Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. März 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 331/02

(BPatG: Beschluss v. 29.03.2004, Az.: 14 W (pat) 331/02)

Tenor

Das Patent wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 100 61 751 mit der Bezeichnung

"Verschleißschutzschicht für Kolbenringe"

ist am 25. Juli 2002 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent ist am 23. Oktober 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen

(D1) US 5 126 104 A

(D2) EP 0 960 954 A2

(D3) Zeitschrift: Surface and Coatings Technology 90 (1997) S 156 bis 163; Aufsatz mit dem Titel: "Alternative to chrome: HVOF cermet coatings for high horse power diesel engines" von F. Rastegar und D.E. Richardson

(D4) DE 197 20 627 A1 belegten Stand der Technik nicht patentfähig; außerdem seien ein in Anspruch 7 enthaltenes Merkmal sowie Anspruch 9 unzureichend offenbart.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufenund hat um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten.

Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen und macht im wesentlichen geltend, daß der beanspruchte Gegenstand durch den Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt sei. Im übrigen seien die Ansprüche 7 und 9 hinreichend deutlich offenbart.

Der erteilte und unverändert geltende Anspruch 1 lautet:

"Verschleißschutzschicht für Kolbenringe in Brennkraftmaschinen, im wesentlichen bestehend aus Chrom-Karbiden, Chrom, Nickel und Molybdän, dadurch gekennzeichnet, dass die Verschleißschutzschicht aus einem Pulver gebildet ist, welches als agglomeriertes und gesintertes Pulver aus den Legierungskomponenten Chrom-Karbid, Chrom, Nickel und Molybdän besteht, das keine nachträgliche versprödende Wärmebehandlung wie z.B. eine Plasmaveredelung erfahren hat, wobei die Karbide im Pulver einen mittleren Durchmesser aufweisen, der im wesentlichen nicht größer als 3 µm ist und mittels thermischem Spritzens auf mindestens eine Umfangsfläche der Kolbenringe aufgetragen ist, so dass sich eine Matrix, bestehend aus Nickel, Chrom und Molybdän ausbildet, in der homogen und fein verteilt Chrom-Karbide eingelagert und diese von molybdänreichen Phasen umgeben sind."

Zum Wortlaut der Unteransprüche 2 bis 10, die besondere Ausgestaltungen der Verschleißschutzschicht nach dem Hauptanspruch betreffen, wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen. Er ist somit zulässig, kann aber nicht zum Erfolg führen.

3. Die Patentansprüche 1 bis 10 sind zulässig.

Sie entsprechen im Wortlaut den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 bis 10.

4. Der Vorwurf der unzureichenden Offenbarung von Verschleißschutzschichten nach den Ansprüchen 7 und 9 bzw deren Merkmalen kann nicht durchgreifen.

Die Angabe im Anspruch 7, daß die Karbide in der erzeugten Verschleißschutzschicht vorzugsweise blockig und kleiner als 3 µm vorliegen, liest der Fachmann aufgrund der Rückbeziehung auf Anspruch 1 in dem Kontext, daß die Verschleißschutzschicht durch thermisches Spritzen eines (agglomerierten und gesinterten) Pulvers aus den Legierungskomponenten Chrom-Karbid, Chrom, Nickel und Molybdän ausgebildet worden ist, wobei dieses Pulver keine nachträgliche Wärmebehandlung erfahren hat. Dies schließt nach der Beschreibung (Sp 2 Z 32 bis 41) durch Schmelzverdüsung gebildete Pulver mit sehr viel weicheren dendritischen Karbiden aus. Die vorgeschriebene Teilchengröße läßt sich somit für den Fachmann ersichtlich nur durch Herabmahlen der Legierungskomponente Chrom-Karbid erhalten, was zu kompakten Partikeln mit einer durch Abrieb vergleichmäßigten Oberfläche führt, die in der Streitpatentschrift als "blockig" charakterisiert sind.

Ebenso kann der Fachmann ohne weiteres erkennen, daß durch Herabmahlen der Legierungskomponente Molybdän auf eine im Stand der Technik unübliche Feinheit (Sp 2 Z 41 bis 46) vor dem Agglomerieren und Sintern des Beschichtungspulvers die nach Anspruch 9 geforderten Abmessungen der molybdänreichen Phasen in der fertigen Verschleißschutzschicht erzielt werden können (vgl hierzu auch (D1) Sp 1 Z 2 bis 28).

5. Die beanspruchte Verschleißschutzschicht ist neu.

Sie unterscheidet sich von der aus (D1) bekannten schon dadurch, daß sie - zwangsläufig wie das zum thermischen Spritzen verwendete Pulver - aus den abschließend aufgeführten Legierungskomponenten Chrom-Karbid, Chrom, Nickel und Molybdän besteht. Die Schutzschicht gemäß (D1) ist hingegen - auch hier entsprechend den Bestandteilen des zum Auftrag eingesetzten Pulvers - aus Chrom-Karbid/Nickel-Chrom-Legierung, einer Nickel-Chrom-Bor-Silicium-Legierung und Molybdän zusammengesetzt (Anspruch 1 und Beispiel).

Auch in (D2) sind keine Pulver oder Verschleißschutzschichten beschrieben, die aus den Legierungskomponenten Chrom-Karbid, Chrom, Nickel und Molybdän bestehen. Die Beschichtungspulver nach (D2) weisen obligatorisch Chrom-Karbid, Chrom und Nickel sowie fakultativ Mangan auf (Ansprüche 1 u 7 iVm [0012] u [0016]); in den weiterhin erwähnten Molybdän enthaltenden Pulvern liegen zusätzlich weitere Metalle wie Wolfram und Kupfer oder Eisen vor ([0022]).

Aus (D3) und (D4) gehen zwar jeweils aus Chrom-Karbid, Nickel, Chrom und Molybdän bestehende Beschichtungspulver und Schutzschichten hervor ((D3) S 158, 2.3.1.; (D4) S 5 Z 14 bis 16); es fehlt aber ein Hinweis darauf, daß die in den Pulverpartikeln enthaltenen Chrom-Karbid-Phasen im Mittel nicht größer als 3 µm sind. In (D3) sind lediglich Größenbereiche für Pulverpartikel aus Chrom-Karbid/Nickel-Chrom von 11 bis 44 µm und für Pulverpartikel aus Molybdän mit ähnlich angegeben (S 158, 2.3.2.); in (D4) ist zu Partikelgrößen überhaupt nichts ausgeführt.

Die von der Einsprechenden pauschal angezogenen sämtlichen Entgegenhaltungen aus dem Prüfungsverfahren, auf die sie aber inhaltlich nicht mehr eingegangen ist, können die Neuheit der patentgemäßen Verschleißschutzschicht nicht in Frage stellen.

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie erwähnt, sind (nur) aus den Komponenten Chrom-Karbid, Nickel, Chrom und Molybdän bestehende Verschleißschutzschichten bekannt, wobei sich aber kein Hinweis auf eine Größe der Chrom-Karbid-Phasen von weniger als 5 µm ergibt (vgl (D3), (D4) und Streitpatentschrift [0005], [0006]).

In (D2) sind nun Chrom-Karbid-Partikel mit einer Größe zwischen 0,1 und 5 µm in Verschleißschutzschichten von - wie unter II.5 dargelegt - unterschiedlicher Zusammensetzung beschrieben (Anspruch 1, S 2 Z 40 bis 43 u S 3 Z 11/12).

Der Einsatz derartiger Partikel bei den bekannten Chrom-Karbid/Chrom/Nikkel/Mangan-Schichten führt aber nicht zu der patentgemäßen Schicht. Die Struktur der Chrom-Karbid-Partikel wird nämlich gemäß (D2) durch rasche Verfestigung aus einer Schmelze erzeugt, vorzugsweise durch Schmelzverdüsung, was zu dendritischen Erzeugnissen führt (S 2 Z 12 bis 26). Patentgemäß werden aber die Chrom-Karbid-Partikel (wie die der anderen Legierungsbestandteile) durch das im Anspruch nicht eigens erwähnte, aber für den Fachmann ohne weiteres erkennbare Mahlen auf die gewünschte Größe hergestellt (vgl insoweit auch S 4 Abs 3 der Einspruchsbegründung) und dann mit den weiteren Legierungskomponenten zu einem Pulver agglomeriert und gesintert, welches schließlich durch thermisches Spritzen auf die Kolbenringe aufgetragen wird. Da dieser Herstellungsweg gegenüber einer Verwendung schmelzverdüster Partikel zu einer vorteilhaften Verschleißschutzschicht führt, wie in der Streitpatentschrift [0008] überzeugend glaubhaft gemacht wird, kann der beanspruchten Schutzschicht das Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit nicht abgesprochen werden.

Der erteilte Patentanspruch 1 ist daher rechtsbeständig; mit ihm haben die Unteransprüche 2 bis 10 Bestand.

Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren erfolgen, da damit dem zuletzt gestellten Antrag der Einsprechenden auf Entscheidung nach Aktenlage entsprochen wird.

Schröder Wagner Harrer Schuster Pü/Na






BPatG:
Beschluss v. 29.03.2004
Az: 14 W (pat) 331/02


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