Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2008
Aktenzeichen: 21 W (pat) 20/06

(BPatG: Beschluss v. 30.10.2008, Az.: 21 W (pat) 20/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 30. Oktober 2008 entschieden, dass der Einspruch gegen ein Patent als unzulässig verworfen wird. Die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts, das Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit zu widerrufen, wurde aufgehoben. Der Einspruch wurde von einer Anwaltskanzlei eingereicht, allerdings wurde keine juristische oder natürliche Person als Einsprechende benannt. Der Patentanwalt, der den Einspruchsschriftsatz unterzeichnet hat, hat später erklärt, dass er der Einsprechende sei. Die Patentinhaberin hat argumentiert, dass der Einspruch nicht ordnungsgemäß unterzeichnet wurde und daher unzulässig sei. Das Bundespatentgericht hat entschieden, dass die Identität des Einsprechenden nicht eindeutig feststellbar ist und daher der Einspruch unzulässig ist. Die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts wurde aufgehoben, da die Sachentscheidungsvoraussetzung für den Widerruf des Patents fehlte.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 30.10.2008, Az: 21 W (pat) 20/06


Tenor

Der Beschluss der Patentabteilung 35 des Deutschen Patentund Markenamts vom 2. Dezember 2005 wird aufgehoben.

Der Einspruch gegen das Patent DE 197 09 182 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Gegen das Patent DE 197 09 182 der s... Firma S1... AG, das eine Vorrichtung zum Einspannen einer Knochenplatte betrifft und dessen Erteilung am 7. Dezember 2000 veröffentlicht worden ist, ist am 7. März 2001 Einspruch eingelegt worden. Der Einspruch wurde mit einem Briefkopf der Kanzlei der Rechtsund Patentanwälte W... & W... abgefasst. Im Betreff des Einspruchsschriftsatzes ist die Nummer des angegriffenen Patents angegeben, ebenso der Name der Patentinhaberin. Darunter enthält der Schriftsatz die Angabe: "Unsere Akte: 1E-86 149". Eine bestimmte juristische oder natürliche Person ist als Einsprechende nicht benannt.

Am Ende trägt der Einspruchsschriftsatz die vollständige Unterschrift des der Kanzlei der Rechtsund Patentanwälte W... & W... angehörenden Patentanwalts S2.... Unter dem handschriftlichen Namenszug findet sich der diesem entsprechende maschinenschriftliche Zusatz "St... J. S2..." und darunter "Patentanwalt".

Auf eine Anfrage einer Mitarbeiterin des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. März 2001 teilte Patentanwalt S2... am 16. März 2001 mit: "Wie auch dem Einspruchsschriftsatz vom 7. März 2001 zu entnehmen ist, ist der Unterzeichner der Einsprechende".

Die Patentinhaberin hat die Unzulässigkeit des Einspruchs geltend gemacht, da er nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden sei. Es werde bestritten, dass Patentanwalt S2... für die Sozietät allein vertretungsbefugt sei. Der Einspruch sei mit einem Briefkopf der Rechtsund Patentanwälte W... & W... erhoben worden. Eine andere natürliche oder juristische Person als die Kanzlei als Einsprechende habe dem Einspruchsschriftsatz nicht entnommen werden können. Gehe man von Patentanwalt S2... als wahrem Einsprechenden aus, habe innerhalb der Einspruchsfrist die Person des Einsprechenden nicht identifiziert werden können, so dass der Einspruch auch aus diesem Grund unzulässig sei.

Patentanwalt S2... hat demgegenüber die Auffassung vertreten, dass innerhalb der Einspruchsfrist eindeutig feststellbar gewesen sei, wer den Einspruch eingelegt habe. Denn der Einspruchsschriftsatz sei von ihm unterzeichnet worden und habe außerdem die Adresse der Kanzlei enthalten, unter der nur ein Patentanwalt S2... anzutreffen sei.

Mit Beschluss vom 2. Dezember 2005 hat die Patentabteilung 35 des Deutschen Patentund Markenamts das Patent wegen mangelnder Patentfähigkeit widerrufen. In der Begründung ist die Patentabteilung von der Zulässigkeit des Einspruchs ausgegangen. Sie hat dazu ausgeführt, dass Patentanwalt S2... Einsprechender sei. Der Einspruchsschriftsatz habe im Briefbogen den Namen der Kanzlei sowie die Namen der zugehörigen Patentanwälte enthalten, u. a. den Namen des Patentanwalts S2.... Nachdem der Schriftsatz von diesem unterzeichet sei und an keiner Stelle erkennen lasse, dass der Einspruch im Namen einer dritten Person eingelegt worden sein sollte, kämen nur Patentanwalt S2... als natürliche Person bzw. die Anwaltssozietät als Einsprechende in Betracht. Eine Einspruchserhebung der Anwaltssozietät sei aber auch nicht genannt und komme nicht in Betracht, da sie als BGB-Gesellschaft nicht rechtsfähig sei und somit auch nicht Einsprechende sein könne. Aus der Verwendung des Briefbogens gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt könne nicht abgeleitet werden, dass eine Erklärung für die Sozietät oder für die weiteren Sozien abgegeben werden sollte, sondern zeige nur die Zugehörigkeit des Patentanwalts S2... zur Kanzlei an. Das angegriffene Patent sei in der erteilten Fassung gegenüber dem Stand der Technik nicht neu. Soweit das Patent hilfsweise beschränkt verteidigt werde, beruhten die jeweils beanspruchten Gegenstände nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Gegen den Widerrufsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, die weiterhin der Auffassung ist, dass der Einspruch nicht zulässig sei. Sie tritt der Begründung der Patentabteilung, dass eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht Einsprechende sein könne, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen. Damit sei sowohl die Verfahrensbeteiligung von Patentanwalt S2... als auch die der Anwaltssozietät W... & W... möglich gewesen. Der Einspruch mit dem Briefbogen der Anwaltssozietät sei als deren Einspruch zu werten. Die Mitglieder einer Anwaltssozietät könnten nur gemeinsam handeln, die Unterzeichnung des Einspruchsschriftsatzes allein durch Patentanwalt S2... sei daher nicht wirksam, was zur Unzulässigkeit des Einspruchs führe. Zudem habe Patentanwalt S2... erklärt, er habe im eigenen Namen Einspruch eingelegt. Dies gehe aber aus dem Einspruchsschriftsatz nicht hervor. Vielmehr habe dieser auf einen Einspruch der Anwaltssozietät hingewiesen. Demzufolge habe die Identität des Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist nicht eindeutig festgestanden. Der Einspruch sei daher auch aus diesem Grund unzulässig.

Die Patentinhaberin beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und den Einspruch zu verwerfen.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass die Angabe des vollständigen Namens des Einsprechenden, seiner Berufsbezeichnung und der ladungsfähigen Anschrift im Einspruchsschriftsatz ausreichend seien, um den Einsprechenden eindeutig gegenüber einem unbeschränkten Kreis von Einspruchsberechtigten abzugrenzen. Durch die deutliche Namensangabe und die Anschrift stehe die Identität des Einsprechenden eindeutig fest, weitere Nachforschungen zur Ermittlung bzw. Identifikation des Einsprechenden seien somit nicht erforderlich gewesen. Darüber hinaus sei dem Deutschen Patentund Markenamt eine Identifizierung aufgrund der Patentanwaltsliste ohne weitere Nachforschungen möglich gewesen. Aus der mit vollständiger Namensangabe und Berufsbezeichnung versehenen Unterschrift könne nicht entnommen werden, dass die Erklärung im Namen bzw. in Vertretung Dritter erfolgen sollte, zumal auch kein derartiger Dritter genannt worden sei. Im Übrigen habe die Unterschrift keinen Vertreterzusatz enthalten. Die spätere Klarstellung, dass der Unterzeichner selbst Einsprechender sei, sei nur höchst vorsorglich erfolgt.

Auch aus den Ausführungen der Patentinhaberin zur Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft ergebe sich nichts anderes. Insbesondere habe er ein Vertretungsverhältnis in Bezug auf die Kanzlei W... & W... nicht offengelegt, so dass ein Handeln für diese Kanzlei nach außen nicht erkennbar gewesen sei. Daher wirkten die Erklärungen ausschließlich für und gegen den Einsprechenden Patentanwalt S2....

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Nachdem die Beschwerdeführerin, eine S... Firma mit Sitz in C..., in der mündlichen Verhandlung die nach § 25 Abs. 1 PatG erforderliche Inländervollmacht vorgelegt hat, steht der Beschwerdeentscheidung kein Verfahrenshindernis entgegen.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da der Einspruch nicht zulässig war und daher zu verwerfen ist. Denn im vorliegenden Fall ist die Identität des Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist nicht eindeutig feststellbar gewesen. Da somit für den Widerruf des Patents die Sachentscheidungsvoraussetzung fehlte, kann der angegriffene Beschluss der Patentabteilung keinen Bestand haben.

1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Einspruch gegen ein Patent unzulässig, wenn auch bei verständiger Würdigung der Einspruchsschrift und der übrigen dem Patentamt innerhalb der Einspruchsfrist vorliegenden Unterlagen Zweifel an der Person des Einsprechenden bestehen bleiben (BGH GRUR 1990, 108 ff. -Messkopf). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein Rechtsmittel nur dann ordnungsgemäß eingelegt ist, wenn die Person des Rechtsmittelklägers bezeichnet ist. Diese Angabe muss nicht in der Rechtsmittelschrift enthalten sein; es genügt, wenn sie sich aus anderen, dem Gericht vorliegenden Unterlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eindeutig entnehmen lässt (vgl. BGH NJW 1985, 2650 m. w. N.). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für das Rechtsmittel der Beschwerde nach dem Patentgesetz (vgl. BGH GRUR 1977, 508 -Abfangeinrichtung) wie für das diesem vorgeschaltete patentamtliche Einspruchsverfahren (vgl. BGH GRUR 1988, 809 -Geschoß). Die Identität des Einsprechenden muss zweifelsfrei feststehen, weil andernfalls dem Patentinhaber durch einen Einspruch aus dem Verborgenen seine Verteidigungsmöglichkeiten insoweit faktisch abgeschnitten werden könnten, als es um in der Person des Einsprechenden oder seines Hintermannes begründete Einwendungen geht. Denn im Unterschied zur Klage, der in aller Regel bestehende rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen der streitenden Parteien vorausgegangen sind, die die Feststellung der Identität der Beteiligten ohne Weiteres ermöglichen, kann gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 PatG 1981 jedermann innerhalb von drei Monaten nach der Veröffentlichung der Erteilung gegen das Patent Einspruch erheben (BGH a. a. O. -Messkopf).

2.

Da der Einspruch am letzten Tag der Einspruchsfrist eingelegt wurde, liegen im vorliegenden Fall keine Unterlagen außerhalb des Einspruchsschriftsatzes vor, die zur Identifizierung des Einsprechenden dienende Erkenntnisse enthalten könnten. Allein aus der Einspruchsschrift vom 7. März 2001 lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners die Person des Einsprechenden nicht in eindeutiger Weise identifizieren, insbesondere ergibt sich hieraus weder unmittelbar noch im Wege der Auslegung, dass er Einsprechender ist.

2.1. Dem Einspruchsschriftsatz ist zwar anhand des Briefkopfs zu entnehmen, aus welcher Anwaltskanzlei er stammt und anhand der Unterschrift, wer ihn gefertigt hat. Er enthält aber keine ausdrückliche Aussage darüber, welche bestimmte natürliche oder juristische Person als Einsprechende Beteiligte des Einspruchsverfahrens sein sollte, insbesondere ist nirgendwo erwähnt, in wessen Namen Einspruch erhoben worden ist.

2.2. Die Einspruchsschrift lässt daher die Person des Einsprechenden offen, so dass durch Auslegung festgestellt werden muss, ob sich aus dem Gesamtinhalt des Schreibens eine Zuordnung zu einer bestimmten Person ermitteln lässt. Dabei kommt es darauf an, welcher Sinn der Erklärung aus der Sicht des Empfänger beizulegen ist (BGH GRUR 1990, 348 ff. -Gefäßimplantat). Nach der Rechtsprechung des BGH (a. a. O. -Gefäßimplantat) ist bei einer äußerlich unrichtigen Bezeichnung grundsätzlich derjenige als Partei -hier als Einsprechender -anzusprechen, der erkennbar durch die fehlerhafte Bezeichnung nach deren objektivem Sinn betroffen ist. Übertragen auf den vorliegenden Fall des völligen Fehlens einer solchen Bezeichnung bedeutet dies, dass nach dem objektiven Erklärungsinhalt des Schreibens erkennbar nur ein bestimmter Einsprechender in Betracht kommen darf. Dies ist indes nicht der Fall.

2.3. Der Beschwerdegegner meint, dass der Erklärungsinhalt eindeutig auf ihn als Einsprechendem hinweise, weil die Angabe seines vollständigen Namens, seiner Berufsbezeichnung und der ladungsfähigen Kanzleianschrift im Einspruchsschriftsatz ausreichend seien, um ihn als Einsprechenden eindeutig gegenüber einem unbeschränkten Kreis von Einspruchsberechtigten abzugrenzen und dadurch die Identität des Einsprechenden eindeutig feststehe.

Dem kann nicht gefolgt werden. Bei der Frage, ob einer Erklärung aufgrund der Auslegung objektiv ein bestimmter Sinn zukommt, muss die Verständnismöglichkeit des oder der Empfänger berücksichtigt werden, hier also des Deutschen Patentund Markenamts und der Patentinhaberin. Danach steht aufgrund der genannten Angaben fest, dass der Beschwerdegegner den Einspruchsschriftsatz verfasst hat. Einen Hinweis darauf, dass er dies im eigenen Namen als Verfahrensbeteiligter getan hat, ist ihm nicht zu entnehmen. Allgemein trifft zwar die Annahme zu, dass derjenige, der ein Schriftstück unterzeichnet, im eigenen Namen handelt. Dies gilt aber nicht bei Angehörigen einer Berufsgruppe, die wie Rechtsund Patentanwälte üblicherweise im Namen Dritter tätig werden. Soweit der Beschwerdegegner darauf abstellt, dass seine Unterschrift keinen Vertreterzusatz enthalten habe, kann daraus nicht, insbesondere nicht mit der hier erforderlichen Eindeutigkeit gefolgert werden, dass er selbst Verfahrensbeteiligter sein wollte. Denn ein Vertreterzusatz ist regelmäßig in Anwaltsschriftsätzen nicht vorhanden. Die Vertreterposition ergibt sich aus der Stellung des Anwalts als Organ der Rechtspflege, aus der heraus er normalerweise für Dritte tätig wird. Der Beschwerdegegner kann sich daher auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass der Schriftsatz eine mit vollständiger Namensangabe und Berufsbezeichnung versehene Unterschrift enthalten habe. Da Anwaltsschriftsätze häufig so unterzeichnet sind, lässt sich hieraus gerade nicht herleiten, dass der Einspruch im eigenen Namen des unterzeichnenden Patentanwalts eingelegt werden sollte.

Bei objektiver Betrachtungsweise, die den üblichen Empfängerhorizont der im Patentrecht tätigen Kreise berücksichtigt, legt die vorhandene Unterschrift mit dem Zusatz "Patentanwalt" auf dem Briefbogen der Kanzlei in erster Linie den Schluss nahe, dass der Einspruch durch den Beschwerdegegner in seiner Eigenschaft als Patentanwalt und Angehöriger der Kanzlei W... & W... im Namen und in Vollmacht eines Dritten erhoben wurde. Dass kein derartiger Dritter genannt worden ist, ist bei dem hier an den Inhalt des Einspruchsschriftsatzes anzulegenden normativen Maßstab nicht als Hinweis dafür geeignet, dass der Beschwerdegegner im eigenen Namen tätig geworden ist. Hierbei muss insbesondere berücksichtigt werden, dass es grundsätzlich Sache des Erklärenden ist, sich so deutlich auszudrücken, dass der Empfänger das Gemeinte unter normalen Umständen erkennen kann. Dies gilt umso mehr, als die Erklärung von einem Patentanwalt herrührt, von dem insbesondere in fristgebundenen Verfahren eine besondere Erklärungssorgfalt zu erwarten ist.

Auch wenn es sich beim Einspruch um einen Popularrechtsbehelf handelt, den jeder einlegen kann, ist es in hohem Maße ungewöhnlich, dass ein Patentanwalt in Person als Einsprechender auftritt. Es hätte daher, nachdem der zu erwartende ausdrückliche Hinweis hier fehlt, für die Auslegung weiterer objektiver Umstände bedurft, um dem Beschwerdegegner den Einspruch als eigenen zurechnen zu können. Solche Umstände fehlen hier. Insbesondere ergibt die durchgängig passivische Abfassung des Schriftsatzes keinen Hinweis darauf, dass der Beschwerdegegner außerhalb seiner beruflichen Stellung nicht für einen Dritten, sondern im eigenen Namen auftreten wollte. Der erste Abschnitt des Schriftsatzes, der mit "I. Antrag" überschrieben ist, enthält folgende Formulierungen: "Hiermit wird gegen das ... Patent der ... Einspruch erhoben (PatG § 59 (1))." "Es wird beantragt, das Patent ... in vollem Umfang zu widerrufen (PatG § 61 (1)). Hilfsweise wird eine Anhörung beantragt." Im Abschnitt II des Einspruchsschriftsatzes ist einleitend formuliert: "In der Begründung des Einspruchs wird auf die folgenden Druckschriften zum Stand der Technik Bezug genommen: ..." "Im Folgenden wird das ... Patent ... als Streitpatent bezeichnet, wobei die ... Druckschriften ... mit den entsprechenden Länderkürzeln angegeben werden." Derartige Formulierungen finden sich typischerweise in für Dritte erstellten Schriftsätzen. Sie eignen sich daher nicht als Auslegungshilfe für eine eigene Beteiligtenstellung des Beschwerdegegners. Schließlich gibt auch der Hinweis auf das Kanzlei interne Aktenzeichen nichts her für ein eigenes Tätigwerden des Beschwerdegegners: "Unsere Akte: 1E-86 149", sondern spricht eher dagegen.

2.4.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann der Inhalt des Einspruchsschriftsatzes auch nicht so ausgelegt werden, dass die -nach der Rechtsprechung des BGH (MarkenR 2001, 129 ff. = NJW 2001, 1056 ff.) als nach außen tätige Gesellschaft des bürgerlichen Rechts parteiund prozessfähige -Anwaltskanzlei überhaupt, geschweige dann eindeutig, als Einsprechende identifiziert werden könnte, gegebenenfalls vertreten durch den Beschwerdegegner. Vielmehr scheidet eine derartige Auslegung aus den oben unter 2.3. genannten Gründen ebenfalls aus.

3.

Danach kann auch der Auffassung der Patentabteilung nicht gefolgt werden, wonach nur Patentanwalt S2... als natürliche Person bzw. die Anwaltssozietät als Einsprechende in Betracht kämen.

3.1. Denn eine Auslegung in diese Richtung lässt der Einspruchsschriftsatz gerade nicht zu. Im Übrigen führte die Annahme, dass entweder der Beschwerdegegner oder seine Kanzlei Einsprechende sein könnten, dazu, dass eine eindeutige Identifizierung der Person des Einsprechenden bei Ablauf der Einspruchsfrist nicht möglich war. Die Patentabteilung hat übersehen, dass sie von einen mehrdeutigen Sachverhalt ausgegangen ist und ihr Ergebnis nicht aus dem Inhalt des Einspruchsschriftsatzes und dessen Auslegung hergeleitet, sondern aus einer zudem rechtlich nicht zutreffenden Schlussfolgerung gewonnen hat.

3.2. Hinzu kommt, dass selbst die Annahme, dass die Anwaltskanzlei als Einsprechende ausscheidet, nach dem oben Ausgeführten nicht zwangsläufig zum Ergebnis führen würde, dass nur der Beschwerdegegner als Einsprechender in Betracht käme. Die von der Patentabteilung und von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gestellten beiden Alternativen, dass entweder der Beschwerdegegner oder die Anwaltskanzlei als BGB-Gesellschaft als Einsprechende in Betracht kommen, stehen nicht in einem andere Möglichkeiten ausschließenden EntwederOder-Verhältnis. Nachdem allein aus dem Einspruchsschriftsatz der Beschwerdegegner nicht eindeutig als Einsprechender identifiziert werden kann, kommt aus der hier maßgeblichen objektiven Empfängersicht nämlich weiter die aus dem Gesamteindruck des Einspruchsschriftsatzes nächstliegende Möglichkeit in Betracht, dass tatsächlich ein Dritter Einsprechender war und nur vergessen wurde, ihn im Einspruchsschriftsatz zu benennen. Der von der Mitarbeiterin des Deutschen Patentund Markenamts auf dem Einspruch angebrachte handschriftliche Vermerk "Bitte Einsprechende Firma angeben" und die anschließende Anfrage bei der Kanzlei W... & W... zeigt ein solches, objektiv nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der üblichen Gestaltung von Einspruchsschreiben gerechtfertigtes Empfängerverständnis.

Nach alledem kann anhand des Inhalts des Einspruchsschriftsatzes vom 7. März 2001 die Person des Einsprechenden weder unmittelbar noch im Wege der Auslegung eindeutig identifiziert werden.

4. Im Übrigen ergibt sich aus dem weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patentund Markenamt, wie er den Akten der Patentabteilung zu entnehmen ist, dass viel für die unter 3.2. genannte Variante spricht: In einem Fristverlängerungsantrag vom 13. September 2005, den nicht der Beschwerdegegner, sondern ein weiterer Anwalt aus der Kanzlei W... & W... unterschrieben hat, erscheint der folgende Betreff:

Deutsches Patent 197 09 182.2 Patentinhaber: S... AG C... Einsprechende: St1... GmbH & Co. KG Unser Zeichen: 1E-86 149.

Die Tatsache, dass hier plötzlich die Firma St1... GmbH & Co. KG als -wahre € -Einsprechende erscheint, stützt die These, dass der Einspruch tatsächlich nicht im Namen von Herrn S2..., sondern vielmehr im Namen der Firma St1... GmbH & Co. KG eingelegt werden sollte.

Für die danach wahrscheinlichste Konstellation, dass nämlich die Fa. St1... GmbH & Co. KG die wahre Einsprechende war und sie womöglich aufgrund eines Schreibversehens nicht im Einspruchsschriftsatz aufgeführt wurde, spricht weiterhin, dass der am 31. Mai 2002 nachgereichte Stand der Technik unter anderem Konstruktionszeichnungen der Fa. St1... GmbH & Co. KG enthielt, die nicht öffentlich zugänglich sind. Diese Umstände lagen zwar im hier maßgeblichen Zeitpunkt des 7. März 2001 noch nicht vor. Grundsätzlich kann aber für die Auslegung einer Erklärung ein späteres Verhalten insofern indizielle Bedeutung haben, als es -bei Willenserklärungen -für die Ermittlung des im Zeitpunkt von deren Abgabe wirklich Gewollten herangezogen werden kann (vgl. Palandt, BGB, 67. Auflage 2008, Rn. 17 zu § 133 m. w. N.). Bezogen auf den Inhalt des Einspruchsschriftsatzes als einer Verfahrenserklärung bedeutet dies, dass sich aufgrund des späteren Verhaltens der Beteiligten im Verfahren Hinweise ergeben können, welche der objektiv möglichen Auslegungsvarianten dem tatsächlichen Inhalt der Erklärung entspricht.

5. Dies kann aber letztlich offen bleiben, da es hierauf für die vorliegend zu entscheidende Frage, ob nämlich die Person des Einsprechenden aus dem Einspruchsschriftsatz vom 7. März 2001 im Wege der Auslegung eindeutig identifiziert werden kann, nicht ankommt. Insbesondere liegt kein Fall vor, in dem ein Einsprechender im eigenen Namen, aber im Interesse eines Dritten, tätig gewordenist. Wäre der Beschwerdegegner im eigenen Namen für die Fa. St1... GmbH & Co. KG tätig geworden, stünde dies der Zulässigkeit des Einspruchs grundsätzlich nicht entgegen (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl. 2008, § 59 Rn. 86).

Maßgeblich ist hier, dass es der Inhalt des Einspruchsschriftsatzes nicht zulässt, den Beschwerdegegner, seine Kanzlei bzw. deren Mitglieder, oder eine dritte Person innerhalb der Einspruchsfrist eindeutig als Einsprechende zu ermitteln, so dass der Einspruch vom 7. März 2001 unzulässig war (Schulte a. a. O., Rn. 85).

Damit fehlt es an der Voraussetzung für eine sachliche Prüfung des Einspruchs, was einer materiellrechtlichen Prüfung des Patents durch die Patentabteilung entgegenstand, so dass der Beschluss vom 2. Dezember 2005 aufzuheben ist.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Bernhart Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.10.2008
Az: 21 W (pat) 20/06


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