Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. November 1996
Aktenzeichen: 6 U 181/96

(OLG Köln: Urteil v. 29.11.1996, Az.: 6 U 181/96)

1. Mit der auf das Angebot und den Vertrieb von - thermischen - Solaranlagen bezogenen werblichen Aussage ,ein vertiefendes Ausbildungsangebot ... gibt es kaum" nimmt der Werbende für sich ein auf dem Markt sonst nicht anzutreffendes Schulungsniveau in Anspruch. Dies ist nicht gerechtfertigt und stellt eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise dar, wenn die gewerbliche Konkurrenz in einem eigenen Ausbildungs- und Schulungszentrum und in regionalen Schulungen seit 1990 über 15.000 Mitarbeiter von Handwerksbetrieben ausgebildet hat und nicht dargetan ist, daß und inwiefern sich das Schulungsangebot des Werbenden von dem der Konkurrenz abhebt.

2. Die Bezeichnung ,Deutsche Solarschule" wird von nicht nur unerheblichem Teil des angesprochenen Verkehrs dahin verstanden, die unter diesem Namen tätigen Institutionen beschäftigten sich ausschließlich mit Problemen der Solarenergie und stünden in einheitlicher Trägerschaft. Eine solche Bezeichnung ist relevant irreführend, wenn tatsächlich von fünf ,Solarschulen" nur eine ausschließlich Kurse in Solartechnik veranstaltet, während es sich bei den übrigen ,Schulen" lediglich um Lehrgänge handelt, die von verschiedenen Trägern jeweils im Rahmen eines großen Spektrums von Kursen der unterschiedlichsten Art angeboten werden.

Tenor

1.) Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 25.4.1996 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 16 O 28/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß es im Urteilsausspruch unter b) hinter "Deutsche Solarschule" ergänzend lautet: "wie auf den nachstehenden Seiten 3 und 4 dieses Urteils wiedergegeben:" und sodann die nachfolgenden Ablichtungen eingeblendet werden. 2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Insbesondere handelt es sich bei der durch den obigen Tenor

vorgenommenen Ergänzung nicht um eine inhaltliche Beschränkung der

von dem Landgericht mit dem angefochtenen Urteil erlassenen

einstweiligen Verfügung, sondern lediglich um deren sprachliche

Anpassung an die konkret angegriffene Form der

Verletzungshandlungen. Die in dem vorliegenden Urteil enthaltene

Ergänzung des Verfügungstenors führt weder zu einer teilweisen

Zurückweisung des Antrags noch zu einer teilweisen Belastung des

Antragstellers mit Verfahrenskosten. Der Antragsteller hat nämlich,

was sich u.a. aus Ziffer 2) seines Verfügungsantrages ergibt, von

Beginn des Verfahrens an - von der Unterlassung der weiteren, zu

Ziffer 1 b) bis d) des Antrags aufgeführten Àußerungen abgesehen -

kein weitergehendes Ziel als die Unterlassung der Àußerungen in dem

deswegen nunmehr ausdrücklich in den Tenor der einstweiligen

Verfügung aufgenommenen Zusammenhang erstrebt.

Die Berufung ist zurückzuweisen, weil der Antrag auf Erlaß einer

Einstweiligen Verfügung zulässig und in dem von dem Landgericht

ausgesprochenen Umfang auch begründet ist.

Der Antragsteller ist zunächst gem. § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG

antragsbefugt. Aufgrund seines unwidersprochen gebliebenen

erstinstanzlichen Vortrags über seine Mitgliederstruktur und seinen

sich aus § 3 der Satzung ergebenden Vereinszweck ist davon

auszugehen, daß ihm im Sinne dieser Bestimmung eine erhebliche Zahl

von Gewerbetreibenden angehört, die auf demselben Markt, nämlich

bundesweit, gewerbliche Leistungen gleicher Art wie der

Antragsgegner, nämlich Solaranlagen, vertreibt. Daß auch der

Antragsgegner wie die Mitglieder des Antragstellers Solaranlagen

vertreibt, wird sogleich im Zusammenhang mit dem zwischen ihm und

den Mitgliedern des Antragstellers bestehenden

Wettbewerbsverhältnis näher auszuführen sein.

Es besteht auch der Verfügungsgrund der Dringlichkeit, weil die

sich aus § 25 UWG ergebende Vermutung der Dringlichkeit nicht

widerlegt ist. Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen,

erst am 30.1.1996, also einen Monat vor Einreichung des Antrags auf

Erlaß einer einstweiligen Verfügung, dem eine Abmahnung

vorausgegangen ist, Kenntnis von dem Schreiben erlangt zu haben.

Das ist unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Falles nicht

dringlichkeitsschädlich.

Der Antragsteller hat auch in dem von dem Landgericht

ausgesprochenen Umfang die Voraussetzungen eines

Verfügungsanspruches aus § 3 UWG glaubhaft gemacht.

Schon aus seinem eigenen Vorbringen und den von ihm vorgelegten

Unterlagen ergibt sich zunächst, daß der Antragsgegner mit dem im

vorliegenden Verfahren angegriffenen, als Bl.91 f in Fotokopie

vorgelegten Schreiben zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt hat. Der

Antragsgegner ist nämlich, und zwar durch das von ihm betriebene

Projekt "Phönix", an dem Vertrieb von Solaranlagen beteiligt und

steht daher im Wettbewerb mit den Mitgliedern des Antragstellers.

Durch das Schreiben hat er auch zugunsten der über das Projekt

"Phönix" vertreibenden Anbieter in den Wettbewerb der Hersteller

und Vertreiber von Solaranlagen eingegriffen.

Daß der Antragsgegner neben dem Schulungsprojekt auch das

Projekt "Phönix" betreibt, räumt er selbst ein und ist dem Senat

überdies aus den Verfahren 6 U 169/96 (= 9 O 158/96 LG Bonn) und 6

U 173/96 (= 9 O 112/96 LG Bonn) bekannt. Durch das "Phönix"-Projekt

berät der Antragsgegner entgegen seiner Behauptung nicht nur die

Interessenten, sondern ist er auch - sogar maßgeblich - an dem

Verkauf von Solaranlagen an diese beteiligt. Das ist seiner von dem

Antragsteller mit der Antragsschrift als Anlagen A 12 und A 12 a in

Fotokopie vorgelegten Vereinbarung mit der "SE-S. GmbH" (Bl.88 f)

ohne weiteres zu entnehmen. Dort hat sich die "SE-S. GmbH", eine

Herstellerin von Solaranlagen, nämlich dazu verpflichtet, nur an

Phönix-Berater zu verkaufen. Der Erwerb der Anlagen jener

Herstellerin ist damit nur über einen Phönix-Berater möglich, so

daß das Projekt "Phönix", und damit der Antragsgegner, zumindest

bei wirtschaftlicher Sicht, die insoweit maßgeblich ist, mit

erheblichem Einfluß auf die Vertragsgestaltung an dem Verkauf

beteiligt ist. Im übrigen werden in dem von dem Antragsteller als

Anlage A 8 mit der Antragsschrift vorgelegten, von "Phönix"

herausgegebenen Prospekt (Bl.153 ff) z.B. auf der aus Bl.173 d.A.

ersichtlichen Seite konkrete im Handel erhältliche Solaranlagen mit

der Angabe von Preisen und technischen Einzelheiten beschrieben,

also beworben.

In dem angegriffenen Schreiben liegt deswegen ein Eingriff in

den mithin zwischen dem Antragsgegner und den nicht an seinem

"Phönix"-Projekt beteiligten Herstellern und Vertreibern von

Solaranlagen bestehenden Wettbewerb, weil in dem Schreiben für

Schulungsmaßnahmen geworben wird und im Rahmen dieser Schulungen

Phönix-Anlagen vorgestellt, also beworben werden. Letzteres ergibt

sich schon aus der dem Schreiben beigefügten Mitteilung über

"Schulungsinhalte" (Bl.93), wo unter "Block 5" u.a. ein Óberblick

über das "Phönix"-Projekt angekündigt wird. Diese Ankündigung wird

im übrigen aber auch erfüllt, wie sich an mehreren Stellen, nämlich

auf den Seiten 9 und 10 (= Bl.363,364 d.A.) des "Beraterteils" der

von dem Antragsgegner verwendeten und von ihm als Anlage BB 2

(Bl.279 ff) vorgelegten Schulungsunterlage "Solarschule" zeigt.

Sowohl die Àußerung "ein vertiefendes Ausbildungsangebot dazu

gibt es kaum", als auch die Bezeichnung des von dem

Antragsgegner betriebenen Schulungsprojektes als "Deutsche

Solarschule"

sind in dem konkreten Zusammenhang des in dem obigen Tenor durch

Fotokopie wiedergegebenen Schreibens in wettbewerblich relevanter

Weise irreführend und geeignet, den Wettbewerb auf dem Markt der

Hersteller und Vertreiber von Solaranlagen wesentlich zu

beeinträchtigen. Sie sind daher gem. §§ 3, 13 Abs.2 Ziff.2 UWG zu

verbieten.

Durch den auf Solaranlagen bezogenen Satz "ein vertiefendes

Ausbildungsangebot dazu gibt es kaum" und die nachfolgende

Schilderung der von ihm "gestarteten Ausbildungsinitiative" nimmt

der Antragsgegner eine Vorzugsstellung in Anspruch, die ihm

zumindest auf der Grundlage der im vorliegenden Verfügungsverfahren

glaubhaft gemachten Tatsachen nicht zukommt. Hierin liegt die nicht

hinzunehmende Irreführung des Verkehrs im Sinne des § 3 UWG (vgl.

zur Irreführung durch die Beilegung besonderer Vorzüge allgemein

Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18. Aufl., § 3 UWG RZ 402

m.w.N.).

Der Antragsgegner beansprucht durch die angegriffene Passage für

die von ihm im Rahmen der "Deutschen Solarschulen" betriebenen

Schulungsmaßnahmen ein besonderes, auf dem Markt sonst nicht zu

findendes Niveau. Dieser Eindruck wird zumindest bei einem nicht

unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher trotz der in der

Verwendung des Wortes "kaum" liegenden gewissen Relativierung

erweckt. Denn es ist glaubhaft gemacht, daß der Satz zumindest bei

flüchtigem Lesen im Zusammenhang mit seinem Kontext von nicht

wenigen Interessenten dahin verstanden wird, daß allein die von dem

Antragsgegner angebotene Schulung ein "vertiefendes

Ausbildungsangebot" darstelle. Das vermag der Senat, dessen

Mitglieder zu den potentiell angesprochenen Verbrauchern gehören,

aus eigener Sachkunde festzustellen.

Dieser Anspruch ist indes nach den im vorliegenden Verfahren

glaubhaft gemachten Umständen nicht gerechtfertigt. Der

Antragsteller hat durch die als Anlage A 2 zu dem Antrag auf Erlaß

einer einstweiligen Verfügung vorgelegte eidesstattliche

Versicherung des Vorsitzenden seines Vorstandes, Herrn T., vom

26.2.1996 (Bl.90) glaubhaft gemacht, daß die Fa. S. D. in W., deren

Geschäftsführer der Zeuge ist, in einem eigenen Ausbildungs- und

Schulungszentrum und in regionalen Schulungen seit dem Jahre 1990

bereits über 15.000 Mitarbeiter von Handwerksbetrieben ausgebildet

hat. Óberdies finden nach dieser Eidesstattlichen Versicherung bei

verschiedenen Handwerkskammern in betrieblichen und

überbetrieblichen Bereichen Kurse über Solartechnik statt. Vor

diesem Hintergrund stellt es bereits eine Irreführung dar, zum

Ausdruck zu bringen, ein "vertiefendes Ausbildungsangebot"

existiere neben dem von dem Antragsgegner betriebenen Projekt

nicht. Erst recht ist der Irreführungstatbestand durch die

angegriffene Àußerung deswegen erfüllt, weil aus dem Vortrag des

Antragsgegners nicht hervorgeht und dementsprechend auch nicht

glaubhaft gemacht ist, inwiefern die von ihm vertretene Schulung in

Solartechnik gegenüber den von dem Antragsteller glaubhaft

gemachten sonstigen, von anderen, insbesondere der Fa. D.,

angebotenen Schulungen in höherem Maße für sich in Anspruch nehmen

können soll, ein "vertiefendes Ausbildungsangebot" darzustellen. Es

trifft insbesondere nicht zu, daß die Àußerung deswegen

gerechtfertigt wäre, weil die von dem Antragsteller dargelegten

Schulungsmaßnahmen nicht herstellerunabhängig seien. Darauf kommt

es nämlich nicht an. Auch eine von einem Hersteller durchgeführte

Schulung kann eine vertiefende Ausbildung darstellen. Außerdem ist

nicht dargelegt, daß die von den Handwerkskammern durchgeführten

Schulungen "herstellerabhängig" seien und ist - ohne daß es hierauf

für die Entscheidung ankäme - auch die von dem Antragsgegner

durchgeführte Schulung durch die Bezugnahme auf die von seinem

"Phönix"-Projekt vertriebenen Anlagen nicht

herstellerunabhängig.

Irreführend ist auch die Bezeichnung "Deutsche Solarschule" für

das von dem Antragsgegner betriebene Schulungsprojekt. Durch diesen

Begriff und die Auflistung der "fünf Deutschen Solarschulen" wird

im Kontext des Schreibens zumindest bei einem erheblichen Teil der

angesprochenen Interessenten der Eindruck erweckt, alle in dem

Schreiben aufgeführten Institutionen beschäftigten sich

ausschließlich mit der Problematik der Solarenergie und stünden in

der Trägerschaft des Antragsgegners. Beides trifft indes nicht zu.

Wie der Vorstandsvorsitzende des Antragsgegners in der mündlichen

Verhandlung dargelegt hat, vermittelt nur der an erster Stelle der

Auflistung stehende "Sonnenkraft F. e.V." ausschließlich Kurse für

den Antragsgegner. Demgegenüber handelt es sich bei den übrigen

dort aufgeführten Institutionen um Einrichtungen, die ein größeres

Spektrum von Lehrgängen - auch zu anderen Themen - abhalten und in

diesem Rahmen auch von dem Antragsgegner veranstaltete Kurse

anbieten. Sie stehen überdies nicht in der Trägerschaft des

Antragsgegners, sondern, wie dieser schon in der Antragserwiderung

eingeräumt hat, verschiedener anderer Institutionen.

Steht damit fest, daß die von dem Antragsgegner betriebene

Schulungseinrichtung die durch die Bezeichnung "Deutsche

Solarschule" bei dem Verbraucher geweckten Erwartungen einer

einheitlichen, wesentlich größeren Institution schon aus den

vorstehenden Gründen nicht erfüllt und diesen damit irreführt, so

kann im vorliegenden Verfahren die Frage offenbleiben, ob - wofür

einiges spricht - die Bezeichnung "Deutsche Solarschule" nicht

darüber hinaus den ebenfalls unzutreffenden Eindruck erweckt, es

handele sich um eine behördliche oder sonst öffentlichrechtlich

geführte Institution.

Die in den beiden angegriffenen Passagen des Schreibens

enthaltene Irreführung ist auch von wettbewerblicher Relevanz. Der

Verbraucher, der sich für die Solartechnik interessiert, bringt

einer Institution, die auf ein "vertiefendes Schulungsangebot"

verweist und durch 5 ihr angehörige "Deutsche Solarschulen" den

Eindruck einer großräumigen Verbreitung bei einheitlicher

Trägerschaft und ausschließlicher Befassung gerade mit Fragen der

Solarenergie erweckt, besondere Wertschätzung entgegen.

Schließlich ist der mithin glaubhaft gemachte Verstoß gegen § 3

UWG auch im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG geeignet, den

Wettbewerb auf dem Markt der Hersteller und Vertreiber von

Solaranlagen wesentlich zu beeinträchtigen. Denn die Werbung mit

besonders qualifizierter Schulung und einer tatsächlich nicht

vorhandenen Größe ist, insbesondere weil es sich um eine noch neue

Technik handelt, geeignet, sich erheblich auf den Wettbewerb

auszuwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung

rechtskräftig.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 40.000 DM






OLG Köln:
Urteil v. 29.11.1996
Az: 6 U 181/96


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a2e352a92633/OLG-Koeln_Urteil_vom_29-November-1996_Az_6-U-181-96




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share