Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 21. Januar 2010
Aktenzeichen: 1 L 1435/09

(VG Köln: Beschluss v. 21.01.2010, Az.: 1 L 1435/09)

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Gründe Der Antrag zu 1,

die aufschiebende Wirkung der Klage VG Köln 1 K 4874/09 gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen vom 03. Juli 2009 ( ) anzuordnen,

bleibt ohne Erfolg.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 137 Abs. 1 TKG 2004) der im Streit befindlichen Verfügung und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Denn es ist selbst bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Betrachtung überwiegend wahrscheinlich,

vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 -4 VR 1005/04-, NVwZ 2005, 689 (690),

dass die angegriffene Verfügung rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt.

Die von der Antragsgegnerin getroffenen Regelungen beruhen auf § 25 Abs. 1, Abs. 5 TKG. Demnach ordnet die Bundesnetzagentur - unter Beachtung hier nicht streitiger weiterer formeller Voraussetzungen - den Zugang und die zusammenhängenden Bedingungen einer Zugangsvereinbarung sowie die Entgelte an, wenn eine Zugangsvereinbarung nach § 22 TKG ganz oder teilweise nicht zustande kommt und die nach dem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Zugangsgewährung vorliegen.

Eine Zugangsvereinbarung nach § 22 TKG ist zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht zustande gekommen. Die Antragstellerin betreibt ein öffentliches Telekommunikationsnetz und verfügt nach den Feststellungen der vollziehbaren Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 ( ) über beträchtliche Marktmacht. Sie hat gegenüber anderen Unternehmen, die die hier streitige Art des Zugangs zu ihrem Netz nachfragten, um ihrerseits Telekommunikationsdienste anbieten zu können, kein entsprechendes Angebot abgegeben. Die Beigeladene hatte mit Schreiben vom 20. März 2009 bei der Beigeladenen beantragt, ihr zu deren Netz über sogenannte Schaltverteiler Zugang zu gewähren. Nachdem von der Antragstellerin dazu kein Angebot unterbreitet worden war, hatte die Beigeladene am 18. Mai 2009 bei der Bundesnetzagentur unter anderem unter Bezugnahme auf das Verfahren DTAG ./. EFN eifelnet GmbH (Bk3c 09/032) beantragt, entsprechende Anordnungen zu erlassen.

Die wesentliche Voraussetzung einer Anordnung nach § 25 Abs. 1, Abs. 5 TKG liegt vor, weil die Antragstellerin nach § 21 Abs. 1 Satz 1 TKG verpflichtet ist, der Beigeladenen Zugang zu ihrem Netz zu gewähren. Die Antragsgegnerin konnte ihr dazu die Pflicht auferlegen, am Hauptkabel unter in der Verfügung näher bezeichneten - hier nicht streitigen - Bedingungen Schaltverteiler zu installieren. Der Antragstellerin ist durch die Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 unter anderem auferlegt worden, anderen Unternehmen vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss in Form der Kupferdoppelader am Hauptverteiler oder einem näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt (Kabel- bzw. Endverzweiger - APL) sowie den gemeinsamen Zugang zu diesen Teilnehmeranschlüssen durch Aufteilung des nutzbaren Frequenzspektrums zu gewähren (Ziffer 1.1.1 der Regulierungsverfügung). Diese Verpflichtung erfasst nicht nur den Zugang über bestehende Hauptverteiler, Kabelverzweiger und Endverzweiger oder den Abschlusspunkten Linientechnik, wie es die Antragstellerin meint.

Die Regulierungsverfügung ist im Ergebnis dahingehend zu verstehen, dass Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung auch an anderen Punkten, etwa mittels eines neu zu errichtenden Schaltverteilers, auf dem Hauptkabel zwischen einem Hauptverteiler oder einem Kabelverzweiger und nachfolgenden Kabelverzweigern zu gewähren ist. Ziffer 1.1.1 der Regulierungsverfügung vom 27. Juni 2007 ist allerdings auslegungsbedürftig, weil die Formulierung "... am Hauptverteiler oder einem näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt (Kabel- bzw. Endverzweiger - APL) ..." ihrem Wortlaut nach als abschließende oder nur als beispielhafte Umschreibung verstanden werden kann, welche Reichweite der Zugangsverpflichtung zukommt. Nachdem die hier fragliche Art der Zugangsgewährung - soweit erkennbar - auch nicht bereits Gegenstand des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens gewesen ist, erscheint eine eindeutige, jeden Zweifel ausschließende Auslegung allein des Tenors der Regulierungsverfügung nicht möglich.

Vgl. auch VG Köln, Beschluss vom 13. November 2009 - 21 L 941/09 -, Seite 3 des amtl. Abdrucks.

Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass der Umfang der Verpflichtung bereits im Rahmen des vorliegenden Verfahrens im Wege der Auslegung hinreichend sicher bestimmbar ist, sodass die Klärung dieser Frage nicht dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Die Beschlusskammer hat dem Tenor der Regulierungsverfügung den Missverständnisse auslösenden Klammerzusatz "(Kabel- bzw. Endverzweiger - APL)" beigefügt und damit nach eigenem Bekunden eine Formulierung gewählt, die das Gewollte ungenau ausdrückt. Wie sie in der angefochtenen Verfügung und in dem Beschluss Bk3e-08-149 nunmehr ausführt, hätte die Formulierung in der Regulierungsverfügung lauten müssen: (...) "vollständig entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss in Form der Kupferdoppelader am Hauptverteiler oder am Kabel- bzw. Endverzweiger - APL" zu gewähren. Wie die Beschlusskammer dazu zutreffend ausführt, war aus Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung trotz der missverständlichen Formulierung aufgrund der Begründung des Beschlusses, des vorangegangenen Verfahrens und des Regelungsgegenstandes klar, dass eine Verpflichtung zum Zugang auch an anderen Punkten zwischen Hauptverteiler und Teilnehmeranschluss ausgesprochen werden sollte.

Der so verstandene Zugang über Schaltverteiler auf dem Hauptkabel ist nicht als unzulässige Verpflichtung zum Ausbau oder zum Aufbau nicht vorhandener Netzinfrastruktur zu bewerten. Die Errichtung von Schaltverteilern am Hauptkabel ist noch mit dem Begriff des "Zugangs" im Sinne des § 3 Nr. 32 TKG zu vereinbaren. "Zugang" ist die Bereitstellung von Einrichtungen oder Diensten für ein anderes Unternehmen unter bestimmten Bedingungen zum Zwecke der Erbringung von Telekommunikationsdiensten, sodass er nicht auf die Bereitstellung von bestehenden bzw. vorhandenen Einrichtungen beschränkt ist. Die Pflicht zur Errichtung von Schaltverteilern führt im Wesentlichen dazu, dass die Antragstellerin Anschlussmöglichkeiten am Hauptkabel schaffen muss. Darüber hinaus hat sie keine weiteren technischen Einrichtungen zu errichten, die für das sogenannte "Outdoor-DSLAM" benötigt werden.

Das vorgenannte Verständnis der Regulierungsverfügung und der darauf beruhenden Anordnung ergibt sich unter anderem aus der Struktur des von der Antragstellerin unterhaltenen Netzes. Gegenstand der Regulierungsverfügung ist im Wesentlichen der hochbitratige Zugang zum doppeladrigen Kupfernetz der Antragstellerin, das zunächst über Hauptverteiler aufgebaut ist. Von dort werden regelmäßig mehrere Hauptkabel gelegt. An jedem Hauptkabel sind Kabelverzweiger angeschlossen, die einen Teil der Kapazität des Hauptkabels für einen neuen Strang abzweigen. Diese Abzweigungen vom Hauptkabel erfolgen, bis es sich durch die Abzweigungen soweit verjüngt hat, dass es mit einem letzten Verzweiger endet. Ein Verzweiger versorgt eine von den örtlichen Gegebenheiten abhängige Zahl von Kunden. Von den Verzweigungskabeln werden - gegebenenfalls über weitere Abzweigungen - Leitungen zu Gebäuden gelegt, die beim Anschlussnehmer enden. Die Zugangsverpflichtung dient der Versorgung der Anschlussnehmer mit hochbitratigen Diensten. Die Antragsgegnerin hat als Rechtsgrundlage für die der Antragstellerin auferlegte Zugangsverpflichtung § 21 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 TKG herangezogen. Demnach soll die Bundesnetzagentur Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, unter anderem die Verpflichtung auferlegen, Zugang zum Teilnehmeranschluss durch die Bereitstellung des Zugangs zum Teilnehmeranschluss oder zum Teilnetz in der Weise zu gewähren, dass die Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Doppelader-Metallleitung ermöglicht wird. Die nunmehr angefochtene Anordnung verfolgt gerade dieses Ziel, weil über den Zugang das Angebot hochbitratiger Dienste erst ermöglicht und der bisher nicht nutzbare hochfrequente Teil der Teilnehmeranschlussleitung einer Nutzung zugeführt werden kann. Nach den in den Schriftsätzen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin dargestellten technischen Gegebenheiten ist davon auszugehen, dass die Dämpfung hochfrequenter Signale zur Breitbandversorgung nur beschränkte Übertragungsentfernungen im Kupferdoppelkabel erlaubt. Eine Breitbandversorgung ist demnach in vom Hauptverteiler entfernter gelegenen Gebieten nur möglich, wenn sie nicht nur über den Hauptverteiler, sondern gegebenenfalls auch über einen näher am Teilnehmeranschluss gelegenen Punkt erfolgt. Die in der Regulierungsverfügung umfassend gemeinte Zugangsverpflichtung bezieht sich daher nicht nur auf die in dem Klammerzusatz genannten Punkte (Kabelverzweiger und Endverzweiger), sondern auch auf die näher zur Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkte (Hauptsatz der Ziffer 1.1.1). Die Benennung im Klammerzusatz führt daher bereits dem Sinn der Regelung und des Regelungsgegenstandes nach nicht dazu, dass der Zugang nur am Kabelverzweiger und am Endverzweiger zu gewähren wäre. Vielmehr sind die Zusätze nur als beispielhafte Nennung zu verstehen.

Die Kammer hat gegen die Rechtmäßigkeit der in den Ziffern 2. bis 8. des Beschlusses vom 03. Juli 2009 getroffenen Regelungen aufgrund des bisherigen Vorbringens der Beteiligten keine Bedenken. Sie dienen der näheren Umsetzung der Zugangsverpflichtung.

Der sinngemäße Antrag zu 2,

im Verhältnis zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen für die Zeit ab dem 03. Juli 2009 vorläufig anzuordnen, dass für die Leistungen gemäß den Ziffern 9.1.2 und 9.4.2 des Beschlusses vom 03. Juli 2009 ( ) ein Entgelt nach Aufwand und nach Maßgabe der Preisliste "Montage nach Aufwand" der Antragstellerin vom 01. Januar 2008 ohne Preisobergrenze zu entrichten ist,

hat keinen Erfolg. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist ein zu sichernder Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit, diesen einstweilig zu sichern (Anordnungsgrund). Die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung ).

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Dessen hätte es bedurft, weil die besonderen prozessualen Regeln des § 35 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz TKG betreffend die Entbehrlichkeit der Darlegung eines Anordnungsgrundes nicht gelten. Diese Regeln knüpfen an § 35 Abs. 5 Satz 1 TKG an, der seinerseits die vertragliche Vereinbarung eines Entgelts voraussetzt. Hieran fehlt es jedoch, weil die Antragstellerin die geltend gemachte Kostenregelung mit der Beigeladenen nicht vereinbart hat.

Vgl. Beschluss der Kammer vom 28. April 2008 - 1 L 259/08 -.

Der von der Antragstellerin im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 2009 - 6 C 3.08 - vertretenen Auffassung, dass die Entgeltregelung einer Zugangsanordnung zwischen den Beteiligten einen privatrechtlichen Vertrag bewirke, der als eine Vereinbarung im Sinne des § 35 Abs. 5 Satz 1 TKG gelte, schließt sich die Kammer nicht an. § 25 Abs. 5 TKG verweist zwar ohne Einschränkung auf § 35 TKG. § 35 Abs. 5 Satz 1 TKG unterscheidet aber zwischen der hoheitlichen Entgeltregelung und dem privatrechtlichen Vertrag. Ein Zweck der Regelung ist es, das Vertrauen der Beteiligten in eine zwischen ihnen freiwillig getroffene Vereinbarung zu schützen. An einem solchen Vertrauenstatbestand fehlt es, wenn die Entgeltregelung hoheitlich angeordnet wird.

Im Übrigen kann die Antragstellerin, weil die Ausschlussregelung des § 35 Abs. 5 Satz 3 TKG nicht gilt und etwaige Ansprüche gegebenenfalls rückwirkend noch geltend gemacht werden dürfen, einen qualifizierten Anordnungsgrund nicht darlegen. Die von der Antragstellerin mit dem hier in Rede stehenden Hauptantrag begehrte Anordnung stellt eine Vorwegnahme der Hauptsache dar, weil sie im Falle der Anordnung ihr im Hauptsacheverfahren zu verfolgendes Ziel bereits erreicht hätte. In diesem Fall bedarf es der Darlegung, warum die begehrte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, etwa weil die Antragstellerin sonst Nachteile zu erwarten hätte, die für sie unzumutbar wären. Dass wirtschaftliche Nachteile zu befürchten sind, die die Antragstellerin ohne Erlass der begehrten Anordnung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährden, ist nicht dargelegt und auch nicht anderweitig erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht hinsichtlich des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und im Übrigen auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei jeweils die Hälfte des in dem Hauptsacheverfahren anzusetzenden Wertes zugrundegelegt worden ist.

Dieser Beschluss ist nach § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG unanfechtbar.






VG Köln:
Beschluss v. 21.01.2010
Az: 1 L 1435/09


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