Landesarbeitsgericht Niedersachsen:
Urteil vom 10. Dezember 2010
Aktenzeichen: 16 Sa 108/10

(LAG Niedersachsen: Urteil v. 10.12.2010, Az.: 16 Sa 108/10)

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 07. Dezember 2009, Az. 8 Ca 210/09, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen.

Der 1963 geborene, keiner Person zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit 22. Oktober 2007 gemäß Arbeitsvertrag vom 3. Juli 2007, zu dessen Inhalt auf Bl. 76 bis 79 d.A. Bezug genommen wird, als Vertriebsleiter bei der Beklagten beschäftigt.

Zuvor war er unter seiner eigenen Firma A. Consulting freiberuflich unter anderem als Berater für die Firma B., einen Wettbewerber der Beklagten, tätig. In diesem Zusammenhang erstellte er Angebote der Firma B. an die Firma C. AG, die allerdings nicht zu einem Vertragsschluss führten.

Der Kläger stellte für seine Tätigkeiten der Firma B. Rechnungen für die Monate November 2007 (Bl. 73 d.A.) und für Dezember 2007. Die Firma B. zahlte auf die Rechnung für November 2007, nicht jedoch für Dezember 2007. Im Dezember 2007 verfügte der Kläger noch über einen Rechner, der ihm von der Firma B. überlassen worden war.

Mit einer E-Mail vom 6. Dezember 2007 an einen Mitarbeiter der Bundeswehr teilte der Kläger mit: €Bin allerdings durch die vorübergehende Parallelität des alten + des neuen Jobs extrem eingebunden.€ Zum weiteren Inhalt der E-Mail wird Bezug genommen auf Bl. 72 d.A.

Mit dem Geschäftsführer der Beklagten D. sprach der Kläger ab, dass er im Januar 2008 einige freie Tage erhalten sollte, um rückständige Forderungen gegenüber der Firma B. zu berechnen und geltend zu machen. Mit E-Mail vom 6. März 2008 gegenüber dem Finanzamt teilte er mit, den Gewerbebetrieb aufrechtzuerhalten. Zum weiteren Inhalt der E-Mail wird Bezug genommen auf Bl. 83 d.A.

Bei der Beklagten fanden wöchentliche Teambesprechungen statt, anlässlich derer sogenannte ITPS-Wochenberichte gefertigt wurden. Zum Wochenbericht für die 9. Kalenderwoche 2008 wird Bezug genommen auf Bl. 185 d.A. Der Kläger war mit der Bearbeitung eines Angebots an die Firma C. AG betraut. Am 29. Februar 2008 versandte er an F., der zu dem Zeitpunkt freiberuflich für die Firma B. tätig war, ein altes Angebot der Firma B. an die Firma C. AG sowie die für die Firma C. AG erarbeiteten Angebote der Beklagten per E-Mail.

Im Frühjahr 2009 fanden bei der Beklagten Umstrukturierungen statt. Am 25. Juni 2009 bot die Beklagte dem Kläger einen Aufhebungsvertrag an, allerdings konnten die Parteien sich nicht einigen. Im Rahmen dieser Verhandlungen wurde dem Kläger mitgeteilt: "Irgendwas finden wir immer." Der Kläger wurde ab 25. Juni 2009 von der Arbeit freigestellt und gab seinen dienstlichen Rechner ab. Die Beklagte fand im dienstlichen E-Mail-Account des Rechners die E-Mails vom 5. und 6. Dezember 2007, 9. Januar 2008, 29. Februar 2008 und 6. März 2008. Ein Gespräch vom 30. Juni 2009 zwischen den Parteien erbrachte wiederum keine Einigung. Mit E-Mail vom 3. Juli 2009, zu deren Inhalt auf Bl. 85 bis 86 d.A. Bezug genommen wird, teilte der Kläger der Beklagten unter anderem mit:

€Ich habe doch auch bisher nicht die ,Keule rausgeholt' und zum Beispiel damit gedroht, die umfangreichen Firma E.-Kontakt- und Projektdaten oder Partner- und Pressekontakte etc. zum Nachteil € (der Beklagten) zu nutzen - da im Vertrauen oder zufällig in deren Besitz gekommen, käme mit so etwas unter normalen und fairen Umständen (!) auch nicht im Entferntesten in den Sinn.€

Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 und 8. Juli 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis jeweils fristlos, hilfsweise fristgerecht. Gegen die Wirksamkeit dieser Kündigungen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage.

Ein auf die Anzeige der Beklagten gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 Abs. 1 UWG wurde nach Vernehmung des Herrn F. und des Mitarbeiters der Beklagten G. nach § 153 StPO eingestellt.

Der Kläger hat behauptet, er sei nach dem 22. Oktober 2007 nicht mehr für die Firma B. tätig gewesen. Bei den für November und Dezember 2007 gegenüber der Firma B. abgerechneten Beratungsleistungen habe es sich um die noch während dieser Arbeitsbeziehung bestehenden Forderungen gehandelt.

Mit der E-Mail vom 7. Dezember 2007 habe er dem Adressaten, den er bereits zuvor mehrfach mit beruflicher Einbindung vertröstet habe, die bestehende Situation, nämlich den Arbeitsplatzwechsel von der Firma B. zur Beklagten, dargestellt.

Bei der im Jahr 2008 bestehenden Firma des Klägers habe es sich nur um eine €gegenüber der Finanzverwaltung bestehende Firma€ gehandelt, weil der Kläger mit Zahlungen der Firma B. im Jahr 2008 gerechnet habe, er habe allerdings keinen eingerichteten oder ausgeübten Gewerbebetrieb unterhalten.

Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2009 hat der Kläger weiter vorgetragen: €Der Kläger konnte während seiner Mitarbeit bei der Firma B. die Firma Firma C. nicht als Kunden gewinnen, trotz weit vorangeschrittener Besprechungen mit der zuständigen Firma C. -Mitarbeiterin, Frau H.. Dieses Projekt hat von der Firma B. aus der E-Mail-Empfänger F. weiterbetrieben. Herr F. hatte die von dem Kläger im Namen der B. entwickelten Angebote gegenüber der Firma Firma C. nunmehr unter sich. Soweit die Firma Firma C. bereit gewesen wäre, auf die Angebote der Firma B., wie in monatelangen Vorgesprächen angenähert, einzugehen, war beabsichtigt, den Mitarbeiter F. für die Beklagte zu gewinnen und so das Kundenprojekt Firma C. zu der Beklagten zu bringen. Letztlich konnte Frau H. von der Firma C. ihre Abteilung nicht dazu bewegen, auf das Angebot des Herrn F. einzugehen. Die Geschäftsbeziehungen, vertreten durch Herrn F. zu Firma C. , kamen daher nicht zustande. Ohne diese Kundenbeziehung zu Firma C. gab es keine Veranlassung, dass der F. zu der Beklagten wechselt, zumal er ohne eine solche Kundenbeziehung kein entsprechendes Angebot erhalten hätte.€

Im Termin zur Kammerverhandlung vom 7. Dezember 2009 führte der Kläger laut Protokoll (Bl. 131 d.A.) aus, es treffe zu, dass er ein entsprechendes Angebot der Beklagten an den Zeugen F. übermittelt habe. Es sei beabsichtigt gewesen, dass Herr F. dieses Angebot für die Beklagte bei der Firma C. AG einreiche und für den Fall, dass die Beklagte den Auftrag der Firma C. AG erhalte, von der Firma Firma B. zur Beklagten als freier Mitarbeiter wechsele.

Zu seiner E-Mail vom 3. Juli 2009 hat der Kläger behauptet, im Rahmen der Verhandlungen über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses habe die Beklagte erklärt, kein Interesse an dem Wettbewerbsverbot zu haben, und keine Karenzentschädigung zahlen zu wollen. Nachdem die Parteien ohne Ergebnis auseinander gegangen seien, sei vereinbart worden, dass die wechselseitigen Interessen nochmals gebündelt dargestellt würden. Der Kläger habe daraufhin in der E-Mail vom 3. Juli 2009 seine Positionen dargelegt und unter anderem darauf hingewiesen, dass er Kontakt- und Projektdaten kenne und besitze, die bei nicht vorhandener Beschränkung durch ein Wettbewerbsverbot zum Nachteil der Beklagten zu verwenden seien.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen vom 3. Juli 2009 und 8. Juli 2009, sowie auch aus anderen Gründen, nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, in der E-Mail vom 3. Juli 2009 sei die Drohung enthalten, geheimhaltungsbedürftige Unterlagen zum Nachteil der Beklagten zu nutzen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe nach dem 22. Oktober 2009 laut Rechnungen an die Firma B. für November und Dezember 2007 eine Konkurrenztätigkeit zur Beklagten ausgeführt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 7. Dezember 2009, zu dessen Inhalt auf Bl. 134 bis 141 d.A. Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und ausgeführt, bereits die Kündigung vom 3. Juli 2009 sei wirksam und habe das Arbeitsverhältnis auf Grund unberechtigter Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an Herrn F. beendet.

Das Urteil ist dem Kläger am 19. Januar 2010 zugestellt worden. Hiergegen wendet er sich mit der am 26. Januar 2010 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Berufung. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Klägers vom 18. Februar 2010 bis 19. April 2010 hat er die Berufung am 19. April 2010 begründet.

Unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen meint er, der Verwertung der im E-Mail-Account des Klägers vorgefundenen erkennbar privaten E-Mails stünde ein Verwertungsverbot entgegen.

Bei der Rechnung an die Firma B. für November 2007 handele es sich um Honorare und Vergütungen für den Zeitraum vor Arbeitsbeginn bei der Beklagten. Die Abrechnungen der gegenüber der Firma B. noch offenen Forderungen seien der Grund dafür, dass der Kläger seine Firma A. Consulting überhaupt aufrechterhalten habe. Dem Finanzamt gegenüber habe er mitgeteilt, dass über diese Firma nur noch geringe Umsätze abgewickelt würden, nämlich noch die Restforderungen bis Mitte Oktober 2007 gegenüber der Firma B..

Während seiner Tätigkeit für die Firma B. habe sich der Kläger über den Zeugen F. um einen Auftrag bei der Firma C. AG bemüht. Er habe daher die möglichen Angebote der Firma B. zur Verfügung gehabt. Diese seien als Grundlage genutzt worden, um ein Angebot für die Beklagte, wiederum über den freien Mitarbeiter F., an die Firma C. AG abzugeben. Der Kläger habe Herrn F. das Angebot der Beklagten an die Firma C. AG zu Händen der dortigen Sachbearbeiterin H. zum Zwecke der Akquisition überlassen. Zu Vergleichszwecken habe er ihm dann noch die zugrunde gelegten Angebote der Firma B. zur Verfügung gestellt. Ziel der Maßnahme sei es gewesen, einen Auftrag der Firma C. AG zu erhalten. Bei Auftragserteilung wäre Herr F. mit dem Auftrag als freier oder angestellter Mitarbeiter zu der Beklagten gewechselt. Dieses Vorgehen sei mit der Beklagten abgesprochen und von der Beklagten so gewollt gewesen. Gerade für derartige Akquisitionen sei der Kläger angestellt worden. Aus dem ITPS-Wochenbericht für die 9. Kalenderwoche 2008 ergebe sich, dass eine externe Ressource, nämlich Herr F., vorhanden sei. Es habe Rücksprache zum Kunden und Kontakt zum Mitarbeiter (MA) gehalten werden sollen. Dieser Mitarbeiter sei wiederum Herr F. gewesen. Das Vorgehen des Klägers sei von der Beklagten genehmigt worden. Er habe im Auftrag, zu Gunsten und mit Wissen der Beklagten versucht, die Firma Firma C. AG und den dortigen Mitarbeiter F. für die Beklagte zu gewinnen.

Der Kläger meint, die Weitergabe des Angebots sei damit nicht an die Konkurrenz oder an einen unbeteiligten Dritten, sondern an den notwendig einzuschaltenden Mittelsmann beim Angebotsempfänger erfolgt. Aus der Zeugenaussage des Herrn G. vor dem Amtsgericht C-Stadt folge, dass die zur Kündigung herangezogene Tätigkeit nicht nur im Interesse der Beklagten gelegen habe, sondern dieser auch bekannt gewesen sei. Das Amtsgericht sei nicht nur zu dem Schluss gelangt, dass dem Kläger ein strafrechtlicher Vorwurf nicht gemacht werden könne, sondern habe auch soweit ermittelt, dass der Vorgang als vollständig aufgeklärt gelten dürfe.

Er behauptet, aus der E-Mail vom 7. Januar 2008 ergebe sich, dass Herr G. gewusst habe, dass Herr F. seitens der Beklagten bei der Firma C. AG habe positioniert werden sollen und dass ihm der Vorgang, das Angebot an die Firma C. AG weiterzugeben, bekannt gewesen sei. Dies sei gängige Praxis und auch Aufgabenbereich des Klägers gewesen. Zum Inhalt der E-Mail vom 7. Januar 2008 sowie einem Besprechungsprotokoll vom 14. Dezember 2007 wird Bezug genommen auf Bl. 257 bis 259 d.A.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 7. Dezember 2009 zum Aktenzeichen 8 Ca 210/09 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen vom 3. Juli 2009 und 8. Juli 2009, sowie auch aus anderen Gründen, nicht beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zum weiteren Parteivortrag sowie den Hinweisen des Gerichts wird Bezug genommen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 7. Dezember 2009 und 10. Dezember 2010 sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien.

Gründe

A.

Die Berufung des Klägers bleibt erfolglos.

Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG statthaft, nach § 66 Abs. 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Teil des Feststellungsantrags €sowie auch aus anderen Gründen€ ist mangels Bestehens eines Feststellungsinteresses unzulässig.

Nach der Antragsfassung und der - im Protokoll der Kammerverhandlung vom 10. Dezember 2010 nicht enthaltenen - Erklärung des Klägervertreters, dieser Teil des Antrags habe weitere Kündigungen erfassen sollen, handelt es sich um eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Erhebt der Arbeitnehmer eine selbstständige Klage nach § 256 ZPO, ist diese nur zulässig, wenn er weitere Beendigungstatbestände in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit darstellt und damit belegt, warum ein § 256 ZPO genügendes Feststellungsinteresse gegeben sein soll (BAG vom 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - AP Nr. 28 zu § 4 KSchG 1969 = EzA § 4 nF KSchG Nr. 48; vom 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - AP Nr. 38 zu § 4 KSchG 1969 = EzA § 4 nF KSchG Nr. 57). Bringt der Arbeitnehmer überhaupt keine weiteren Tatsachen vor, muss die Klage nach § 256 ZPO als unzulässig abgewiesen werden (vergl.: ErfK-B-Stadt, § 4 KSchG, Rdnr. 37, 10. Auflage).

Der Kläger hat ein entsprechendes Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO weder bis zum Schluss der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht Braunschweig vom 7. Dezember 2009 noch in der Kammerverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 10. Dezember 2010 trotz des erfolgten Hinweises des Gerichts dargelegt. Andere Tatbestände, die das Arbeitsverhältnis der Parteien außer den angegriffenen Kündigungen vom 3. und 8. Juli 2009 beenden könnten, sind zwischen den Parteien nicht streitig. Insbesondere beruft sich die Beklagte nicht auf entsprechende Tatbestände.

II.

Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kündigung vom 3. Juli 2009 hat das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang fristlos aufgelöst. Diese Kündigung ist wirksam.

1. Ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB ist gegeben. Das ist dann der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ist etwa bei einer längeren Kündigungsfrist dem Kündigenden die Weiterbeschäftigung des Betreffenden zwar für eine gewisse Übergangszeit zumutbar, ist es aber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls unzumutbar, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen, liegt nach dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vor (BAG vom 13. April 2000 - 2 AZR 259/99 - DB 2000, 1819 - 1822). Eine außerordentliche Kündigung ist nur als ultima ratio möglich; alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und milderen Mittel müssen erschöpft sein (BAG vom 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - AP Nr. 70 zu § 626 BGB = EzA § 626 nF BGB Nr. 66).

a) Ein wichtiger Grund in diesem Sinne ist in der Konkurrenztätigkeit des Klägers während des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten für die Firma B. im November und Dezember 2007 gegeben.

47Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offen stehen. Dem Arbeitnehmer ist auf Grund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen. Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses (BAG vom 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - DB 2010, 1709 - 1710).

aa) Der Kläger erbrachte noch in den Monaten November und Dezember 2007 Beratungsleistungen für den Wettbewerber der Beklagten, die Firma B..

Das ergibt sich aus den von ihm gegenüber der Firma B. für diesen Zeitraum gestellten Rechnungen. Die Rechnung vom 21. Dezember 2007 (Bl. 73 d.A.) enthält für die abgerechneten Leistungen die Bezeichnung €Beratungsleistungen 11-2007 (fixer Anteil)€.

Dem Einwand des Klägers, er habe seit dem 22. Oktober 2007 zu keinem Zeitpunkt mehr für die B. gearbeitet, steht der Inhalt dieser Rechnung entgegen. Sein weiterer Einwand, es habe sich um die noch während der Arbeitsbeziehung zur Firma B. bestehenden Forderungen gehandelt, widerlegt nicht die aktive Tätigkeit für die B. in Form von Beratungsleistungen in den Monaten November und Dezember 2007. Hätte der Kläger diese Leistungen im Zeitraum vor dem 22. Oktober 2007 erbracht, wären sie folgerichtig auch für den Zeitraum vor dem 22. Oktober 2007 abgerechnet worden. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in der Rechnung für November 2007 ein €fixer Anteil€ aufgeführt ist. Auch diesen kann der Kläger nur für den Zeitraum November 2007 abrechnen, wenn gerade in diesem Zeitraum die Leistung erbracht worden ist. Ist das nicht der Fall, hat er falsche Angaben in der Rechnung vom 21. Dezember 2007 gemacht. Das wird allerdings auch vom Kläger so nicht vorgetragen.

Auch aus der E-Mail vom 6. Dezember 2007 (Bl. 72 d.A.) ergibt sich eine zeitgleiche Tätigkeit des Klägers für die Beklagte und für die Firma B.. Dort hat er ausdrücklich aufgeführt €Bin allerdings durch die vorübergehende Parallelität des alten + des neuen Jobs extrem eingebunden€. Die Erklärung des Klägers, er habe dem E-Mail-Empfänger nur den Arbeitsplatzwechsel zur Beklagten darstellen wollen, widerspricht dem eindeutigen Inhalt der E-Mail. Dort ist von zwei parallelen €Jobs€ die Rede und nicht von einem Arbeitsplatzwechsel. Der Umstand, dass der Kläger noch im Dezember 2007 den ihm von der Firma B. zur Verfügung gestellten Rechner im Besitz hatte, bestätigt eine Tätigkeit des Klägers für diese Gesellschaft. Aus der weiteren E-Mail vom 5. Dezember 2007 (Bl. 75 d.A.), ergibt sich nicht nur der Besitz des Klägers an dem Rechners, sondern auch die Inbetriebnahme.

Auch die E-Mail an das Finanzamt B-Stadt vom 6. März 2008 bestätigt die von der Beklagten behauptete Konkurrenztätigkeit. Dort führt der Kläger aus, den Gewerbebetrieb aufrechtzuerhalten. Sein Einwand, es habe sich nicht um einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, sondern lediglich um eine gegenüber der Finanzverwaltung bestehende Firma gehandelt, ist unverständlich und widerspricht dem eindeutigen Inhalt der Erklärung.

bb) Der Kläger ist mit seiner Tätigkeit für die Firma B. in Konkurrenz zur Beklagten getreten, da er eine Beraterleistung gegenüber einem Wettbewerber der Beklagten erbracht hat. Im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten war er als Vertriebsleiter tätig. Schon aus dem Umstand, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma B. ein Angebot für die Firma C. AG bearbeitet hat und im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ebenfalls mit der Erstellung eines Angebots an die Firma C. AG für dieselbe Leistung betraut war, folgt, dass die für November und Dezember 2007 abgerechneten Leistungen im direkten Wettbewerb zur Beklagten erfolgt sind.

cc) Der Kläger hatte keine Genehmigung für diese Konkurrenztätigkeit. Die Absprache mit dem Geschäftsführer der Beklagten Herrn D., der Kläger solle im Januar oder Februar 2008 einige freie Tage erhalten, um rückständige Forderungen gegenüber der Firma B. zu berechnen und geltend zu machen, belegt keine Genehmigung, Duldung oder Kenntnis der Beklagten von Tätigkeiten des Klägers für die Firma B. nach dem 22. Oktober 2007. Die Berechnung von rückständigen Forderungen stellt keine Konkurrenztätigkeit dar. Auch die Rechnungsstellung als solche hat mit aktiver Konkurrenztätigkeit nichts zu tun.

dd) Eine einschlägige Abmahnung war vor Ausspruch der Kündigung nicht erforderlich. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist bei einer schwerwiegenden Vertragspflichtverletzung nur möglich, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und angemessenen milderen Mittel erschöpft sind und das in der bisherigen Form belastete Arbeitsverhältnis auf Grund der eingetretenen Vertragsstörung in der Zukunft nicht mehr fortgesetzt werden kann. Als milderes Mittel kommt insbesondere der Ausspruch einer Abmahnung in Betracht. Sie ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weitere erkennbar ist, und bei der die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG vom 23. Oktober 2008 - 2 AZR 483/07 - AP Nr. 218 zu § 626 BGB = EzA-SD 2009, 1186 - 1190). Die Verletzung eines für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbots kann an sich einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wobei es bei einer Pflichtverletzung in diesem Bereich regelmäßig keiner Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung bedarf (BAG vom 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - AP Nr. 104 zu § 626 BGB = EzA § 626 n.F. BGB Nr. 140).

Der Kläger konnte ohne weiteres davon ausgehen, dass Beraterleistungen gegenüber der Firma B. seitens der Beklagten im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht geduldet würden. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält unter § 3 Nr. 3 ein Zustimmungserfordernis zur Aufnahme von auf Erwerb gerichteten Nebentätigkeiten des Arbeitnehmers. Danach war dem Kläger jegliche auf Erwerb gerichtete Nebentätigkeit nur mit vorheriger Zustimmung der Beklagten erlaubt. Dass die Beklagte eine Tätigkeit für einen Wettbewerber ohne ausdrückliche Genehmigung nicht dulden und der Kläger damit sein Arbeitsverhältnis gefährden würde, lag auch für ihn auf der Hand.

b) Ein weiterer wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB liegt mit der Weitergabe des von der Beklagten erstellten Angebots für die Firma Firma C. AG an Herrn F. vor.

58aa) Zu vertraglichen Nebenpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB und der dort normierten Rücksichtnahmepflicht gehört die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers zu wahren. Geschäftsgeheimnis in diesem Sinne sind grundsätzlich auch geheim zu haltende Vertragsverhandlungen und damit im Zusammenhang stehende Tatsachen (BAG vom 23. Oktober 2008 - 2 ABR 59/07 - NZA 2009, 855 - 859).

Diese Verpflichtung hat der Kläger mit der Weitergabe des benannten Angebots an Herrn F. in grober Weise verletzt. Bei dem vom Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten erstellten Angebot an die Firma C. AG handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis. Es soll - wie sich auch aus dem Vortrag des Klägers ergibt - insbesondere dazu dienen, der Beklagten einen Auftrag der Firma C. AG im Wettbewerb zur Firma B. zu beschaffen, d. h. die Firma B. bei diesen Bemühungen auszustechen. Die in einem Angebot kalkulierten Preise und Leistungen unterliegen der Geheimhaltungspflicht, weil selbst deren geringfügige Unterbietung durch einen Wettbewerber dazu führen kann, dass der Wettbewerber den Auftrag erhält.

Herr F. war ein betriebsfremder Dritter, dem das Angebot der Beklagten nicht hätte zur Verfügung gestellt werden dürfen. Zum Zeitpunkt der Weitergabe des Angebots war er nicht vertraglich oder in sonstiger Weise an die Beklagte gebunden Er war nicht für die Beklagte tätig, sondern vielmehr - auch nach dem Vortrag des Klägers - freiberuflich für die Firma B., also für den Wettbewerber der Beklagten. Der vom Kläger behauptete Umstand, es sei ein Wechsel des Herrn F. - in welcher Form auch immer - zur Beklagten geplant worden, Herr F. habe ein Interesse an einer Tätigkeit für die Beklagte gehabt, ändert nichts daran, dass dies zum Zeitpunkt der Weitergabe des Angebots noch nicht der Fall war und Herr F. die im Angebot der Beklagten an die Firma C. AG enthaltenen Informationen jederzeit sowohl für sich selbst als auch zu Gunsten der Firma Firma B. hätte verwerten und damit der Beklagten erheblich schaden können. Das hätte auch der Kläger - selbst beim besten Willen - nach Weitergabe des Angebots nicht mehr verhindern können. Da eine vertragliche Bindung des Herrn F. zur Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag, hätte dieser seine Kenntnis über den Inhalt des Angebots zu Lasten der Beklagten in den Vertragsverhandlungen, auf welcher Basis und insbesondere mit welcher Vergütung Herr F. für die Beklagte tätig werden sollte, einsetzen können.

bb) Die Weitergabe des Angebots an Herrn F. war von der Beklagten nicht genehmigt und ihr auch nicht bekannt.

Die Behauptung des Klägers, das Vorgehen sei mit der Beklagten abgesprochen gewesen, stellt keinen ausreichend substantiierten Rechtfertigungseinwand dar. Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände des wichtigen Grundes i.S.v. § 626 BGB bzw. des verhaltensbedingten Grundes nach § 1 Abs. 2 KSchG. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen (vergl.: BAG vom 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - AP Nr. 13 zu § 543 ZPO 1977 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 4). Erst wenn ein schlüssiger Vortrag in dieser Hinsicht vorliegt, trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für das Nichtvorliegen der vom Arbeitnehmer behaupteten Gründe, die sein Verhalten als gerechtfertigt erscheinen lassen sollen (BAG vom 27. Mai 1993 - 2 AZR 631/92 - juris, nicht amtlich veröffentlich).

Wie das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2010 ausgeführt hat, fehlt die Angabe, wann und mit wem die Weitergabe des Angebots bezüglich der Firma C. AG an Herrn F. abgesprochen oder wer dies wann von Beklagtenseite genehmigt hat.

Aus dem vorgelegten Wochenbericht für die 9. Kalenderwoche 2008 ergibt sich dies nicht. Daraus folgt lediglich, dass der Kläger zuständig für die Bearbeitung des einzuholenden Auftrags der Firma C. AG war. Dass er die Aufgabe oder Genehmigung hatte, das von der Beklagten erarbeitete Angebot an einen betriebsfremden Dritten weiterzugeben, ist dem Wochenbericht nicht zu entnehmen. Auch aus den Angaben €Kontakt zu MA halten€ sowie €externe Ressource vorhanden€ folgt dies nicht.

Die Weitergabe des Angebots war Herrn G. nicht bekannt. Entgegen der Behauptung des Klägers hat Herr G. laut Protokoll seiner Zeugenaussage vor dem Amtsgericht C-Stadt (Bl. 240 bis 242 d.A.) eine entsprechende Kenntnis nicht eingeräumt. Danach hat er lediglich bestätigt, in die Bearbeitung des Angebots für die Firma C. AG involviert gewesen zu sein und vom Kläger erfahren zu haben, er kenne dort jemanden, den er dort platzieren könne. Es könne sein, dass man über Herrn F. gesprochen habe. Herr G. hat weiter erklärt, es sei ihm nicht bekannt, dass Herr F. mit dem Angebot der Beklagten zu einem Kunden gehe, er würde das ausschließen, es sei so im Geschäftsgebaren nicht üblich.

Auch aus den in der Kammerverhandlung vom 10. Dezember 2010 vorgelegten Unterlagen folgt keine Genehmigung oder Kenntnis der Beklagten über die Weitergabe des Angebots an Herrn F.. In der E-Mail vom 7. Januar 2008 ist von einem Vertrag mit F. die Rede. Dabei kann es sich nur um die angedachte Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und Herrn F. handeln, nicht jedoch um das Angebot der Beklagten an die Firma C. AG. Auch aus dem weiteren Satz €Sobald das Angebot fertig ist, wird er es auch persönlich an Frau H. übergeben€ folgt dieser Umstand nicht. Welches Angebot hier gemeint ist, ergibt sich aus dem Inhalt der E-Mail nicht. Auch aus dem Besprechungsprotokoll vom 14. Dezember 2007 (Bl. 257 bis 258 d.A.) ist nicht zu entnehmen, dass geplant war, das Angebot der Beklagten zum Projekt €MOM-Reporting, MOM-Servermanagement ab ca. 07/2008€, das der Kläger selbst im Auftrag der Beklagten bearbeitet hat, an Herrn F. weiterzugeben. Dort wird lediglich erwähnt, dass Herr F. den Wunsch habe, zur Beklagten zu wechseln, die von ihm gewünschten Konditionen und der Umstand, dass Frau H. von der Firma C. AG wünsche, dass Herr F. weiter in das Projekt eingebunden bleibe. Wenn Herr G. das Besprechungsprotokoll vom 14. Dezember 2007 mit der E-Mail vom 7. Januar 2008 erhalten hat, hatte er allenfalls Kenntnis darüber, dass Herr F. den Wunsch gehabt hat, zu den dort benannten Konditionen für die Beklagte tätig zu sein, und dass er ebenfalls im Zusammenhang mit dem Projekt €MOM-Reporting, MOM-Servermanagement€ für die Firma Firma B. werbend an die Firma C. AG herangetreten ist. Eine Weitergabe des seitens der Beklagten erstellten Angebots im Zusammenhang mit diesem Projekt an Herrn F. ist diesen Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen.

cc) Der Ausgang des Strafverfahrens steht dem vorliegenden Ergebnis nicht entgegen. Abgesehen davon, dass die strafrechtliche Beurteilung bei der Bewertung eines Verhaltens als wichtigem Grund nach § 626 nicht ausschlaggebend ist, erfolgt eine Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO bei geringer Schuld und fehlendem öffentlichem Interesse an der Strafverfolgung, nicht jedoch wegen fehlender Strafbarkeit des Verhaltens. In letzterem Fall ist das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. Das ist hier gerade nicht geschehen.

dd) Auch in Bezug auf diese Pflichtverletzung war eine einschlägige Abmahnung nicht erforderlich. Der Kläger hat mit der Weitergabe des Angebots die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten bei der Akquise des Auftrags der Firma C. AG erheblich gefährdet und Herrn F. in die Lage versetzt, das Angebot der Beklagten nach seinem Gutdünken zu verwenden, ggf. zu unterbieten und deshalb den Auftrag auch für den Konkurrenten der Beklagten, die Firma B., zu akquirieren.

Das war dem Kläger auch ohne weiteres in seiner Eigenschaft als Vertriebsleiter bei der Beklagten sowie aus seiner freiberuflichen Tätigkeit erkennbar. Sein eigenes Verhalten gegenüber der Firma B., nämlich der Verwendung des Angebots, das der Kläger aus der Geschäftsbeziehung zu diesem Unternehmen hatte, zu Gunsten der Beklagten zeigt die Gefährlichkeit der Weitergabe solcher Angebote an Dritte.

c) Ein Verwertungsverbot steht der Berücksichtigung der unter a) und b) dargestellten Handlungen des Klägers nicht entgegen. Das gilt bereits deshalb, weil der Inhalt der vorgelegten E-Mails und die Tatsache der Rechnungsstellung für November und Dezember 2007 sowie die Weitegabe des Angebots an Herrn F. zwischen den Parteien unstreitig ist. Zur Berücksichtigung dieser Tatsachen müssen Beweise nicht verwertet werden.

d) Ein weiterer wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB ist mit der E-Mail des Klägers vom 3. Juli 2009 gegeben.

72aa) Der Kläger hat im Rahmen der Verhandlungen mit der Beklagten, wie das Arbeitsverhältnis beendet werden könnte, in Aussicht gestellt, umfangreiche Firma E.-Kontakt- und Projektdaten oder Partner- und Pressekontakte zum Nachteil der Beklagten zu nutzen. Das ergibt sich aus der Formulierung in der E-Mail €käme mir so etwas unter normalen und fairen Umständen (!) auch nicht im Entferntesten in den Sinn€, €ich habe doch auch bisher nicht die ,Keule rausgeholt' und zum Beispiel damit gedroht€. Genau diese Maßnahme stellt der Kläger für die Zukunft mit dieser Äußerung in Aussicht, da er erkennbar davon ausgeht, dass keine €normalen und fairen Umstände€ mehr gegeben sind.

73Die Verwendung dieser Drohung zur Stärkung seiner Verhandlungssituation gegenüber der Beklagten ist ein erheblicher Vertrauensbruch und macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar.

bb) Auch hier bedurfte es einer vorangegangenen einschlägigen Abmahnung nicht. Die Androhung, Kontakt- und Projektdaten oder Partner- und Pressekontakte zum Nachteil des Arbeitgebers zu nutzen, belastet das Arbeitsverhältnis so schwer, dass auf Grund der eingetretenen Vertragsstörung dieses in Zukunft nicht mehr fortgesetzt werden kann. Die Drohung des Arbeitnehmers, diese Informationen zum Nachteil des Arbeitgebers zu nutzen, begründet die erhebliche Gefahr, dass bei einem Verhalten des Arbeitgebers, mit dem der Arbeitnehmer nicht einverstanden ist, genau diese Drohung wahr gemacht wird.

Die Erklärung des Klägers, er habe darauf hingewiesen, dass er Kontakt- und Projektdaten kenne und besitze, die, bei nicht vorhandener Beschränkung durch ein Wettbewerbsverbot zum Nachteil der Beklagten zu verwenden seien, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Selbst bei nicht vorhandener Beschränkung durch ein Wettbewerbsverbot hätte er eine solche Nutzung von Kontakt- und Projektdaten zu Lasten seines Arbeitgebers im bestehenden Arbeitsverhältnis niemals androhen dürfen. Zum anderen ergibt sich die vom Kläger genannte Beschränkung aus der E-Mail vom 3. Juli 2009 nicht. Auch wenn ihm wörtlich mitgeteilt worden ist: €Irgendwas finden wir immer€, ändert dies nichts an der Bewertung seines Verhaltens als wichtigem Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Selbst wenn die Beklagte fest entschlossen war, sich vom Kläger zu trennen, war er nicht berechtigt, zur Abwendung dieses Ansinnens eine Schädigung seines (Noch-)Arbeitgebers anzukündigen, wenn die Verhandlungen über die Beendigung des Arbeitsvertrages nicht wunschgemäß beendet werden sollten.

2. Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe den Kündigungsentschluss bereits am 25. Juni 2006 gefasst, widerlegt den Kündigungsgrund nicht. Auch wenn die Beklagte bereits vor dem 25. Juni 2009 den Wunsch hatte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auszulösen, ist sie nicht daran gehindert, später eine Kündigung auszusprechen, wenn ausreichende Gründe vorliegen.

3. Die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt. Die Beklagte hat erstmals mit der Auswertung des dienstlichen E-Mail-Accounts auf dem klägerseits zurückgegebenen Rechner und damit nicht vor dem 25. Juni 2009 Kenntnis von den kündigungsrelevanten Tatsachen erlangt. Eine vorangegangene Kenntnis der kündigungsberechtigten Personen der Beklagten über die Weitergabe des Angebots für die Firma C. AG an Herrn F. und der Abrechnung von Leistungen für November und Dezember 2007 gegenüber der Firma B. bestand nicht (siehe oben 1. und 2.). Für die Äußerungen in der E-Mail vom 3. Juli 2009 folgt dies bereits aus dem Datum der Pflichtverletzung.

4. Die Interessenabwägung geht zu Lasten des Klägers. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen der Parteien erscheint die fristlose Kündigung vom 3. Juli 2009 verhältnismäßig. Jede der unter 1. a), b) und d) dargestellten Pflichtverletzungen lässt schon für sich allein genommen und unabhängig voneinander das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Es gibt in Bezug auf keinen der Pflichtverstöße Umstände, die die fristlose Kündigung als unverhältnismäßig erscheinen lassen.

Der Kläger war zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs weniger als zwei Jahre im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Auch sein Lebensalter von im Zeitpunkt des Kündigungszugangs 45 Jahren lässt die fristlose Kündigung angesichts der Schwere jeder der unter 1. a), b) und d) dargestellten Pflichtverletzungen nicht unverhältnismäßig erscheinen.

Die Position des Klägers als Vertriebsleiter im Arbeitsverhältnis der Beklagten macht es ihr unzumutbar, angesichts der dargestellten Loyalitätsverstöße, den Kläger weiterzubeschäftigen. Da in seine Zuständigkeit auch die Erstellung von Angeboten gegenüber potenziellen Kunden fällt, er mithin Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse kennt, besteht die erhebliche Gefahr, dass er diese Informationen zum Nachteil der Beklagten verwendet. Genau dies hat er mit seiner E-Mail vom 3. Juli 2009 in Aussicht gestellt.

5. Nachdem bereits die Kündigung vom 3. Juli 2009 das Arbeitsverhältnis beendet hat, kommt es auf die Wirksamkeit der Kündigung vom 8. Juli 2009 nicht mehr an. Zum Zeitpunkt ihres Zugangs bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr.

III.

Dem Kläger war keine weitere Frist zur Erwiderung auf den Schriftsatz der Beklagten vom 8. Dezember 2010 zu gewähren. Das vorliegende Urteil beruht nicht auf neuem Tatsachenvortrag der Beklagten aus diesem Schriftsatz.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG.

C.

Ein Grund, die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, besteht nicht.






LAG Niedersachsen:
Urteil v. 10.12.2010
Az: 16 Sa 108/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8af66787e6d0/LAG-Niedersachsen_Urteil_vom_10-Dezember-2010_Az_16-Sa-108-10




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