Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Dezember 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 54/05

(BPatG: Beschluss v. 19.12.2007, Az.: 29 W (pat) 54/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 398 74 733 eVITA für die - nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der mündlichen Verhandlung noch eingetragenen - Waren und Dienstleistungen der Klassen 09, 41 und 42 Verkaufsautomaten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung;

wurde Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 398 35 876.1 Avitaeingetragen für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 09, 21, 35, 41 und 42 Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Verkaufsautomaten; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas, Glaswaren, Porzellan und Steingut (soweit in Klasse 21 enthalten); Unternehmensberatung, Unternehmensverwaltung; Durchführung von Schulungen, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten; Einstellung von Webseiten ins Internet für Dritte, nämlich Gestaltung und Ablage im Internet (Webpublishing); Dienstleistungen eines Netzwerkbetreibers, Informationsmaklers und Providers, nämlich Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datennetzen und Computerbanken im Internet und Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte (Webhosting); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, ausgenommen 32-bit-Terminal-Emulationssoftware für den Zugang zu Hostanwendungen von einem PC aus; EDV-Programme (soweit in Klasse 9 enthalten), ausgenommen 32-bit-Terminal-Emulationssoftware für den Zugang zu Hostanwendungen von einem PC aus;

wobei sich der Widerspruch gegen alle Waren und Dienstleistungen richtet, allerdings nur auf die Waren "Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Verkaufsautomaten; EDV-Programme (soweit in Klasse 9 enthalten)" und die Dienstleistungen "Durchführung von Schulungen; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der Widerspruchsmarke gestützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit Erstbeschluss vom 30. Juni 2002 und die dagegen gerichtete Erinnerung mit Beschluss vom 4. März 2005 zurückgewiesen. Trotz teilweise identischer und eng ähnlicher Waren und Dienstleistungen bestehe keine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken. Die Anfangsvokale "a" und "e" begründeten vor dem gemeinsamen schwach kennzeichnungskräftigen Wortelement "vita" einen in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht ausreichenden Abstand. Bezögen sich die Gemeinsamkeiten der zu vergleichenden Zeichen auf kennzeichnungsschwache Elemente, richte sich die Aufmerksamkeit des Verkehrs verstärkt auf die übrigen Zeichenteile. Der Begriff "vita" weise als allgemein verständlicher Hinweis auf "Leben" eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Zudem erinnere die jüngere Marke an den geläufigen spanischen Vornamen "Evita", was die Abweichungen in den Marken noch verstärke. Eine Verwechslungsgefahr sei daher ausgeschlossen.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 15. April 2005. Zutreffend habe die Markenstelle zwar Identität und hochgradige Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen angenommen. Irrig habe sie allerdings nicht auf den Gesamteindruck der Vergleichsmarken abgestellt, sondern diese unzutreffend in einzelne Bestandteile aufgegliedert. Es handle sich im Vergleichsfall um zwei Einwortmarken, die man grundsätzlich nicht in Einzelteile aufspalten könne. Vergleiche man die Gesamtmarken, seien diese schon klanglich verwechselbar, da sie über dieselbe Anzahl an Buchstaben, vier davon in identischer Reihenfolge, den gleichen Sprachklang und -rhythmus, dieselbe Betonung und jeweils einen Vokal als Anfangsbuchstaben verfügten. Die alleinige Abweichung im Wortanfang könne eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen. Auch optisch bestehe eine hohe Ähnlichkeit, wenn man eine andere für Wortmarken zulässige Schreibweise wähle. Begrifflich komme keiner der Vergleichsmarken ein besonderer, eine Verwechslungsgefahr ausschließender, Bedeutungsgehalt zu. "Evita" als spanischer Vorname sei dem deutschen Durchschnittsverbraucher nicht bekannt. Die Marken seien daher zu verwechseln.

Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle vom 30. Juni 2002 und 4. März 2005 aufzuheben und die Löschung der Marke 398 74 733 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die zutreffenden Erwägungen der Markenstelle. Im Verzeichnis befänden sich neben eng ähnlichen auch glatt unähnliche Waren und Dienstleistungen, so dass aus diesem Grund eine Löschung schon nicht in Betracht komme. Selbst bei einer Identität der Waren fehle es allerdings an einer Ähnlichkeit der Zeichen. So sei der Wortbestandteil "-vita" kennzeichnungsunfähig und zugleich der Mädchenname "Evita" als solcher für den Verkehr verständlich. Die Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke einerseits und die erkennbare Begrifflichkeit der jüngeren Marke andererseits würden daher einer phonetischen, optischen und begrifflichen Ähnlichkeit entgegenstehen. Die geringe Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils "-vita" folge weniger aus der Wortbedeutung als vielmehr aus seiner zahllosen Verwendung. Es gebe über 1000 Marken, die mit diesem Bestandteil gebildet seien. Schon die bloße Zahl dieser Eintragungen, unabhängig für welche Waren und Dienstleistungen, schwäche die Kennzeichnungskraft derartig gebildeter Marken. Der Name "Evita" sei bekannt, selbst wenn er nicht mit der gleichnamigen argentinischen Politikerin Evita Peron verbunden werde, so doch mit dem populären Musical über deren Leben.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2007 hat die Beschwerdegegnerin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ihrer Marke auf die Waren und Dienstleistungen "Verkaufsautomaten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" eingeschränkt.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Unter Berücksichtigung und Abwägung aller zueinander in Beziehung zu setzenden Faktoren besteht für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen i. S. v. § 9 Abs. 1 S. 2 MarkenG.

1. Verwechslungsgefahr besteht dann, wenn von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und von der Identität und Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren bzw. Dienstleistungen andrerseits auszugehen ist. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke (st. Rsp.; EuGH GRUR 2006, 413 ff. - Rn. 17 - ZIRH/SIR; GRUR 2006, 237 ff. - Rn. 18 - Picaro/Picasso; GRUR 1998, 387 - Rn. 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2006, 60 ff. - Rn. 12 - coccodrillo; GRUR 2006, 859 ff. - Rn. 16 - Malteserkreuz; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling).

1. 1. Für den Vergleich der jeweiligen Waren und Dienstleistungen ist vorliegend von der Registerlage auszugehen, da die Einrede der Nichtbenutzung durch die Markeninhaberin nicht erhoben wurde.

Da die Widersprechende ihren Widerspruch lediglich auf die Waren und Dienstleistungen "Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Verkaufsautomaten; EDV-Programme (soweit in Klasse 9 enthalten); Durchführung von Schulungen; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" gestützt hat, liegt Identität zu den nach der Beschränkung des Verzeichnisses noch eingetragenen Waren und Dienstleistungen "Verkaufsautomaten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Unterhaltung; Ausbildung; kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der jüngeren Marke vor.

1. 2. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich.

Sie ist grundsätzlich für jedes Zeichen produkt- bzw. dienstleistungsbezogen festzustellen, da sie je nach Ware oder Dienstleistung für die das Zeichen eingetragen ist, unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Vorliegend handelt es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Einwortmarke, die nicht in ihre einzelnen Bestandteile aufgespalten wird. Selbst wenn man den Bestandteil "-vita" in der älteren Marke erkennen sollte, ist dieser für die Waren und Dienstleistungen, auf die der Widerspruch gestützt ist, nicht kennzeichnungsschwach. "Vita" als Fremdwort in der deutschen Sprache bedeutet "Lebensbeschreibung [antiker u. mittelalterlicher Persönlichkeiten u. Heiliger]; Leben[slauf] eines Menschen; (Med.) Lebensfunktion, Lebenskraft" (Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM]). Einen beschreibenden Anklang hat es für die Waren und Dienstleistungen "Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Verkaufsautomaten; EDV-Programme (soweit in Klasse 9 enthalten); Durchführung von Schulungen; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" nicht. Waren und Dienstleistungen werden durch den auf Personen bezogenen Begriff "Vita" ohnehin nicht beschrieben. Im Übrigen rechtfertigt selbst die durch häufige Verwendung bedingte Kennzeichnungsschwäche eines Markenbestandteils nicht die Annahme, die Gesamtmarke sei deshalb von geringer Kennzeichnungskraft (Hacker in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 9 Rn. 200). Mit dem vorangestellten "A-" handelt es sich bei der Widerspruchsmarke um ein Phantasiewort ohne begriffliche Bedeutung, das durchschnittlich kennzeichnungskräftig ist.

1. 3. Unter Berücksichtigung der Identität der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand ein. Regelmäßig ist nämlich die Markenähnlichkeit anhand des Gesamteindrucks nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 414 - Rn. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, 1044 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843 - Rn. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder).

1. 3. 1. Die Vergleichszeichen sind nicht unmittelbar verwechselbar, da sie dem Durchschnittsverbraucher jeweils klanglich, begrifflich und schriftbildlich einen anderen Gesamteindruck vermitteln. Es ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr in phonetischer Hinsicht regelmäßig dem Wortanfang eine gesteigerte Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH GRUR 2002, 1067, 1070 - DKV/OKV). Bei akustischen Unterschieden zwischen den Wortanfängen, insbesondere wenn die Betonung am Wortanfang liegt, achtet der Verbraucher deutlich stärker auf eine Abweichung als z. B. am Wortende und wird sich schon deshalb nicht verhören. Vorliegend ist den Zeichen zwar die Silbe "-vita" gemeinsam, sie beginnen allerdings jeweils mit anderen unterschiedlichen klangstarken Vokalen. Die Artikulation der Vokale "a" bzw. "e" am Wortanfang, die nicht klangverwandt sind, führt zu einer anderen Klanghöhe des Gesamtwortes, die trotz der sonstigen Übereinstimmungen eine Verwechslungsgefahr ausschließen.

Bei Teilen des Verkehrs kommt hinzu, dass die Gefahr klanglicher Verwechslungen ausscheidet, da mit dem jüngeren Zeichen ein begrifflicher Inhalt verbunden werden wird (EuGH GRUR 2006, 413 ff. - ZIRH/SIR; BGH GRUR 1992, 130 - Bally/BALL). Diese werden das angegriffene Zeichen - unabhängig von den Waren und Dienstleistungen - assoziativ mit dem Vornamen "Evita" in Verbindung bringen, der aufgrund des Musicals von Andrew Lloyd Webber, das seit 1978 ein überragender Erfolg war, auch in Deutschland geläufig ist. Durch die Verfilmung des Musicals im Jahr 1996 mit der amerikanischen Sängerin Madonna in der Titelrolle der "Evita" erfuhr das Stück in weiten Bevölkerungsteilen eine zusätzliche Bekanntheit.

Schriftbildlich unterscheiden sich die Zeichen in jedweder Schreibweise ebenfalls durch die unterschiedlichen Anfangsbuchstaben.

1. 3. 2. Für die Gefahr einer mittelbaren Verwechslung der Marken gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Unter Abwägung der einzelnen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr begründenden Faktoren ergibt sich daher, dass diese trotz der Waren- und Dienstleistungsidentität und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund eines ausreichenden Zeichenabstands zu verneinen war.

2. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG).

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Ko






BPatG:
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Az: 29 W (pat) 54/05


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