Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Oktober 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 263/03

(BPatG: Beschluss v. 25.10.2005, Az.: 33 W (pat) 263/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. September 2003 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 301 26 882 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 012 391 angeordnet worden ist, und der Widerspruch aus der Marke 1 012 391 zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Wortmarke 301 26 882 WPR für Klasse 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte, Immobilienwesenist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 1 012 391 WDR für Rundfunk- und Fernsehwerbung; Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk sowie durch ähnliche technische Einrichtungen; Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art, Produktion von Rundfunk- und Fernsehwerbesendungen, Veranstaltung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, Unterrichts-, Unterhaltungs- und im Sportbereich, Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, Film-, Ton- und Fernsehproduktion; rundfunktechnische Beratung.

Mit Beschluss vom 25. September 2003 hat die Markenstelle für Klasse 36 durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes unter Zurückweisung des Widerspruchs im übrigen die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, nämlich für

"Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte".

Nach Auffassung der Markenstelle besteht im Umfang der von der Löschungsanordnung betroffenen Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Unter Hinweis auf Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S 384 und 397, hat sie ausgeführt, dass die für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen "Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte" mit der für die Widersprechende geschützten Dienstleistung "Veröffentlichung und die Herausgabe von Druckereierzeugnissen" ohne Einschränkung ähnlich seien. Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse und der Handelsgebrauch gäben dem Verkehr Veranlassung, "hier eine gemeinsame Erbringungsart in Bezug auf die wirtschaftliche Bedeutung und der sich ergänzenden Leistungen zu erwarten".

Für die übrige Dienstleistung "Immobilienwesen" der jüngeren Marke könne eine Ähnlichkeit zu Dienstleistungen der Widerspruchsmarke mangels Überschneidungen bei der Zweckbestimmung und dem Einsatzbereich nicht festgestellt werden. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, zumal sich der Vortrag der Widersprechenden zur behaupteten gesteigerten Kennzeichnungskraft nur auf die - nicht mit Dienstleistungen der jüngeren Marke kollidierende - Sendung von Fernsehprogrammen beziehe. Den danach im Umfang der festgestellten Ähnlichkeit der Dienstleistungen erforderlichen erheblichen Markenabstand halte die angegriffene Marke nicht ein. Beide Marken wiesen bei gleicher Betonung auf der ersten und letzten Silbe in klanglicher Hinsicht jeweils drei Silben und in schriftbildlicher Hinsicht die gleiche Anzahl von Buchstaben auf, wobei sich die mittleren Konsonanten "D" und "P" klanglich und schriftbildlich kaum voneinander unterschieden. Vielmehr seien diese Unterschiede bei flüchtiger Aussprache und ungünstigen akustischen Bedingungen ohne weiteres zu überhören. Damit bestehe im Umfang der Löschungsanordnung die Gefahr von Verwechslungen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. In der Beschwerdeschrift hat sie die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Ebenso bestreitet sie die von der Widersprechenden geltend gemachte erhöhte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke. Nach Auffassung der Markeninhaberin besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr. Es fehle bereits an jeglicher Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienstleistungen. So wiesen "Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte" keinerlei Ähnlichkeit mit "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen" auf. Weder konkurrierten noch ergänzten sich diese Dienstleistungen. Die Veröffentlichungs- und Herausgabedienstleistungen wiesen keinen engen Bezug zum Versicherungs- und Finanzwesen auf, zumal die Druckereierzeugnisse nicht näher definiert seien. Vielmehr liege es angesichts des weiteren Dienstleistungsverzeichnisses der Widerspruchsmarke nahe, dass Druckereierzeugnisse (gemeint wohl: Druckereierzeugnisse, soweit sie unter Mitwirkung der Widersprechenden als Rundfunkanstalt verfasst und herausgegeben würden) eine enge Verbindung zur Rundfunk- und Fernsehbranche aufwiesen. Es sei nicht verkehrsüblich, dass Unternehmen aus dem Rundfunk- und Fernsehbereich auch Dienstleistungen aus dem Versicherungs- und Finanzbereich anböten. Soweit die Widersprechende Auszüge bzw. Beispiele von Informationsschriften vorgelegt habe, wiesen diese nicht auf sie als Herausgeberin, sondern als Produzentin hin, was vom Verkehr eher als Hinweis auf die Verantwortlichkeit für die Ausstrahlung der Sendung "ARD-Ratgeber Recht" verstanden werde. Hiernach könne auch hinsichtlich der übrigen für die Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistungen nicht von einer auch nur geringen Ähnlichkeit zu den Dienstleistungen der jüngeren Marke ausgegangen werden. Dies gelte auch für "Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art". Soweit die Widersprechende auf Fernsehsendungen mit wirtschaftlichen und rechtlichen Themen verweise, stellten diese allenfalls einen Hinweis auf die "ARD", nicht aber auf die Widersprechende selbst dar. Zudem erwarte der Verkehr, dass eine Rundfunkanstalt unabhängig von den Waren und Dienstleistungen sei, über die im Rahmen von Ratgebersendungen oder Druckereierzeugnissen berichtet werde. Der Verkehr werde daher gerade nicht annehmen, dass die Widersprechende selbst solche Dienstleistungen anbiete.

Insbesondere könne auch nicht die in Richter/Stoppel, aaO, zitierte Entscheidung des Harmonisierungsamts in der Sache R-518/00-1 zur Begründung einer Ähnlichkeit zwischen Druckereierzeugnissen und Finanzwesen herangezogen werden. Diese Entscheidung beziehe sich nicht allgemein auf Druckereierzeugnisse, sondern auf insbesondere Kreditkarten und sonstige dem Finanzwesen zugeordnete Waren. Im übrigen sei in dieser Entscheidung keine Ähnlichkeit zwischen Druckereierzeugnissen und Versicherungswesen angenommen worden, obwohl gerade auch über die Ähnlichkeit zur Dienstleistung "Versicherungswesen" zu entscheiden gewesen sei.

Damit sei ein geringerer Abstand zwischen den Marken ausreichend, um die Gefahr von Verwechslungen zu verhindern. Dieser werde von der jüngeren Marke eingehalten. Sie unterscheide sich von der Widerspruchsmarke hinreichend durch den abweichenden mittleren Konsonanten, der den Marken ein unterschiedliches Schriftbild verleihe. Da der Konsonant "P" wesentlich härter ausgesprochen werde als der Konsonant "D" bestehe auch in klanglicher Hinsicht allenfalls eine geringfügige Ähnlichkeit. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen in der Regel erst nach einer genaueren Prüfung in Anspruch genommen würden, so dass auch geringfügige Unterschiede der Marken beachtet und in Erinnerung behalten würden. Im übrigen handele es sich hier um Kurzmarken. Dem Verkehr sei die Marke "WDR" als Abkürzung für die Bezeichnung "Westdeutscher Rundfunk" bekannt, so dass zumindest Verbrauchern, denen die Widersprechende bekannt sei, der unterschiedliche Buchstabe auffallen werde. Damit sei eine Gefahr von Verwechslungen zu verneinen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss im Umfang der Löschungsanordnung aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 1 012 391 vollumfänglich zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Unter Vorlage von drei Büchern aus der ARD-Ratgeber-Recht - Reihe, einer Videokassette mit der Aufnahme einer Sendung "ARD-Ratgeber-Recht" vom 16. Mai 2004 und eines Ausdrucks eines "marktjournal"-Newsletters vom 15. März 2004 trägt sie vor, dass es Aufgabe der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten sei, die Zuschauer, etwa in Ratgebersendungen, zu informieren. In diesem Rahmen befasse sich die Widersprechende immer wieder mit Fragen aus dem Finanzsektor und dem Versicherungswesen. Ergänzend dazu erschienen zahlreiche Druckwerke, wie zB "ARD-Ratgeber Recht - Vorsorge fürs Alter" usw, die auf die Widersprechende als Herausgeberin hinwiesen. Zudem gebe die Widersprechende im Rahmen einer weiteren Fernseherreihe ("markt") einen newsletter heraus, der sich mit Verbraucherfragen zum Thema Versicherungen, Geld u Ä beschäftige. Auch für weitere Fernsehsendungen zu diesen und ähnlichen Themenbereichen sei die Widersprechende verantwortlich. Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke meine, dass die vorgelegten Nachweise allenfalls eine Nutzung durch die ARD, nicht aber durch die Widersprechende selbst zeigten, sei dem entgegenzuhalten, dass es eine ARD als Rechtsperson gar nicht gebe. Vielmehr werde das ARD-Gemeinschaftsprogramm von Beiträgen der Landesrundfunkanstalten gespeist. Die Sendung "ARD-Ratgeber Recht" werde abwechselnd vom WDR und vom SWR veranstaltet, wobei am Ende jeder Sendung auf die Sendeanstalt als Produzentin hingewiesen werde. Für die Begleitbuchreihe "ARD-Ratgeber Recht" gelte Entsprechendes. Im übrigen seien die Marken aufgrund der überwiegenden Übereinstimmungen klanglich und schriftbildlich ähnlich. Dazu verweist sie auf verschiedene Beschlüsse des Bundespatentgerichts und des Harmonisierungsamts, in denen die Verwechslungsgefahr bei folgenden, sich jeweils gegenüberstehenden Marken bejaht worden ist: "AAP/AAA", "ASE/ASI", "ASS/afs", "Awb/AWD", "AXE/AXO".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist begründet. Die Widersprechende hat die zulässig bestrittene Benutzung ihrer Marke gemäß §§ 43 Abs 1 Satz 1, Satz 2, 26 MarkenG nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Soweit hierbei für bestimmte Dienstleistungen der Widerspruchsmarke ein Fallenlassen der Nichtbenutzungseinrede oder eine Offenkundigkeit der Benutzung in Betracht kommt, lässt sich jedenfalls mangels jeglicher Ähnlichkeit der Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr feststellen.

Die rechtserhaltende Benutzung der 1981 eingetragenen Marke ist nach "§ 43 Abs 1 und 26 MarkenG", mithin undifferenziert bestritten worden. Damit oblag es der Widersprechenden, Unterlagen einzureichen, die eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke für die beiden Zeiträume nach § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG glaubhaft machen.

1. Zwar ist diese Obliegenheit möglicherweise für die mit der Produktion und Sendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen der Widerspruchsmarke ("Rundfunk- und Fernsehwerbung; Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk sowie durch ähnliche technische Einrichtungen; Produktion von Rundfunk- und Fernsehsendungen bildender, unterrichtender und unterhaltender Art, Produktion von Rundfunk- und Fernsehwerbesendungen, Film-, Ton- und Fernsehproduktion") oder einzelne von ihnen durch ein späteres stillschweigendes Fallenlassen der Nichtbenutzungseinrede entfallen. Denn die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich auf die ihr zugestellten Benutzungsunterlagen nicht mehr ausdrücklich zur Frage einer ausreichenden Glaubhaftmachung geäußert. Sie hat nur kritisch angemerkt, dass bestimmte eingereichte Druckerzeugnisse vom Verkehr eher als Hinweis auf die Verantwortlichkeit für die Ausstrahlung der Sendung "ARD-Ratgeber Recht" verstanden würden, womit sie offenbar die Verwertbarkeit der eingereichten Glaubhaftmachungsmittel für die rechtserhaltende Benutzung der mit Druckereierzeugnissen in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen ("Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen") in Frage stellen wollte.

Ob darin zugleich ein stillschweigendes Fallenlassen der Nichtbenutzungseinrede für die og, zum Bereich der Rundfunkproduktion- und -sendungen gehörenden Dienstleistungen zu sehen ist, kann hier jedoch ebenso offen bleiben, wie die Frage, ob für diese Dienstleistungen (ausnahmsweise) eine Offenkundigkeit der Benutzung zugrunde gelegt werden kann (§ 291 ZPO, vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 43, Rdn 65), da sich die seit Jahrzehnten andauernde Produktion und Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen durch den WDR als einem der großen öffentlichrechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender für praktisch jeden Verkehrsteilnehmer schon durch den alltäglichen Fernseh-, z T auch Radiokonsum einschließlich der dabei stattfindenden Prüfung von Programmalternativen durch Umschalten ("Zappen") oder der Einsichtnahme in Programmzeitschriften zwangsläufig ergeben muss. Möglicherweise hat die Markeninhaberin aus diesem Grund trotz erheblicher Mängel der Glaubhaftmachungsunterlagen auch keine Stellungnahme zur rechtserhaltenden Benutzung dieser Dienstleistungen abgegeben.

Jedenfalls kann auch eine, wie auch immer festgestellte, rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für ihre og Fernseh- und Rundfunkproduktions- und -sendedienstleistungen nicht zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führen, da diese Dienstleistungen nicht mit den streitgegenständlichen Dienstleistungen der jüngeren Marke ähnlich sind.

So ist es nicht erkennbar, welche wirtschaftlichen Berührungspunkte etwa mit "Versicherungswesen" bestehen sollen: Die Erbringer der beiderseitigen Dienstleistungen sind verschieden (Versicherungsunternehmen gegenüber Rundfunkanstalten und privaten Rundfunksendern). Auch der Verwendungszweck ist verschieden (finanzielle Schadensabsicherung gegenüber Information und Unterhaltung). Aufgrund ihres völlig unterschiedlichen Verwendungszwecks können die beiderseitigen Dienstleistungen auch nicht miteinander konkurrieren, also alternativ zueinander in Anspruch genommen werden. Ebenso sind die Vertriebswege verschieden (Vertrieb über Vertreter oder als Direktversicherung gegenüber Dauersendung durch elektromagnetische Signale unter öffentlichrechtlicher Gebühreineintreibung oder Finanzierung durch Werbung).

Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass die Dienstleistungen sich funktionell ergänzen. Dabei ist es unerheblich, worauf allerdings die Widersprechende abstellen will, dass innerhalb der Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen Informationen journalistisch recherchiert, aufbereitet und gesendet werden, die insbesondere für Verbraucher als Versicherungsnehmer von Bedeutung sein können, etwa in Form der Ratgebersendungen. Denn ebenso wenig wie die Herausgabe einer Tageszeitung mit den Gegenständen ähnlich sein kann, über die berichtet wird (also mit praktisch Allem), kann Versicherungswesen als möglicher Gegenstand von Rundfunkberichterstattung mit Rundfunkdienstleistungen ähnlich sein. Vielmehr ist Versicherungswesen insoweit nur der reine Themengegenstand, der von Redakteuren recherchiert, aufbereitet und verbreitet wird. Irgendeine Ähnlichkeit im Sinne des Markenrechts kann damit nicht verbunden sein. Andernfalls wäre nicht nur die für die Widersprechende ebenfalls eingetragene "Rundfunk- und Fernsehwerbung" (ihre rechtserhaltende Benutzung ebenfalls unterstellt) mit den Waren oder Dienstleistungen (zB Versicherungen) ähnlich, für die geworben wird, also mit jeder bewerbbaren anderen Ware oder Dienstleistung, sondern die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen wäre uferlos bei allen Dienstleistungen zu bejahen, die irgendeine andere Ware oder Dienstleistung zum Gegenstand haben können. Dies würde zu einer völligen Entwertung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit als eigenständiger Faktor der Verwechslungsgefahr führen, was auch wegen der erforderlichen Abgrenzung zwischen den Tatbeständen des § 9 Abs 1 Nr 2 und 3 Markengesetz erkennbar nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen kann. Eine auch nur geringe, rechtlich erhebliche Dienstleistungsähnlichkeit scheidet damit aus.

Dies gilt auch für die weiteren streitgegenständlichen Dienstleistungen "Finanzwesen" und "Geldgeschäfte" der jüngeren Marke. Denn auch sie können allenfalls als thematischer Gegenstand von Rundfunkberichterstattung oder Rundfunkwerbung Berührungspunkte mit Rundfunk- und Fernsehproduktions- und -sendedienstleistungen aufweisen.

2. Die weiteren Dienstleistungen der Widerspruchsmarke, insbesondere "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen", für die im Hinblick auf die in Richter/Stoppel, 13. Aufl., S 359 li Sp, S 375 li Sp zitierte Entscheidung der 1. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts vom 25. April 2001 (R 518/2000-1) eine Dienstleistungsähnlichkeit in Betracht kommt, können hingegen mangels Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung nach § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG nicht berücksichtigt werden. Für diese Dienstleistungen liegt angesichts der og Gegenäußerung der Markeninhaberin ein stillschweigendes Fallenlassen der Nichtbenutzungseinrede ersichtlich nicht vor. Ebenso wenig hat der Senat Anlass, hierfür eine Offenkundigkeit der Benutzung zu erwägen, da keine Anhaltspunkte für eine allgemeine Bekanntheit der Kennzeichnung "WDR" für "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen" ersichtlich sind. Die Widersprechende hätte daher Unterlagen vorlegen müssen, aus denen sich nach Art, Umfang und Dauer eine ernsthafte Benutzung ihrer Marke iSd § 26 MarkenG für beide Zeiträume des § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG ergibt.

Es fehlt jedoch schon an der Darlegung einer funktionsgemäßen Art der Benutzung. Die vorgelegten drei Bücher aus der "ARD-Ratgeber Recht" - Reihe (laut Copyright - Vermerk aus den Jahren 2000 und 2002, damit teilweise in beide Nachweiszeiträume fallend) weisen auf der Titelseite nicht die Widerspruchsmarke "WDR" auf, sondern tragen neben ihren Buchtiteln ("Vorsorge fürs Alter", "Krankenversicherung", "Versicherungsvertrag") die Wort-/Bild-Kennzeichnungen "dtv - nomos", "VERBRAUCHER ZENTRALE"; "ARD-Ratgeber Recht" und "ARD-1 - Das Erste". Dies gilt fast identisch für die beiden anderen äußeren Deckelteile (Seite und Rückseite) der Bücher. Erst auf der zweiten (Papier-)Seite befinden sich jeweils die Logos der Sendeanstalten WDR und SWR. Eine solche verdeckte Kennzeichnung, die sich erst beim "Öffnen" eines Buches zeigt, ist nicht funktionsgemäß. Dies gilt erst recht, soweit sich die Marke erst beim Lesen, also bei der Benutzung des Buches zeigen würde, etwa durch Verweise auf den WDR oder die WDR-Redaktion im Vorwort oder im laufenden Text (was hier noch nicht einmal der Fall ist, vgl jeweils unter dem Vorwort: "Redaktion ARD-Ratgeber Recht"). Zwar geht es hier nicht um die rechtserhaltende Benutzung der Ware "Bücher", sondern der Dienstleitung "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen". Es ist jedoch verkehrsüblich und wirtschaftlich angebracht, dass der Herausgeber die von ihm veröffentlichten Druckereierzeugnisse, jedenfalls sofern es sich um Bücher handelt, mit seiner Kennzeichnung auf dem Buchtitel versieht. Damit liegt keine den Erfordernissen des § 26 MarkenG entsprechende funktionsgemäße Art der Benutzung als Marke vor.

Soweit die Widersprechende mit Schriftsatz vom 24. März 2004 ergänzend einen Ausdruck eines "marktjournal-Newsletters" vorgelegt hat, ist auch diese Glaubhaftmachungsunterlage aus mehreren Gründen unbehelflich:

Zunächst datiert der Newsletter vom 15. März 2004 und könnte damit nur noch für den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG berücksichtigt werden. Außerdem wird er nach dem Vortrag der Widersprechenden als E-Mail verschickt und stellt damit gerade kein Druckereierzeugnis dar. Eine Erweiterung des 1981 eingetragenen Dienstleistungsbegriffs "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen" unter Berücksichtigung der technischen Fortentwicklung auf die elektronische Herausgabe bzw. Verbreitung virtueller und selbst ausdruckbarer "Druckschriften" erscheint äußerst fragwürdig, da solche Dokumente sprachlichbegrifflich gerade nicht unter das im eingetragenen Dienstleistungsbegriff enthaltene Wort "Druckereierzeugnisse" subsumiert werden können. Letztlich kann aber auch dies dahinstehen. Denn wie sich eindeutig aus dem weiter von der Widersprechenden vorgelegten Ausdruck der Internetseite http://www.wdr.de/tv/-markt/service/marktjournal.phtml vom 17. März 2004 ergibt, ist der Newsletter "kostenlos" und kann damit keine Erbringung einer Dienstleistung im geschäftlichen Verkehr darstellen.

Im übrigen liegen auch keinerlei Glaubhaftmachungsmittel vor, aus denen eine ausreichende Benutzungsdauer und ein ausreichender Umfang der Benutzung der Widerspruchsmarke für die Dienstleistung "Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen", gleich um welche Art von Druckerzeugnis es dabei gehen soll, hervorgeht. Damit ist die rechtserhaltende Benutzung für diese Dienstleistungen nicht glaubhaft gemacht worden.

Daher kann es auch offen bleiben, ob der Senat der Auffassung der in Richter/Stoppel, aaO, zitierten Entscheidung der 1. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts folgen würde, die eine Ähnlichkeit von "printed matter" mit dem Gesamtdienstleistungsbegriff "insurance and financial services" angenommen hat, wobei sie auf die Ausgabe von Kreditkarten und sonstigen Zahlkarten (payment cards) sowie (Finanz-)Nachrichten (news) und Geschäfts- bzw. Wirtschaftsberichten (public reports) durch Finanzinstitute abgestellt hat. Es sei jedoch angemerkt, dass bestimmte Punkte dieser Entscheidung überdenkenswert erscheinen. So ist es vor allem zweifelhaft, ob sich die von der Beschwerdekammer festgestellten Verhältnisse auch auf den Begriff "Versicherungswesen" erstrecken können, der hier für die Markeninhaberin als eigenständiger Dienstleistungsbegriff eingetragen ist. Dabei wird etwa die bloße Mit-Herausgabe von Kreditkarten durch Versicherungsunternehmen, die heutzutage von vielen Unternehmen unterschiedlichster Branchen erbracht wird (zB Automobilhersteller, Automobilclubs, Reiseunternehmen, Handelsketten), kaum berücksichtigt werden können. Auch die Ausgabe von Krankenversicherungskarten oder Informationsschriften zur Krankheitsvorsorge ist nur eine unselbständige Nebenleistung von Versicherungsdienstleistungen. Zudem erscheint es zweifelhaft, ob die Ausgabe von Kreditkarten oder sonstigen Bargeld ersetzenden Karten überhaupt als Herausgabe von Druckereierzeugnissen zu qualifizieren ist und nicht etwa reines Finanzwesen darstellt. Zwar werden solche Plastikarten von spezialisierten Druckereien hergestellt und dürften damit Druckereierzeugnisse sein, bei der Ausgabe von Kredit- und sonstigen Zahlkarten steht jedoch ein Finanzvertrag zwischen einem als solvent eingestuften Kunden und dem ausgebenden Kreditinstitut als wesentliches Element einer laufenden Geschäftsbeziehung im Vordergrund, während die Plastikkarte als solche keinen nennenswerten wirtschaftlichen Wert aufweist. Im Unterschied dazu ist die Herausgabe von Druckereierzeugnissen hingegen eine typische Verbreitungsdienstleistung der Klasse 41, die von jedem Verkehrsteilnehmer in Anspruch genommen werden kann, der bereit ist, den Kaufpreis für das Druckwerk zu entrichten. Diese Überlegungen würden hier gegen eine Dienstleistungsähnlichkeit, auch hinsichtlich der Dienstleistung "Finanzwesen" und "Geldgeschäfte" sprechen, was aber keiner abschließenden Entscheidung bedarf.

Auch für ihre übrigen Dienstleistungen ("Veranstaltung von Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, Veranstaltung von Wettbewerben im Bildungs-, ... -bereich; rundfunktechnische Beratung") hat die Widersprechende keinerlei Glaubhaftmachungsunterlagen vorgelegt, so dass auch diese Dienstleistungen nach § 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG nicht berücksichtigt werden können.

Der Widerspruch ist damit insgesamt nicht begründet, so dass der Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke stattzugeben war.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 25.10.2005
Az: 33 W (pat) 263/03


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