Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. April 2007
Aktenzeichen: 32 W (pat) 1/06

(BPatG: Beschluss v. 18.04.2007, Az.: 32 W (pat) 1/06)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2004 und vom 25. Oktober 2005 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke IR 582 054 zurückgewiesen worden ist.

Die Marke 302 12 775 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke IR 582 054 im Umfang der Waren "Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Duftwasser, Kosmetika, Parfüms, Seifen, Toilettenmittel (Körperpflege)" gelöscht.

2. Der Antrag der Markeninhaberin, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 12. März 2002 angemeldete Wortmarke ANIMA ist am 26. April 2002 unter der Nr. 302 12 775 für folgende Waren und Dienstleistungen in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen worden:

"03: Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Duftwasser, Kosmetika, Parfüms, Seifen, Toilettenmittel (Körperpflege);

30: Schokolade;

41: Dienstleistungen eines Verlages, ausgenommen Druckarbeiten".

Die Veröffentlichung erfolgte am 31. Mai 2002.

Widerspruch erhoben ist u. a. aus der nach dem Madrider Markenabkommen (MMA) international registrierten Marke 582 054 ANIMATIC die in Deutschland für folgende Waren Schutz genießt:

3 Parfumerie, savons, cosmetiques, huiles essentielles, produite chimiques (non medicamenteux) et preparations naturelles pour le maquillage, dentifrices, teintures, colorans, nuanceurs et lotions pour cheveux et barbes, produits pour la decoloration des cheveux, shampooings, preparations pour les soins, la beaute et l'entretien de la chevelure, preparations pour l'ondulation et la mise en plis des cheveux, deodorants corporels, preparations pour blanchir, lessiver, nettoyer, polir, degraisser et abraser.

Der Widerspruch richtet sich nur gegen die für die jüngere Marke in Klasse 3 registrierten Waren.

Seitens der Markenstelle für Klasse 30 ist der Widerspruch in einem ersten Beschluss vom 25. Mai 2004 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden. Die jeweiligen Markenwörter seien sich in Anbetracht der Unterschiede in Wortlänge und Silbenzahl weder schriftbildlich noch klanglich ähnlich. Es bestehe auch nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht würden.

Die Widersprechende hat Erinnerung eingelegt, der (damalige) Markeninhaber deren kostenpflichtige Zurückweisung beantragt und in einem beim Deutschen Patent- und Markenamt am 6. September 2004 eingegangenen Schriftsatz die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke bezüglich "Parfümeriewaren, Seifen, Kosmetika" erhoben. Zur Glaubhaftmachung einer Benutzung ihrer IR-Marke für Haarpflegemittel in den Jahren 1997 bis 2003 hat die Widersprechende die eidesstattliche Versicherung eines Marketingleiters vom 27. Januar 2005 nebst ergänzenden Unterlagen (u. a. Werbeprospekte und Rechnungen) vorgelegt. Der Markeninhaber hat daraufhin erklärt, die Nichtbenutzungseinrede werde aufrecht erhalten, mit Ausnahme von "Haarparfümeriewaren" und "Haarkosmetik".

Die mit einer Regierungsangestellten im höheren Dienst besetzte Markenstelle hat die Erinnerung der Widersprechenden durch Beschluss vom 25. Oktober 2005 zurückgewiesen. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheide wegen der Abweichungen beider Marken im Schriftbild und im Klang aus. Der Buchstabenfolge "ANIMA-" komme in der Widerspruchsmarke keine prägende Bedeutung zu. "ANIMATIC" erscheine breiten Verkehrskreisen als Phantasiebegriff, dem kein konkreter Bedeutungsinhalt zugeordnet werden könne. Mithin liege eine Verkürzung dieses Wortes nicht nahe. Auf die Frage einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke komme es nicht an. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen sei nicht geboten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Zur Begründung trägt sie vor, an den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken seien strengste Anforderungen zu stellen, da die jeweils registrierten Waren identisch seien bzw. im engsten Ähnlichkeitsbereich lägen. Der Grad an Aufmerksamkeit beim Erwerb von Produkten der Körper- und Schönheitspflege, die in weiten Verkehrskreisen alltäglich Verwendung fänden, sei nicht hoch anzusetzen. Die Markenwörter seien sich sowohl klanglich wie schriftbildlich, insbesondere bei Anbringung auf zylindrischen Behältnissen, ähnlich. Zur Annahme einer Verwechslungsgefahr, vor allem aus der undeutlichen Erinnerung heraus, reiche die Übereinstimmung in der dominierenden, weil am Zeichenanfang liegenden Buchstabenfolge "ANIMA" aus. Auch das Deutsche Patent- und Markenamt gehe inzwischen, wie sich aus einem neueren Beschluss vom 21. März 2005 ergebe, zumindest von klanglicher Verwechslungsgefahr der Vergleichszeichen aus. Als ergänzende Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer Benutzung der Widerspruchsmarke in den Jahren 2004 bis 2007 werden Preislisten, Rechnungskopien, Aufstellungen zu Umsatz- und Stückzahlen sowie ein Produktkatalog vorgelegt.

Die Widersprechende beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2004 sowie vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und die Marke 302 12 775 hinsichtlich der Waren "Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Duftwasser, Kosmetika, Parfüms, Seifen, Toilettenmittel (Körperpflege)" aus dem Register zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Widersprechenden aufzuerlegen.

Die maßgeblichen Kundenkreise, an welche sich die unter den Vergleichsmarken vertriebenen Produkte richteten, seien unterschiedlich. Die Waren der Widersprechenden seien, wie sich auch aus den vorgelegten Unterlagen sowie aus ihrer Homepage ergäbe, für den Friseurfachhandel bestimmt, während ihre, der Anmelderin, Erzeugnisse sich an Endverbraucher richteten. In Fachkreisen seien die Anforderungen an die Annahme einer Verwechslungsgefahr höher anzusetzen als bei flüchtiger Aufnahme von Marken durch Endverbraucher. Beide Zeichen seien sich weder schriftbildlich noch klanglich ähnlich, vor allem wegen der nur in der Widerspruchsmarke vorhandenen Endung "-TIC".

Durch Vertrag vom 6. Februar 2006 ist die angegriffene Marke auf die jetzige Markeninhaberin übertragen worden, die in das Verfahren eingetreten ist. Die Umschreibung im Register erfolgte am 10. März 2006.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und in der Sache begründet.

1. Für die Waren und Dienstleistungen in den Klassen 30 und 41 steht die jüngere Marke, da mit dem Widerspruch insoweit nicht angegriffen, außer Streit; diese sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

2. Bezüglich der Waren in Klasse 3 ist die angegriffene Marke zu löschen, da sie - entgegen der Auffassung der Markenstelle - der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr mit der Widerspruchsmarke gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 107, § 116 Abs. 1 MarkenG unterliegt.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den maßgeblichen Faktoren (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 (Nr. 22) - Sabèl/Puma; GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd/Loints; 2000, 899 (Nr. 40) - Marca/Adidas; GRUR 2006, 237 (Nr. 18) - PICASSO; BGH GRUR 2005, 513 - Ella May/MEY; GRUR 2006, 859 - Malteserkreuz), insbesondere der Zeichenähnlichkeit, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der älteren Marke sowie der zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs gegenüber Warenkennzeichnungen.

a) Die Waren in Klasse 3, hinsichtlich derer die jüngere Marke angegriffen wird, sind sämtlich mit den auf Seiten der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG zu berücksichtigenden Waren "Haarparfümeriewaren" und "Haarkosmetik" - insoweit ist die zunächst zulässigerweise erhobene Nichtbenutzungseinrede nach Vorlage von Glaubhaftmachungsunterlagen bereits im patentamtlichen Verfahren nicht aufrechterhalten worden - identisch bzw. ähnlich. Als weite Oberbegriffe umfassen "Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Kosmetika" und "Toilettenmittel (Körperpflege)" auch solche Erzeugnisse, welche speziell für die Haarpflege bestimmt sind. "Duftwasser, Parfüms, Seifen" sind mit Haarparfümeriewaren und Haarkosmetik hinsichtlich Beschaffenheit und Bestimmung sowie unter Berücksichtigung der oftmals gemeinsamen Herstellungsbetriebe und Vertriebswege ohne weiteres in einem nicht unbeträchtlichen Maße ähnlich.

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist angesichts des Umstands, dass "ANIMATIC" ersichtlich ein Phantasiewort darstellt, bereits von Hause aus durchschnittlich. Da die Marke im Inland unstreitig zumindest für Haarpflegeprodukte tatsächlich benutzt wurde und wird, wenngleich nicht in großem Umfang, kommt ihr ein leicht erhöhter Schutzumfang zu.

c) Die sich gegenüberstehenden Zeichen stimmen schriftbildlich insoweit überein, als die jüngere Marke in den ersten drei Silben der Widerspruchsmarke identisch enthalten ist, unterscheiden sich aber durch die Endsilbe "-TIC" der letzteren. Die sich daraus ergebende unterschiedliche Länge der Zeichenwörter (fünf zu acht Buchstaben) ist nicht zu übersehen oder zu überlesen (wobei ausschließlich auf die registrierten Schreibweisen abzustellen ist, nicht aber auf die Lesbarkeit bei einer Anbringung der Marken auf runden oder ovalen Behältnissen). Klanglich tritt zur unterschiedlichen Länge der Markenwörter die völlig abweichende Betonung hinzu. Während "ANIMA" in naheliegender Weise auf dem Eingangs-A betont wird, liegt der Akzent in "ANIMATIC" durchweg auf der vorletzten Silbe "MA". Die Annahme einer unmittelbar begrifflichen Zeichenähnlichkeit scheitert schon daran, dass sich Durchschnittsverbrauchern von Waren der vorliegenden Art im allgemeinen mangels Sprachkenntnissen der Sinngehalt von "ANIMA" (lateinisch = Seele; ebenso im Italienischen und im Spanischen) nicht erschließt, im Übrigen der Verkehr keine linguistischen Überlegungen anstellt. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr, bei der die Unterschiede der Vergleichszeichen völlig unbemerkt blieben, kann daher mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden.

d) Demgegenüber kann die der unmittelbaren Verwechslungsgefahr in § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 MarkenG gleichgestellte Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und unter diesem Gesichtspunkt verwechselt werden, nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden. Bei dieser Form der Verwechslungsgefahr erkennt der Verkehr zwar, dass es sich um zwei unterschiedliche Marken handelt, ordnet diese aber aufgrund von Gemeinsamkeiten in der Markenbildung, etwa der Übereinstimmung in kennzeichnungskräftigen Teilbereichen, irrtümlich ein und demselben Herkunftsbetrieb zu oder schließt auf sonstige Verbindungen zwischen den Herstellern im Sinne einer gemeinsamen Produktverantwortung. Auch für die Feststellung einer solchen Verwechslungsgefahr ist grundsätzlich eine Abwägung der maßgeblichen Faktoren, insbesondere von Warenidentität bzw. -ähnlichkeit, Kennzeichnungskraft der älteren Marke und Markenähnlichkeit erforderlich, wenngleich an letztere hier andere Anforderungen zu stellen sind (vgl. Senatsbeschluss BlPMZ 2005, 321 - Blue Bull/RED BULL).

Zwar ist nach der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma) der Tatbestand der Verwechslung durch gedankliches In-Verbindung-Bringen nicht weit auszulegen. Es genügt nicht jedwede Assoziation, Voraussetzung ist vielmehr stets, dass der Verkehr irrigen Vorstellungen über die betriebliche Herkunft der unterschiedlich gekennzeichneten Waren oder über eine gemeinsame Produktverantwortung der Erzeuger und Anbieter erliegen kann. Davon ist hier jedoch auszugehen.

Diejenigen - mutmaßlich der Zahl nach weit überwiegenden - Verkehrskreise, die dem Wort "ANIMA" in Verbindung mit den konkreten Waren keine inhaltliche Bedeutung beimessen, werden bei einer visuellen Wahrnehmung der Widerspruchsmarke sofort und ohne Schwierigkeiten erkennen, dass "ANIMA" den von der Länge her dominierenden (Eingangs-)Bestandteil von "ANIMATIC" bildet. Anders würde es sich möglicherweise dann verhalten, wenn "ANIMATIC" einen im Bedeutungsgehalt feststehenden Gesamtbegriff verkörpern würde, den aufzuspalten keine Veranlassung bestünde; einen solchen stellt das betreffende Phantasiewort aber gerade nicht dar. Für einen aufmerksamen Betrachter beider Marken, auf den bei der Verwechslungsgefahr durch gedankliches Inverbindungbringen, auch soweit sich - wie hier - zum Teil eher geringwertige Waren gegenüberstehen, vorrangig abzustellen ist (vgl. Blue Bull/RED BULL a. a. O.; GRUR 2006, 868, 871 - go seven; Beschluss vom 28.2.2007, 32 W (pat) 53/05 - LUCKY RINGS/RINGO), liegt deshalb die Annahme nicht fern, die mit "ANIMA" und "ANIMATIC" gekennzeichneten Produkte könnten eine gemeinsame betriebliche Herkunft aufweisen. Da die Prioritätslage in der Regel nicht bekannt sein wird, kann sich sowohl die Vorstellung einstellen, "ANIMA" sei eine Verkürzung von "ANIMATIC", als auch, das etwas "technisch" klingende Wort "ANIMATIC" bezeichne eine weiterentwickelte oder modernisierte Produktlinie des Ausgangserzeugnisses "ANIMA".

Mithin ist die jüngere Marke hinsichtlich der mit den (unstreitig benutzten) Waren der Widerspruchsmarke identischen und ähnlichen Produkte in Klasse 3 zu löschen.

3. Für die seitens der Markeninhaberin beantragte Kostenauferlegung zu Lasten der Widersprechenden (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass. Irgendwelche Billigkeitsgesichtspunkte, die eine Kostenüberbürdung ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem zeigt der Verfahrensausgang, dass die Rechtsverfolgung der Widersprechenden nicht ohne Aussicht auf Erfolg war.






BPatG:
Beschluss v. 18.04.2007
Az: 32 W (pat) 1/06


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