Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2005
Aktenzeichen: 34 W (pat) 312/03

(BPatG: Beschluss v. 21.06.2005, Az.: 34 W (pat) 312/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Die Einsprechende ist der Auffassung, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Patents 197 16 779 (Streitpatent) sei nach den §§ 1-5 PatG nicht patentfähig, weil die beanspruchte Vorrichtung gegenüber dem Stand der Technik nach der EP 0 447 827 A1 (D1) weder neu sei noch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrecht zu erhalten.

Sie ist der Auffassung, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik den Gegenstand des Streitpatents weder neuheitsschädlich vorwegnehme noch ihn nahe lege.

Wegen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Der zulässige Einspruch hat in der Sache Erfolg.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Streitpatent aus dem Stand der Technik nach der Entgegenhaltung D1 bereits neuheitsschädlich vorbekannt ist, er beruht jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

A) Die mit Anspruch 1 beanspruchte Vorrichtung lässt sich wie folgt gliedern (kursive Teile sind redaktionell angepasst):

Vorrichtung zum Vereinzeln von Flaschen, die einen im Verhältnis zu ihrem Körper im Durchmesser engeren Hals aufweisen, M1 mit Führungen zur einspurigen Führung der Flaschen in einer Bewegungsbahn mit auf gleicher Höhe liegenden Mündungen, und M2 mit einem Drehkörper, M3 der um eine im wesentlichen parallel zur Bewegungsbahn liegende Achse kontinuierlich drehangetrieben ist und M4 der mit Vorsprüngen in die Bewegungsbahn eingreift, um die Flaschen auf einen bestimmten Abstand (b) ihrer Mittelachsen auseinanderzuziehen, M5 dadurch gekennzeichnet, dass der Drehkörper oberhalb der Bewegungsbahn angeordnet ist und M6 auf einer zylindrisch oder konisch um seine Achse ausgebildeten Fläche in jedem Umfangssektor (0o - 360o) mit einem Umfangswinkel von 360o/n, wobei n eine natürliche Zahl ist, einen aus zwei radial vorspringenden, bis unter die Flaschenmündungen ragenden Kanten (A, B) gebildeten Keil trägt, M7 dessen Spitze (S) an dem in Drehrichtung vorlaufenden Anfang (0o) des Sektors liegt, dessen dem ankommenden Flaschenstrom entgegengerichtete Abstützkante (A) am Sektorende (360o/n) in Transportrichtung der Flaschen in einem Abstand (a) zur dort liegenden Spitze liegt, M8 wobei der Abstand (a) dem Körperdurchmesser der kleinsten verarbeitbaren Flaschen (Fig.3) entspricht, und M9 dass die Beschleunigungskante (B) des Keiles am Sektorende (360o/n) in Transportrichtung der Flaschen in einem Abstand (b) zur Abstützkante (A) liegt, der dem Körperdurchmesser der größten verarbeitbaren Flaschen (Fig.4) entspricht.

B) Zutreffend räumt die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung ein, dass die Merkmale M1 bis M7 aus dem Stand der Technik nach der D1 bekannt sind. Sie hatte deshalb in ihrem Schriftsatz vom 23. März 2004 den allerdings untauglichen Versuch unternommen, den Anspruch 1 gegenüber der Druckschrift D1 (ohne eine Beschränkung des Gegenstandes) neu abzugrenzen.

Die von ihr als neu und nicht naheliegend eingestuften Merkmale M8 und M9 sind in der Entgegenhaltung D1 zwar nicht explizit ausgeführt, sie ergeben sich für den hier zuständigen Durchschnittsfachmann - eine Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Getränketechnologie - jedoch praktisch von selbst.

Bei der in D1 dargestellten und beschriebenen Vorrichtung für das automatische Recyceln von Plastikflaschen (vgl Titel) werden die Plastikflaschen in Gleitleisten mit ihrem Halsring hängend, zB mittels eines Luft-Transporteurs, einer von oben die Flaschenhälse erfassenden Einteilschnecke 42 zugeführt, um sie damit auf Abstand, dh auf das nachfolgende Maschinenteilungsmaß zu bringen (Sp 14 Z 1-2 und 39-47 iVm Fig 1, 3, 5 und 6).

Jede übliche Einteilschnecke hat in ihrem ersten Gang, dh bei einer Drehung von 360o, oder am jeweiligen Sektorende (360o/n), einen Verlauf der Abstützkante A, die in Transportrichtung der Flaschen zu einem Abstand (a) gegenüber der vorauseilenden Spitze führt. Dies ist in den Figuren 3 und 4 der Streitpatentschrift, die die Einteilschnecke in der Abwicklung der Umfangsfläche zeigen, anschaulich dargestellt. Dies wird auch durch das als bekannt eingeräumte Merkmal M7 des Anspruchs 1 ausgedrückt.

Dem Fachmann ist dabei unmittelbar bewusst, dass dieser Abstand (a) gleichzeitig auch dem Körperdurchmesser der kleinsten noch zu verarbeitenden Flaschen entsprechen muss, da sonst die Spitze S der Einteilschnecke auf den Hals der nächstankommenden Flasche treffen würde oder gar mehr als eine Flasche gleichzeitig in den Schneckengang aufgenommen würde. Beides würde zu Störungen im Betrieb führen. Das Merkmal M8 stellt somit lediglich die Feststellung einer Selbstverständlichkeit dar.

Nicht anders verhält es sich mit dem Merkmal M9. Jede übliche Einteilschnecke, die das Transportgut auf einen größeren Abstand (Maschinenteilungsmaß) bringen soll, zeigt in der Abwicklung der Umfangsfläche einen Keil, dessen auseinander strebende Kanten im Streitpatent als Abstützkante A und Beschleunigungskante B bezeichnet werden (vgl dazu die Figuren 1, 3, 4 und 5). Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage eingeräumt, dass bei der Einteilschnecke 42 in der Entgegenhaltung D1 ebenfalls ein derartiger Keil vorhanden sein muss. Dann liegt aber die Beschleunigungskante dieses Keiles am Sektorende (360o/n) in Transportrichtung der Flaschen ebenfalls in einem Abstand (b) zur Abstützkante. Damit sind die körperlichen Merkmale des Anspruchs 1 nach dem Streitpatent bei der vom Fachmann vorausgesetzten Einteilschnecke 42 in der Entgegenhaltung D1 bereits erfüllt.

Den Abstand (b) nunmehr mit dem Körperdurchmesser der größten verarbeitbaren Flaschen in Verbindung zu bringen, stellt kein zusätzliches körperliches Merkmal dar, um die Einteilschnecke in anderer Weise zu konstruieren.

Die körperlichen Merkmale der hier beanspruchten Vorrichtung zum Vereinzeln von Flaschen liegen somit für den Fachmann, der diesen Teil der in der D1 offenbarten Vorrichtung nachvollzieht, auf der Hand. Eine erfinderische Tätigkeit liegt daher nicht vor.

Auch die im Anspruch 1 einbezogene Aussage, eine derartige Vorrichtung für Flaschen unterschiedlicher Körperdurchmesser zu verwenden, ist nicht mehr neu. An verschiedenen Stellen in der D1 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Einteilschnecke 42 gebrauchte Flaschen (die verformt sein können und dadurch unterschiedliche Körperdurchmesser aufweisen), sowie Flaschen unterschiedlicher Größe und Gestalt verarbeiten kann (vgl dazu Sp 9 Z 20f und 32-37, Sp 12 Z 29-31 und 51-54, Sp 13 Z 4-10 und 17-20). Mit diesen Angaben war es für den Fachmann naheliegend, die Palette der mit der bekannten Vorrichtung zu verarbeitenden Flaschendurchmesser mit Abstandsbemessungen (zB (a) und (b) wie beim Streitpatent) der Einteilschnecke in Beziehung zu setzen. Somit hat Anspruch 1 keinen Bestand.

Auch eine entsprechende Umformulierung des Anspruchs 1 als Verwendungsanspruch hätte aus dem gleichen Grund zu keinem anderen Ergebnis geführt.

Da der Antrag nur insgesamt zu beurteilen ist, braucht auf die Unteransprüche nicht weiter eingegangen zu werden.

Dr. Ipfelkofer Hövelmann Dr. Barton Dr. Frowein Bb






BPatG:
Beschluss v. 21.06.2005
Az: 34 W (pat) 312/03


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