Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 29. November 2012
Aktenzeichen: 7 CS 12.1642

(Bayerischer VGH: Beschluss v. 29.11.2012, Az.: 7 CS 12.1642)

Tenor

I. Die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen jeweils die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 25.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin stellte mit Bescheid vom 14. Mai 2012 fest und missbilligte, dass die Antragstellerin (Veranstalterin eines von der Antragsgegnerin rundfunkrechtlich genehmigten bundesweiten Fernsehprogramms) anlässlich eines im Fernsehprogramm der Antragstellerin übertragenen Fußballspiels Sponsorhinweise und Splitscreen-Werbung für einen im Bescheid namentlich genannten Veranstalter von Sportwetten gesendet und damit gegen das glücksspielrechtlich normierte und rundfunkrechtlich zu beachtende Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen (§ 5 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertrags [GlüStV]) verstoßen hat (Nr. 1 des Bescheids). Sie untersagte der Antragstellerin €die weitere Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen€ für den genannten Veranstalter von Sportwetten (Nr. 2 des Bescheids) und ordnete die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung an (Nr. 3 des Bescheids).

Die Antragsgegnerin änderte - nach Inkraftreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zum 1. Juli 2012 - den von der Antragstellerin bereits gerichtlich angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2012 mehrfach (Änderungsbescheide vom 4.7.2012 und vom 15.10.2012). Sie fasste mit Änderungsbescheid vom 4. Juli 2012 die Nr. 2 des Bescheids vom 14. Mai 2012 (Untersagungsverfügung) neu und fügte dabei nach den Worten €die weitere Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen€ lediglich €(§ 7 RStV)€ als Hinweis auf § 7 des Rundfunkstaatsvertrags hinzu. Sie untersagte sodann der Antragstellerin mit Änderungsbescheid vom 15. Oktober 2012 erneut €die weitere Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen (§ 7 RStV)€ für den genannten Veranstalter von Sportwetten und stellte diese Untersagung unter die auflösende €Bedingung der vollziehbaren Erteilung einer glücksspielrechtlichen Fernseh-Werbeerlaubnis€ im Sinn des durch den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag neugefassten § 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV (Nr. 2 des Änderungsbescheids vom 15.10.2012). Sie ordnete ebenso erneut die sofortige Vollziehung der neugefassten Untersagungsverfügung an (Nr. 3 des Änderungsbescheids vom 15.10.2012).

Das Verwaltungsgericht München hat mit Beschluss vom 13. Juli 2012 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Ausgangsbescheid vom 14. Mai 2012 (in der Fassung des ersten Änderungsbescheids vom 4.7.2012) insoweit wiederhergestellt, als die Antragsgegnerin darin die Ausstrahlung von Sponsorhinweisen untersagt. Im übrigen hat es den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Das glücksspielrechtlich - auch nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags zum 1. Juli 2012 - normierte grundsätzliche Verbot der Fernsehwerbung für öffentliches Glücksspiel verstoße nicht gegen Unionsrecht. Sponsorhinweise (im Sinn des § 8 des Rundfunkstaatsvertrags), welche nicht zum Wetten anreizen würden, unterlägen dem Werbeverbot jedoch nicht (mehr). Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Mit der Beschwerde wenden sich sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin gegen die erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung, soweit sie hierdurch beschwert sind.

Die Antragstellerin verfolgt ihr Rechtsschutzziel (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Untersagungsverfügung) weiter. Sie gibt zur Begründung ihrer Beschwerde an, die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung sei rechtsfehlerhaft angeordnet worden, weil die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK), die als Organ der Antragsgegnerin zuständig sei für Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Antragstellerin, die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Ausgangsbescheid vom 14. Mai 2012 von sich aus - ohne entsprechende Beschlussvorlage der Antragsgegnerin - beschlossen und ihren Beschluss insoweit nicht begründet habe. Die Antragsgegnerin habe die ZAK ferner vor Erlass des Änderungsbescheids vom 4. Juli 2012 nicht erneut beteiligt. Die ZAK habe deshalb insoweit auch keine (erneute) Entscheidung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung treffen können. Die Untersagungsverfügung selbst sei nicht hinreichend bestimmt. Seit ihrer Neufassung durch den Änderungsbescheid vom 4. Juli 2012 sei unklar, €welcher Teil der beanstandeten Werbebeispiele Gegenstand der Untersagung bleiben soll€. Die Untersagungsverfügung sei außerdem ermessensfehlerhaft. Sie berücksichtige nicht, dass mit der - nach Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags - geltenden Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV n.F.) das Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen nicht mehr ausnahmslos gelte. Werbung für Sportwetten könne nunmehr auch im Fernsehen erlaubt werden (§ 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV n.F.). Dass eine solche Erlaubnis aus tatsächlichen Gründen bisher weder beantragt noch erteilt werden könne, dürfe der Antragstellerin nicht entgegengehalten werden. Die Untersagungsverfügung berücksichtige ferner nicht, dass der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag das bisherige staatliche Glücksspielmonopol zu Gunsten privater Anbieter öffne, der Werbepartner (Veranstalter von Sportwetten) der Antragstellerin voraussichtlich eine Konzession für Sportwetten erhalten werde und bereits über eine €Genehmigung zum Onlineangebot in Schleswig Holstein€ und über eine €DDR-Genehmigung für Sportwetten€ verfüge. Unabhängig davon sei zu beanstanden, dass die glücksspielrechtlich nunmehr normierte Ermächtigung zum Erlass einer Werberichtlinie (§ 5 Abs. 4 GlüStV n.F.) €den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes€, dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts (€Wesentlichkeitstheorie€) und entsprechenden unionsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht werde. Das gesetzlich vorgesehene €Glücksspielkollegium€ (§ 9a Abs. 5 GlüStV n.F.) sei wegen der Aufgabe staatlicher Souveränität der Länder mit dem Bundesstaatsprinzip unvereinbar. Schließlich seien die Regelungen zur Konzessionierung und Werbung für Sportwetten wegen ihrer Beschränkung der (unionsrechtlichen) Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) unionsrechtswidrig. Es fehle bereits ein Nachweis für die vom Gesetzgeber zur Begründung dieser Regelungen geltend gemachten Gefahren. Die Regelungen seien zudem inkohärent und unsystematisch. Private Sportwettanbieter würden im Vergleich zum bisherigen staatlichen Monopolanbieter diskriminiert.

Die Antragsgegnerin tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen. Sie begehrt mit ihrer eigenen Beschwerde die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit das Verwaltungsgericht dem Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage entsprochen hat (Sponsorhinweise). Sie trägt hierzu vor, die Untersagungsverfügung in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15. Oktober 2012 sei (jedenfalls nunmehr) frei von Verfahrensfehlern und rechtmäßig. Die Untersagungsverfügung untersage sämtliche (verbotenen) Werbeformen für die Zukunft. Sie sei aufgrund des bisherigen Fehlverhaltens der Antragstellerin gerechtfertigt. Das Verwaltungsgericht habe nicht zwischen einzelnen Werbeformen differenzieren dürfen. €Sponsoring€ könne - wie vorliegend der Fall - durch €konkrete werbende bzw. anreizende Ausgestaltung€ eine im Sinn des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags (verbotene) Werbung sein. Unabhängig davon sei der vom Verwaltungsgericht im Beschlusstenor verwendete Begriff des Sponsorhinweises €zu weit€, weil er €kein Differenzierungskriterium€ dafür darstelle, ob die €hinter dem Sponsorenhinweis stehende werbliche Maßnahme noch zulässig€ sei oder nicht. Das Verwaltungsgericht habe bei seiner Tenorierung im Übrigen den Änderungsbescheid vom 4. Juli 2012 unberücksichtigt gelassen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses unterstützt das Vorbringen der Antragsgegnerin.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Beschwerden haben keinen Erfolg.

Das Vorbringen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80 Abs. 5 VwGO) keine vom Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichende Entscheidung.

1. Das von der Antragsgegnerin geltend gemachte öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung überwiegt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Die hiergegen erhobenen Einwände der Antragstellerin sind nicht begründet.

a) Die von der Antragstellerin erhobene Rüge der (formellen) Fehlerhaftigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung ist jedenfalls mit dem Erlass des Änderungsbescheids vom 15. Oktober 2012 gegenstandslos geworden. Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) hat - auf der Grundlage einer entsprechenden ausführlich begründeten Beschlussvorlage der Antragsgegnerin - sowohl die Untersagungsverfügung neu gefasst als auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung erneut beschlossen. Die ZAK hat damit als Organ der Antragsgegnerin ihre rundfunkrechtlich begründete Zuständigkeit für die streitgegenständliche Aufsichtsmaßnahme (§ 35, § 36 Abs. 2 Nr. 7, § 38 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags [RStV]) wahrgenommen.

b) Die Untersagungsverfügung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin hinreichend bestimmt. Sie untersagt der Antragstellerin €die weitere Ausstrahlung von allen Fernsehwerbeformen (§ 7 RStV)€ für den namentlich genannten Anbieter von Sportwetten. Der Hinweis auf § 7 RStV greift die Formulierung in § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n.F. auf. Er ist für die Bestimmtheit der Untersagungsverfügung indes ohne Bedeutung. Denn der glücksspielrechtliche Werbebegriff ist vom Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags unberührt geblieben und unabhängig davon, dass § 5 Abs. 3 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrags in der seit dem 1. Juli 2012 geltenden Fassung (GlüStV n.F.) auf den - rundfunkrechtliche Werbegrundsätze regelnden - § 7 RStV hinweist, während § 5 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertrags in der bis zum 30. Juni 2012 geltenden Fassung (GlüStV a.F.) neben § 7 RStV noch auf den das Sponsoring behandelnden § 8 RStV hinwies. Für den glücksspielrechtlichen Werbebegriff gilt indes: €Jeder Art von Werbung ist ein gewisses Aufforderungs- bzw. Anreizmoment immanent€ (vgl. LT-Drs. 15/8486, S. 15). Werbung ist nach der weiteren Erläuterung des Gesetzgebers - einer Definition des Bundesgerichtshofs folgend - €jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern€ (vgl. LT-Drs. 15/8486, a.a.O.). Einer weiteren Umschreibung einzelner (verbotener) Werbeformen bedurfte es nicht, weil (jede) Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen grundsätzlich verboten ist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n.F.) und die Antragsgegnerin somit zu Recht €alle€ Fernsehwerbeformen untersagt hat. Zu den (untersagten) Fernsehwerbeformen gehören - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - Sponsorhinweise (§ 8 RStV) dann, wenn sie zum Wetten auffordern oder anreizen und somit den glücksspielrechtlichen Werbebegriff im oben genannten Sinn erfüllen.

c) Die Untersagungsverfügung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht ermessensfehlerhaft. Sie steht nach Maßgabe des Änderungsbescheids vom 15. Oktober 2012 unter der auflösenden €Bedingung der vollziehbaren Erteilung einer glücksspielrechtlichen Fernseh-Werbeerlaubnis€ und berücksichtigt damit, dass mit der seit dem 1. Juli 2012 geltenden Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV n.F.) das Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen nicht mehr ausnahmslos gilt. Werbung für Sportwetten im Fernsehen kann nunmehr unter Beachtung der Werbegrundsätze nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GlüStV n.F. erlaubt werden (§ 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV n.F.). Solange eine solche Werbeerlaubnis jedoch nicht erteilt wurde, hat es mit dem Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen sein Bewenden (§ 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n.F.). Der Antragstellerin kann zugemutet werden, die Erteilung einer Werbeerlaubnis abzuwarten. Denn an die Stelle des bisherigen umfassenden Werbeverbots im Fernsehen (§ 5 Abs. 3 GlüStV a.F.) tritt nunmehr ein €zielorientierter, prozedural ausgestalteter Ansatz€, der Art und Umfang der Werbung an die Ziele des § 1 GlüStV n.F. bindet (vgl. LT-Drs. 16/11995, S. 26). €Die Umsetzung für die Praxis erfolgt in den Werberichtlinien der Länder€ (vgl. LT-Drs. 16/11995, a.a.O.), die gegenwärtig noch nicht erarbeitet sind und die auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere die Wirkung der Werbung auf jugendliche sowie problematische und pathologische Spieler zu beachten haben (§ 5 Abs. 4 Satz 2 GlüStV n.F.).

Der Umstand, dass der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag das bisherige staatliche Glücksspielmonopol zu Gunsten privater Anbieter öffnet, der Werbepartner (Veranstalter von Sportwetten) der Antragstellerin möglicherweise auf der Grundlage des § 10a GlüStV n.F. eine Konzession für Sportwetten erhalten wird und bereits über eine €Genehmigung zum Onlineangebot in Schleswig Holstein€ und über eine €DDR-Genehmigung für Sportwetten€ verfügt, ist für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung unerheblich. Selbst wenn dem Werbepartner (Veranstalter von Sportwetten) der Antragstellerin die Veranstaltung von Sportwetten schon jetzt (bundesweit) erlaubt wäre, würde für ihn unverändert das Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen gelten (§ 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n.F.). Solange - wie oben ausgeführt - eine die Werbung im Fernsehen ermöglichende Erlaubnis nicht erteilt worden ist (§ 5 Abs. 3 Satz 2 GlüStV n.F.), bleibt die streitgegenständliche Untersagungsverfügung somit rechtmäßig.

d) Soweit die Antragstellerin geltend macht, die glücksspielrechtlich normierte Ermächtigung zum Erlass einer Werberichtlinie (§ 5 Abs. 4 GlüStV n.F.) werde €den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes€, dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts (€Wesentlichkeitstheorie€) und entsprechenden unionsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht und das gesetzlich vorgesehene €Glücksspielkollegium€ (§ 9a Abs. 5 GlüStV n.F.) sei wegen der Aufgabe staatlicher Souveränität der Länder mit dem Bundesstaatsprinzip unvereinbar, sind diese gegen die Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags gerichteten Einwände nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung in Zweifel zu ziehen. Der Gesetzgeber hat den bis zum 30. Juni 2012 geltenden Glücksspielstaatsvertrag aufgrund neuerer Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung fortentwickelt (vgl. LT-Drs. 16/11995, S. 17). Die Glücksspielangebote sollen weiterhin zum €Schutz der Spieler und der Allgemeinheit vor den Gefahren des Glücksspiels strikt reguliert€ werden. Die Kernziele des Glücksspielsstaatsvertrags (§ 1 GlüStV n.F.) werden dabei €neu akzentuiert€. €Zur Erreichung dieser Ziele ist eine Glücksspielregulierung mit differenzierten Maßnahmen für die einzelnen Glücksspielsformen erforderlich, um deren spezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätspotentialen Rechnung zu tragen€ (vgl. LT-Drs. 16/11995, a.a.O.). Aufgabe des Gesetzgebers ist dabei, das €richtige Gleichgewicht€ zwischen €dem Erfordernis einer kontrollierten Expansion der zugelassenen Glücksspiele€ und der €Notwendigkeit, die Spielsucht der Verbraucher so weit wie möglich zu verringern€, zu finden (vgl. LT-Drs. 16/11995, S. 26). Wären in diesem Zusammenhang die von der Antragstellerin genannten - eine Ausnahme vom gesetzlichen Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen rechtfertigenden - vorgesehenen Maßnahmen künftig tatsächlich aus verfassungsrechtlichen oder unionsrechtlichen Gründen nicht anwendbar, so würde aus deren Nichtanwendbarkeit jedenfalls kein Anspruch auf €schrankenlose€ Werbung folgen, vielmehr würde es nach der Konzeption des Gesetzgebers bei dem Grundsatz des gesetzlichen Verbots der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen bleiben.

e) Schließlich rechtfertigt auch das sonstige Vorbringen der Antragstellerin kein Abweichen von der erstinstanzlichen Entscheidung. Ob die (neugefassten) Regelungen zur Konzessionierung und Werbung für Sportwetten wegen ihrer Beschränkung der (unionsrechtlichen) Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) - wie die Antragstellerin vorträgt - unionsrechtswidrig sind, bleibt der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Allerdings hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Ziele des Gesetzgebers zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und des Jugend- und Spielerschutzes zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die Beschränkungen der Grundfreiheiten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union rechtfertigen können, weil sie auf den Schutz der Empfänger von Wettdienstleistungen, auf die Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für das Spielen und auf den Schutz der Verbraucher und die Verhütung von Störungen der Sozialordnung im Allgemeinen gerichtet sind (vgl. BayVGH vom 26.6.2012 Az. 10 BV 09.2259 <juris> RdNr. 72 m.w.N.). Der Senat hat ebenso keinen Zweifel daran, dass das Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen grundsätzlich geeignet und erforderlich ist, die mit ihm verfolgten Ziele der Bekämpfung der Spielsucht und der Gewährleistung des Jugendschutzes zu erreichen (vgl. ebenso zum Werbeverbot im Internet BayVGH vom 26.6.2012 a.a.O. RdNrn. 73 ff m.w.N.). Die Beantwortung der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage, ob das (grundsätzliche) Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen auch dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot entspricht (vgl. zum Kohärenzgebot in Bezug auf das Werbeverbot im Internet nach § 5 Abs. 3 GlüStV a. F. BayVGH vom 26.6.2012 a.a.O. RdNrn. 76 ff m.w.N.), ist erst nach entsprechenden tatsächlichen Ermittlungen im Rahmen des Hauptsacheverfahrens möglich. Der Senat hat keinen hinreichenden Grund, schon jetzt anzunehmen, der Gesetzgeber verfolge die Ziele, welche der Rechtfertigung des Werbeverbots im Fernsehen dienen sollen, tatsächlich nicht. Ebenso besteht kein hinreichender Grund zur Annahme, das Werbeverbot im Fernsehen könne im Hinblick auf eine etwaige strukturelle Duldung von Verstößen gegen Werbeverbote zur Verwirklichung der mit dem Werbeverbot verfolgten Ziele tatsächlich nicht mehr beitragen. Der Einwand der Antragstellerin, private Sportwettanbieter würden im Vergleich zum bisherigen staatlichen Monopolanbieter diskriminiert, geht im Übrigen schon deshalb fehl, weil sich das Werbeverbot im Fernsehen auf private und staatliche Sportwettanbieter gleichermaßen bezieht.

2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist ebenfalls unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 14. Mai 2012 (in Gestalt des Änderungsbescheids vom 4.7.2012) wiederhergestellt, als darin auch die Ausstrahlung von Sponsorhinweisen untersagt wird, welche dem glücksspielrechtlichen Werbebegriff tatsächlich nicht unterfallen.

Die Antragsgegnerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass €Sponsoring€ durch €konkrete werbende bzw. anreizende Ausgestaltung€ eine (verbotene) Werbung sein könne. Sie hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass der vom Verwaltungsgericht im Beschlusstenor verwendete Begriff des Sponsorhinweises €zu weit€ ist, weil er €kein Differenzierungskriterium€ dafür darstelle, ob die €hinter dem Sponsorenhinweis stehende werbliche Maßnahme noch zulässig€ sei oder nicht. Die Antragsgegnerin verkennt jedoch, dass die Begründung im Ausgangsbescheid vom 14. Mai 2012 ausführt: €Aufgrund des ausdrücklichen Verweises in § 5 Abs. 3 GlüStV [a.F.] auf § 8 RStV unterfallen Sponsoringhinweise per se und unabhängig von ihrer werblichen Wirkung dem Verbot des § 5 Abs. 3 GlüStV [a.F.]€. Dieser Rechtsauffassung ist jedenfalls - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - seit der Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags die Grundlage entzogen. Denn § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n.F. weist lediglich noch auf § 7 RStV und nicht mehr auf § 8 RStV hin. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht in den Gründen seines Beschlusses ausgeführt, dass jedenfalls nach der Neufassung des § 5 Abs. 3 Satz 1 GlüStV n.F. die Sponsorhinweise im Sinn des § 8 RStV nicht mehr €per se€ dem Werbeverbot unterfallen, sondern nur noch dann, wenn sie - wie andere Werbeformen - zum Wetten auffordern oder anreizen und somit dem glücksspielrechtlichen Werbebegriff unterfallen. Mit dieser ausführlichen Begründung hat das Verwaltungsgericht zugleich klargestellt, wie seine Beschlusstenorierung zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu verstehen ist. Dass es den Änderungsbescheid vom 4. Juli 2012 im Beschlusstenor nicht erwähnt, ist dabei unerheblich. Die Antragsgegnerin hat im Übrigen im Änderungsbescheid vom 15. Oktober 2012 nunmehr selbst die Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung bestätigt und ausgeführt: €Der vorgeschriebene Hinweis auf die finanzielle Unterstützung einer Sendung (§ 8 Satz 1 RStV), der sich auf die schlichte Nennung des Namens oder der Firma des Sponsors beschränkte und keinen speziellen Hinweis auf das Glücksspielangebot enthielt, verstieß demnach nicht gegen § 5 Abs. 3 GlüStV [a.F. ]€ An diesem Verständnis des Werbebegriffs hat sich durch die neue Rechtslage nichts geändert€€. Zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung besteht somit kein Anlass.

3. Die Beschwerden waren demnach mit der jeweiligen Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, S. 1327) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).






Bayerischer VGH:
Beschluss v. 29.11.2012
Az: 7 CS 12.1642


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