Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. September 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 422/05

(BPatG: Beschluss v. 18.09.2006, Az.: 5 W (pat) 422/05)

Tenor

Die Erinnerung der Antragsgegnerinnen wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerinnen tragen die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I Die Antragsgegnerinnen sind Inhaberinnen des Gebrauchsmusters 200 08 675 (Streitgebrauchsmuster), das eine Vorrichtung zum Ein- und Ausspannen von einen Werkzeugschaft aufweisenden Werkzeugen betrifft. Die Antragstellerin hat mit dem Ziel der vollständigen Löschung gegen das Gebrauchsmuster Löschungsantrag gestellt. Mit Beschluss vom 26. Januar 2005 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts das Gebrauchsmuster teilweise gelöscht. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin wurde durch Beschluss des Senats vom 8. Februar 2006 kostenpflichtig zurückgewiesen.

Am 12. April 2006 haben die Antragsgegnerinnen die Festsetzung ihrer Kosten für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 12.877,24 € beantragt. Mit Beschluss vom 27. Juli 2006 hat die Rechtspflegerin des Senats die Kosten auf 6.441,32 € festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Nicht anerkannt wurden die geltend gemachten Kosten für einen neben dem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalt in Höhe von 6.040,09 €, da dessen Hinzuziehung nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig gewesen sei. Anstelle der für die Geschäftsführer der Antragsgegnerinnen beantragten Tagegelder von je 60.-- € wurden jeweils nur 12,-- € anerkannt, bei den Fahrtkosten des Geschäftsführers der Antragstellerin zu 2) statt 228,60 € nur 190,50 €. Zurückgewiesen wurde der Festsetzungsantrag auch, soweit die Antragstellerinnen Reisekosten eines nicht am Verfahren beteiligten Dritten in Höhe von 261,73 € geltend gemacht haben.

Die Antragsgegnerinnen haben gegen den Beschluss der Rechtspflegerin Erinnerung eingelegt, soweit die Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt nicht anerkannt worden sind.

Zur Begründung tragen sie vor, dass aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung im Gebrauchsmuster-Löschungsbeschwerdeverfahren ein geprüftes Schutzrecht vorliege. Daher sei dieses Verfahren mit dem Nichtigkeitsverfahren vergleichbar, wo nach ständiger Rechtsprechung eine Doppelvertretung als notwendig angesehen werde. Dies ergebe sich daraus, dass nunmehr ein Angriff auf ein geprüftes Schutzrecht insoweit abzuwehren seien, als Verletzungen aufgetreten oder zu erwarten seien. Hierfür sei die Mitvertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich, insbesondere dann, wenn wie hier ein Verletzungsverfahren anhängig sei. Denn in so einem Fall sei die Abstimmung zwischen der Verteidigung des Schutzrechts und der Stützung des Verletzungsvorwurfs zu treffen. Auch im Hinblick auf die Bindungswirkung des Verletzungsrichters bei einer Zurückweisung des Löschungsantrags rechtfertige die Doppelvertretung. Die Bindungswirkung könne nur durch das Bundespatentgericht aufgehoben oder aufrechterhalten werden. Wegen dieser unmittelbaren Auswirkung auf den Verletzungsprozess sei die Doppelvertretung erstattungsfähig. Im vorliegenden Fall war der Verletzungsstreit bis zur Rechtskraft der Löschungsentscheidung ausgesetzt worden. Federführend im Verletzungsstreit sei der im Löschungsverfahren mitwirkende Rechtsanwalt. Darüber hinaus sei das Streitgebrauchsmuster für die Antragstellerin für ihren Betrieb von existenzieller Bedeutung.

Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Erinnerung.

Sie ist der Auffassung, dass die Notwendigkeit einer Doppelvertretung im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nicht erkennbar sei. Es käme hier nur auf die gebrauchsmusterrechtlich zu beurteilenden Gesichtpunkte der Neuheit und des erfinderischen Schritts an. Daneben seien keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten aufgetreten, so dass neben der Vertretung durch einen Patentanwalt eine weitere Vertretung durch einen Rechtsanwalt entbehrlich sei. Der Hinweis auf ein paralleles Verletzungsverfahren ändere daran nichts, da dieses in keiner Weise auf das Löschungsverfahren reflektiere.

II Die zulässige Erinnerung hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt - auf die die Erinnerung beschränkt wurde - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und -verteidigung im vorliegenden Fall nicht notwendig waren.

Die Erstattung der Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt kann nach § 18 Abs. 3 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, der auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO verweist, nur beansprucht werden, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Das ist im vorliegenden Fall nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten und in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts ausgeformten Grundsätzen nicht der Fall.

Anders als in Patent-Nichtigkeitsverfahren wird eine Doppelvertretung durch Patentanwälte und Rechtsanwälte im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vor dem Bundespatentgericht in der Rechtsprechung regelmäßig nicht als notwendig angesehen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung zum Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren in GRUR 1965, 621, 626 - Patentanwaltskosten - die Auffassung des 5. Senats des Bundespatentgerichts gebilligt, dass eine Partei im Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren durch einen Patentanwalt regelmäßig vollwertig vertreten sei. Der Patentanwalt sei durch seine Ausbildung und Berufspraxis so geschult, dass er die auftretenden patentrechtlichen Fragen beherrsche. Lediglich bei Rechtsfragen, die außerhalb des gewerblichen Rechtsschutzes lägen, etwa bei schwierigen gesellschaftsrechtlichen Fragen, könne die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts neben dem Patentanwalt notwendig werden. Solche Fragen sind vorliegend nicht ersichtlich.

Auch die bisherige Entscheidungspraxis des erkennenden sowie des 10. Senates geht in Fortführung der Entscheidung "Patentanwaltskosten" des Bundesgerichtshofs dahin, Doppelvertretungskosten nur dann anzuerkennen, wenn über den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes hinaus schwierige rechtliche Fragen zu beurteilen sind (vgl. BPatGE 45,149 ff. m. w. N.). Im Hinblick auf diese über Jahre gefestigte Rechtsprechung ist nicht erkennbar, worauf die Antragsstellerin ihre Meinung gründen, diese Rechtsprechung sei überholt. Insbesondere zeigt sei keine neuen Umstände auf, die eine Abkehr rechtfertigen würden.

Die im Löschungsverfahren und im sich anschließenden Beschwerdeverfahren regelmäßig im Vordergrund stehende Beurteilung der Schutzfähigkeit, also der Neuheit und des erfinderischen Schritts, ist rein patentrechtlich zu qualifizieren. Der Verfahrensgegenstand verändert sich auch in der zweiten Instanz grundsätzlich nicht. Bis zur Rechtskraft einer (zumindest teilweise) die Löschung zurückweisenden Entscheidung liegt im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerinnen ein "geprüftes" Schutzrecht nicht vor. Der von den Antragstellerinnen aufgestellte Vergleich mit dem Nichtigkeitsverfahren geht daher schon aus diesem Grund fehl. Aber auch in rechtlicher Hinsicht trifft der Vergleich nicht zu. Die juristischen Anforderungen bei der Ausarbeitung einer Nichtigkeitsklage sind regelmäßig ungleich höher als die Anforderungen bei der Ausarbeitung eines Gebrauchsmusterlöschungsantrages. Auch die Begründungsanforderungen sind bei einer Klageschrift im Nichtigkeitsverfahren gegenüber der Antragsschrift im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren regelmäßig höher anzusetzen. Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen einem Klageverfahren und einem vor dem Patentamt einzuleitenden Antragsverfahren lassen es angezeigt erscheinen, die Frage der Notwendigkeit der Doppelvertretung durch Patent- und Rechtsanwalt im Ansatz unterschiedlich zu behandeln, nämlich dahingehend, dass im Nichtigskeitsverfahren über eine analoge Anwendung von § 143 Abs. 3 PatG eine begrenzte - aufgrund der geänderten Fassung dieser Vorschrift zum 1. Januar 2002 möglicherweise sogar weitergehende - Erstattungsfähigkeit von Patent- und Rechtsanwaltskosten grundsätzlich anerkannt wird, im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren dagegen nur im Einzelfall, wenn aufgrund besonderer (juristischer) Schwierigkeiten die Zuziehung eines Rechtsanwalts notwendig erscheint (vgl. BPatGE a. a. O.). Auch das von den Antragstellerinnen angesprochene parallele Verletzungsverfahren und die Bindungswirkung des Verletzungsrichters an eine den Löschungsantrag (teilweise) zurückweisende Entscheidung macht die Mitwirkung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Löschungs-Beschwerdeverfahren erforderlich. Soweit sich innerhalb des Löschungsverfahrens die Notwendigkeit einer gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen eingeschränkten Verteidigung des Schutzrechts ergibt, folgt dies regelmäßig aus dem Vergleich mit dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik, dessen Beurteilung in die Fachkompetenz des Patentanwalts fällt. Dass im Rahmen einer Neuformulierung der Ansprüche der Verletzungsgegenstand des parallelen Verletzungsverfahrens eine entscheidende Rolle spielt, ist selbstverständlich. Die hierbei zu bewertende Reichweite des Schutzumfangs und die Frage, innerhalb welcher Grenzen der Verletzungsgegenstand den Schutzbereich eines eingeschränkten Gebrauchsmusters noch ausfüllt, ist im Wesentlichen technischer Natur, die zusätzlichen juristischen Sachverstand nicht erfordert. Dies gilt auch für die vor dem Hintergrund der Bindungswirkung des Verletzungsgerichts zu treffende Auslegung der Ansprüche.

Die Antragsgegnerinnen haben entsprechend § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.






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