Landgericht Mannheim:
Urteil vom 19. April 2013
Aktenzeichen: 7 O 228/12 Kart

(LG Mannheim: Urteil v. 19.04.2013, Az.: 7 O 228/12 Kart)

1. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter unterliegen keinem medien-rechtlich oder kartellrechtlich begründeten Kontrahierungszwang zur Fortsetzung der mit Kabelnetzbetreibern bis zum Jahre 2012 praktizierten Verträge über die Einspeisung und Verbreitung von Rundfunkprogrammen (Einspeiseverträge) zu den bisherigen Bedingungen.

2. Eine koordinierte Kündigung des bisherigen Einspeisevertrags durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter ist nicht nach § 1 GWB i. V. mit § 134 GWB unwirksam, weil dadurch eine bilaterale Neuverhandlung der Einspeiseentgelte mit den jeweiligen Kabelnetzbetreibern ermöglicht wird.

3. Medienrechtlichen Bestimmungen, insbesondere §§ 52b, 52d RStV, lässt sich nicht entnehmen, dass die Betreiber von Breitbandkabelnetzen einen Anspruch gegen öffentlich-rechtliche Programmveranstalter haben, dass diese die Einspeisedienstleistung entgeltpflichtig in Anspruch nehmen.

4. Auf dem Markt für die analoge und digitale Einspeisung von Rundfunksignalen in ein bestimmtes Breitbandkabelnetz, der in räumlicher Hinsicht auf das Netzgebiet eines jeden regionalen Kabelnetzbetreibers beschränkt ist, stehen sich der jeweilige Kabelnetzbetreiber als Anbieter der technischen Einspeisedienstleistung und die Rundfunkveranstalter als Nachfrager gegenüber. Aus den must-carry-Bestimmungen der §§ 52b, 52d RStV kann nicht abgeleitet werden, dass einzelne öffentlich-rechtliche Programmveranstalter auf dem so abgegrenzten Markt über eine beherrschende Stellung verfügten, die sie zu Normadressaten der §§ 19, 20 GWB macht.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt [...] Breitbandkabelnetze der Netzebene 3. Auf dieser Netzebene speist sie die Fernsehsignale von Fernsehveranstaltern ein und transportiert sie zu anderen Punkten, insbesondere Hausübergabepunkten, von Netzen der Ebene 4. Die Netzebene 4 wird zum Teil ebenfalls von der Klägerin, zum Teil von anderen Netzbetreibern oder Hausanlagenbetreibern betrieben. Herkömmlicherweise haben die großen Netzbetreiber der Ebene 3 (Regionalgesellschaften), darunter die Klägerin, mit den Fernsehveranstaltern vertragliche Vereinbarungen geschlossen und auf dieser Basis für die Dienstleistung der Einspeisung ein Entgelt erhalten. Mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, d.h. den in der [...] zusammengeschlossenen [...], dem [...], dem [...] und [...], hat die Klägerin zuletzt am [...] einen Vertrag über die Einspeisung und Verbreitung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen und -angeboten in Breitbandkabelnetze (fortan: Einspeisevertrag) geschlossen (Anlage K 7), der am [...] durch eine allseitige Ergänzungsvereinbarung (Anlage K 6) und am [...] durch eine individuelle Ergänzungsvereinbarung mit [...] (Anlage K 8) ergänzt wurde. Der Vertrag sieht ein pauschales jährliches Einspeiseentgelt für alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von [...] EUR vor, wobei der Betrag nach einem von den Programmveranstaltern erstellten Kostenverteilungsschlüssel zu verteilen und diesen jeweils gesondert in Rechnung zu stellen ist. Auf die Beklagte entfällt hiernach ein jährlicher Anteil von [...] Mio. EUR. In § 13 ist bestimmt, dass der Einspeisevertrag eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2012 hat und sich um jeweils zwölf Monate verlängert, wenn er nicht von einer der Parteien spätestens sechs Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird.

Die Beklagte veranstaltet den [...] Teil des Fernsehprogramms des [...]. Ihre Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die in der [...] zusammengeschlossenen [...] und das [...].

Mit nahezu wortgleichen, in demselben Umschlag verschickten Schreiben vom 19. Juni 2012, der Klägerin zugegangen am 25. Juni 2012, haben die Beklagte (Anlage K 17) und die übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Kündigung des Einspeisevertrags erklärt. Dem vorausgegangen ist eine spätestens im Jahre 2012 getroffene Absprache zwischen [...] und [...], den Einspeisevertrag zu beenden und künftig keine Einspeiseentgelte mehr zu entrichten.

Die Klägerin begehrt in erster Linie die Feststellung, dass der Einspeisevertrag vom [...] im Verhältnis zur Beklagten fortbesteht. Die Kündigung sei treu- und sittenwidrig (§ 138 BGB), weil die Beklagte die üblicherweise nur gegen Entgelt zu erbringende Leistung der Klägerin - Einspeisung des Fernsehprogramms ins Breitbandkabelnetz - zwar weiterhin in Anspruch nehme, aber nicht mehr vergüten wolle. Damit setze sie sich zu ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte im Hinblick auf die Einspeisung einem Kontrahierungszwang unterliege (§§ 134, 242, 826, 249 BGB). Dieser finde seine Grundlage in dem der Beklagten und den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten übertragenen Grundversorgungsauftrag und ihrer rechtlich begründeten Monopolstellung auf dem Nachfragemarkt für die reservierten Netzkapazitäten. Mit Blick auf den hohen Anteil der Kabelverbreitung im Vergleich zu anderen Übertragungstechniken - im Netzgebiet der Klägerin rund 38%, bundesweit rund 50% - und die fehlenden Umstellungsmöglichkeiten beispielsweise vieler Wohnungsmieter sei die Beklagte im Rahmen ihres Grundversorgungsauftrags verpflichtet, für einen Empfang ihres Programms über die Kabelnetze Sorge zu tragen. Umgekehrt sei die Klägerin aufgrund medienrechtlicher Bestimmungen, insbesondere nach § 52b Abs. 1 Nr. 1 RStV, verpflichtet, die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender einschließlich desjenigen der Beklagten in ihr Kabelnetz einzuspeisen und hierfür auskömmliche Kapazitäten bereitzustellen (Must-carry-Status). Daraus resultiere ein wechselseitiger Kontrahierungszwang. Die Klägerin sei schon mit Blick auf Art. 12 GG und Art. 14 GG nicht verpflichtet, die ihr auferlegte Einspeiseverpflichtung unentgeltlich zu erbringen. Von einer Entgeltlichkeit der Einspeisung gehe auch der Gesetzgeber aus, wie sich aus § 52d RStV ergebe. Danach seien entsprechende Entgelte und Tarife offenzulegen und dürften keine unangemessenen oder diskriminierenden Bedingungen enthalten.

Angesichts dieser öffentlich-rechtlichen Pflichtenlage komme es nicht darauf an, ob die Beklagte die Einspeisung ihres Programms in das Breitbandkabelnetz subjektiv wünsche. Tatsächlich sei dies aber auch der Fall, wie nicht zuletzt das frühere Verhalten der Beklagten zeige, etwa die Eingaben bei verschiedenen Landesmedienanstalten und dem Verwaltungsgericht Berlin in den Jahren 2000 bis 2002 mit dem Ziel, die Einspeisung ihres Programms zu erreichen. Die Behauptung, die Beklagte frage die Einspeiseleistung der Klägerin nicht nach, sei daher unglaubwürdig und unbeachtlich.

Das Verhalten der Beklagten stelle zudem einen Ausbeutungsmissbrauch (§ 19 Abs. 1, Abs.4 Nr. 2 GWB) und eine sachlich nicht gerechtfertigte Diskriminierung (§ 20 Abs. 1 GWB) im Vergleich zu Satelliten- und Terrestrikbetreibern dar, für deren Leistung die Beklagte nach wie vor ein Entgelt bezahle. Die Beklagte verfüge - jedenfalls zusammen mit den übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkbetreibern - auf dem relevanten Nachfragemarkt für die reservierten Kapazitäten über eine beherrschende Stellung. Denn aus Sicht der Klägerin sei die Nachfrage der Beklagten nicht gegen die Nachfrage anderer Programmanbieter austauschbar; aufgrund medienrechtlicher Bestimmungen könne sie die betreffenden Übertragungskapazitäten nur der Beklagten zur Verfügung stellen oder ungenutzt lassen. Der Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB führe zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Die Kündigung sei ferner deshalb unwirksam, weil die Beklagte und die übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihr Vorgehen unter Verstoß gegen § 1 GWB koordiniert hätten (vgl. Schreiben des Bundeskartellamts an das [...] vom 24. Februar 2012, Anlage K 41). Die Kartellabrede sei nicht auf die Kündigung beschränkt, sondern umfasse die Verweigerung eines Anschlussvertrags, mithin eine auf Boykott gerichtete Gesamtstrategie. Die Kündigung sei in Ausführung dieser kartellrechtswidrigen Vereinbarung erfolgt und deshalb von der Unwirksamkeitsfolge nach § 1 GWB i. V. mit § 134 BGB erfasst.

Hilfsweise habe die Klägerin unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Kontrahierungszwangs einen Anspruch auf Annahme des Standard-Einspeisevertrags (Anlagen K 1a und K 1b). Dieses Vertragsangebot enthalte angemessene, marktübliche Konditionen, die von allen anderen Programmveranstaltern in Deutschland als Vertragsinhalt oder jedenfalls als Grundlage zielorientierter Verhandlungen akzeptiert würden. Die privaten Rundfunkveranstalter zahlten sämtlich die tariflichen Einspeiseentgelte an die Beklagte, ohne dass diese bei wirtschaftlicher Betrachtung auf anderem Wege rückerstattet würden. Die in den Verhandlungen sich ergebenden Abweichungen von den Standardvertragsmustern beträfen nur einzelne vertragliche Nebenbestimmungen wie z.B. Kündigungsfristen und Laufzeitregelungen. Die Entgelttabelle der Klägerin sei seit langem am Markt eingeführt und ihrer Struktur nach akzeptiert; sie genüge dem Maßstab des § 52d RStV (Schreiben der [...] vom 3. Dezember 2012, Anlage K 33). Die Verbreitungskosten der Klägerin seien nicht höher als die Kosten effizienter Leistungserbringung (Anlage K 34).

Höchst hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der Teilnahme an dem kartellrechtswidrigen Boykott durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Ohne die gegen § 1 GWB verstoßende Koordinierung habe es nicht zur Kündigung des Einspeisevertrags kommen können und die Klägerin habe weiterhin Anspruch auf die vereinbarten Einspeiseentgelte. Da sie die Einspeiseleistung aufgrund der öffentlich-rechtlichen Pflichtenlage weiterhin erbringen müsse, stehe ihr Schadensersatz (§ 33 GWB) in Höhe des fortzuzahlenden Entgelts zu. Im Hinblick auf die Weigerung, anschließend einen Standard-Vertrag im Sinne des Antrags zu 1.b abzuschließen, stehe der Klägerin Schadensersatz nach §§ 826, 249 BGB und §§ 33, 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2, 20 Abs. 1 GWB zu, denn die wechselseitige Vereinbarung zur Bezugssperre und deren Ausführung seien darauf gerichtet, der Klägerin den guten Sitten zuwider Schaden zuzufügen.

Ferner hilfsweise begehrt sie nach näherer Maßgabe des Antrags 1d die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, das Fernsehprogramm der Beklagten unverschlüsselt zu verbreiten. Nur durch eine Verschlüsselung könne die Klägerin ihre Leistung effektiv vermarkten, insbesondere Schwarzseher ausschließen. Der bisherige Einspeisevertrag habe jedoch eine Verpflichtung zur unverschlüsselten Weiterleitung vorgesehen; dieses Verschlüsselungsverbot sei nachrichtlich in den urheberrechtlichen Vertrag zwischen der Klägerin und der [...] (Anlage K 36) aufgenommen worden. Aus diesem Vertrag könne die Beklagte zwar keine Rechte herleiten; gleichwohl ergebe sich daraus die für das Feststellungsinteresse erforderliche Berühmung des Rechts, der Klägerin die verschlüsselte Verbreitung des Programms zu untersagen.

Äußerst hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet ist, das Programm der Beklagten unentgeltlich und vertragslos einzuspeisen (Antrag 1e). Für den Fall der Ausspeisung sei zu besorgen, dass die Beklagte oder ihre Mitgesellschafter an die Landesmedienanstalten wenden würden, um ihren Must-carry-Status durchzusetzen; vorbeugend sei dies mit Schreiben des [...] und des [...] vom 10. Dezember 2012 (Anlage K 31) bereits geschehen. Der Zivilrechtsweg für diesen Feststellungsantrag sei mit Blick auf die zivilrechtliche Natur des Einspeiserechtsverhältnisses zu bejahen.

Die Klägerin beantragt,1.

a) festzustellen, dass der Vertrag über die Einspeisung und Verbreitung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen und -angeboten in Breitbandkabelnetze zwischen der Klägerin und der Beklagten vom 27. Februar 2008 im Hinblick auf das Fernsehprogramm [...] auch nach Ablauf des 31. Dezember 2012 für die Verbreitung in [...] fortbesteht;

hilfsweise,

b) die Beklagte zur Annahme des als Anlage K 1a und K 1b beigefügten Standard-Vertragsangebots der Klägerin für einen Einspeisevertrag für das Programm zu 1.a) für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 beschränkt auf eine Verbreitung in [...] zu verurteilen;

höchst hilfsweise (für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen 1a und b)

c) festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet ist, die der Klägerin aus der mit den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abgestimmten Kündigung des Vertrags zu 1.a) und Verweigerung des Abschlusses des Vertrags im Sinne des Antrags zu 1.b) für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 entstehen werden;

hilfsweise,

d) festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin in Hinblick auf die Verbreitung des Fernsehprogramms [...] keine technischen Beschränkungen auferlegen darf, ihr insbesondere die Verschlüsselung des Programmsignaltransports und die Freischaltung des Programms nicht untersagen darf, soweit die Klägerin für die Freischaltung kein programmbezogenes Entgelt verlangt;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Freischaltung des Programms und den verschlüsselten Signaltransport zu gestatten, soweit die Klägerin für die Freischaltung kein programmbezogenes Entgelt verlangt;

und

e) festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die Programme zu 1.a) in ihre Netze einzuspeisen und auch keine Kapazität hierfür vorhalten muss, soweit und solange die Beklagte keinen Vertrag mit der Klägerin über die Einspeisung hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Kündigung des Einspeisevertrags sei nicht sittenwidrig und verstoße auch nicht gegen einen Kontrahierungszwang. Ein solcher ergebe sich weder aus medienrechtlichen noch aus kartellrechtlichen Vorschriften. Mit der rundfunkrechtlichen Verpflichtung der Kabelnetzbetreiber zur Verbreitung der öffentlich-rechtlichen Programme (must carry) gehe nicht notwendig die Verpflichtung der Programmveranstalter einher, für die Einspeisung zu bezahlen.

Dass die Klägerin, [...] und [...] - nicht jedoch die übrigen, kleineren Kabelnetzbetreiber - bis zuletzt Einspeiseentgelte erhalten hätten, sei ein historisches Relikt. In der Aufbauphase der flächendeckenden Breitbandkabelnetzversorgung sei das Einspeiseentgelt als Investitionsbeitrag gerechtfertigt gewesen. Aufgrund einer veränderten Marktlage und mit Blick auf die Situation in den europäischen Nachbarländern sei das wirtschaftliche Austauschverhältnis nunmehr aber anders zu bewerten. Die Programmveranstalter erbrächten mit der Erstellung des Fernsehprogramms eine Leistung von erheblichem wirtschaftlichem Wert, die die Kabelnetzbetreiber zu allererst in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse weiterleiteten und die ihnen die Durchführung eines hochprofitablen Geschäftsmodells ermögliche. Die Leistung der Kabelnetzbetreiber werde hinreichend durch die bei ihren Abnehmern erzielten Erlöse vergütet; zudem nutzten die Kabelnetzbetreiber zunehmend und gewinnbringend die Möglichkeit der Bündelung ihres Programmangebots mit Telefonie- und Internetangeboten und dergleichen.

Vor diesem Hintergrund sei es weder als sittenwidrig noch als kartellrechtlich relevanter Ausbeutungsmissbrauch zu bewerten, die Zahlung eines Einspeiseentgelts zu verweigern und die Kabelnetzbetreiber auf die Erlöse aus dem Signalabnehmergeschäft zu verweisen. Ansprüche aus §§ 19, 20 GWB seien ferner deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte weder allein noch zusammen mit den übrigen öffentlich-rechtlichen Programmveranstaltern marktbeherrschend sei. Die von der Beklagten vorgenommene Marktabgrenzung sei unzutreffend; maßgeblich sei der nach Netzgebieten abzugrenzende Markt für Einspeisungen in das Kabelnetz, auf dem die Beklagte als Anbietern der Dienstleistung marktbeherrschend sei.

Ein Verstoß gegen § 1 GWB liege nicht vor. Zum einen genieße die Beklagte als [...]%ige Tochter von [...] und [...] das kartellrechtliche Konzernprivileg. Zum anderen sei die Beklagte an der Verhaltenskoordination von [...] und [...] nicht unmittelbar beteiligt gewesen. Die Beklagte habe sich nach eigener Überzeugungsbildung autonom dafür entschieden, sich dem Vorgehen von [...] und [...] anzuschließen. Die Absprache zwischen [...] und [...] verstoße aber auch nicht gegen § 1 GWB. Aufgrund des gemeinsam abgeschlossenen Einspeisevertrags und der gemeinsamen Veranstaltung der Programme [...], [...], [...] und [...] sei ein gemeinsames Vorgehen bei den Einspeiseentgelten nachgerade unumgänglich. Jedenfalls die konzertierte Kündigung sei unter diesen Umständen nicht unwirksam.

Nach allem sei der Einspeisevertrag wirksam beendet worden und die Beklagte sei auch nicht - wie mit Hilfsantrag 1b geltend gemacht - verpflichtet, einen neuen entgeltpflichtigen Einspeisevertrag abzuschließen. Hilfsweise wendet die Beklagte hierzu ein, die Klägerin habe allenfalls Anspruch auf ein angemessenes Entgelt (§ 52d RStV), also ein solches, das die Kosten einer effizienten Leistungserbringung oder die marktüblichen Gebühren nicht übersteige. Die Beklagte bestreitet die Marktüblichkeit der ihr von der Klägerin angetragenen Konditionen und ist der Ansicht, die Klägerin habe zu den ihr durch die Weiterleitung entstehenden Kosten und die gegenzurechnenden Einnahmen auf den Endkundenmarkt nicht ausreichend vorgetragen.

Was den Hilfsantrag zu 1c betreffe, sei - abgesehen vom Fehlen eines Verstoßes gegen § 1 GWB - ein kausaler Schaden nicht gegeben. Denn die Einstellung der Zahlungen beruhe auf dem schon länger bestehenden Bestreben der Rundfunkveranstalter, keine Einspeiseentgelte mehr zu bezahlen, was sie schon in der Präambel des Einspeisevertrags zum Ausdruck gebracht hätten.

Für den Hilfsantrag 1e sei der Zivilrechtsweg nicht eröffnet.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 8. Februar 2013 Bezug genommen. Durch Beschluss vom heutigen Tag hat die Kammer den Rechtsstreit im Umfang des Hilfsantrags 1e abgetrennt und an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen.

Gründe

Die mit Ausnahme des Hilfsantrags 1d und des abgetrennten und verwiesenen Hilfsantrags 1e zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Einspeisevertrag wirksam gekündigt und ist nicht zum Abschluss des Standard-Vertrags nach Anlagen K 1a und K1b verpflichtet. Es besteht auch keine Schadensersatzpflicht nach Maßgabe der mit dem Hilfsantrag 1c begehrten Feststellung. Der Hilfsantrag 1d ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig. Im Einzelnen:

1. Hauptantrag

Die Klage ist im Hauptantrag nicht begründet. Die Feststellung, dass der Einspeisevertrag über den 31. Dezember 2012 hinaus fortbesteht, kann nicht getroffen werden. Denn der Einspeisevertrag wurde durch die fristgerecht am 25. Juni 2012 zugegangene Kündigung wirksam beendet.

a) Die Kündigung des Einspeisevertrags verstößt nicht gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB). Die Parteien haben den Einspeisevertrag - unter anderem im Hinblick auf unterschiedliche Auffassungen über die Verpflichtung der Rundfunkanstalten zur Zahlung von Einspeiseentgelten - von vornherein befristet geschlossen und eine Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich vorgesehen; schon bei Vertragsabschluss haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter ihrer Erwartung Ausdruck verliehen, künftig keine Einspeiseentgelte mehr zahlen zu wollen (Nr. 6 der Präambel). Unter diesen Umständen kann die Kündigung des Einspeisevertrags als solche nicht als sittenwidrig angesehen werden, ohne dass es auf die sittliche Bewertung des Beweggrundes ankommt, künftig keine Einspeiseentgelte mehr zu bezahlen. Denn mit der Kündigung hat die Beklagte lediglich ein bei Vertragsschluss vorbehaltenes Recht ausgeübt und ist zu einer Verhandlungsposition zurückgekehrt, die sie seinerzeit bereits eingenommen hatte. Als unzulässige Rechtsausübung oder widersprüchliches Verhalten kann dies nicht bewertet werden.

b) Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht aus einem medienrechtlich oder kartellrechtlich begründeten Kontrahierungszwang der Rundfunkveranstalter im Hinblick auf die Einspeisedienstleistung begründet werden.

Im Falle eines Kontrahierungszwangs ist die Kündigung eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses nur dann unwirksam, wenn der Anspruch im Einzelfall auf den Abschluss eines Vertrags zu gleichen Vertragsbedingungen gerichtet ist, der Kündigende also zum sofortigen erneuten Vertragsschluss zu den bisherigen Bedingungen verpflichtet ist (für § 20 GWB: BGH, Urteil vom 7. März 1989 - KZR 15/87, BGHZ 107, 273, 279 - Staatslotterie; Urteil vom 24. Juni 2003 - KZR 32/01, WuW/E DE-R 1144 - Schülertransporte). Dies ist hier nicht der Fall. Selbst wenn - was an dieser Stelle offen bleiben kann - aus medienrechtlichen oder kartellrechtlichen Gründen ein Kontrahierungszwang der Beklagten bestünde, ergäbe sich daraus jedenfalls nicht die Pflicht, den Vertrag vom 27. Februar 2008 zu genau den darin festgeschriebenen Konditionen, insbesondere dem dort vereinbarten Entgelt, fortzusetzen. Die Klägerin trägt selbst nicht vor, dass - was mit Blick auf das vereinbarte Pauschalentgelt für alle öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter und dessen Aufteilung lediglich nach einem von den Programmveranstaltern erstellten, durch den Vertrag nicht vorgegebenen internen Kostenverteilungsschlüssel auch nicht anzunehmen ist - die Konditionen des Einspeisevertrags marktüblich und angemessen ist und dem Maßstab des § 52d RStV entspricht. Dies soll nach ihrem Vorbringen vielmehr für den Standard-Einspeisevertrag nach Anlagen K 1a und K 1b gelten, der sich in der Gebührenstruktur deutlich von dem bisherigen Einspeisevertrag unterscheidet, insbesondere kein pauschaliertes Entgelt vorsieht, und den die Klägerin der Beklagten für den Fall der wirksamen Kündigung des Einspeisevertrags angeboten hat (vgl. Hilfsantrag 1b). Unter diesen Umständen könnte, selbst wenn man zugunsten der Klägerin grundsätzlich einen Kontrahierungszwang unterstellen wollte, jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Beklagte zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen verpflichtet ist. Schon aus diesem Grund bleibt dem Hauptantrag der Erfolg versagt.

c) Die Kündigung ist auch nicht nach § 1 GWB i. V. mit § 134 GWB unwirksam. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte und die übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ihr Vorgehen im Hinblick auf die Einspeiseentgelte insgesamt unter Verstoß gegen § 1 GWB koordiniert haben. Selbst wenn dies der Fall wäre, ließe dies die Wirksamkeit der Kündigung des Einspeisevertrags unberührt.

In der Rechtsprechung ist, soweit ersichtlich, bisher nicht entschieden, ob einseitige Willenserklärungen - wie hier eine Kündigung -, die in Ausführung einer nach § 1 GWB verbotenen Kartellabsprache abgegeben werden, von der Nichtigkeitsfolge des § 1 GWB i. V. mit § 134 GWB erfasst werden. In der kartellrechtlichen Literatur wird die Frage, soweit ersichtlich, nicht behandelt. Sie bedarf auch hier keiner generellen Klärung. Jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen verbietet eine teleologische Auslegung des Kartellverbots die Annahme, die Kündigung als solche sei infolge einer möglicherweise gegen § 1 GWB verstoßenden Absprache nichtig.

Die von [...] und [...] im Zusammenhang mit den Einspeiseentgelten getroffene Absprache umfasst zwei Aspekte: Zum einen die Übereinkunft, den bestehenden Einspeisevertrag zu kündigen, zum anderen die Verabredung, keinen Anschlussvertrag zu schließen und künftig keine Einspeiseentgelte mehr zu bezahlen. Was den ersten Gesichtspunkt - Kündigung des Einspeisevertrags - betrifft, kann nicht angenommen werden, dass dadurch eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt wird. Im Gegenteil: Die Kündigung eröffnet erst wieder die Möglichkeit einer wettbewerblichen Interaktion der Marktteilnehmer, nämlich einer bilateralen Neuverhandlung der Einspeiseentgelte. Die Beendigung des bisherigen Einspeisevertrags schadet also für sich genommen dem Wettbewerb nicht, sie ist vielmehr geeignet, ihn zu fördern.

Dieser Umstand erlangt umso mehr Gewicht, als der bisherige Einspeisevertrag ersichtlich von allen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gemeinsam und damit - vom rechtlichen Standpunkt der Klägerin und bei Zugrundelegung der vorläufigen Rechtsansicht des Bundeskartellamts (vgl. Schreiben vom 24. Februar 2012, Anlage K 41) - unter Verstoß gegen § 1 GWB ausgehandelt wurde. Die Kündigung dieses nach der Art seines Zustandekommens wettbewerblich zumindest bedenklichen Vertrages für unwirksam zu halten und ihn somit bis auf weiteres zu zementieren, wäre mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unvereinbar. Der Gesetzeszweck würde nachgerade in sein Gegenteil verkehrt, wollte man den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter Berufung auf § 1 GWB eine Loslösung von dem bisherigen Einspeisevertrag erschweren. Rechtlich mag zwar eine gemeinsame Kündigung des Einspeisevertrags nicht zwingend - wenngleich im Hinblick auf das Pauschalentgelt für alle Programmveranstalter und die daraus bei einer Teilkündigung resultierenden Folgeprobleme naheliegend - sein. Entscheidend ist aber, dass durch eine abgestimmte Kündigung der Wettbewerb innerhalb der Programmveranstalter nicht stärker eingeschränkt wird, als dies durch den gemeinsam ausgehandelten Einspeisevertrag ohnehin schon geschehen war; im Gegenteil ermöglicht diese Kündigung erst die Rückkehr zu wettbewerbskonformem Verhalten, insbesondere die vom Bundeskartellamt in seinem Schreiben vom 24. Februar 2012 (Anlage K 41) geforderte getrennte Verhandlung von [...] und [...] über Einspeiseentgelte.

Unter diesen Umständen ist die abgestimmte Kündigung nicht von der Unwirksamkeitsfolge des § 1 GWB i. V. mit § 134 GWB erfasst. Dass [...], [...] und möglicherweise die Beklagte darüber hinaus verabredet haben, keinen Anschlussvertrag zu schließen und künftig keine Einspeiseentgelte mehr zu bezahlen, ändert an dieser Bewertung - unabhängig davon, ob darin ein Verstoß gegen § 1 GWB liegt oder nicht - nichts.

2. Hilfsantrag 1b

Der erste Hilfsantrag (Antrag 1b) ist ebenfalls unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Abschluss des angebotenen Standard-Einspeisevertrags.

a) Medienrechtlichen Bestimmungen lässt sich nicht entnehmen, dass die Betreiber von Breitbandkabelnetzen einen Anspruch gegen öffentlich-rechtliche Programmveranstalter haben, dass diese die Einspeisedienstleistung entgeltpflichtig in Anspruch nehmen. Dies gilt namentlich für die von der Klägerin in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gerückten Bestimmungen in §§ 52b, 52d RStV. Diese regeln lediglich, dass die Kabelnetzbetreiber in gewissem Umfang Kapazitäten für öffentlich-rechtliche Programmveranstalter zur Verfügung stellen müssen (must carry) und dass Programmanbieter durch die Ausgestaltung von Entgelten und Tarifen nicht unbillig behindert oder gegenüber gleichartigen Anbietern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden dürfen. Diese Vorschriften zielen - im Interesse der Programmvielfalt und Meinungsfreiheit - ersichtlich auf einen Schutz der Programmveranstalter und können nicht dazu herangezogen werden, eine Entgeltpflicht der Einspeisedienstleistung im Sinne eines Kontrahierungszwangs zu begründen. Zwar ist der Gesetzgeber, wie die Regelung in § 52d RStV zeigt, davon ausgegangen, dass die Beteiligten entgeltpflichtige Verträge über die Einspeisung schließen können. Ob der von §§ 52b, 52d RStV begünstigte Programmveranstalter von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, steht ihm aber frei; eine Verpflichtung hierzu ergibt sich aus den zitierten Bestimmungen nicht. Weitergehende Verpflichtungen ergeben sich auch nicht aus den verschiedenen von der Klägerin zitierten landesmedienrechtlichen Bestimmungen, die die analoge Verbreitung öffentlich-rechtlicher Programme zum Gegenstand haben.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei der gebotenen Auslegung der medienrechtlichen Normen im Lichte von Art. 12 GG und Art. 14 GG. Es mag zwar zutreffen, dass in der Verpflichtung zur Bereitstellung von Übertragungskapazitäten für öffentlich-rechtliche Programmveranstalter ein Eingriff in die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie liegt. Dieser Eingriff - über dessen Entschädigungspflicht hier nicht zu befinden ist - geht aber nicht von den öffentlich-rechtlichen Programmveranstaltern aus, sondern vom Normgeber des Rundfunkstaatsvertrags, der demnach für einen etwa bestehenden Entschädigungsanspruch passivlegitimiert wäre. Denn auch unter Berücksichtigung von Art. 12 GG und Art. 14 GG kann den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags nicht entnommen werden, dass die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter verpflichtet wären, die ihnen garantierten Übertragungskapazitäten und damit die Einspeisedienstleistung der Kabelnetzbetreiber in Anspruch zu nehmen. Verzichten sie aber auf die Leistung der Kabelnetzbetreiber, versteht es sich, dass sie dafür auch kein Entgelt schulden.

Auch mit dem Grundversorgungsauftrag kann eine Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter, die Einspeisung ihrer Programme in das Kabelnetz zu vergüten, nicht begründet werden. Zwar kann eine große Zahl von Zuschauern die öffentlich-rechtlichen Programme nur über einen Kabelanschluss empfangen. Die Kabelweiterleitung liegt daher objektiv auch im Interesse der öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch nicht geeignet, das Pflichtenprogramm der öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter sachgerecht einzugrenzen. Andernfalls könnte man - was die Klägerin indessen zu Recht nicht tut - annehmen, dass auch die Herstellung und der Vertrieb von Satelliten-Empfangseinrichtungen oder sogar Fernsehgeräten vom Grundversorgungsauftrag umfasst und von den Programmveranstaltern zu bezuschussen ist, denn auch solche Vorrichtungen sind für zahlreiche Haushalte unerlässlich, um das Programm letztlich empfangen zu können. Welche Anstrengungen die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter unternehmen müssen, um ihr Programm für das Publikum empfangbar zu machen, insbesondere welche Übertragungswege sie in Ausübung des durch § 19 RStV eröffneten Ermessens wählen dürfen oder müssen, kann daher nur durch wertende Betrachtung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Marktgegebenheiten beurteilt werden. Diese sind - jedenfalls derzeit - offenbar dadurch gekennzeichnet, dass die Kabelnetzbetreiber die von den öffentlich-rechtlichen Programmeveranstaltern zur Verfügung gestellten Programme schon im eigenen Interesse weiterleiten, um die Attraktivität ihres Gesamtangebots zu erhöhen. Jedenfalls solange dies gewährleistet ist, kann dem Grundversorgungsauftrag nicht die Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter entnommen werden, für die Tätigkeit der Kabelnetzbetreiber ein Entgelt zu entrichten.

b) Ansprüche auf Abschluss des Standard-Einspeisevertrags ergeben sich ferner nicht aus §§ 19, 20 GWB. Die Beklagte ist nicht Normadressatin dieser Vorschriften, da sie auf dem relevanten Markt nicht über eine beherrschende Stellung verfügt.

Mit dem Bundeskartellamt (Beschluss vom 15. Dezember 2011 - B7 66/11 Rn. 181 ff- [...]/[...]) ist davon auszugehen, dass sich auf dem in räumlicher Hinsicht auf das Netzgebiet eines jeden regionalen Kabelnetzbetreibers beschränkten Markt für die analoge und digitale Einspeisung von Rundfunksignalen in dieses Breitbandkabelnetz der jeweilige Kabelnetzbetreiber als Anbieter der technischen Einspeisedienstleistung und die Rundfunkveranstalter als Nachfrager gegenüberstehen. Was die hier interessierende technische Dienstleistung der Einspeisung betrifft, handelt es sich um einen Angebotsmarkt (BKartA, aaO Rn. 185).

Auf dem so abgegrenzten Markt hat die Beklagte, deren Zuschauermarktanteil sich unterhalb von 1% bewegt, keine beherrschende Stellung. Im Gegenteil liegt es - ohne dass es für die Entscheidung darauf ankäme - eher nahe, von einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin auszugehen, die als Monopolistin in ihrem Netzgebiet keinem (wesentlichen) Wettbewerb ausgesetzt ist. Denn da die an das Netz der Klägerin angeschlossenen Kabelkunden nur über die Klägerin zu erreichen sind, ist deren Einspeisedienstleistung aus Sicht der Programmveranstalter mit derjenigen anderer regionaler Kabelnetzbetreiber nicht austauschbar. Die must-carry-Bestimmungen der §§ 52b, 52d RStV setzen dem keine gegengewichtige Marktmacht der Nachfrager gegenüber, die die beherrschende Stellung der Kabelnetzbetreiber in Frage stellen oder gar umgekehrt zu einer marktbeherrschenden Stellung der Nachfrager führen könnte. Die Erforderlichkeit derartiger Regelungen zum Schutz der öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter belegt vielmehr deren strukturelle Unterlegenheit auf dem Einspeisemarkt.

Ohne Erfolg versucht die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten aus der Erwägung abzuleiten, im Hinblick auf deren Must-carry-Status könne sie deren der Nachfrage nicht ausweichen. Dieser Gesichtspunkt ist in einem Angebotsmarkt nicht geeignet, eine beherrschende Stellung des Nachfragers zu begründen. Im Bereich der Daseinsvorsorge, etwa der Wasser- oder Energieversorgung, gibt es zahlreiche Fälle, in denen das Versorgungsunternehmen eine Grundversorgungspflicht trifft, also seinen Nachfragern nicht ohne rechtfertigenden Grund ausweichen kann. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der lokale Kleingewerbetreibende beherrsche deshalb nunmehr den für ihn zuständigen kommunalen Wasserversorger oder das grundversorgende Elektrizitätsunternehmen.

Dass die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter derzeit nicht mehr bereit sind, die Einspeisedienstleistung zu vergüten, kann ebenfalls nicht als Beleg für eine beherrschende Stellung auf diesem Markt herangezogen werden. Dies bedeutet allenfalls, dass die öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter die Einspeisung nicht mehr als Dienstleistung der Kabelnetzbetreiber in Anspruch nehmen, sich also als Nachfrager von diesem Markt zurückziehen.

Soweit die Kabelnetzbetreiber Programminhalte der öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter nachfragen, betrifft dies einen anderen sachlichen Markt, nämlich den Markt für die Rechteeinräumung zur Kabelweiterleitung urheberrechtlich geschützter Programme (BKartA, aaO Rn. 185 mit Fn. 183). Die Verhältnisse auf diesem Markt bedürfen hier keiner näheren Betrachtung. Selbst wenn dort einige oder alle öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter - für die Beklagte liegt dies angesichts des geringen Zuschauermarktanteils eher fern - eine beherrschende Stellung hätten, etwa weil das Produkt der Klägerin auf dem nachgelagerten Signalabnehmermarkt ohne einigermaßen vollständiges Angebot der öffentlich-rechtlichen Programmveranstalter nicht bestehen könnte, ergäben sich daraus keine Ansprüche auf Vergütung der technischen Einspeisedienstleistung, sondern allenfalls Ansprüche der Klägerin auf Zugang zu dem Programmangebot. Diesen Zugang gewährt die Beklagte der Klägerin aber; ihr Programm ist frei empfangbar und darf von der Klägerin über ihr Kabelnetz verbreitet werden.

c) Eine Verpflichtung zum Abschluss des Standard-Einspeisevertrags ergibt sich schließlich nicht aus § 826 BGB. Die diesbezügliche Argumentation der Klägerin beruht auf der Prämisse, die Beklagte nehme mit der Einspeisung ihres Sendesignals in das Kabelnetz eine Leistung der Klägerin in Anspruch. Diese Sichtweise ist jedoch nicht zwingend. Wie bereits aufgezeigt wurde, rechtfertigt allein der Umstand, dass die Kabelweiterleitung ihrer Programme objektiv und möglicherweise auch subjektiv im Interesse der Beklagten liegen mag, nicht die Annahme, es handele sich dabei um eine von der Klägerin gegenüber der Beklagten erbrachte Leistung, die diese vergüten müsse. Denn die Kabelnetzbetreiber profitieren ebenfalls von der Kabelweiterleitung der Programminhalte, was schon der Umstand belegt, dass sie bereit sind, hierfür eine urheberrechtliche Vergütung an die Verwertungsgesellschaft der Programmveranstalter zu bezahlen. Zudem trägt das Programm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Attraktivität des Angebots der Klägerin bei, für das sie bei ihren Signalabnehmern eine - unstreitig auskömmliche - Vergütung erzielen kann. In einem solchen Fall, in dem die Marktteilnehmer wechselseitig von den Leistungen des jeweils anderen profitieren, kann nur der Markt darüber entscheiden, in welcher Richtung eine Vergütung fließt. Mittels der Vorschrift des § 826 BGB kann bei derartigen Marktgegebenheiten die Vergütungspflicht in einer bestimmten Richtung nicht erzwungen werden.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Must-carry-Status der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird - was hier keiner Entscheidung bedarf - dass sie die Sendesignale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter auch dann in ihr Kabelnetz einspeisen muss, wenn diese dafür keine Vergütung zu zahlen bereit sind und sie in einem solchen Fall ferner nicht die Möglichkeit hat, die urheberrechtliche Vergütung für die Kabelweiterleitung anteilig zu kürzen oder zu verweigern, lässt sich aus § 826 BGB kein Kontrahierungszwang der Beklagten ableiten. Auch bei Unterstellung dieser rechtlichen Prämissen verstößt es bei Anwendung der im Rahmen von § 826 BGB anzulegenden Maßstäbe nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn die Beklagte die Klägerin auf deren Erlösmöglichkeiten auf dem Signalabnehmermarkt verweist, die jedenfalls nach derzeitiger Marktlage unstreitig mindestens auskömmlich sind.

3. Hilfsantrag 1c

Der auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen des behaupteten Verstoßes gegen das Kartellverbot und den Kontrahierungszwang gerichtete Hilfsantrag ist nicht begründet.

a) Es wurde bereits ausgeführt, dass die Kündigung des Einspeisevertrags trotz der zwischen [...] und [...] und möglicherweise der Beklagten erfolgten Abstimmung ohne Verstoß gegen § 1 GWB erfolgt ist. Mangels Verstoßes gegen das Kartellverbot ist daher ein Schadensersatzanspruch nach § 33 GWB nicht gegeben. Die begehrte Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der der Klägerin aus der mit den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten abgestimmten Kündigung des Vertrags zu 1.a) entstehen wird, kann daher nicht getroffen werden.

b) Gleiches gilt für das auf §§ 826, 249 BGB und §§ 33, 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2, 20 Abs. 1 GWB gestützte Begehren, die Schadensersatzpflicht in Ansehung der Verweigerung des Abschlusses eines Vertrags im Sinne des Antrags zu 1.b für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 festzustellen. Wie bereits dargelegt, unterliegt die Beklagte weder nach § 826 BGB noch nach §§ 19, 20 GWB einem Kontrahierungszwang, der sie verpflichtet hätte, das Vertragsangebot im Sinne des Antrags 1b anzunehmen. In der Ablehnung dieses Vertragsangebots liegt daher keinen Anspruch auf Schadensersatz begründende Pflichtverletzung.

4. Hilfsantrag 1d

Der auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Verschlüsselungsverbots gerichtete Hilfsantrag 1d ist unzulässig. Es fehlt an einer mit Blick auf die Zulässigkeitsvoraussetzung des Feststellungsinteresses notwendigen Berühmung der Beklagten, das Recht inne zu haben, dessen Nichtbestehen die Klägerin geltend macht.

Eine Verpflichtung zur unverschlüsselten Weiterleitung des Sendesignals ist zwar in dem bisherigen Einspeisevertrag enthalten. Da der Hilfsantrag jedoch nur für den Fall gestellt ist, dass dieser Vertrag wirksam gekündigt wurde (vgl. Antrag 1a), versteht es sich, dass aus diesem Vertrag ein Verschlüsselungsverbot künftig nicht mehr hergeleitet werden könnte. Die Klägerin hat nicht aufzuzeigen vermocht, dass die Beklagte in dieser Frage jemals einen abweichenden Rechtsstandpunkt eingenommen hätte.

Auch sonst lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen, dass und gegebenenfalls unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten sich die Beklagte auf ein Verschlüsselungsverbot beruft. Der Umstand, dass ein solches Verbot nachrichtlich in den zwischen der Klägerin und der [...] geschlossenen Vertrag Eingang gefunden hat, genügt hierfür nicht. Die Klägerin erkennt selbst, dass die Beklagte aus diesem Vertrag keine Rechte herleiten kann und behauptet auch nicht, dass die Beklagte dies jemals versucht hätte.

5. Hilfsantrag 1e

Der auf die Feststellung der fehlenden Einspeisepflicht ohne vertraglich bedungene Gegenleistung gerichtete Hilfsantrag 1e unterfällt, wie die Kammer mit Beschluss vom heutigen Tage im Einzelnen begründet hat, nicht der Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit und war nach Abtrennung an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.

6. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Vollstreckungsanordnung findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.






LG Mannheim:
Urteil v. 19.04.2013
Az: 7 O 228/12 Kart


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/93eb0aa2f0e0/LG-Mannheim_Urteil_vom_19-April-2013_Az_7-O-228-12-Kart




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