Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Mai 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 28/03

(BPatG: Beschluss v. 13.05.2003, Az.: 33 W (pat) 28/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts vom 19. September 2001 und 5. November 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch aufgrund der Marke 656 199 zurückgewiesen worden ist.

2. Die Löschung der Marke 399 76 851 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 656 199 angeordnet.

Gründe

I Die am 30. März 2000 eingetragene und am 4. Mai 2000 veröffentlichte Marke 399 76 851 Schinkofixist für die Waren

"Chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Fleisch und Fleischerzeugnissen, insbesondere zur Verbesserung von Struktur, Geschmack und Farbe soweit in Klasse 1 enthalten"

geschützt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren Marke 656 199 Schinkodie für die Waren

"Pökelsalz, Pökelhilfsmittel"

seit dem 12. April 1954 eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 1 hat den Widerspruch durch Erstprüferbeschluß vom 19. September 2001 zurückgewiesen und diese Entscheidung durch Erinnerungsbeschluß vom 5. November 2002 bestätigt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß die Waren zwar in einem sehr engen Ähnlichkeitsbereich bis hin zur Identität lägen und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen sei. Der gebotene Abstand werde jedoch eingehalten, weil die angegriffene Marke von den Bestandteilen "Schinko" und "fix" in gleichem Umfang geprägt werde. Der Bestandteil "fix" sei im vorliegenden Zusammenhang nicht glatt beschreibend, da für das Haltbarmachen von Fleisch die Bedeutung von "fest, schnell" keine im Vordergrund stehende Eigenschaft sei.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, daß der Markenbestandteil "fix" im hier maßgeblichen Warenbereich im Sinne von "rasch zu verarbeiten" bzw "rasch wirkend", also im Sinne einer Produktionsbeschleunigung verstanden werden könne. Unter Bezugnahme auf verschiedene eingetragene Marken trägt die Widersprechende vor, daß "fix" den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne von "schnell" aus zahlreichen Wortzusammensetzungen wie "Bratfix", "Salatfix", aber auch "Gelfix" uä bekannt sei. Die Marke werde daher ausschließlich durch den Bestandteil "Schinko" geprägt.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 vom 19. September 2001 und 5. November 2002 die Löschung der angegriffenen Marke 399 76 851 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, daß der Markenbestandteil "Schinko" dem Begriff "Schinken" so deutlich angenähert sei, daß der Verkehr den Hinweis ohne weiteres verstehen werde. Dem mit der beschreibenden Angabe fast identischen Bestandteil "Schinko" sei der unterscheidungskräftige Zusatz "fix" hinzugesetzt worden, so daß Verwechslungen im Verkehr nicht zu befürchten seien.

Der Senat hat den Parteien mit Zwischenbescheid vom 1. April 2003 Ermittlungsunterlagen zugesandt und eine Frist zur Stellungnahme bis 1. Mai 2003 eingeräumt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen den sich gegenüberstehenden Marken für gegeben.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 1 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaßten Waren ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHé/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995, 997 - Honka). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so daß zB ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr vgl BGH GRUR 2000, 603, 604 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

1. Nachdem Benutzungsfragen hier nicht angesprochen worden sind, ist für die Frage der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Die Waren liegen im erheblichen Ähnlichkeitsbereich bis hin zur Identität, weil "Pökelhilfsmittel" unter den Begriff "chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Fleisch und Fleischerzeugnissen" fallen.

2. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.

3. Den insoweit erforderlichen erheblichen Abstand halten die sich gegenüberstehenden Marken nicht ein.

Zwar ist nach Auffassung des Senats eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen, da es grundsätzlich nicht zulässig ist, insbesondere aus einer angegriffenen jüngeren Einwort-Marke ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen (BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze).

Eine assoziative Verwechslungsgefahr ist im vorliegenden Fall aber zu bejahen. Diese setzt voraus, daß die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und somit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen, gleichwohl einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten, diesem Bestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und daher die übrigen (abweichenden) Markenteile zB als Kennzeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke ansehen (BGH GRUR 1996, 267 - Aqua; BGH GRUR 1999, 240 - STEPHANSKRONE I).

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die angegriffene Marke stimmt mit der Widerspruchsmarke im Bestandteil "Schinko" überein. Der weitere Bestandteil "fix" mit der Bedeutung von "schnell", "ohne Verzögerung" (vgl Duden Deutsches Universalwörterbuch Online, 4. Auflage, 2001), im Sinne einer Beschleunigung des Produktionsprozesses, hat auf dem hier einschlägigen Warengebiet der Haltbarmachung von Waren eine entscheidende, rein warenbeschreibende Bedeutung. Dies läßt sich insbesondere auch aus den den Beteiligten übersandten Ermittlungsunterlagen entnehmen. So wirbt beispielsweise die Firma PH Liquid Belgium unter www.phliquid.com für einen Extrakt zur Zubereitung von lange haltbaren Fleischwaren und weist als besonders positive Produkteigenschaft auf die schnellere Reifung der Waren hin.

Den angesprochenen Verkehrskreisen, hier im wesentlichen Fachkreisen aus dem Metzger- und Fleischerhandel, ist der beschreibende Gehalt dieses Markenbestandteils auch aus zahlreichen Wortverbindungen mit "fix" bekannt, worauf die Widersprechende zu Recht hingewiesen hat. Allgemein geläufig sind Bezeichnungen wie "Teefix", "Trinkfix" oder "Salatfix". Insbesondere auch auf dem hier einschlägigen Warengebiet finden sich Bezeichnungen wie beispielsweise "Gelfix" für chemische Konservierungsmittel für Lebensmittel oder "Huwafix" ua für chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln.

Der in beiden Marken übereinstimmende Bestandteil "Schinko" vermittelt - im Sinne einer Verballhornung - allenfalls einen originellen Anklang im Hinblick auf den allgemein bekannten Begriff "Schinken". Auch wenn "Schinko-" nicht als Bestandteil einer Serie verwendet wird, wird angesichts der erwähnten Ausgangslage ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise annehmen, dass die mit "Schinkofix" gekennzeichneten Waren aus der Produktion der Widersprechenden stammen und zur besonderen Beschleunigung des Bearbeitungsprozesses eingesetzt werden können.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligte die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.

Winkler Baumgärtner Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 13.05.2003
Az: 33 W (pat) 28/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8b2a901864a1/BPatG_Beschluss_vom_13-Mai-2003_Az_33-W-pat-28-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share