Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. Mai 2004
Aktenzeichen: AnwZ (B) 21/03

(BGH: Beschluss v. 17.05.2004, Az.: AnwZ (B) 21/03)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. März 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller war Geschäftsführer der M. Bauträgerund Verwaltungs GmbH sowie persönlich haftender Gesellschafter der Paul M.

& Sohn KG Hausverwaltung. Über das Vermögen beider in B. niedergelassener Unternehmen wurde ein Insolvenzverfahren beantragt; die Anträge wurden mangels Masse abgelehnt. Daneben war und ist der Antragsteller als Rechtsanwalt in S. tätig. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2002 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Landgericht S. unter anderem wegen Vermögensverfalls.

Den hiergegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluß vom 4. März 2003 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO); es hat jedoch keinen Erfolg.

1. Unbegründet sind zunächst die Bedenken des Antragstellers hinsichtlich der Eigenschaft des Anwaltsgerichtshofs als unabhängiges Gericht und des von diesem eingeschlagenen Verfahrens.

Nach der ständigen Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 1969, 2192; 1978, 1795) als auch des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt Beschl. v. 7. Oktober 2003 -AnwZ (B) 38/02, n.v.) handelt es sich bei dem Anwaltsgerichtshof um ein unabhängiges staatliches Gericht, dem die Zulassungsstreitigkeiten der Rechtsanwälte gesetzlich zugewiesen sind.

Die dem Anwaltsgerichtshof zur Last gelegten Verfahrensmängel, insbesondere ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs, liegen nicht vor. Der Antragsteller wurde rechtzeitig durch Verfügung des Berichterstatters darauf hingewiesen, daß er seine Einkommensund Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen habe. Dem ist er bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof nicht einmal im Ansatz nachgekommen. Selbst wenn das Verfahren des Anwaltsgerichtshofs insofern zu beanstanden wäre, hätte der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit gehabt, seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs ist ebenfalls eine Tatsacheninstanz. Der Antragsteller ist mit Verfügung der Vorsitzenden vom 30. September 2003 auf die Voraussetzungen für die Darlegung eines nachträglichen Wegfalls des Vermögensverfalls hingewiesen worden. Ein etwaiger Verstoß des Anwaltsgerichtshofs gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist dadurch geheilt worden.

2. Dem Antragsteller kann auch in der Sache nicht gefolgt werden.

a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt sich in Vermögensverfall befindet. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind zum Beispiel die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschl. v. 25. März 1991 -AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; v. 21. November 1994 -AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

b) Bei Erlaß der angefochtenen Verfügung war ein Vermögensverfall gegeben. Dies ergibt sich zunächst aus dem eigenen Schreiben des Antragstellers an die B. 'er Rechtsanwälte G. und Kollegen vom 27. August 2002. Darin hat sich der Antragsteller wie folgt geäußert:

"..., durch den vorgenannten Beschluß wurde ich verurteilt, ... 2.530,89 € zu zahlen.

Ich bin dazu im Moment nicht in der Lage, weil ich ohne jegliches Einkommen bin und mich zunächst beruflich neu orientieren muß. Eine von mir abgegebene eidesstattliche Versicherung finden Sie anliegend in Kopie. Ich darf Sie bitten, auf die Dauer von 8 Wochen keine Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, diese würden nur erfolglos sein, aber meine Anwaltszulassung gefährden und mir dadurch die Möglichkeit nehmen, schnell wieder zu Einkommen zu kommen, um auch die Verpflichtung aus dem hier fraglichen Beschluß zu befriedigen."

Dem Schreiben beigefügt war eine beglaubigte Abschrift einer notariellen Urkunde vom 24. Juni 2002, die eine "eidesstattliche Versicherung zur Vorlage bei der Landeshauptstadt S. " enthielt. Bestandteil dieser eidesstattlichen Versicherung waren ein Vermögensverzeichnis und eine weitere mit "Selbstauskunft per 31.12.2001" überschriebene Vermögensaufstellung. In dem Vermögensverzeichnis gab der Antragsteller an, daß er vermögenslos sei.

Er habe keinerlei Einkommen und lebe von Unterhaltszahlungen der Ehefrau. Da sich sein Klientenstamm infolge der Bauträgertätigkeit verlaufen habe, arbeite seine Kanzlei nicht kostendeckend. In der Selbstauskunft bezifferte er sein Immobilienvermögen auf 116.015,76 € und seine Verbindlichkeiten auf 10.433.002,30 €. Diese führte er hauptsächlich auf Bürgschaften für Bauträgerkredite zurück, wobei der Antragsteller bemerkte, in welcher Höhe sich seine Haftung konkretisiere, könne erst nach Verwertung der einzelnen Objekte festgestellt werden.

Der Vermögensverfall im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung ergibt sich außerdem aus dem Umstand, daß die WEG K.-Straße 21 und die GEZ wegen Forderungen von 2.875 € und 235 € die Zwangsvollstreckung betrieben.

c) Der Vermögensverfall ist später nicht zweifelsfrei weggefallen.

Es sind acht neue Vollstreckungsaufträge bekannt geworden, und zwar von den Gläubigern WEG K.-Straße 21, Justizkasse B. , Dr. K. , R. & P. GmbH, V. , WEG A.-Straße und Ku. Immobilien. Die vollständige Erledigung sämtlicher Forderungen wurde nicht nachgewiesen.

Außerdem wurde am 7. Mai 2003 gegen den Antragsteller ein Insolvenzverfahren beantragt. Auch wenn der Antrag alsbald zurückgenommen wurde, weil der Antragsteller den Gläubiger befriedigt hat, zeigt dieser Vorgang, daß der Antragsteller ständig von Gläubigern bedrängt wird.

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004 vorgetragen:

"Daß es immer wieder zu Vollstreckungsmaßnahmen gekommen ist (und vermutlich immer mal wieder vorkommen wird) erklärt sich daraus, daß angesichts der Vielzahl von Einzelverbindlichkeiten ... nicht zu jedem Zeitpunkt jeweils genügend Geld vorhanden ist, um alle angefallenen Verpflichtungen fristgerecht zu tilgen."

Von einer nachhaltigen Konsolidierung der Vermögensverhältnisse kann danach keine Rede sein.

Zwar hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. Mai 2004 Angaben zu seinen Verbindlichkeiten, seinem Aktivvermögen und zu den Aussichten einer Verständigung mit den Gläubigern gemacht. Danach belaufe sich das "Gesamtverpflichtungsvolumen" auf 4.172.167,66 €. Dem stehe ein Aktivvermögen von 4.231.066 € gegenüber. Diese Zahlen kann der Senat seiner Entscheidung indes nicht zugrundelegen. Der Antragsteller hat eine Bürgenschuld gegenüber der A. Bank mit 0 € angesetzt, weil die Gläubigerin nicht nur durch anderweitige Sicherheiten (Grundschulden) voll abgesichert sei, sondern sich sogar eine "freie Spitze" zu seinen Gunsten in Höhe von rd. 800.000 € ergebe, die sein Aktivvermögen vermehre. Das läßt sich mit dem vom Antragsteller selbst vorgelegten Schreiben der A. Bank vom 19. März 2004 nicht vereinbaren. Dort ist von einem "hohen zu erwartenden Ausfall" die Rede. Schon deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Verbindlichkeiten durch Aktivvermögen geduldet sind, geschweige denn daß sich ein Überschuß ergibt. Im übrigen handelt es sich nicht um liquide Forderungen. Dies gilt insbesondere für die angebliche Forderung gegen die W. & M. GmbH i.H.v. 3,2 Mio. €.

Belege hat der Antragsteller insoweit nicht vorgelegt. Zwar ist dieser an seine Gläubiger mit dem Vorschlag einer vergleichsweisen Einigung herangetreten. Es haben jedoch nicht alle Gläubiger reagiert, so daß -jedenfalls derzeit -nicht davon ausgegangen werden kann, dem Antragsteller werde in absehbarer Zeit eine Beordnung seiner finanziellen Verhältnisse möglich sein.

Dem Antrag des Antragstellers, ihm eine weitere Frist zur Stellungnahme einzuräumen, war nicht stattzugeben. Er ist mit Verfügung vom 30. September 2003 auch darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Beseitigung des Vermögensverfalls bis zum Termin zu belegen ist.

d) Der Vermögensverfall indiziert eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Daß sich dies in seinem Fall ausnahmsweise anders verhält, hat der Antragsteller nicht dargetan.

Deppert Ganter Otten Ernemann Salditt Schott Wosgien






BGH:
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