Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 9. Juli 2014
Aktenzeichen: 12 S 5/14

(LG Düsseldorf: Urteil v. 09.07.2014, Az.: 12 S 5/14)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 14.1.2014 - 57 C 9412/13 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz zu 2/3 der Klägerin und zu 1/3 der Beklagten auferlegt werden.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung des jeweiligen Gegners durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, dieser leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt als Wahrnehmungsgesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte von der Beklagten wegen eines vermeintlichen urheberrechtswidrigen Eingriffs in ihr Verwertungsrecht - Senderecht - Vergütung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung sowie des Schadensersatzes. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, eine Verletzung des Senderechts gemäß §§ 20, 20b UrhG sei nicht gegeben. Da der Empfang in den Hotelzimmern mittels Fernsehgeräten mit eigner DVB-T-Zimmerantenne erfolge, erfolge keine Verteilung innerhalb des Hotels mangels Weiterleitung des Signals an die Empfangsstelle. Die Fernsehgeräte empfingen das Rundfunksignal direkt aus der Luft, ohne dass Weiterleitung erfolge.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel weiter verfolgt. Zur Begründung führt sie aus, dass eine Inanspruchnahme des in § 20 UrhG manifestierten Senderechts immer schon dann gegeben sei, wenn ein Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde, sodass als Verwerter einer Fernsehsendung und damit als Werknutzer im Sinne der Vorschrift bereits immer derjenige anzusehen sei, der sich nach einer wertenden Betrachtung des vorhandenen technischen Mittels bediene, um das Werk in seinem eigenen Interesse einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als technisches Mittel im Sinne dieser Vorschrift sei auch die Aufstellung eines Endempfangsgeräts innerhalb eines Beherbergungszimmers anzusehen, ohne dass es auf die technische Übertragungsvariante ankäme. Eine weitere Verbreitung des Sendesignals im Wege einer Weiterleitung auf drahtgebundene Weise oder mittels einer Verteileranlage sei nicht erforderlich, stattdessen könne die Weiterverbreitung des Empfangssignals per Funk mittels eines DVB-T-Empfangs erfolgen. Zudem habe das angefochtene Urteil bei der Kostenquote nicht berücksichtigt, dass die mit Schreiben vom 7.8.2013 erhobene Widerklage mit einem Antrag auf Zahlung von insgesamt 534,64 € zurückgenommen worden sei.

B.

I.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und ordnungsgemäß begründet worden, § 520 ZPO.

II.

In der Hauptsache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 1.012,03 € im Ergebnis zu Recht verneint. Der Klägerin kann die geltend gemachte Vergütung weder unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung noch unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gemäß §§ 97 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 2, Satz 1, 2 Nr. 3 und 5, 20, 20b, 22 UrhG beanspruchen.

1.)

Die Beklagte hat das Senderecht gemäß §§ 20 20b UrhG nicht verletzt.

Unstreitig hat die Beklagte die Hotelzimmer jeweils mit einem Fernsehgerät mit DVB-T-Receiver ausgestattet. Damit erfolgte keine Weiterleitung des Signals in die einzelnen Hotelzimmer. Die bloße Zurverfügungstellung von Fernsehgeräten, die ihrerseits mit einem DVB-T-Empfänger ausgestattet sind, ist nicht von §§ 20, 20b UrhG erfasst. Das insoweit geregelte Senderecht umfasst alle Arten von Sendungen (vgl. Schricker/Löwenheim, 4. Aufl., § 20 Rdnr. 5, 6), wozu nach ständiger Rechtsprechung auch die Übertragung über eine Verteileranlage gehört (BGH in NJW-RR 1994, 1328; BGH in NJW 1993, 2871). Eine solche Weiterleitung ergibt sich im Rahmen der Nutzung von Fernsehgeräten mit eigenem DVB-T-Empfang nicht. Die DVB-T-Geräte empfangen das Rundfunksignal €aus der Luft€ über eine eigene Antenne, woraus sich keine Sendung im Sinne der §§ 20, 20b UrhG ergibt (Schricker/Löwenheim, aaO., § 20 Rdnr. 41). Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin vorgelegten Entscheidung des EuGH (SGAE/Raphael vom 7.12.2006, Blatt 43 ff, GA). Der Klage lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem Fernsehgeräte in Hotelzimmer aufgestellt wurden, an die das über Satellit oder gebundene Systeme empfangene Fernsehsignal per Kabel weitergeleitet wurde. In diesem Zusammenhang hat sich der EuGH mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit insoweit €öffentliche Wiedergabe€ vorliegt. In diesem Zusammenhang hat der EuGH ausgeführt, dass es auf die zugrundeliegende Technik nicht ankommt; eine Verbreitungshandlung wurde insoweit vorausgesetzt. Vorliegend wird das Rundfunksignal indessen unmittelbar durch die DVB-T-Empfangsteile empfangen, weshalb eine €Sendung€ im Sinne des § 20 UrhG vorliegt. Bezüglich der Verletzung des Senderechts kann die Klägerin auch nichts aus dem Beschluss des EuGH vom 18. März 2010 (Blatt 53 ff. GA) herleiten, da dieser Entscheidung anders als im vorliegenden Fall ein Sachverhalt zugrundelag, in dem der Hotelier Fernsehgeräte in den Zimmern des Hotels installierte und diese an die Zentralantenne des Hauses anschloss, was der EuGH als technische Intervention bewertet hat, durch die den Gästen Zugang zu den geschützten Werken verschafft wird. Im vorliegenden Sachverhalt beschränkt sich die Handlung indessen auf das Aufstellen der Fernsehgeräte mit DVB-T-Empfang.

Eine analoge Anwendung der §§ 20, 20b UrhG auf die Fälle des Empfangs mittels DVB-T scheidet aus. Mit den Ausführungen der 23. Zivilkammer im Urteil vom 08.05.2013 - 23 S 315/12 - ist bereits eine planwidrige Regelungslücke nicht ersichtlich. Da der Gesetzgeber den bloßen Empfang dem Schutz des Urheberrechts nicht unterwerfen wollte und den Empfang über Gemeinschaftsantennenanlagen als nicht urheberrechtlich relevanten Eingriff angesehen hat (vgl. hierzu BT Drucks. 13/9856 S.3/4, zit. in Schricker/Löwenheim, aaO., § 20 Rdnr. 35), obwohl dieser noch eher unter den Begriff der €Sendung€ gefasst werden könnte, kann der unmittelbare Empfang des Fernsehgerätes über DVB-T erst recht keine urheberrechtliche Relevanz haben.

2.)

Es liegt auch keine Verletzung des Rechts zur Wiedergabe nach § 22 UrhG vor. Im Gegensatz zu § 20 UrhG kommt es bei § 22 UrhG nicht darauf an, ob ein Werk zugänglich gemacht wird, sondern ob es wahrnehmbar gemacht wird. Dies erfordert eine unmittelbare Wiedergabe für die menschlichen Sinne, wobei der Wiedergabeakt als solcher das Merkmal der Öffentlichkeit erfolgen muss (BGH in NJW 1996, 3084). Dies ist in einem Hotelzimmer nicht gegeben, da der relevante einzelne Wiedergabeakt - im Gegensatz zum Zugänglichmachen - als solcher gerade nicht öffentlich stattfindet. Während des konkreten Wiedergabeakts wird dieser nur von der konkreten, das Hotelzimmer mietenden Person wahrgenommen, wohingegen das Zugänglichmachen, bei welchem es auf den konkreten Empfang nicht ankommt, deshalb öffentlich erfolgt, weil das Zugänglichmachen bereits durch die bloße Zurverfügungstellung des Sendesignals gegeben ist. Die Zurverfügungstellung erfolgt jedem Gast gegenüber, unabhängig davon, ob tatsächlich eine konkrete Wahrnehmung erfolgt. Aus diesem Grunde ergibt sich eine Öffentlichkeit im Hinblick auf den Wechsel an Gästen und dem zeitgleichen Zurverfügungstellen.

III.

Die Kostenentscheidung in erster Instanz ist unter Berücksichtigung der §§ 269 Abs. 3, 92 ZPO zu berichtigen. Mit Schriftsatz vom 7.8.2013 hat die Beklagte widerklagend Zahlungsansprüche von insgesamt 534,64 € geltend gemacht, diesen Antrag aber im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.12.2013 nicht mehr gestellt und insoweit zurückgenommen.

IV.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da - soweit ersichtlich - eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob die Zurverfügungstellung von DVB-T-Empfangsteilen eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann, nicht vorliegt. Es handelt sich insbesondere um eine Rechtsfrage, deren Erheblichkeit in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist, was eine einheitliche Entwicklung des Rechts erfordert.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.012,03 € festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 09.07.2014
Az: 12 S 5/14


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