Landgericht Cottbus:
Urteil vom 24. Oktober 2007
Aktenzeichen: 5 O 99/07

(LG Cottbus: Urteil v. 24.10.2007, Az.: 5 O 99/07)

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 10. September 2007 bleibt aufrecht erhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreit trägt der Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Der Verfügungskläger ist als selbständiger Unternehmen im Bereich der Landschaftspflege tätig. Er begehrt im Wege einer einstweiligen Verfügung von dem beklagten Land die Unterlassung zweier Verfahren zur Vergabe von landschaftspflegerischen Leistungen im Havariefall entlang der Bundes- und Landesstraßen.

Der Verfügungskläger hat folgenden Sachverhalt glaubhaft gemacht:

Der Verfügungsbeklagte bindet vertraglich Landschaftsbauunternehmen, die dann im Einzelfall nach Abruf durch den jeweiligen Landesbetrieb Sturmschäden entlang von Bundes- und Landesstraßen beseitigen. Dazu gehören unter anderem die Beseitigung von umgekippten bzw. abgeknickten Bäumen und Sträuchern, die Rodung von Wurzelstöcken oder der Zuschnitt von Baumkronen; alle Maßnahmen dienen der Beseitigung von Gefahren bzw. der Gewährleistung der Verkehrssicherheit.

Gebrochene Baumkronen sind starken inneren Spannungen ausgesetzt und bedürfen deshalb einer besonderen Kronenpflege, die sich von der normalen Baumpflege (hinsichtlich Technik und handwerklicher Erfahrung) unterscheidet. Die Bäume entlang der Bundes- und Landesstraßen im Bereich des beklagten Landes haben nicht selten einen größeren Durchmesser als 120 cm. Wenn Wurzelstöcke entfernt werden, ist es zwingend erforderlich, die Hohlräume zu verfüllen, anderenfalls der Straßenkörper durch das Befahren mit schwereren Fahrzeugen verformt wird. Des Weiteren unterscheidet sich die Aufarbeitung von umgestürzten Bäumen (Baumwindbruch) von derjenigen bei normalen, gesunden Bäumen.

Abweichend von der Vergabepraxis der anderen Niederlassungen des Landesbetriebes Straßenwesen vergibt die Niederlassung Süd (mit Sitz in Cottbus) die einzelnen Verträge nach dem sog. Auf- und Abgebotsverfahren nach § 6 Nr. 2 VOB/A.

Die Leistungen und Preise finden sich in einem "Standardleistungsbuch für das Bauwesen Zeitvertragsarbeiten (Z), Leistungsbereich Landschaftsbauarbeiten". Dieses Standardleistungsbuch beschreibt standardisiert die Landschaftsbauarbeiten.

Das vom verfügungsbeklagten Land verwendete Standardleistungsbuch enthält nur allgemein gehaltene Beschreibungen von Landschaftsbauarbeiten; eine sturm- bzw. havariespezifische Leistungsbeschreibung erfolgt nicht. Unter der Position "Baumpflegearbeiten" wird für den Einheitspreis auf den Umfang der Baumkrone abgestellt. Eine Position "Baumsicherungsschnitt", bei der es sich um eine havarietypische Leistung handelt, fehlt gänzlich. Ebenso nicht im Standardleistungsbuch aufgeführt sind die Leistungspositionen "Kronensicherung liefern und einbauen" und "Kronenpflege nach Windbruch durchführen". Es handelt sich hierbei stets um die vom Sturm in Mitleidenschaft gezogenen Baumkronen, die entweder mittels Seilsystemen vor dem Absturz auf die Straße gesichert oder fachmännisch beschnitten oder gepflegt werden. Im Standardleistungsbuch endet die Beschreibung für die Leistungsposition "Bäume fällen ohne roden" bei einem Stammdurchmesser von 120 cm. In der Leistungsbeschreibung für "Wurzelstock roden/ausbohren/fräsen" ist ein Verfüllen des verbliebenen Wurzellochs nicht aufgeführt. Auch ist die Leistung "Baumaufarbeitung" (Beseitigung des Holzes) im Standardleistungsbuch nicht enthalten. Gleiches gilt für eine Regelung zu den Nebenkosten durch Stromabschaltung sowie für die Sicherung des Rad- und Fußgängerverkehrs. Keine Festlegung trifft das Standardleistungsbuch zu der Frage, ob die Leistungen auf Abruf zu erbringen sind oder ob dem Auftragnehmer eine gewisse Vorlaufzeit zur Verfügung steht.

Eine allgemeine Baubeschreibung als Ergänzung zum Leistungsverzeichnis ist nicht vorhanden; ebenso nicht vorhanden sind spezifisch örtliche Angaben zur Leistungsbeschreibung und -ausführung. Auch sind die Mindestanforderungen für Nebenangebote in der streitgegenständlichen Ausschreibungstechnik nicht definiert worden.

Die Verträge werden als Zeitverträge mit einer anvisierten Laufzeit von einem Jahr und einem maximalen Auftragsvolumen von 100.000 € ausgestaltet. Hierzu findet sich in der Ausschreibung ein Regelwerk "Besondere Vertragsbedingungen für Zeitvertragsarbeiten".

Der Verfügungsbeklagte beabsichtigte, in folgenden Ausschreibungen der eben beschriebenen Art die Havarieleistungen zu vergeben und zeitlich unmittelbar folgend den Zuschlag zu erteilen:

- Vergabeverfahren RA-StU-21-07/08; Zeitvertrag/Havarievertrag zur Gefahrenabwehr am Straßenbegleitgrün 2007/2008, Straßenmeisterei Elsterwerda

- Vergabeverfahren RA 2 -StU-20-07/08; Zeitvertrag/Havarievertrag zur Gefahrenabwehr am Straßenbegleitgrün 2007/2008, Straßenmeisterei Cottbus II.

Die Angebote konnten bis zum 11. September 2007 abgegeben werden. Der Zuschlag sollte kurzfristig danach, sehr wahrscheinlich bereits am 12. oder 13. September 2007 erteilt werden.

An den streitgegenständlichen Ausschreibungen hat sich der Verfügungskläger, nachdem er die Ausschreibungsunterlagen angefordert und erhalten hatte, mit keinem Angebot beteiligt.

In der Vergangenheit hatte der Verfügungskläger bislang einmal den Zuschlag für einen vergleichbaren Auftrag erhalten. Bei der (damaligen) Abrechnung der Leistungsposition "Bäumefällen" kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Verfügungskläger und dem Verfügungsbeklagten. In einer Vielzahl vergangener Ausschreibungsverfahren wurde dem Bieter ... GmbH mit Sitz in Spremberg der Zuschlag erteilt. Hinsichtlich der Details wird auf das klägerische Vorbringen in der Antragsschrift vom 07.09.2007 - S. 18 bis 21 (Bl. 57 ff. d. A.) - sowie die Anlage A € (Bl. 261 ff. d. A.) - verwiesen.

Auf Antrag des Klägers hat der zuständige Einzelrichter der Kammer des Landgerichts Cottbus mit Beschluss vom 10. September 2007 eine einstweilige Verfügung erlassen, in der dem Verfügungsbeklagten untersagt wird, die Vergabeverfahren

- RA-StU-21-07/08; Zeitvertrag/Havarievertrag zur Gefahrenabwehr am Straßenbegleitgrün 2007/2008, Straßenmeisterei Elsterwerda

- RA 2 -StU-20-07/08; Zeitvertrag/Havarievertrag zur Gefahrenabwehr am Straßenbegleitgrün 2007/2008, Straßenmeisterei Cottbus II.

fortzusetzen, insbesondere den Zuschlag zu erteilen. Dagegen hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Der Verfügungskläger ist der Ansicht, dass er trotz der Nichtabgabe eines Bietangebotes antrags- und klagebefugt sei. Dies ergebe sich aus der grundgesetzlich verankerten Rechtsschutzgarantie in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, der auch für Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte anzuwenden sei. Die Klagebefugnis entfalle nicht wegen der Nichtabgabe des Angebotes. Ihm sei es nicht zuzumuten, einen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe für eine von ihm offensichtlich rechtswidrig gewertete Ausschreibung aufzuwenden. Aus diesem Grunde dürfte er bereits vor der Angebotsabgabe die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens gerichtlich geltend machen.

Er vertritt die Auffassung, dass die von der Niederlassung Süd des Landesbetriebes Straßenwesen angewendete Ausschreibungspraxis gravierende Unklarheiten aufweise, in sich widersprüchlich sei und es daher unmöglich mache, dass jeder Bieter die ausgeschriebenen Leistungen in gleicher Weise verstehe.

Die gewählte Ausschreibungstechnik verstoße insgesamt gegen das Transparenzgebot, das Diskriminierungsgebot und den Gleichheitsgrundsatz und sei mit europäischen Mindestanforderungen bei der Vergabe von Bauleistungen nicht vereinbar.

Im Einzelnen:

So sei es unzureichend, bei der Position "Baumpflegearbeiten" für die Preisbemessung auf die Baumkrone abzustellen, da es bei Havarieleistungen laufend erforderlich ist, einzelne Äste abzuschneiden. Es sei vielmehr auf deren Durchmesser bei der Preisbildung abzustellen.

Soweit Leistungspositionen fehlen, könne kein Bieter vorhersehen, wie er solche Leistungen zu kalkulieren hätte. Insbesondere dann, wenn er eine bestimmte Leistung auf Abruf erbringen würde, wäre im Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht geregelt, wie er später diese vergütet bekäme.

Die Angaben zu den örtlichen Verhältnissen seien deshalb wichtig, weil nur so der Bieter kalkulieren könne, welche Zugangstechnik er einzusetzen habe. Ebenso würde in die Preiskalkulation mit einfließen, ob die Leistung abrufbereit erbracht werden müsste oder eine Vorlaufzeit zur Verfügung stünde, da im ersteren Fall die Kosten für die Vorhaltung von Personal und Technik den Preis mitbestimmen würden. Da die Mindestanforderungen für die Nebenangebote fehlen, dürfte der Verfügungsbeklagte vergaberechtlich solche Nebenangebote nicht werten, da ihnen die Vergleichbarkeit fehlen würde.

Die vorgenannten Mängel würden seiner Ansicht nach dazu führen, dass ein seriös handelnder Bieter die ausgeschriebenen Havarieleistungen nicht kalkulieren könne. Eine Preiskalkulation sei nur demjenigen Bieter möglich, der in der Vergangenheit auf dieser Grundlage mit der Niederlassung Süd des Landesbetriebes des beklagten Landes zusammengearbeitet habe und deshalb wisse, welcher Position im Leistungsverzeichnis die jeweilige Leistung zuzuordnen sei. Ein solcher Bieter habe aber im Verhältnis zu den anderen Bietern ein Sonderwissen, der folglich gegenüber jeden anderem Bieter eine bevorzugte Stellung habe. Dies verstoße jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, an den der Verfügungsbeklagte auch im Rahmen von Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte gebunden sei.

Der Verfügungskläger beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 10. September 2007 aufrechtzuerhalten.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Verfügungskläger sei nicht antragsbefugt, da er sich an den Ausschreibungsverfahren nicht beteiligte. Darüber hinaus stelle die Rechtsordnung unterhalb der Schwellenwerte kein Instrument des Primärrechtsschutzes bereit. Vielmehr könne ein etwaig rechtswidrig übergangener Bieter seine Rechte auf Schadensersatz im sekundären Rechtsschutz geltend machen, was dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch auch genügen würde.

Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung bestehe kein Verfügungsgrund, da der Verfügungskläger sich (unstreitig) nicht an den Ausschreibungsverfahren als Bieter beteiligt habe.

Ebenso kann der Verfügungskläger keinen Verfügungsanspruch für sich geltend machen, da unterhalb der Schwellenwerte die Vorschriften der §§ 97 ff. GWB nicht - auch nicht analog - zur Anwendung kämen. Der Verfügungsanspruch resultiere ebenso wenig aus den Vorschriften des UWG bzw. aus § 1004 BGB.

Die streitgegenständlichen Ausschreibungsunterlagen würden nicht gegen das Transparenzgebot verstoßen, zumal der Verfügungskläger aufgrund seiner einmaligen Tätigkeit für den Verfügungsbeklagten (unstreitig) von der Verfahrensweise Kenntnis gehabt habe. Eine regionale Ungleichbehandlung liege nicht vor, indem die Niederlassung Süd sich eines anderen Vergabeverfahrens als die übrigen Niederlassungen des Landesbetriebes Straßenwesen bediene. Das den hier streitgegenständlichen Ausschreibungen zugrunde liegende Vergabeverfahren sei im Übrigen auch rechtmäßig.

Hinsichtlich der konkreten Einzelheiten der von dem beklagten Land verwendeten Vergabeunterlagen wird auf die Anlage A3 (Bl. 188 ff. d. A.) und Anlage A4 (Bl. 225 ff. d. A.) verwiesen. Auf die zum Zwecke der Glaubhaftmachung eingereichte eidesstaatliche Versicherung des Verfügungsklägers (Bl. 71 ff. d. A.) sowie das klägerseits veranlasste Gutachten des Sachverständigen Jochen Brehm vom 15.10.2007 (Anlage A 16), wird verwiesen.

Gründe

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.

a) Für das vorliegende Verfahren ist der ordentliche Rechtsweg eröffnet, da es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt, § 13 GVG. Es handelt sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Der bürgerlich-rechtliche Charakter der Streitigkeit ergibt sich nicht bereits aus der Sonderzuweisung nach §§ 100, 104 Abs. 2 S. 1 GWB, welche vorliegend nicht anwendbar ist. Gemäß § 100 Abs. 1 GWB gelten die Regelungen der §§ 97 ff. GWB nur für Aufträge, welche die Schwellenwerte des § 2 der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) überschreiten. Das ist hier nicht der Fall.

39b) Maßgeblich für die Beurteilung einer Streitigkeit als bürgerlich-rechtlich ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus welchem der Anspruch hergeleitet wird. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist inzwischen geklärt, dass es sich bei Vergabeverfahren für Aufträge unterhalb des Schwellenwerts um nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Rechtsverhältnisse handelt. Die Kammer macht sich diese Auffassung zu eigen und verweist wegen der tragenden Begründungselemente auf die Entscheidung des BVerwG vom 2. Mai 2007 (Az: 6 B 10/07, NJW 2007, 2275-2278).

c) Das angerufene Landgericht ist für diesen Rechtsstreit sachlich (§ 71 Abs. 1 GVG) und örtlich zuständig (§ 18 ZPO). Der Verfügungsbeklagte wird durch die in Cottbus ansässige Niederlassung Süd des Landesbetriebes Straßenwesen Brandenburg vertreten.

d) Für seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Verfügungskläger auch das - für die Zulässigkeit des Antrags erforderliche - Rechtsschutzbedürfnis. Dieses betrifft die Frage, ob im Einzelfall der aus Art. 19 Abs. 4 GG oder aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch folgende öffentlich-rechtliche Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 116, 135, 163; 107, 395, 401) ausgeschlossen ist. Regelmäßig hat ein Kläger oder Antragsteller im einstweiligen Rechtsschutz den Anspruch darauf, dass sich die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit seinem Anliegen befassen und es sachlich bescheiden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, Vor § 253 Rn. 18). Genauso liegt der Fall hier. Der Verfügungskläger kann für sich in Anspruch nehmen, dass die von ihm beanstandete Vergabepraxis für die hier streitgegenständlichen Ausschreibungen öffentlicher Aufträge einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen wird. Ob und in welchem Umfang sich der Umstand auswirkt, dass sich der Verfügungskläger nicht an den Ausschreibungen mit konkreten Angeboten beteiligte, ist eine im Rahmen der Begründetheit des Antrages zu klärende Frage des Verfügungsanspruches. Gerade weil der Verfügungskläger geltend gemacht hat, durch die behauptete rechtswidrige Vergabepraxis an der Angebotsabgabe gehindert zu sein, kann die fehlende Angebotsabgabe die Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht hindern. Anderenfalls würde für diese Fälle der allgemeine Justizgewährungsanspruch ohne - verfassungsrechtlich gerechtfertigten - sachlichen Grund eingeschränkt werden.

42e) Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der Verfügungskläger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wahrung seiner Rechte erstreben kann und darf. Dieser Überzeugung steht - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Dessen ständige Judikatur ist dadurch gekennzeichnet, dass es den hohen Verfassungsrang genießenden, effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in jedem möglichen Zusammenhang mit dem Tätigwerden staatlicher Organe und dessen Bedeutung für die effektive Wahrnehmung und Wirkung grundrechtlicher geschützter Interessen betont. In diesem Kontext ist auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13.06.2006 (BVerfGE 116, 135-163) zu sehen. Mit der Bestätigung des (besonderen verfahrensrechtlichen) Primärrechtsschutzes (§§ 102 ff. GWB) gegen Entscheidungen der Vergabestelle für Aufträge oberhalb des Schwellenwerts hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass es weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen den allgemeinen Justizgewährungsanspruch darstellt, wenn der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit für Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwerts kein besonderes Rechtsschutzsystem zur Verfügung stellt (so ausdrücklich BVerfG, Urteil vom 13.06.2006, Rn. 85 - zitiert nach juris). Das BVerfG führt in diesem Zusammenhang wörtlich aus: "Dagegen bleibt ein Unternehmen, das gegen eine Vergabeentscheidung unterhalb der Schwellenwerte vorgehen will, auf die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten verwiesen." (BVerfG, ebenda, Rn. 85 - zitiert nach juris.) Von daher kann es keinen ernsthaften Zweifeln unterliegen, dass die Vergabeverfahren für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte - auch bereits vor der Zuschlagserteilung - voll gerichtlich überprüfbar sind.

Im Übrigen sind weder vom Verfügungsbeklagten die Tatsachen vorgetragen worden noch für die Kammer jene Umstände erkennbar, aus denen sich eine sonstige, allgemein anerkannte Ausnahme vom Rechtsschutzbedürfnis ergeben kann.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

a) Der Verfügungskläger hat einen Anspruch auf eine an dem Transparenzgebot und dem Gebot chancengleicher Teilhabe ausgerichtete Durchführung des Vergabeverfahrens, §§ 311 Abs. 2, 241 BGB in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, § 9 VOB/A.

Zwischen den Prozessparteien besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§§ 311 Abs. 2, 241 BGB). Dieses hat die (privatrechtliche) Vergabe öffentlicher Aufträge für Landschaftsbauarbeiten am Straßenbegleitgrün für den Havariefall zum Ziel. Das vorvertragliche Schuldverhältnis wird inhaltlich maßgeblich durch die VOB/A bestimmt, die gemäß §§ 2 Nr. 1, 3 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A Anwendung finden. Danach sind Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A - dazu gehören auch die landschaftsbaulichen Arbeiten entlang den Bundes- und Landesstraßen - im Wege einer öffentlichen Ausschreibung an eine unbeschränkte Zahl von Unternehmen zur Einreichung von Angeboten zu vergeben. Der Verfügungsbeklagte hat die Durchführung von Landschaftsbauarbeiten entlang von Bundes- und Landesstraßen im Wege des Auf- und Abgebotsverfahrens nach § 6 Nr. 2 VOB/A ausgeschrieben.

47b) Der Annahme einer vertraglichen Beziehung des Verfügungsklägers zum verfügungsbeklagten Land steht nicht entgegen, dass ersterer keine Angebote zu den streitgegenständlichen Ausschreibungen abgegeben hat. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem (potentiellen) Bieter und dem Auftraggeber entstehen nicht erst in dem Zeitpunkt der konkreten Angebotsabgabe. Vielmehr entsteht das beiderseitige Rechte und (Schutz-)Pflichten begründende Schuldverhältnis in dem Zeitpunkt, in dem Auftragnehmer sein Interesse an der Teilnahme an der Ausschreibung nach außen hin und für einen unbefangenen objektiven Beobachter eindeutig manifestiert. Regelmäßig wird dies dann der Fall sein, wenn der Auftragnehmer die Ausschreibungsunterlagen vom Auftraggeber anfordert. Ab diesem Zeitpunkt ist für den Auftraggeber klar und eindeutig bestimmbar, welche potentiellen Bieter bzw. Auftragnehmer an dem Ausschreibungsverfahren teilnehmen und für wen Schutz- und Informationspflichten bestehen. Diese Auffassung wird durch das Regelwerk der VOB/A gestützt, die in einer Vielzahl von Regelungen Pflichten des Auftraggebers statuieren, die vorrangig auf den Schutz der an der Ausschreibung interessierten Auftragnehmer abzielen (z. B.: § 8 Nr. 1, Nr. 2 Abs. 1, Nr. 4, § 9 VOB/A) und deren Schutz sich nicht erst mit Angebotsabgabe entfaltet.

48Vorliegend hatte sich der Verfügungskläger die Ausschreibungsunterlagen für die streitgegenständlichen Ausschreibungen übersenden lassen und damit auch seinen Willen nach außen manifestiert, an der Ausschreibung zum Zwecke des Zuschlagserhalts teilzunehmen. Dieser Annahme steht nach Auffassung der Kammer nicht entgegen, dass der Verfügungskläger letztendlich kein Angebot abgab. Zum einen kann dies seine Ursache in dem Ausschreibungs- und Vergabeverfahren selbst haben - wie dies auch hier der Fall ist. Zum anderen kann der potentielle Bieter nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen zur Erkenntnis gelangen, dass er für die ausgeschriebenen Bauleistungen kein vernünftiges wirtschaftliches Angebot abgeben kann, weil er zum Beispiel fachlich zur Leistungsausführung nicht in der Lage ist.

Dass der Verfügungskläger sich in rechtsmissbräuchlicher Absicht die Ausschreibungsunterlagen hat übersenden lassen, ist weder von dem Verfügungsbeklagten vorgetragen noch ist dies für die Kammer in Anbetracht der Sachlage erkennbar. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der Verfügungskläger in der Vergangenheit sich an Ausschreibungen mit einem Angebot beteiligte und einmal den Zuschlag erhielt.

c) Der Verfügungsbeklagte hat mit den streitgegenständlichen Ausschreibungen gegen das Transparenzgebot aus § 9 VOB/A verstoßen.

§ 9 Nr. 1 VOB/A verlangt, dass die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben ist, so dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Ergänzt wird dies durch die Nr. 2 des § 9 VOB/A, der es verbietet, dem Auftragsnehmer ein ungewöhnliches Wagnis für Umstände und Ereignisse aufzubürden, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise er im Voraus nicht schätzen kann.

52Art. 3 Abs. 1 GG, der seinen Niederschlag in § 2 Nr. 2 VOB/A findet, verlangt für den Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge, dass der Auftraggeber jedem Mitbewerber die faire Chance einräumt, nach Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden (BVerfG, ebenda, Rn. 65 - zitiert nach juris.). Auch wenn die Regelungen der VOB/A im Bereich der Aufträge unterhalb der Schwellenwerte nur den Charakter von internen Verwaltungsvorschriften haben, so binden diese die öffentlichen Träger im Wege der Selbstbindung über Art. 3 Abs. 1 GG. In der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ist es anerkennt, dass jede staatliche Stelle bei ihrem Handeln unabhängig von dem Lebensbereich und der Handlungsform die dem Gleichheitssatz zugrunde liegende Gerechtigkeitsvorstellung zu beachten hat. Von daher es ist einer öffentlichen Stelle verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu binden (BVerfG, ebenda, Rn. 65 - zitiert nach juris mit weiteren Nachweisen).

Gemessen an diesen Vorgaben hat der Verfügungskläger glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständlichen Ausschreibungen sowohl gegen das Transparenzgebot wie auch gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen.

Einleitend weist die Kammer darauf hin, dass bereits die Anwendung des Auf- und Abgebotsverfahrens nach § 6 Nr. 2 VOB/A erheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Das Auf- und Abgebotsverfahren soll nur ausnahmsweise bei regelmäßig wiederkehrenden Unterhaltungsarbeiten angewendet werden. Es ist bereits sehr fraglich, ob Havarieleistungen als regelmäßig wiederkehrende Unterhaltungsarbeiten betrachtet werden können. Dagegen spricht nämlich bereits die (naturgemäße) Unregelmäßigkeit von Havarien, deren Eintritt hinsichtlich des Ob und des Umfangs stets ungewiss ist. Ungeachtet dessen hat der Verfügungsbeklagte dieses Verfahren nicht nur ausnahmsweise, sondern geradezu regelmäßig als Ausschreibungsverfahren gewählt. Es ist unbestritten, dass der Verfügungsbeklagte im Zeitraum 02/2003 bis 09/2007 in insgesamt 22 Fällen, davon sieben Mal im Jahr 2007, sich dieses Auf- und Abgebotsverfahrens bedient hat.

55Die Ausschreibungsunterlagen verstoßen auch gegen das Transparenzgebot aus § 9 Nr. 1 VOB/A. Der Verfügungskläger hat substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, dass es für die Kalkulation der Angebotspreise bzw. für das Auf- oder Abgebot erforderlich ist, dass bestimmte Leistungspositionen im Leistungsverzeichnis beschrieben sein müssen, diese aber in den streitgegenständlichen Ausschreibungsunterlagen fehlen.

Im Leistungsverzeichnis fehlen die Beschreibungen für die Positionen "Baumsicherungsschnitt", "Kronensicherung liefern und einbauen", "Kronenpflege nach Windbruch durchführen", "Wurzelstöcke ausfräsen", "Baumaufarbeitung" und "Stubbenbeseitigung nach Baumwindbruch". Diese Leistungen sind jedoch typisch für Landschaftsbauarbeiten im Havarie- oder Sturmfall, denn sie zeichnen sich durch die Unvorhersehbarkeit und die Unregelmäßigkeit im Leistungsumfang aus.

57Wenn zum Beispiel die Leistungsposition 016 "Wurzelstock roden/ausbohren/ausfräsen" nur einen Wurzelstockdurchmesser von 120 cm erfasst, so passt eine solche Leistungsbeschreibung nur für jenen Bereich von Landschaftspflege, der einer geordneten und planbaren Pflege zugänglich ist. In einem solchen Fall kann der Auftraggeber bestimmen und davon ausgehen, dass der Auftragnehmer nur mit Wurzelstöcken bestimmungsgemäß zu tun hat, die keinen größeren Durchmesser als 120 cm haben. Anders dagegen bei Landschaftsbauarbeiten im Falle von Havarien. Hier kann weder der Auftraggeber noch der Auftragnehmer im Vorhinein bestimmen, welche Landschaftsteile Gegenstand der ausgeschriebenen Leistung werden. Folglich hat eine Leistungsbeschreibung, die den Anforderungen des § 9 Nr. 1 VOB/A ansatzweise gerecht werden will, jede denkbare Leistung im Havariefall abzudecken. Will der Auftraggeber dies nicht tun, verbleibt ihm nichts anderes als eindeutig in der Leistungsbeschreibung darauf hinzuweisen, dass für die nicht ausgeschriebenen Leistungspositionen auch keine Beauftragung im Havariefall erfolgen wird. Dass dies vom Verfügungsbeklagten so gewollt ist, hat er weder vorgetragen noch konnte die Kammer dafür entsprechende Umstände erkennen.

Ebenso fehlen in dem Leistungsverzeichnis, worauf der Verfügungskläger zutreffend hingewiesen hat, Angaben bzw. Festlegungen zu den örtlichen Verhältnissen, zu den Nebenkosten durch Stromabschaltungen, den Sicherungsanforderungen im Bereich von Geh- und Radwegen sowie Aussagen zu dem Abruf der Leistung. Zur Vermeidung von langwierigen Wiederholungen verweist die Kammer insoweit auf die schriftsätzlichen Ausführungen des Verfügungsklägers auf den Seiten 13-15 der Antragsschrift vom 07.09.2007, denen der Verfügungsbeklagte nicht erheblich entgegen getreten ist.

Ebenso fehlen in den streitgegenständlichen Ausschreibungsunterlagen die Mindestanforderungen für Nebenangebote. Die Folge ist jene, dass die Nebenangebote von Bietern, die sich mit der vorhandenen Ausschreibung nicht zufrieden geben, mangels Mindestkriterien nicht vergleichbar sind und von daher grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müssen. Die Ausschreibung des Verfügungsbeklagten ist damit strukturell darauf angelegt, überhaupt keine Nebenangebote in die Angebotsprüfung mit einzubeziehen.

d) Die vorgenannten, systematischen Verstöße gegen das Transparenzgebot haben einen offensichtlichen Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichheitsgrundsatz zur Folge.

Der Verfügungsbeklagte ist - wie bereits ausgeführt - verpflichtet, alle an der Ausschreibung interessierten Auftragnehmer und Bieter gleich zu behandeln, um ihnen eine gleiche, faire Chance an der Zuschlagserteilung zu geben. Danach sollen alle Bieter nach denselben Kriterien des Verfahrens beurteilt werden, so dass sich im Ergebnis der wirtschaftlichste Anbieter durchsetzt.

Aufgrund des erheblich lückenhaften Leistungsverzeichnisses müssen die Leistungen eines Auftragnehmers, die von keiner Leistungsbeschreibung erfasst werden, nachverhandelt (§ 2 Nr. 6 VOB/B) oder unter einer anderen Leistungsposition subsumiert werden, denn es ist redlicherweise nicht davon auszugehen, dass ein Auftragnehmer die abgerufenen Leistungen unentgeltlich erbringen will und kann.

Jede Nachverhandlung verletzt die Interessen der Mitbewerber, da ihnen nicht die Möglichkeit gegeben wird, ihre Vorstellungen in entsprechende Vertragsbedingungen umzusetzen. Deshalb lässt § 24 VOB/A ein Verhandeln auch nur in ganz bestimmten Fällen zu. Dies mag im Einzelfall auch hinnehmbar sein.

64Die Lückenhaftigkeit des Leistungsverzeichnisses führt jedoch dazu, dass das Nachverhandeln von Leistungen nicht dem Ausnahmefall vorbehalten bleibt, sondern regelmäßig zur Anwendung gelangt, wenn eine nicht beschriebene Leistung ausgeführt wird. Damit tritt aber eine Verzerrung des Wettbewerbs unter den Mitbewerber und Mitbietern ein, die unter Umständen auch das Wirtschaftlichkeitsgebot zu Lasten des Auftraggebers verletzt. Die von dem Zuschlag ausgeschlossenen Mitbewerber hatten - wegen der Lückenhaftigkeit der Ausschreibungsunterlagen - nicht Möglichkeit, ihre Preis- und Leistungsvorstellungen dem Auftraggeber anzubieten und somit in Wettbewerb zu dem den Zuschlag erhaltenden Auftragnehmer zu treten. Gleiches gilt für die Variante, dass nicht beschriebene Leistungen unter anderen Leistungspositionen "versteckt" und nach diesen abgerechnet werden.

Von diesen Umständen ist die Kammer aufgrund der unbestrittenen und glaubhaft gemachten Ausführungen des Verfügungsklägers überzeugt. Dieser hat vorgetragen, dass die havarietypischen, nicht beschriebenen Leistungen in einer Vielzahl von Fällen nachverhandelt werden müssen bzw. durch andere Leistungspositionen "ersetzt" werden. Für die Kammer ist ohne weiteres auch einsichtig, dass damit jener Bieter bevorteilt wird, der genau weiß, unter welchen Leistungspositionen der Auftraggeber nicht beschriebene Leistungen abrechnet. Dieser kann - worauf der Verfügungskläger auch hingewiesen hat - im Wissen um die "Ersatz-Leistungsposition" und deren vorgegebenem Angebotspreis viel genauer die Preise für nicht beschriebene Leistungen kalkulieren als die übrigen Mitbewerber ohne dieses Sonderwissen. Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass - unbestritten - seit Jahren derselbe Auftragnehmer, die ... GmbH, Spremberg, für den Auftraggeber tätig geworden ist. Unter der Berücksichtigung des weiteren Umstandes, dass in der Leistungsbeschreibung keine örtlich spezifischen Angaben zu finden sind, ist genau dieser eine Bieter in der Lage, die örtlichen Bedingungen einzuschätzen. In der Folge kann er genau abschätzen, welchen Umfang an nicht beschriebenen Leistungen erwartungsgemäß auf ihn zukommen und nach welchen Modus diese mit den (unzureichend) beschriebenen Leistungen abgerechnet werden. Im Ergebnis haben sich somit der Verfügungsbeklagte als Auftraggeber und dieser eine Bieter ein geheimes (da nur ihnen bekanntes) System der Leistungsvergütung geschaffen, welches es ihm ermöglicht, wirtschaftlich die abgerufenen Leistungen auszuführen.

66Diese Abrechnungspraxis ist für einen unbefangenen objektiven Betrachter geradezu darauf angelegt, dass andere Bieter, sofern sie ein aus deren Sicht wirtschaftliches Angebot abgeben, scheitern müssen. Die Ungleichbehandlung der (potentiellen) Bewerber ist nicht die Folge der Lücken- und Fehlerhaftigkeit der Ausschreibungsverfahren, sondern deren Ziel. Diese Feststellung ist für die Kammer um so deutlicher geworden, als der Verfügungsbeklagte der detaillierten, präzisen Darstellung und Glaubhaftmachung nur mit vagen Ausführungen und pauschal entgegen getreten ist, obgleich der Verfügungsbeklagte die nötigen Kenntnisse hat bzw. sie sich verschaffen kann. Dieser offensichtliche Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz wird auch nicht durch den allgemeinen Hinweis auf die Prüfung des Landesrechnungshofes entkräftet. Hier hätte der Verfügungsbeklagte näher darlegen und glaubhaft machen müssen, inwieweit Prüfungen mit welchem Umfang, Inhalt und Ergebnis erfolgt sind. Unabhängig davon wäre ein Prüfungsergebnis des Landesrechnungshofes auch ohne präjudizielle Auswirkung auf den hiesigen Rechtsstreit.

3. Für den Erlass der beantragten Verfügung besteht ein auch Verfügungsgrund.

a) Ein Verfügungsgrund ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur immer dann gegeben, wenn die objektiv begründete Besorgnis besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (vgl. Zöller/Vollkommer, ebenda, § 936 Rn. 10).

69Der Verfügungsgrund entfällt - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht deshalb, weil regelmäßig dem erfolglosen Bieter die Möglichkeit verbleibt, im Wege des sekundären Rechtsschutzes seinen Schaden ersetzt zu verlangen. Der allgemeine Justizgewährungsanspruch verlangt vielmehr, dass die bestehenden primären Rechtsschutzmöglichkeiten, soweit dies rechtlich wie faktisch möglich ist, umfassend ausgeschöpft werden. Die Versagung des gesetzlich vorgesehenen Primärrechtsschutzes lässt sich grundsätzlich nicht mit dem Verweis auf nachrangige (sekundäre) Rechtsschutzmöglichkeiten rechtfertigen. Vielmehr hat das BVerfG betont, dass der allgemeine Justizgewährungsanspruch den Rechtsuchenden davor bewahren soll, dass durch die sofortige Vollziehung einer Maßnahme Tatsachen geschaffen werden, die im Falle ihrer Rechtswidrigkeit nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. mit weiteren Nachweisen BVerfG, ebenda, Rn. 73 - zitiert nach juris).

70So liegt der Fall hier. Aufgrund des glaubhaft gemachten, nicht bestrittenen Vorbringens des Verfügungsklägers, dass bereits kurz nach Ablauf der Submissionsfrist am 11. September 2007 der Zuschlag unter Abkürzung der Zuschlagsfrist erteilt werden wird und dies höchst wahrscheinlich bereits am 12. oder 13. September 2007 passieren könnte, bestand und besteht auch jetzt noch die Besorgnis, dass der Anspruch des Verfügungsklägers auf rechtmäßige Durchführung der Vergabeverfahren und sein aus Art. 3 Abs. 1 GG gewährtes Recht auf Chancengleichheit für die Erlangung des Zuschlages vereitelt wird, bevor es zu einer gerichtlichen Entscheidung (in der Hauptsache) kommt. Bereits die prozessual notwendigen gerichtlichen Verfahrensabläufe nach Klageeinreichung, z.B. die Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses, die wirksame Zustellung der Klageschrift etc., beanspruchen eine Zeitspanne, innerhalb derer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Zuschlag in den beiden streitgegenständlichen Ausschreibungsverfahren durch den Verfügungsbeklagten erteilt worden wäre.

b) Die Kammer verkennt nicht, dass der einstweilige Rechtsschutz im Vorfeld von Vergabeentscheidungen zu einer erheblichen Konfliktlage zwischen der an der Auftragserteilung interessierten Vergabestelle und dem erfolglosen bzw. potentiellen Bieter, der die Zuschlagserteilung zu verhindern versucht, führen kann. Je weiter die Rechtsschutzmöglichkeiten von erfolglosen bzw. potentiellen Bietern ausgeweitet werden, desto eher können auch die öffentlichen Interessen an einer schnellen und wirtschaftlichen Auftragsvergabe und die privaten Interessen des erfolgreichen Bieters vereitelt werden. Zudem besteht die Gefahr, dass der einstweilige Rechtsschutz als Mittel zur Verhinderung von öffentlichen Vergabeentscheidungen missbraucht und instrumentalisiert wird. Es bedarf an dieser Stelle jedoch keiner abschließenden Betrachtung dahingehend, wie dieser Interessenkonflikt im Einzelfall situations- und verfahrensgerecht angemessen zu lösen.

72c) In Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Vergabeverfahren unter derart offensichtlichem Verstoß gegen das Transparenzgebot und die Chancengleichheit aller Bieter stattfindet und die sich abzeichnende Vergabeentscheidung als in grobem Maße rechtswidrig erscheint (vgl. die obigen Ausführungen unter 2. c) und d)), tritt das öffentliche Interesse an der schnellen Auftragserteilung hinter dem "Aussetzungsinteresse" des klagenden Bieters zurück. Mit der grundgesetzlichen Bindung der öffentlichen Gewalt an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und der unbedingten Pflicht zur Wahrung der Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) ist es unvereinbar, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt am freien Markt Aufträge ausschreibt und diese Vergabeverfahren nicht nur fehlerhaft, sondern in einem derart hohen Maße rechtswidrig erfolgen, dass für einen objektiven unbefangenen Beobachter der Verdacht missbräuchlicher Ausnutzung marktbeherrschender Stellung entsteht.

d) Darüber hinaus würde der Verfügungskläger bei weiterer Durchführung der streitgegenständlichen Vergabeverfahren bis hin zur Zuschlagserteilung in seinen Rechten weit schwerwiegender beeinträchtigt werden als der Verfügungsbeklagte bei (einstweiliger) Einstellung der Vergabeverfahren. Letzterer kann sein öffentliches Interesse an einer schnellen und wirtschaftlichen Vergabe der Aufträge für die Landschaftsbauarbeiten im Havariefall auch dadurch wahrnehmen, dass er die Aufträge im Rahmen eines den Regelungen der VOB/A entsprechenden Vergabeverfahrens ausschreibt und die hier streitgegenständlichen Ausschreibungen zurück nimmt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

4. Der Streitwert wird auf 200.000 € (§ 3 ZPO) festgesetzt.






LG Cottbus:
Urteil v. 24.10.2007
Az: 5 O 99/07


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