere€-Zusatzes in den Antrag aufgenommen hat,zu erkennen gegeben, dass sich sein Unterlassungsbegehren jedenfalls als minus auch hiergegen richtet.

Die genannten Äußerungen sind unabhängig von ihrem Kontext auch im €Innenverhältnis€ als Schmähkritik einzustufen, die € wie ausgeführt € ebenfalls nicht dem verfahrensrechtlichen Äußerungsprivileg unterfällt und gegen deren Verbreitung sich der Antragstellerin auch jedenfalls nach §§ 823,1004 BGB mit Erfolg wehren kann; ob auch insoweit die Vorschriften des UWG Anwendung finden, kann daher dahinstehen.

Eine Äußerung nimmt den Charakter einer stets unzulässigen Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person des Gegners im Vordergrund steht und sie jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person des Gegners besteht (vgl. BGH a.a.O.). So liegt der Fall hier:

Der Vorwurf des €gewerblichen€ Prozessbetrugs erweckt bei einem verständigen Leser den Eindruck, dass der Antragsteller nicht nur in den anhängigen Verfahren falsch vorträgt, sondern dass seine Berufsausübung auf betrügerisches Verhalten gegenüber den Gerichten ausgerichtet ist. Ein solcher Vorwurf hat mit sachlicher Auseinandersetzung und der Wahrung von Parteirechten nichts mehr zu tun (vgl. dazu OLG Hamburg NStZ-RR1997, 103). Gleiches gilt für den Vorwurf, der Antragsteller sei ein €Meisterbetrüger€.

Diese, in den Schriftsätzen des Antragsgegners getätigten Äußerungen (Anlagen Ast 5, 15 € 16, 18 € 21) begründen eine Wiederholungsgefahr für weitere diffamierende Angriffe auf die Ehre des Antragstellers. Sie ergibt sich außerdem aus dem systematischen Vorgehen des Antragsgegners und dessen schriftsätzlicher Provokation, es stelle ein Indiz für die Richtigkeit der Behauptung dar, dass sich der Antragsteller das bieten lasse. Auch dies hat im Übrigen nichts mehr mit der Wahrung von Parteirechten zu tun.

Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 23.02.2012
Az: 6 U 173/11


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