Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Februar 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 429/05

(BPatG: Beschluss v. 23.02.2006, Az.: 5 W (pat) 429/05)

Tenor

1. Die Beschwerde und der Antrag, die Beschwerdegebühr zurückzubezahlen, werden zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I Die Beschwerdeführerin war Inhaberin des am 6. November 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung "Basis für Ringwickelmaschinen" angemeldeten, am 14. März 2002 in das Gebrauchsmusterregister eingetragenen und am 18. April 2002 bekannt gemachten Gebrauchsmusters 201 18 011 (Streitgebrauchsmuster).

Die Beschwerdegegnerin und Löschungsantragstellerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) hat - nach vorheriger vergeblicher Aufforderung der Beschwerdeführerin, auf ihr Gebrauchsmuster zu verzichten - mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2002 Löschungsantrag gestellt. Sie hat ihren Antrag darauf gestützt, dass der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht schutzfähig sei. Die Beschwerdeführerin und Anmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat rechtzeitig widersprochen und ihr Schutzrecht verteidigt. Mit Zwischenbescheid vom 16. Dezember 2003 hat die Gebrauchsmusterabteilung den Beteiligten mitgeteilt, dass der Löschungsantrag voraussichtlich erfolglos bleiben würde. Der geltend gemachte Stand der Technik stehe der Schutzfähigkeit des Gegenstandes des Streitgebrauchsmusters nicht entgegen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin hilfsweise den Antrag gestellt, die anfängliche Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters festzustellen. Es sei eingetragen worden, obwohl wegen der Beanspruchung seiner Priorität für das Gebrauchsmuster 201 20 771 bereits die Rücknahmefiktion eingetreten sei. Die Beschwerdeführerin hat sich auf den Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung nicht eingelassen. Nachdem die Beschwerdegegnerin den Feststellungsantrag schriftlich gestellt hatte, hat die Beschwerdeführerin ausdrücklich erklärt, dass sie diesem Antrag nicht widerspreche. Weiterhin hat sie beantragt, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen, da sie keine Veranlassung gegeben habe, den Feststellungsantrag zu stellen und im Nichtwiderspruch ein sofortiges Anerkenntnis liege. Die Beschwerdegegnerin hat dem Kostenantrag widersprochen. Mit Beschluss vom 21. März 2005 hat die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts entschieden, dass das Streitgebrauchsmuster von Anfang an unwirksam sei und der Beschwerdeführerin die Kosten des Feststellungsverfahrens auferlegt. Die Vorschrift des § 93 ZPO sei nicht anwendbar, denn die Beschwerdeführerin habe dem Feststellungsantrag nicht schon nach einer angemessenen Prüfungsfrist, sondern erst widersprochen, nachdem ihr der Antrag in schriftlicher Form zugegangen sei. Eine frühere Erklärung sei ihr aber möglich gewesen, da sie seit der mündlichen Verhandlung Kenntnis von dem Feststellungsantrag gehabt habe. Eine weitere Verzichtsaufforderung seitens der Beschwerdegegnerin wäre nicht sinnvoll gewesen, da der Feststellungsantrag bereits in der mündlichen Verhandlung gestellt worden sei. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin gewusst, dass es sich bei dem Streitgebrauchsmuster um ein Scheinrecht gehandelt habe, dessen Verteidigung von vorneherein wenig aussichtsreich gewesen sei.

Gegen die Kostenüberbürdung richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin. Sie ist der Auffassung, dass sie nach Zustellung des Feststellungsantrags sofort i. S. v. § 93 ZPO anerkannt habe, da sie nicht widersprochen habe. Dafür, ob ein Anerkenntnis ein sofortiges sei, komme es weder auf den Zeitpunkt der Verzichtsaufforderung noch auf den des Löschungsantrags an. Abzustellen sei vielmehr allein auf den Zeitpunkt des Feststellungsantrags. Dessen Zustellung sei keine Förmelei, sondern im Hinblick auf die in § 17 Abs. 1 GbmG geregelten Folgen des Nichtwiderspruchs erforderlich. Die Frage, ob ein Anlass für einen Feststellungsantrag bestanden habe, hänge insoweit von einer eigenen Verzichtsaufforderung ab. Da diese hier fehle und innerhalb der Monatsfrist des § 17 Abs. 1 GbmG nicht widersprochen worden sei, seien die Voraussetzungen für die beantragte Kostenfolge gegeben. Die fehlerhafte Eintragung des Gebrauchsmusters durch das Deutsche Patent- und Markenamt könne nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen. Sie habe das Gebrauchsmuster im Übrigen nie als Scheinrecht verteidigt, sondern lediglich vorgetragen, dass die geltend gemachten Löschungsgründe nicht griffen. Ergänzend trägt die Beschwerdeführerin vor, dass die Gebrauchsmusterstelle erst über den Löschungsantrag hätte entscheiden müssen, da der Feststellungsantrag nur hilfsweise gestellt worden sei.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, die Kostenentscheidung im Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. März 2005 aufzuheben und der Antragstellerin die Kosten des Löschungs/Feststellungsverfahrens aufzuerlegenundder Beschwerdeführerin aus Billigkeitsgründen die Beschwerdegebühr zurückzubezahlen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für ein sofortiges Anerkenntnis nicht vorlägen. Die Gebrauchsmusterinhaberin habe ihr Scheinrecht nämlich in Kenntnis der Rücknahmefiktion weiter verteidigt, auch nachdem sie in der mündlichen Verhandlung auf diesen Umstand hingewiesen worden sei.

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2005 haben die Vertreter der Beschwerdegegnerin ihr Mandat niedergelegt.

II Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Gebrauchsmusterstelle hat der Beschwerdeführerin die Kosten des Löschungsverfahrens zu Recht auferlegt, da die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht erfüllt sind. Jedenfalls entsprach die Kostenauferlegung der Billigkeit. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen besteht dagegen kein Anlass.

1. Dass die Vertreter der Beschwerdegegnerin die Vertretung niedergelegt haben, steht einer Sachentscheidung nicht entgegen (§ 28 Abs. 4 GbmG; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 96 Rn. 53).

2. Nach § 17 Abs. 4 GbmG hat die Gebrauchsmusterstelle zu bestimmen, zu welchem Anteil ein Verfahrensbeteiligter die Kosten des Löschungsverfahrens zu tragen hat.

a) Dies richtet sich gemäß § 17 Abs. 4 S. 2 GbmG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 S. 2 PatG, 91 ff. ZPO regelmäßig nach dem Unterliegensprinzip. Danach waren der Beschwerdeführerin die Kosten aufzuerlegen. Auf die Regelung des § 93 ZPO kann sie sich im vorliegenden Fall nicht berufen. Sie greift nur dann ein, wenn ein Gebrauchsmusterinhaber keinen Anlass zur Antragstellung gegeben hat. Dabei ist darauf abzustellen, ob er durch sein Verhalten vor Verfahrenseinleitung gegenüber dem Antragsteller die Annahme hervorgerufen hat, dass ohne Löschungsantrag das Ziel der Beseitigung des Gebrauchsmusters nicht erreicht werden könne (Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 93 Rn. 2). Dies setzt im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren eine ernsthafte Aufforderung des späteren Antragstellers zum Verzicht bzw. zur Löschung voraus, die mit nachprüfbaren Fakten versehen sein muss, auf die sich das Begehren stützt (vgl. Loth, GbmG, 2001, § 17 Rn. 60). Eine solche ernsthafte Aufforderung liegt im Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 23. Juli 2001, zu der die Beschwerdeführerin im Schreiben vom 9. September 2002 im Einzelnen Stellung bezogen und einen Verzicht abgelehnt hat. Dem späteren Löschungsantrag hat sie widersprochen und das Gebrauchsmuster im Verfahren gegen den geltend gemachten Stand der Technik verteidigt. Insofern bestehen keine Zweifel, dass die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin Anlass zur Einleitung des Löschungsverfahrens gegeben hat. Auch würde der insoweit eingelegte Widerspruch einem späteren Anerkenntnis den Sofortcharakter nehmen (vgl. Bühring, GbmG, 6. Aufl. 2002, § 17 Rn. 64).

b) Zwar umfasst dies nicht den späteren Hilfsantrag. Dennoch sind auch in Bezug auf ihn die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht erfüllt.

Der Feststellungsantrag ist, wie die Beschwerdeführerin richtig vorgetragen hat, eine Antragsänderung im Sinn von § 263 ZPO (§ 18 Abs. 2 GbmG i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG), da der Sachverhalt und die Antragsbegründung von den Gründen für den Löschungsantrag abweichen. Letzterer war auf mangelnde Schutzfähigkeit gestützt. Der Feststellungsantrag beruhte demgegenüber darauf, dass die Priorität des Streitgebrauchsmusters bei der Anmeldung des ebenfalls angegriffenen Gebrauchsmusters 201 20 771 in Anspruch genommen worden war, so dass die Rücknahmefiktion nach § 6 Abs. 1 S. 2 GbmG i. V. m. § 40 Abs. 5 S. 1 PatG eingetreten war und die Eintragung des Streitgebrauchsmusters mangels Anmeldung nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Sachverhalt in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterstelle am 5. Juli 2004 vorgetragen und den Feststellungsantrag gestellt. Nachdem die Verhandlung für ca. eine halbe Stunde unterbrochen worden war, hat die Beschwerdeführerin ausdrücklich erklärt, dass sie sich zu dem Antrag nicht äußern werde. Sie hat in der Folge ihren Nichtwiderspruch einen Monat nach der Zustellung des schriftlichen Antrags erklärt.

Damit fehlt dem Anerkenntnis der Sofortcharakter. Denn maßgebend für ein sofortiges Anerkenntnis nach Klage-/Antragsänderung ist der Zeitpunkt, in dem sie erstmals erklärt wird (Zöller a. a. O.). Vorliegend wäre das Anerkenntnis daher in der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2004 abzugeben gewesen. Auf die spätere Zustellung des Antrags kam es schon wegen § 261 Abs. 2 ZPO nicht mehr an.

Ohne dass es danach noch darauf ankommt, war das von der Gebrauchsmusterstelle durchgeführte schriftliche Vorverfahren nicht erforderlich. Zwar hat sich die Beschwerdegegnerin für ihren Feststellungsantrag auf die Entscheidung des BGH GRUR 2000, 1018 ff. - Sintervorrichtung gestützt. Dort hält der Bundesgerichtshof einen Feststellungsantrag für statthaft, wenn der Antragsteller ein besonderes Rechtsschutzinteresse an der Erklärung der Unwirksamkeit hat, weil er eine Inanspruchnahme zu besorgen hat und gleichzeitig ein Löschungsgrund vorliegt. Demgegenüber hat die vorausgegangene Entscheidung des 5. Senats zu Recht darauf abgestellt, dass der Rechtsschein eines nicht entstandenen Gebrauchsmusters, das gleichwohl eingetragen worden ist, in einem Feststellungsverfahren beseitigt werden kann bzw. muss, ohne dass es auf Löschungsgründe ankommt (vgl. 5 W (pat) 418/97 S. 7 1. Absatz; ebenso BlPMZ 2002, 220 ff. - Nutmutter, S. 222, li. Sp. unter 1 b) und re. Sp., 2. b), wo ausdrücklich ausgeführt ist, dass das Gebrauchsmuster in einem derartigen Fall nicht nach § 17 Abs. 1 S. 2 GbmG zu löschen ist, "sondern mangels Wirksamkeit der erfolgten Gebrauchsmuster-Eintragung."). Der Antrag auf Erklärung der Unwirksamkeit ist in einem solchen Fall auf eine Berichtigung des Registers gerichtet, die das Deutsche Patent- und Markenamt grundsätzlich von Amts wegen vorzunehmen hat (vgl. Bühring a. a. O., § 15 Rn. 52; BPatGE 8, 188 ff., 189;). Ein etwaiger (Nicht-) Widerspruch hat auf die zu treffende Entscheidung keinen Einfluss. Sie ist der Parteiendisposition entzogen. Der Feststellungsantrag und ein nachfolgender Löschungsbeschluss haben nur deklaratorischen Charakter. Auf ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers kommt es danach ebenso wenig an wie darauf, dass der Feststellungsantrag nur hilfsweise gestellt war.

c) Durch dieses Verhalten, das an den Rechtsschein anknüpft, den die Beschwerdeführerin durch die Verteidigung des wirkungslosen Schutzrechts in materieller Hinsicht gegen den geltend gemachten Stand der Technik gesetzt hat, hat sie der Beschwerdegegnerin in jedem Fall auch Anlass zur Fortführung des Verfahrens als Feststellungsverfahren gegeben.

d) Da die Beschwerdeführerin in dieser nach der objektiven, ihr bekannten Rechtslage aussichtslosen Situation weiterhin ihr Interesse am Erhalt des Gebrauchsmusterschutzes durchzusetzen versucht hat, entsprach die Kostenüberbürdung in jedem Fall der Billigkeit gemäß § 17 Abs. 4 GbmG i. V. m. § 84 Abs. 2 S. 2 PatG.

4. Billigkeitsgründe, die gemäß §§ 18 Abs. 2 S. 1 GbmG, 80 Abs. 3 PatG die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen könnten, sind dagegen nicht ersichtlich.

III Als Unterlegene trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 18 Abs. 2 S. 2 GbmG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 S. 2 PatG, 91 Abs. 1 ZPO.

gez.

Unterschriften






BPatG:
Beschluss v. 23.02.2006
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