Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 6/08

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2010, Az.: 35 W (pat) 6/08)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) sind eingetragener Inhaber des am 4. August 2001 angemeldeten Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "... ...". Im Eintragungsverfahren war ihnen mit Beschluss vom 19. September 2001 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ein Patentanwalt beigeordnet worden. Mit Beschlüssen vom 10. November 2004 ist ihnen Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr bewilligt worden.

Nachdem die Beschwerdeführer Verfahrenskostenhilfe auch für die Aufrechterhaltungsgebühr für das 7. und 8. Schutzjahr beantragt haben, sind sie mit Schreiben der Gebrauchsmusterstelle vom 13. Juni 2007 aufgefordert worden, Erfolg versprechende Verwertungsversuche nachzuweisen, da ansonsten die Rechtserhaltung mutwillig im Sinne des Verfahrenskostenhilferechts sei.

Mit Beschluss vom 26. September 2007 hat die Gebrauchsmusterstelle den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Beschwerdeführer die im Bescheid vom 13. Juni 2007 nicht beseitigt worden seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde, mit der die Beschwerdeführer ihren Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die zweite Aufrechterhaltungsgebühr weiterverfolgen. Sie tragen vor, dass sie das Schreiben der Gebrauchsmusterstelle, das an den Patentanwalt gerichtet gewesen sei, der ihnen im Eintragungsverfahren beigeordnet gewesen sei, erst nach Fristablauf erhalten hätten. Im Übrigen hätten sie mehrere Versuche unternommen, ihr Gebrauchsmuster zu realisieren. Hierzu legen sie mehrere Unterlagen vor, nämlich ein Blatt mit der Bezeichnung "Projekt: Ein Verfahren beim Kampf gegen Elektrosmog im täglichen Leben von Mensch und Tier" aus dem Jahr 1999, eine Anfrage einer Agentur vom 21. August 2001 an ein Unternehmen, ob diese für die Beschwerdeführer Muster der Erfindung herstellen könne, einen undatierten Antrag u. a. der Beschwerdeführer an die Industrieund Handelskammer Schwerin, produzierende und innovationsorientierte Firmen zu benennen, ein Schreiben vom 11. Juli 2001 an das Technologie u. Gewerbezentrum e.V. Schwerin, in dem die Beschwerdeführer sich für die Unterstützung bei der Gebrauchsmusteranmeldung bedanken, das Angebot der Beschwerdeführer vom 22. Mai 2002 an eine Fa. T... in K..., in dem sie ihre Erfindung zum Kauf anbieten, ein Schreiben der Fraunhofer Patentstelle vom 21. Dezember 2001, in dem dem Beschwerdeführer zu 1) mitgeteilt wird, dass kaum Chancen gesehen werden, die Erfindung wirtschaftlich zu verwerten, sowie ein Schreiben an den Erfinder-Verband e.V. vom 6. Januar 2005, in dem sie um Information über die Bedingungen einer Zusammenarbeit bitten.

Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 26. September 2007 aufzuheben und ihnen Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr für das Gebrauchsmuster ... zu gewähren.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters mutwillig im Sinne von § 114 ZPO erscheint.

Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 S. 2 PatG Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Bei der Entscheidung über die Bewilligung ist wie in allen Fällen der Verfahrenskostenhilfe -§ 114 ZPO entsprechend anzuwenden. Nach dieser Vorschrift muss die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Erfolg versprechend sein und darf nicht mutwillig erscheinen. Diese Einschränkungen sind erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Verfahrensführung nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern, nicht gleichzustellen.

Ob eine an sich erfolgreichen Rechtsverfolgung oder -verteidigung mutwillig im Sinne des § 114 ZPO erscheint, entscheidet sich nach h.M. danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage ihr Recht im Verfahren in derselben Weise wahrnehmen würde wie der jeweilige Antragsteller (vgl. Busse PatG, 6. Aufl. 2003, § 130 Rn 34 m. w. N.; Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, § 130 Rn 53; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.; BPatG GRUR 1998, 42). Mutwilligkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der vorliegenden Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG BlPMZ a. a. O. m. w. N.).

Nach den hier zur Bewertung vorliegenden Umständen scheidet eine weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Die Rechtswahrnehmung der Beschwerdeführer entspricht bei objektiver Betrachtung nicht der einer vermögenden Person in derselben Situation.

Die Gebrauchsmusterabteilung hat die Gewährung der Verfahrenskostenhilfe für die 2. Aufrechterhaltungsgebühr zu Recht davon abhängig gemacht, dass die Beschwerdeführer nachweisen, dass sie bisher ernsthaft versucht haben, das Streitgebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten. Denn im Fall der Aufrechterhaltungsgebühren geht es um den weiteren Bestand des Schutzrechts, so dass sich die Frage, ob die Beantragung von Verfahrenskostenhilfe mutwillig ist oder nicht, danach beurteilt, wie sich ein nicht bedürftiger Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage hinsichtlich seines Schutzrechts während dessen bisheriger Laufzeit verhalten hätte. Ziel eines technischen Schutzrechts ist in erster Linie dessen wirtschaftliche Verwertung. Dies spiegelt sich u.a. in der Schutzvoraussetzung der gewerblichen Anwendbarkeit (§ 3 Abs. 2 GebrMG) und auch in den mit der Eintragung verbundenen Benutzungsund Verbietungsrechten (§ 11 GebrMG) wider. Daher wird sich ein nicht hilfsbedürftiger Gebrauchsmusterinhaber nach Eintragung seines Schutzrechts um dessen wirtschaftliche Nutzung bemühen.

Davon, dass die Beschwerdeführer dies in der Vergangenheit überhaupt ernsthaft getan haben, lässt sich ihrer Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Vor allem sind für die Zeit nach der Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr keinerlei Verwertungsversuche erkennbar.

Die vorgelegten Unterlagen dokumentieren zum Teil keinerlei Anstrengungen, das Streitgebrauchsmuster zu vermarkten. Das "Projekt: ...

..." aus dem Jahr 1999 liegt vor der Anmeldung und bezieht sich schon daher nicht auf den Versuch, den Gegenstand des Gebrauchsmusters zu verwerten. Dies gilt ebenfalls für die Anfrage vom 21. August 2001, ob ein Unternehmen für die Beschwerdeführer Muster der Erfindung herstellen könnte und für das Dankschreiben vom 11. Juli 2001 an das Technologie u. Gewerbezentrum e. V. Schwerin für die Unterstützung bei der Gebrauchsmusteranmeldung. Auch der undatierte Antrag u.a. der Beschwerdeführer an die Industrieund Handelskammer Schwerin, produzierende und innovationsorientierte Firmen zu benennen, kann allenfalls als vorbereitende Maßnahme, aber nicht als ernsthafter Verwertungsversuch angesehen werden. Dies gilt auch für das einzige aus dem Zeitraum nach dem Bewilligungsbeschluss vom 10. November 2004 datierenden Schreiben an den Erfinder-Verband e. V. vom 6. Januar 2005, in dem die Beschwerdeführer lediglich um Informationen über die Bedingungen einer Zusammenarbeit bitten.

Das Angebot der Beschwerdeführer vom 22. Mai 2002 an eine Fa. T... in K..., in dem sie ihre Erfindung zum Kauf anbieten, liegt weit vor dem verfahrensgegenständlichen Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe. Das Schreiben der sachkundigen Fraunhofer Patentstelle vom 21. Dezember 2001, dem ein entsprechendes Angebot des Beschwerdeführer zu 1) vorangegangen sein dürfte, hat ergeben, dass bereits damals kaum Chancen gesehen werden, die Erfindung wirtschaftlich zu verwerten.

Eine Gesamtschau der vorgetragenen Tatsachen ergibt daher auch für die Zukunft keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche wirtschaftliche Nutzung des Gebrauchsmusters. Angesichts der vorliegenden Umstände kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage, weitere Mittel einsetzen würde, um das Streitgebrauchsmuster aufrecht zu erhalten, von dem keinerlei wirtschaftliche Vorteile zu erwarten sind und bei dem deswegen die Aufrechterhaltungsgebühr von vornherein verlorene Kosten bedeutet.

Allein für die bloße weitere Existenz des Gebrauchsmusters kann Verfahrenskostenhilfe nicht beansprucht werden.

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BPatG:
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Az: 35 W (pat) 6/08


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