Landgericht Hamburg:
Beschluss vom 21. April 2009
Aktenzeichen: 627 Qs 13/09

(LG Hamburg: Beschluss v. 21.04.2009, Az.: 627 Qs 13/09)

Tenor

Der Antrag der Verletzten auf Gewährung von Akteneinsicht wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin stellte am 17.11.2008 Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Koblenz und trug vor, sie sei Urheberin und/oder ausschließliche Rechteinhaberin einer Vielzahl von pornografischer Filmwerke, unter anderem auch an einem Filmwerk, welches am 16.11.2008 im Rahmen der Tauschbörse €e...€ zum Abruf (Download) angeboten wurde. Aufgrund dieser Umstände sei von einer unerlaubten Verwertung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke auszugehen. Die entsprechenden Verbindungsdaten waren dieser Anzeige beigefügt.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Koblenz ermittelte mehrere Anschlussinhaber und gab das gegenständliche Verfahren wegen örtlicher Zuständigkeit an die Staatsanwaltschaft Hamburg ab. Diese stellte das Verfahren mit Bescheid vom 09.02.2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein und begründete diese Entscheidung dahingehend, dass sich aus der Zuordnung einer IP-Nummer zu einer bestimmten Person nicht der hinreichende Tatverdacht ergebe, dass diese Person auch die vorgeworfene Tat begangen habe. Gleichzeitig versagte die Staatsanwaltschaft Hamburg der Antragstellerin auch die zugleich mit der Strafanzeige vom 17.11.2008 beantragte Akteneinsicht und begründete dies mit überwiegend schutzwürdigen Interessen des Inhabers der IP-Adresse an der Geheimhaltung seiner persönlichen Daten im Sinne des § 406 e Abs. 2 StPO.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27.02.2009.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die Zulässigkeit ergibt sich aus §§ 406 e Abs. 4 S. 2, 161 a Abs. 3 S. 2-4 StPO, der erforderliche Antrag wurde durch einen Rechtsanwalt gestellt, das Landgericht ist für die Entscheidung zuständig.

2. Die Voraussetzungen für die begehrte Akteneinsicht liegen jedoch nicht vor.

a) Die Antragstellerin ist als Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte Verletzte im Sinne des § 406 e Abs. 1 StPO. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob das gemäß § 406 e Abs. 1 StPO erforderliche berechtigte Interesse der Antragstellerin besteht. Dieses muss dargelegt werden, da in der verfahrensgegenständliche Konstellation eine Darlegung nicht nach § 406 e Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 395 StPO entbehrlich ist. Die Antragstellerin ist nicht gemäß § 395 Abs. 2 Nr. 2 StPO nebenklageberechtigt, die Voraussetzungen eines gewerbsmäßigen Handelns im Sinne der §§ 108a, 108 b UrhG liegen ersichtlich nicht vor.

Daher kann bezogen auf die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse lediglich wegen der beabsichtigten Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Inhaber der IP-Adresse bestehen. Vorliegend ist die zivilrechtliche Haftung des Anschlussinhabers als sogenannter Störer jedoch fraglich. Dem Umstand, dass eine bestimmte IP-Nummer einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, folgt noch nicht, dass diese Person auch zu der angegebenen Tatzeit unter dem genannten Anschluss die vorgeworfenen Urheberrechtsverletzung begangen hat. Daher hat die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall einen hinreichenden Tatverdacht auch verneint. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass die Einsichtnahme nur auf eine €Ausforschung€ hinausläuft und somit nicht mehr als ein berechtigtes Interesse anzusehen ist (Meyer-Goßner, § 406e Rn. 3).

b) Unabhängig vom Bestehen eines berechtigten Interesses hat die Staatsanwaltschaft die Interessenabwägung nach § 406 e Abs. 2 StPO zutreffend vorgenommen. Die schutzwürdigen Interessen des früheren Beschuldigten überwiegen ein etwaiges berechtigtes Interesse der Antragstellerin.

aa) Hierbei kann dahinstehen, ob § 101 UrhG Vorrang vor § 406 e StPO zukommt, oder ob der über diese Norm eröffnete Auskunftsanspruch und die Frage seiner (erfolgreichen) Durchsetzung vor den Zivilgerichten als weiterer Belang in die gemäß § 406 e Abs. 2 StPO vorzunehmende Abwägung einzustellen ist (vgl. hierzuSankol,MMR 2008, 836, 837). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist diese Norm, die eine Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß voraussetzt, vorliegend nicht anwendbar. Bei der Frage, ob eine Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß vorliegt sind Anzahl und Schwere der Rechtsverletzung zu berücksichtigen (OLG Zweibrücken B.v. 27.10.2008, 3 W 184/08; LG Frankfurt B. v. 18.09.2008, 2-O6-534/08; OLG Köln B.v. 09.02.2009, 6 W 182/08). Die Antragstellerin behauptet den Abruf von einem Filmwerk, zu der Neuheit dieses Werks erfolgen keine Angaben. In Anbetracht dieser Umstände liegt daher beim einmaligen Herunterladen dieses Filmwerks eine Verletzung im gewerblichen Ausmaß nicht vor.

bb) Die Gewährung von Akteneinsicht nach § 406 e StPO setzt, weil sie in das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingreift, eine sorgfältige Abwägung aller entscheidungserheblichen Umstände voraus (BVerfG, NJW 2007, 1052, 1053 ff.).

Bei der Bewertung des schutzwürdigen Interesses des Beschuldigten an der Versagung der Akteneinsicht ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ermittlungen noch keinen Anlass zur Erhebung der Klage geboten haben, mithin keine klare Verdachtslage besteht und insoweit die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK grundsätzlich eine vertrauliche Behandlung des Tatvorwurfs gebietet. Ferner ist aufgrund des Titels des Werks € dem Vortrag der Antragstellerin ist im Übrigen nicht zu entnehmen, dass der Inhalt der Datei überprüft wurde € zu berücksichtigen, dass es sich möglicherweise um pornographisches Material handelt. Insofern muss bei der Abwägung beachtet werden, dass mit der Weitergabe dieser Information an Dritte deutlich stärker in die Intimsphäre des früheren Beschuldigten eingegriffen wird, als im Fall €neutraler€ Inhalte und somit möglicherweise der besonders geschützte Kernbereich des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten betroffen ist (LG München B.v. 12.03.2008, 5 Qs 19/08;Sankol, K&R 2008, S. 509, 512.). Diesem schutzwürdigen Interesse steht auf Seiten der Antragstellerin das Recht auf Geltendmachung fraglicher zivilrechtlicher Ansprüche gegenüber. Das Urheberrecht und das Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fallen zwar grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG, allerdings gewährleisten weder Art. 14 Abs. 1 noch Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch des Verletzten darauf, dass ihn der Staat durch Überlassung von Informationen, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens beschafft wurden, bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüchen unterstützt (BVerfG, NStZ 1987, 286.). Für die effektive Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche stellt das Zivilprozessrecht hinreichende Möglichkeiten zur Verfügung (BVerfG, NStZ 1987, 286.). Das schutzwürdige Interesse des Beschuldigten an Geheimhaltung tritt auch nicht hinter diesem Informationsinteresse der Antragstellerin zurück, weil es sich vorliegend um die Erhebung von Bestandsdaten handelt. Die Antragstellerin verkennt hierbei, dass nicht das Interesse des früheren Beschuldigten, nicht mit zivilrechtlichen Haftungsfragen konfrontiert zu werden, als überwiegend schutzwürdig erachtet wird, sondern - unter Würdigung der unklaren Verdachtslage und einer möglichen urheberrechtlichen Verletzung in nicht erheblichem Ausmaß - sein Interesse an der Geheimhaltung seiner persönlichen Daten und Lebensumstände. Hierbei kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht auf Erwägungen an, ob bei weiteren Ermittlungsschritten ein hinreichender Tatverdacht vorgelegen haben könnte und ob eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Täterschaft des Anschlussinhabers spricht. Im Rahmen der Gewährung von Akteneinsicht ist zu beachten, dass ein schonender Einsatz justizieller Mittel im Auge zu behalten ist und es nicht Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden ist, die Geltendmachung fraglicher zivilrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen, obwohl dem Beschuldigten eine Straftat nicht nachweisbar ist (LG München B. v. 12.03.2008, 5 Qs 19/08.).

c) Ein milderes gleich geeignetes Mittel als die Versagung der Akteneinsicht ist nicht ersichtlich. Nach einer Anonymisierung der Akte bestünde ausweislich des Antrages kein Interesse auf Aktenteneinsicht mehr.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 406 e Abs. 4 S. 2, 161 Abs. 3 S. 3, 473 StPO.






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