Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Dezember 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 104/00

(BPatG: Beschluss v. 18.12.2000, Az.: 30 W (pat) 104/00)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 1999 und vom 24. Februar 2000 aufgehoben.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister ist angemeldet CARDIOPHONE zuletzt noch bestimmt für die Waren und Dienstleistungen:

"Telefone und Mobiltelefone, jeweils zur Aufzeichnung und Übertragung von Elektrokardiogrammen, jedoch nicht zur Messung von Herzaktionen durch andere Methoden und insbesondere nicht zur Herztonerfassung und/oder -verstärkung; chirurgische und ärztliche Instrumente und Apparate, jeweils zur Aufzeichnung und Übertragung von Elektrokardiogrammen, jedoch nicht zur Messung von Herzaktionen durch andere Methoden und insbesondere nicht zur Herztonerfassung und/oder -verstärkung; Telekommunikation, nämlich Aufzeichnungen und Übertragung von Elektrokardiogrammen, jedoch keine Messung und Übertragung von Herzaktivitäten durch andere Methoden und insbesondere keine akustische Erfassung und/oder Verstärkung von Herztönen."

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung - bezogen auf das ursprünglich eingereichte Warenverzeichnis - wegen fehlender Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen.

Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt. Er hält mit näheren Ausführungen die angemeldete Bezeichnung für schutzfähig, weil sie in ihrer Gesamtheit keinen eindeutigen Begriffsinhalt habe, im Sinne von "Herztelefon" jedenfalls bedeutungslos sei. Soweit "cardiophone" in der englischen Sprache "Herztonverstärker" bedeute, stände dies der Eintragung nicht entgegen, weil nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses hinsichtlich der nunmehr beanspruchten Waren/Dienstleistungen kein Zusammenhang mehr mit Verstärkung, Erfassung, Aufzeichnung und Übertragung von Herztönen bestehe.

Der Anmelder beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und die Beschlüsse der Markenstelle Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses ist die angemeldete Bezeichnung CARDIOPHONE weder nach § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG, noch nach § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

An der angemeldeten Marke besteht kein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG; es ist nicht ersichtlich, daß sie als konkrete unmittelbare Angabe über wesentliche Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren und Dienstleistungen dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müßte.

"Cardiophone" ist in der englischen Sprache ein festumrissener Fachbegriff und bedeutet im Deutschen "Herztonverstärker"; das sind Apparate, die die Herztöne hörbarer machen (vgl Bunjes, Medical and Pharmaceutical Dictionary, English-German, 4. Aufl S 88); für die Aufzeichnung der Schallerscheinungen (Töne) des Herzens wird in der Fachsprache im Englischen das Wort "phonocardiography" (vgl Unseld, Medical Dictionary, First Part, S 242), im Deutschen der Begriff "Phonokardiograhie" verwendet. Auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses wird die angemeldete Marke indessen nicht mehr für solche Waren und Dienstleistungen beansprucht. Das ergibt sich insbesondere aus dem darin nunmehr aufgenommenen Zusatz: "jedoch nicht zur Messung von Herzaktionen durch andere Methoden und insbesondere nicht zur Herztonerfassung und/oder -verstärkung" bzw "...jedoch keine Messung und Übertragung von Herzaktivitäten durch andere Methoden und insbesondere keine akustische Erfassung und/oder Verstärkung von Herztönen". Dieser schließt solche Anwendungen und Tätigkeiten aus, die mit der Verstärkung, Erfassung, Aufzeichnung und Übertragung von Herztönen im Zusammenhang stehen könnten. Bei den jetzt noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen geht es allein noch um die Aufzeichnung und Übertragung von Elektrokardiogrammen (EKG); diese betreffen nur die Aufzeichnung der Aktivitäten des Herzens, die bildlich als Kurven dargestellt werden. Damit bezeichnet "Cardiophone" im Sinne von "Herztonverstärker" aber nicht (mehr) eine der in § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG im einzelnen aufgeführten Angaben oder sonstige Merkmale der hier noch maßgeblichen Waren und Dienstleistungen.

Allerdings setzt sich die angemeldete Bezeichnung CARDIOPHONE rein formal betrachtet aus den Einzelbestandteilen "CARDIO" und "PHONE" zusammen; "Cardio-" ist vor allem in der englischen, aber auch in der deutschen Fachsprache - dann aber überwiegend in der Schreibweise "Kardio-" (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl S 255, 795) - ein Wortteil mit der Bedeutung "Herz" und ist insoweit in zahlreichen Wortzusammensetzungen - im Englischen wie im Deutschen - gebräuchlich (vgl Bunjes aaO S 88; Unseld aaO S 56); "phone" ist die englische Bezeichnung für "Telefon" (vgl Duden Oxford Großwörterbuch Englisch S 1395). Es mag daher sein, daß der Fachbegriff "cardiophone" - nach Art eines Wortspiels - vielleicht im Sinne von "Herztelefon" und weiter folgernd auch mit Technik und Aktivitäten in Verbindung gebracht werden kann, die Herz und (Mobil-) Telefon irgendwie betreffen. Das allein begründet jedoch noch kein Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Diese auf Artikel 3 Abs 1 Buchst c) Markenrichtlinie beruhende Vorschrift verfolgt das allgemeine Interesse daran, daß beschreibende Zeichen oder Angaben von jedermann, insbesondere von den Mitbewerbern des Anmelders, frei verwendet werden können. Dieses berechtigte Interesse besteht an allen unmittelbaren, konkreten Sachangaben, wie sie im Geschäftsverkehr und in der Werbung erforderlich sind, um den Anbietern zu ermöglichen, sich mit den angesprochenen Verkehrskreisen unmißverständlich über die Beschaffenheit der angebotenen Waren zu verständigen. Dazu gehören ferner auch allgemeine Angaben über sonstige für den Warenverkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmer irgendwie bedeutsame Umstände mit Bezug auf die angemeldeten Waren (vgl BGH GRUR 1999, 1093, 1094 "FOR YOU"; GRUR 2000, 231, 232 "FÜNFER"). Damit ist aber die Reichweite des Begriffs vom Freihaltungsbedürfnis erschöpft. Denn der Schutzzweck des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist auf bestimmte Bedürfnisse des Geschäftsverkehrs beschränkt. Dagegen reicht diese Vorschrift nicht so weit, darüber hinaus solche literarischen Wörter und Wortkombinationen von einer markenrechtlichen Monopolisierung auszunehmen, die allenfalls im übertragenen Sinn einen Warenbezug aufweisen können (vgl BGH GRUR 1998, 465, 466 "BONUS"; GRUR 1998, 813, 814 "CHANGE", GRUR 1999, 988, 990 "HOUSE OF BLUES"; BPatG 24 W (pat) 155/97 - RoamAbout, PAVIS PROMA CD-ROM).

Im Sinne von "Herztelefon" gehört CARDIOPHONE aber nicht zu der zuerst genannten Gruppe von Wörtern. Insoweit läßt sich nämlich ein eindeutig beschreibender Inhalt der Anmeldung nicht (mehr) feststellen. Das Wort "Herztelefon" beschreibt irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die Waren selbst (entgegen dem Wortlaut von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) doch nur eher diffus. In seinem ursprünglichen Sinn bezieht sich das Wort "Telefon" nur auf Geräte der Fernsprechtechnik, die durch Umwandlung akustischer in elektrische Signale und umgekehrt Ferngespräche ermöglichen. Eine derartige Nutzung einer Tonübertragung ist nicht Gegenstand des noch maßgeblichen Warenverzeichnisses. Zwar weisen seit der Einführung der Digitaltechnik insbesondere Mobiltelefone zahlreiche Zusatzfunktionen auf, die losgelöst von der Tonübertragung genutzt werden können (SMS, Internetzugang, email, Adressbuch, Terminkalender, banking, payment). Mit den dem Senat zur Verfügung stehenden Mitteln konnte jedoch nicht festgestellt werden, daß im Bereich der von der Tonübermittlung losgelösten Telefonnutzung für Zusatzfunktionen einerseits die konkrete Bezeichnung gewählt und andererseits das Wort "phone" oder "Telefon" beschreibend verwendet wird.

Soweit es um die Herausstellung von Zusatzfunktionen von Mobiltelefonen geht, scheint eher die Tendenz zu bestehen, den bestimmenden Wortteil möglichst umfassend zu wählen (smartphone), die technische Neuerung herauszustellen (WAP-Mobiltelefon/Handy; GPRS-Mobiltelefon/Handy; Triband-Handy oder aber von dem Bestandteil "phone" abzusehen (communicator), nicht aber, sich in der Bezeichnung auf eine einzelne Funktion zu beschränken. Soweit zur Beschreibung der Zusatzfunktion der Überwachung von Kleinkindern die Bezeichnung "Babyphon" gebräuchlich ist, steht wiederum die Tonübertragung im Vordergrund, um die es hier nicht mehr geht. Auch ist nicht belegbar, daß das Wort CARDIOPHONE über die ursprünglich fachbegriffliche Bedeutung hinaus synonym für "digitaltelefonische Übermittlung von Herzdaten" derzeit verstanden oder gebraucht werden könnte oder dies aufgrund sich bereits konkret abzeichnender Umstände in absehbarer Zukunft zu erwarten ist. Auch mit der Bedeutung "Herztelefon" wirkt der angemeldete Ausdruck bezogen auf die nicht mit der Verstärkung, Erfassung, Aufzeichnung und Übertragung von Herztönen bezogenen Waren und Dienstleistungen aus dem Warenverzeichnis unspezifisch und verschwommen und erscheint zumindest etwas interpretationsbedürftig. Dies belegen auch die vom Anmelder vorgelegten Stellungnahmen der Direktoren der Kliniken Mannheim und Essen, die aufzeigen, daß das Zeichenwort kein unmittelbar auf die Waren bezogenes Fachwort ist. Eine hinreichend bestimmte Aussage läßt sich der Anmeldung somit nicht ohne weiteres entnehmen. Es bedürfte erst nicht ganz erheblichen Nachdenkens und gedanklicher Ergänzungen, um - ausgehend von dem englischsprachigen Fachbegriff für "Herztonverstärker" - diesen zu übertragen auf nicht hörbare Signale und so einen konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufzufinden. Eine solche Betrachtung wäre analysierend und würde besondere Denkprozesse erfordern, was nicht Platz greift und der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegensteht (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142 mwN).

Der angemeldeten Marke kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG als die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von ihr erfaßten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh, jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (ständige Rechtsprechung, zuletzt BGH WRP 2001, 33, 34 - Buchstabe K). Die Unterscheidungskraft kann zum einen entfallen, wenn die Wortmarke einen für die fraglichen Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt hat. Hiervon ist jedoch nicht auszugehen; daß CARDIOPHONE keine hinreichend konkrete Sachangabe enthält, wurde bereits bei der Prüfung des Freihaltebedürfnisses festgestellt. Zwar unterliegen die Eintragungshindernisse des Freihaltebedürfnisses und der Unterscheidungskraft unterschiedlichen Voraussetzungen; steht aber fest, daß eine in ihrem Aussagegehalt ohne weiteres verständliche Marke für die konkreten Waren als Sachangabe nicht freihaltebedürftig ist, so wird die Unterscheidungskraft, soweit das Vorliegen eines im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts geprüft wird, regelmäßig zu bejahen sein. Unter diesem Gesichtspunkt kann der Marke daher die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Es sind auch keine anderen Umstände erkennbar, die gegen ihre Eignung zur Ausübung der Herkunftsfunktion sprechen.

Die angemeldete Marke ist auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 4 iVm § 37 Abs 3 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Denn die Eignung, das Publikum insbesondere über die Art oder die Beschaffenheit der Waren zu täuschen, ist nicht ersichtlich im Sinne von § 37 Abs 3 MarkenG. Ersichtlich täuschend ist ein Zeichen nämlich nur, wenn ein Fall nicht täuschender Verwendung nicht denkbar ist (vgl zB BPatG GRUR 1999, 746 Omeprazok). Hierbei wird die tatsächliche Verwendung der Marke eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Diese ist im Eintragungsverfahren unbekannt. Eine nicht ersichtlich täuschende Verwendung kann daher nicht ausgeschlossen werden.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu






BPatG:
Beschluss v. 18.12.2000
Az: 30 W (pat) 104/00


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