Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 2. Juli 2012
Aktenzeichen: II-6 WF 127/12

(OLG Hamm: Beschluss v. 02.07.2012, Az.: II-6 WF 127/12)

1.

Eine Einigungsgebühr entsteht im Versorgungsausgleichsverfahren nicht nur dann, wenn eine gerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich insgesamt entbehrlich wird, sondern bereits dann, wenn sich die Beteiligten über eine wesentlich Grundlage für die Durchführung des Versorgungsausgleichs - hier: Berechnung der Startgutschriften - endgültig einigen.

2.

Der Gegenstandswert der Einigungsgebühr richtet sich in diesem Fall nach dem Wert des Teilvergleichs und ist in der Regel niedriger als der Gegenstandswert der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr.

Tenor

Auf die Beschwerde der Landeskasse vom 14.5.2012 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Werl vom 2.5.2012 teilweise abgeändert und die der Beteiligten zu 1) aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 934,15 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 27.7.1984 in V geheiratet. Seit dem 18.12.2008 lebten sie dauerhaft voneinander getrennt. Durch Schriftsatz vom 23.6.2010 hat die Antragstellerin die Scheidung der Ehe beantragt.

Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 27.7.2010 wurde der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt und die Beteiligte zu 1) beigeordnet.

Die Antragstellerin hat in der Ehezeit Anwartschaften bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erworben. Im Termin vor dem Amtsgericht am 15.12.2010 schlossen die Parteien die folgende Vereinbarung zum Versorgungsausgleich:

„1. Die Eheleute sind sich darüber einig, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 14.11.2007, Az. IV ZR 74/06, unberücksichtigt bleibt und der Versorgungsausgleich mit den von der VBL in diesem Verfahren mitgeteilten Werten durchgeführt wird.

2. Die Kosten dieser Vereinbarung folgen der Scheidungssache.“

Durch Beschluss vom 15.12.2010 hat das Amtsgericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Entsprechend der Auskunft der Versorgungsanstalt vom 26.11.2010 wurde im Wege der internen Teilung ein Anrecht in Höhe von 40,67 Versorgungspunkten auf den Antragsgegner übertragen.

Der Verfahrenswert wurde auf 16.100,00 € festgesetzt (Scheidung 10.770,00 €/Versorgungsausgleich 5.385,00 €). Der Verfahrenswert für die Vereinbarung zum Versorgungsausgleich wurde auf 5.385,00 € festgesetzt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass sich die der Antragsstellerin wie auch dem Antragsgegner bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Vergleich zum Versorgungsausgleich erstreckt.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2010 hat die Beteiligte zu 1) als Verfahrensbevollmächtigte der antragstellenden Ehefrau beantragt, ihre Gebühren und Auslagen auf 1.100,75 € festzusetzen. Unter anderem begehrt sie die Erstattung einer Einigungsgebühr in Höhe von 225,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

Durch Beschluss vom 18.2.2011 hat das Amtsgericht durch den zunächst zur Entscheidung berufenen Rechtspfleger die der Beteiligten zu 1) zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 833,00 € festgesetzt. Die angemeldete Einigungsgebühr hat der Rechtspfleger unter Hinweis auf die Stellungnahme der Landeskasse abgesetzt mit der Begründung, eine derartige Gebühr falle zum Versorgungsausgleich nur an, wenn die beteiligten Eheleute eine vollumfängliche endgültige Regelung über den gesamten Versorgungsausgleich träfen und dem Gericht somit eine Sachentscheidung ersparten

Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung der Beteiligten zu 1) hat das Amtsgericht

durch den nunmehr zur Entscheidung berufenen Richter mit Beschluss vom 30.4.2012 die der Beteiligten zu 1) aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen abändernd auf 1.100,75 € festgesetzt. Eine Einigungsgebühr sei entstanden, da durch die Vereinbarung vom 15.12.2010 eine Rechtsunsicherheit über den Versorgungsausgleich endgültig beseitigt worden sei. Bereits dieser „Zwischenvergleich“ löse eine Einigungsgebühr aus, weil ohne diese Einigung eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht hätte erfolgen können.

Dagegen wendet sich die Beschwerde der Landeskasse, mit der beantragt wird, die Vergütung der Beteiligten zu 1) unter Absetzung der Einigungsgebühr wieder auf 833,00 € herabzusetzen. Der Beteiligte zu 2) vertritt weiterhin die Ansicht, durch die Vereinbarung vom 15.12.2010 sei eine Gebühr nach Nr. 1000,1003 VV RVG nicht entstanden, da durch diese Vereinbarung das Rechtsverhältnis "Versorgungsausgleich" nicht in Gänze erledigt worden sei. Die bestehenden Unsicherheiten über den Versorgungsausgleich seien vielmehr vollständig erst durch die Entscheidung des Gerichts beseitigt worden.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 16.5.2012 nicht abgeholfen und dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat nur teilweise Erfolg. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG entstanden ist. Allerdings ist abweichend von einem niedrigeren Verfahrenswert auszugehen.

1.

Nach Nr. 1003, 1000 VV RVG entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Dabei ist der Begriff des Rechtsverhältnisses im weitesten Sinne zu verstehen (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Auflage 2012, Nr. 1000 VV Rn. 97). Im Gegensatz zu § 23 BRAGO a.F. wird nicht mehr ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne des § 779 BGB gefordert, sondern durch diese Gebühr soll jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honoriert und dadurch ein Anreiz geschaffen werden, das Verfahren durch eine Einigung zu beenden (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2012, 522).

Allgemein anerkannt ist, dass bereits eine Zwischeneinigung der Parteien eine Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV RVG auslösen kann und also nicht erforderlich ist, dass die Parteien sich über den gesamten Streitstoff einigen (OLG Saarbrücken NJW-RR 2012, 522; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Auflage 2012, Nr. 1000 VV Rn. 150 ff.; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, Nr. 1000 VV Rn. 56; Gebauer/Schneider-Schneider; Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2. Auflage 2004, Nr. 1000 VV Rn. 101). Entscheidend ist stets, ob durch die Vereinbarung der Parteien eine endgültige oder wenigstens praktisch dauerhafte Regelung auch nur über einen Teil des Verfahrensgegenstandes getroffen wird (OLG Köln FamRZ 2009, 715; OLG Hamm JurBüro 2002, 27; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012, Nr. 1000 VV Rn. 56). Dabei ist ergänzend auch auf den Sinn und Zweck der Einigungsgebühr abzustellen. Die zusätzliche Gebühr honoriert, dass der Rechtsanwalt mit der Einigung eine besondere Verantwortung übernimmt und er sein Haftungsrisiko erhöht. Die Entscheidung wird nicht dem Gericht überlassen, sondern er entscheidet selbst. Darüber hinaus dient die Einigungsgebühr der Entlastung des Gerichts und der Sicherung des Rechtsfriedens (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Auflage 2012, Nr. 1000 VV Rn. 152).

Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Einigungsgebühr entstanden. Das Amtsgericht verweist zutreffend darauf, dass die Einigung der Eheleute vom 15.12.2010 eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich erst ermöglicht hat, weil diese sich hinsichtlich der bei der VBL erworbenen Anrechte auf die seitens der VBL errechneten Werte verständigt haben. Anderenfalls hätte das Verfahren bis zur Neuregelung der Übergangsbestimmung der Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes durch die Tarifpartner ausgesetzt werden müssen, weil der Bundesgerichtshof die in der Übergangsbestimmung vorgesehene Berechnung der Startgutschriften in seinem Urteil vom 14.11.2007 (BGH FamRZ 2008, 395) als verfassungswidrig angesehen hat. Die danach bedeutende Teileinigung der Eheleute war auch endgültig, da die Ungewissheit über die Berechnung der Anrechte aus der Zusatzversorgung abschließend und dauerhaft beseitigt wurde. Dass die Einigung vom 15.12.2010 zu einer abschließende Klärung der Sach- und Rechtslage führte und demgemäß eine gerichtliche Entscheidung entbehrlich wurde, ist entgegen der Ansicht der Landeskasse nicht notwendig.

2.

Der Gegenstandswert der Einigungsgebühr beträgt allerdings nur 1.077,00 €. Damit reduzieren sich die zu beanspruchenden Gebühren auf 85,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

Grundsätzlich errechnet sich der Gegenstandswert der Einigungsgebühr nur aus dem Wert des Teils, über den man sich geeinigt hat. Der Gegenstandswert der Einigungsgebühr ist dann niedriger als der der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 20. Auflage 2012, Nr. 1000 VV Rn. 144).

Im vorliegenden Fall bezog sich die Einigung lediglich auf ein Anrecht im Sinne des § 50 Abs. 1 FamGKG. Es ist deshalb angemessen, für den Wert des Vergleichs einen Betrag von 10 % des in 3 Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten anzusetzen. Dies ist hier ein Betrag von 1.077,00 € (10 % von 10.770,00 €).

Damit reduziert sich die Gebühr auf 85,00 € (1,0 Gebühr nach Nr. 1003 VV RVG) und der Anspruch der Beteiligten zu 1) errechnet sich wie folgt:

Verfahrensgebühr, Wert 16.155,00 €, 1,3 353,60 €

Terminsgebühr, Wert 16.155,00 €, 1,2 326,40 €

Einigungsgebühr, Wert 1.077,00 €, 1,0 85,00 €

Post- und Telekommunikation 20,00 €

Zwischensumme netto 785,00 €

Summe brutto 934,15 €

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG.






OLG Hamm:
Beschluss v. 02.07.2012
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