Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 46/03

(BPatG: Beschluss v. 09.07.2004, Az.: 14 W (pat) 46/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache - unter Zugrundelegung des in der mündlichen Verhandlung überreichten einzigen Patentanspruchs - zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Die Anmelderin reichte am 11. Dezember 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Gaserzeugendes Cellulosenitratmaterialfür eine Fahrzeuginsassenschutzvorrichtung"

ein, die am 14. August 2002 in Form einer Offenlegungsschrift veröffentlicht wurde.

Mit Amtsbescheid vom 14. Januar 2003 hat die Prüfungsstelle für Klasse C06D mitgeteilt, dass der Gegenstand des seinerzeit geltenden Anspruchs 1 in Kenntnis der Druckschriften 1. Rudolf Meyer, Explosivstoffe, 6. Auflage, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim, 1985, S 6, 61 bis 63, 253, 281 2. DE 695 03 253 T2 3. DE 43 17 727 C2 4. DE 29 21 212 C2 5. DE 36 10 424 C1 6. Patent Abstracts of Japan 07318300 A 7. DE 198 52 318 A1 8. DE 38 16 797 A1 keine Merkmale aufweise, die Neuheit bzw erfinderische Tätigkeit erkennen ließen. Unabhängig davon handele es sich bei den im ursprünglichen Anspruch 1 genannten Stabilisatoren nicht um Harnstoffe von aromatischen Aminen.

Nachdem innerhalb der gewährten Frist von vier Monaten keine Äußerung der Anmelderin zur Akte gelangt war, hat die Prüfungsstelle für Klasse C06D des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung aus den Gründen des genannten Amtsbescheides mit Beschluss vom 17. Juni 2003 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie verfolgt ihr Patentbegehren auf der Grundlage des einzigen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2004 überreichten Patentanspruchs weiter.

Der Patentanspruch lautet:

"Eine Fahrzeuginsassenschutzeinrichtung (10) mit einer aufblasbaren Fahrzeuginsassenschutzeinrichtung (14) und einer Aufblasvorrichtung (12), die zum Aufblasen der Fahrzeuginsassenschutzeinrichtung (14) dient, wobei die Aufblasvorrichtung (12) einen Basisabschnitt (22) und einen Diffusorabschnitt (24) aufweist, einen Verbrennungsbecher (32) zwischen dem Diffusorabschnitt (24) und dem Basisabschnitt (22) angeordnet ist und die Aufblasvorrichtung (10) in eine innerhalb des Verbrennungsbechers (32) gelegene Verbrennungskammer (40) und eine außerhalb des Verbrennungsbechers (32) gelegene Filterkammer (44) teilt, wobeidie Verbrennungskammer (40) einen gaserzeugendes Material (18) in der Form einer Vielzahl von gaserzeugenden Scheiben (54) aufweist, welche eine Zündungskammer (42) umgeben, die durch ein zweiteiliges, rohrförmiges Zylindergehäuse (59) definiert ist, das in den Verbrennungsbecher (32) und die Scheiben (54) passt und einen eine kleine Ladung zündbaren Material enthaltenden Zünder (60) enthält, wobei fernerdas die Scheiben (54) bildende gaserzeugende Material eine einbasige Zusammensetzung ist, welche einen Stabilisator mit mehr als 2 Gewichtsprozent der einbasigen Zusammensetzung, ausgewählt aus Ethyl-Centralit, 1,1-Diphenylharnstof, 1,1-Diphenyl-3-Methylharnstoff und Mischungen daraus aufweist."

Die Anmelderin trägt vor, dass sie noch keine Gelegenheit zu einer sachlichen Stellungnahme zum Prüfungsbescheid gehabt habe. Die nunmehr beanspruchte, beschränkte Vorrichtung sei noch nicht geprüft.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden Patentbegehrens auch begründet. Sie führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

Bezüglich der ursprünglichen Offenbarung des geänderten Patentbegehrens bestehen keine Bedenken (S 8 Z 25 bis 29, S 9 Z 4 bis 15, S 9 Z 27 bis 32 der Übersetzung der ursprünglich eingereichten Beschreibung iVm den ursprünglichen Ansprüchen 1 u 2).

Die von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung eingereichte Fassung des einzigen Anspruches kann somit (unter Eliminierung sprachlicher Unzulänglichkeiten) als geeignete Grundlage für den Fortgang des Verfahrens dienen.

Das Patentbegehren hat allerdings im Beschwerdeverfahren durch den Einbezug weiterer konstruktiver Merkmale der Fahrzeuginsassenschutzvorrichtung eine wesentliche Änderung erfahren:

Nach bisheriger Aufgabe und Lösung war es Ziel der Anmeldung, Cellulosenitrat, welches sich mit der Zeit zersetzt, durch den Einsatz eines Stabilisators haltbarer zu machen. Dadurch sollte die einbasige Zusammensetzung für die Verwendung als gaserzeugendes Mittel in einer Fahrzeuginsassenschutzeinrichtung dahingehend verbessert werden, dass ihre Zersetzung verzögert wird, selbst wenn sie Temperaturen über 65¡C ausgesetzt wird (S 2 Abs 2 iVm 4 Abs 4).

Die Fahrzeuginsassenschutzvorrichtung selbst war in den zuvor geltenden Patentansprüchen durch bauliche Details nicht näher beschrieben, weshalb für die Prüfungsstelle auch keine Veranlassung bestand, diese bei ihrer Recherche zu berücksichtigen. Durch die Aufnahme von Merkmalen der Fahrzeuginsassenschutzvorrichtung ausschließlich aus der Beschreibung hat der Anmeldungsgegenstand jedoch einen anderen Schwerpunkt erhalten.

Er bedarf nach Auffassung des Senates einer Prüfung, welche die Prüfungsstelle schon im Hinblick auf eine eventuelle Nachrecherche besser durchführen kann als das Bundespatentgericht. Denn die bisher ins Verfahren eingeführten Druckschriften ermöglichen noch keine abschließende Beurteilung des Vorbringens der Anmelderin, weil sie sich, wie ausgeführt, vorrangig mit der Zusammensetzung des gaserzeugenden Materials ua für eine Fahrzeuginsassenschutzvorrichtung befassen.

Nach Auffassung des Senats kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass unter Berücksichtigung der nunmehr durch weitere gegenständliche, nicht chemische Aspekte betreffende Merkmale gekennzeichneten Fahrzeuginsassenschutzvorrichtung die Patentfähigkeit der Vorrichtung zuzuerkennen sein wird.

Dabei wird die zuständige Prüfungsstelle zu berücksichtigen haben, dass das Merkmal, wonach das gaserzeugende Material eine einbasige Zusammensetzung ist, welche einen Stabilisator mit mehr als 2 Gewichtsprozent der einbasigen Zusammensetzung, ausgewählt aus Ethyl-Centralit, 1,1-Diphenylharnstoff, 1,1-Diphenyl-3-Methylharnstoff und Mischungen daraus aufweist, die erfinderische Tätigkeit nach Überzeugung des Senates hätte nicht stützen können. Denn in der zur Druckschrift (3) korrespondierenden Offenlegungsschrift DE 43 17 727 A1, welche abweichend von (3) vorveröffentlicht ist, sind sowohl einbasige wie zweibasige Treibpulver für Fahrzeuginsassenschutzvorrichtungen beschrieben (Sp 3 Z 34 bis 45). Asymmetrisches Carbanilid (=1,1-Diphenylharnstoff) wird zwar wörtlich genommen als Stabilisator für ein zweibasiges Treibpulver eingesetzt (Ansp 14), doch liest der Fachmann -hier ein Diplomchemiker, der mit der Zusammensetzung von Treibpulvern befasst und vertraut ist- mit, dass dieser Stabilisator auch in einbasigen Treibpulvern verwendet wird (Sp 5 Z 23 bis 32, vgl auch (4) Ansp 1 iVm S 2 Z 44 bis 47). Die fehlenden Angaben zur Konzentration des Stabilisators kann der Fachmann ausgehend von diesem Stand der Technik und im Bemühen die gestellte Aufgabe, ie die Zersetzung von Cellulosenitrat durch geeignete Stabilisatoren in geeigneter Menge zu begrenzen, zu lösen, anhand weniger Routineversuche ermitteln.

Bei dieser Sachlage erscheint es sachgerechter, mit der Durchführung des weiteren Verfahrens die zuständige Prüfungsstelle zu betrauen. Daher war dem Antrag der Anmelderin zu folgen und die Sache - auch zur Vermeidung eines Instanzverlustes - ohne eigene Sachentscheidung gemäß PatG § 79 Abs 3 Satz 1 Nr 1 u 3 zur weiteren Behandlung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (Schulte PatG 6. Aufl § 79, Rdn 14,15,17,19 bis 21, 24 bis 26).

Schröder Wagner Harrer Schuster Na






BPatG:
Beschluss v. 09.07.2004
Az: 14 W (pat) 46/03


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