Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 11. April 2000
Aktenzeichen: 4 O 230/99

(LG Düsseldorf: Urteil v. 11.04.2000, Az.: 4 O 230/99)

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III.

Das Urteil ist für die Beklagte wegen ihrer Kosten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen und als Zoll- und/oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin erbringt Dienstleistungen und vertreibt Waren auf dem gesamten Gebiet der Telekommunikation. Sie ist eines der drei aus der Postreform I von 1989 hervorgegangenen Unternehmen der X, mit der die X zunächst in drei Teilbereiche aufgegliedert und deren für die Telekommunikation zuständiger Bereich als öffentliches Unternehmen mit der Bezeichnung "X" geführt wurde. Im Zuge der Postreform II von 1994 wurde die Klägerin in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und erhielt ihren jetzigen Namen X. In der neuen Rechtsform und unter ihrem neuen Namen nahm sie ihre Geschäfte mit Inkrafttreten der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen am 1. Januar 1995 auf. Seit dem 2. Januar 1995 ist sie unter ihrer Firma "X" im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand "Betätigung im gesamten Bereich der Telekommunikation und in verwandten Bereichen im In- und Ausland" im Handelsregister eingetragen.

Darüber hinaus ist die Klägerin Inhaberin zahlreicher Marken mit dem Bestandteil "X". Dazu gehören die am 15. September 1990 angemeldete deutsche Marke X (Wort-Bild-Marke "X", Anlage W 1),

die am 2. Februar 1996 angemeldete deutsche Marke X (Wortmarke "X", Anlage W 2) und die am 29. März 1996 angemeldete deutsche Marke X (Anlage W 3) - Wortbildmarke

eingetragen jeweils unter anderem auch für Sprachkommunikation zwischen im Telefondienst betriebenen Endstellen untereinander und von und zu öffentlichen Telefonstellen (Telefondienst) bzw. Telekommunikation.

Die Beklagte, deren vollständige Firma "X" lautet, bietet im Callby-Call-Verfahren ebenfalls Telekommunikationsleistungen an; die am Anfang ihrer vollständigen Firma stehende Zahlenkombination X entspricht gleichzeitig ihrer Netzbetreiberkennzahl, die der Benutzer vorwählen muß, um ihre Leistungen in Anspruch nehmen zu können; diese Netzbetreiberkennzahl stellt die Beklagte auch auf ihrer Internet-Homepage wie nachstehend wiedergegeben blickfangmäßig heraus.

Die Klägerin sieht hierdurch ihre Rechte an der Kennzeichnung "X" als Hinweis auf ein Telekommunikationsunternehmen verletzt, mit der die angegriffene Kennzeichnung "X" nach ihrer Ansicht verwechslungsfähig ist. Die Kennzeichnung "X" habe sich im Verkehr als Hinweis auf ihr Unternehmen durchgesetzt; bei einer im April 1997 durchgeführten Verkehrsbefragung hätten 75 % der Befragten die Kennzeichnung "X" als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen auf dem Gebiet der Telekommunikation angesehen (Anlage W 9). Von Anfang an habe sie die Kennzeichnung "X" im Rahmen ihrer gesamten Außendarstellung und Werbung auch in Alleinstellung benutzt, ebenso wie es ihre Rechtsvorgängerin "X " seit 1989 getan habe. Sogar im Wörterbuch "Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache" sei der Begriff "X" in der 21. Auflage von 1996 als Abkürzung für sie - die Klägerin - verzeichnet (Anlage W 23). Mit dieser für sie geschützten Bezeichnung stimme der in der angegriffenen Kennzeichnung allein prägende Bestandteil "X" überein. Die Zahlenkombination "X" sei dagegen für den Verkehr schwer einprägsam und stelle nur die Netzbetreiberkennzahl der Beklagten dar; nach der Öffnung des Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen Anfang 1998 habe sich der Verkehr daran gewöhnt, daß Telefongesellschaften ihre jeweilige Netzbetreiberkennzahl in der Werbung herausstellten. Fernsprechnummern dienten auch nicht zur Benennung des Unternehmens. In jedem Fall veranlasse der übereinstimmende Firmenbestandteil den Verkehr zu der Annahme, die unter der Bezeichnung "X" auftretende Beklagte sei ein abhängiges Unternehmen der Klägerin, das besonders preisgünstige Angebote bereithalte.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

a)

es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr beim Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen unter der Firma

"X"

aufzutreten,

b)

die Firma "X" durch Erklärung gegenüber dem Handelsregister löschen zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die gegen sie erhobenen Ansprüche für unberechtigt und wendet ein:

Die angegriffene Firmenbezeichnung "X" sei nicht mit dem Bestandteil "X" in der Firma der Klägerin verwechslungsfähig. "X" habe keine namensmäßige Unterscheidungskraft, sondern sei nur eine allgemein verständliche Abkürzung der Gattungsbezeichnung "X" und beschreibe das Tätigkeitsfeld der Klägerin; auch sei der Begriff "X" freihaltebedürftig. In jedem Fall sei eine etwa vorhandene Kennzeichnungskraft durch zahlreiche auf dem hier interessierende Gebiet tätige Unternehmen geschwächt, die ebenfalls den Begriff "X" als Bestandteil ihrer Firma benutzten. Auch in der angegriffenen Bezeichnung sei der Bestandteil "X" nur beschreibend; prägend sei die Netzbetreiberkennzahl X. Diese Netzbetreiberkennzahl sei für den Verkehr schon deshalb das eigentlich individualisierende Kennzeichen, weil sie nur an ein einziges Unternehmen vergeben werde und der Kunde vor einem Ferngespräch nur die Ziffernfolge X eingeben müsse, um ihre - der Beklagten - Leistungen in Anspruch zu nehmen; schriftliche Geschäftsunterlagen mit ihrer vollständigen Firma sehe er in der Regel nicht. Die Zahlenfolge "X" werde auch im Verkehr als sichtbares Erkennungszeichen wiedererkannt; in zahlreichen Zuschriften werde sie - die Beklagte - ebenso wie in Presseveröffentlichungen nur mit ihrer Netzbetreiberkennzahl X namentlich genannt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, denn die angegriffene Kennzeichnung "X" ist mit dem schutzbeanspruchenden Firmenbestandteil "X" der Klägerin nicht verwechslungsfähig.

I.

Grundsätzlich kann die Klägerin allerdings Ausschließlichkeitsschutz nach § 15 des Markengesetzes (MarkenG) an dem Firmenbestandteil "X" für sich in Anspruch nehmen.

1.

Der Firmenbestandteil "X" ist schutzfähig. Ein Firmenbestandteil oder ein in der Firma enthaltenes Firmenschlagwort ist schutzfähig, wenn er eigene Unterscheidungskraft besitzt und darüber hinaus im Verhältnis zu den anderen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (BGH GRUR 1986, 402, 403; Fürstenberg; 1991, 475, 476 - Caren Pfleger; 1996, 68, 69 - Cotton Line; 1997, 468, 469 - NetCom; Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 5 Rdn. 18 m.w.N.). Diese für den Schutz von Firmenbestandteilen vor Inkrafttreten des Markengesetzes zu § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) entwickelten Regel gelten auch weiterhin (vgl. die amtliche Begründung zu § 5 MarkenG, Bundestags-Drucksache 12/6581, Seite 67).

Der Firmenbestandteil "X" hat in der vollständigen Firma "X" der Klägerin individualisierende Bedeutung. Grundsätzlich steht das Wort "X" im Verkehr zwar als Kurzwort für Telekommunikation und beschreibt das sachliche Tätigkeitsgebiet der Klägerin und ihrer Wettbewerber, nämlich die Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Entfernungen überbrückenden Kommunikation mit Hilfe elektronischer Medien, hier insbesondere des Telefons und den Vertrieb entsprechender Geräte; gleichwohl steht es, wenn es namensmäßig in Alleinstellung gebraucht wird, im Verkehr auch als das Kurzwort zur namensmäßigen Individualisierung der Klägerin. Nach dem als Anlage W 9 von der Klägerin vorgelegten Gutachten von X ordneten bei einer Verkehrsbefragung im April 1997 60 % der Befragten die Bezeichnung "X" der Klägerin zu, und für 75 % der Bevölkerung stand dieses Wort als Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen auf dem Gebiet der Telekommunikation (Anlage W 9 Seiten 3 und Tabellen 2 und 3). Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten gegen die Art und Weise, wie die Befragung durchgeführt wurde, können jedenfalls nicht in Frage stellen, daß die Größenordnung des ermittelten Bekanntheitsgrades zutrifft und Abweichungen in der Fragestellung jedenfalls nicht zu deutlich anderen Ergebnissen geführt hätten. Die Klägerin führt den Namensbestandteil "X" seit Beginn ihres Bestehens und der Aufnahme ihrer Tätigkeit am 1. Januar 1995 in ihrer Firma; er bildet den prägenden Bestandteil mehrerer Marken der Klägerin, und er diente auch schon ihrer Rechtsvorgängerin, der X, als Schlagwort zur Kennzeichnung des nach der Postreform von 1989 entstandenen für die Telekommunikation zuständigen Geschäftsbereiches, der als öffentliches Unternehmen mit der vollständigen Bezeichnung "X" geführt wurde. Bis Ende 1997 besaß sie im Festnetztelefonbereich eine Monopolstellung, aufgrund derer jeder, der in der Bundesrepublik Deutschland einen Telefonanschluß anlegen lassen oder telefonieren wollte, Dienstleistungen der Klägerin in Anspruch nahm und auch das Unternehmen der Klägerin kannte. Das Bundespatentgericht hat dementsprechend in seinem als Anlage W 29 vorgelegten Beschluß vom 4. Mai 1999 angenommen, die Wortbildmarke X mit dem einzigen Wortbestandteil "X" habe aufgrund ihrer intensiven Nutzung für Telekommunikationsdienste weit überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft (Seite 10 Absatz 3)erlangt: in der 1996 erschienenen 21. Auflage des Werkes (Duden, Die deutsche Rechtschreibung) steht X bereits als Kurzwort für das Unternehmen der Klägerin (Seite 734). Hinzukommt, daß die Klägerin nicht nur die Vergütungen für ihre eigenen Leistungen, sondern auch für diejenigen ihrer Konkurrenten abrechnen muß und unter ihrem Firmennamen abrechnet. Auch in ihrer Werbung verwendet sie den Firmenbestandteil "X" auch in Alleinstellung (vgl. Anlage W 18, Seiten 2, 5, 6, 7, 25 - 27, 30, 31, 93 bis 96), wobei der gleichzeitige Gebrauch des Namens "X" in jeder der betreffenden Anzeigen den Verkehr nochmals darauf hinweist, daß das mit dem Kurzwort "X" in Alleinstellung bezeichnete Unternehmen identisch ist mit dem Unternehmen "X". Daß die Klägerin unter ihrem Kurznamen "X" im Verkehr bekannt ist, belegen die als Anlage W 22 vorgelegten aus dem Internet abgerufenen Presseberichte, wo die Klägerin mit "X", "X" oder einem auf ihre örtliche Geschäftsstelle hinweisenden Ortszusatz (Erfurter Telekom) benannt wird. Hiergegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, der Bekanntheitsgrad der Klägerin sei nach dem Wegfall ihrer Monopolstellung durch die Freigabe des Telekommunikationsmarktes am 1. Januar 1998 zurückgegangen. Wie die bereits erwähnten Werbemaßnahmen und Presseinformationen belegen, ist die Klägerin auch nach der Öffnung des Telekommunikationsmarktes unter dem Kurzwort "X" in Alleinstellung aufgetreten und wird auch weiterhin in Presseberichten so genannt (vgl. Anlage W 22, Seiten 1 bis 3, 4, 6 bis 27, 29 bis 32). Zur Entwicklung der kennzeichnenden Funktion des Namensbestandteils "X" in der vollständigen Firma der Klägerin hat auch der Umstand beigetragen, daß die übrigen Firmenbestandteile "X" und "X" nur die Gesellschaftsform und das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als Unternehmenssitz der Klägerin und räumlichen Ausgangsbereich ihrer Betätigung angeben. Dem steht nicht entgegen, daß das bekannte Unternehmen "X" ohne den Firmenbestandteil "X" von Wettbewerbern nicht zu unterscheiden ist. Anders als auf dem hier interessierenden Telekommunikationsmarkt wird der Bankensektor seit Jahrzehnten vom Nebeneinander mehrerer Großbanken beherrscht, die allesamt den nur ihr Tätigkeitsfeld beschreibenden Bestandteil "X" in ihrer - im übrigen sehr kurzen - Firma führen und nur anhand der übrigen Namensbestandteile voneinander zu unterscheiden sind, von denen die X und die X nur anhand der auf geographische Angaben bezogene Firmenbestandteile voneinander unterscheidbar sind.

2.

Entgegen der Ansicht der Beklagten läßt sich auch nicht feststellen, daß die durch Verkehrsgeltung erworbene Kennzeichnungskraft des Firmenbestandteils "X" durch den gleichen Bestandteil benutzende einschlägig tätige Drittunternehmen geschwächt ist. Wie die Beklagte in ihrer Klageerwiderungsschrift vom 22. September 1999 (Seite 5, Bl. 40 d.A.) selbst vorträgt, benutzen 62 % der 491 im Amtsblatt der Regulierungsbehörde für X (Anlage B 3) geführten Lizenznehmer die Bezeichnung nicht, 104 Unternehmen bzw. 21,1 % benutzen die vollausgeschriebene Angabe "X" und nur 30 Unternehmen bzw. 6,1 % führen die Bezeichnung "X" oder "X" als Bestandteil ihrer Firma. Das reicht zur Begründung des Schwächungseinwandes jedoch nicht aus. Auch wenn wie dargelegt inzwischen große Teile der angesprochenen Verkehrskreise in dem Wort "X" einen kennzeichnenden Hinweis auf die Klägerin sehen, steht der Begriff auch als Kurzwort zur Bezeichnung des Tätigkeitsgebietes "X". Dazu trägt nicht zuletzt der Umstand bei, daß es auch Unternehmen gibt, die zwar den Bestandteil "X" in ihrer Firma führen, zu deren individualisierender Kurzbezeichnung der Verkehr aber andere einprägsamere Bestandteile heranzieht; die Klägerin hat hierzu unwidersprochen auf die Firmierungen X hingewiesen. Daß und gegebenenfalls in welchem Umfang unter den nach dem Vorbringen der Beklagten 30 den Firmenbestandteil "X" führenden Unternehmen auch solche sind, die ihn ohne unterscheidungskräftige Zusätze führen und bei denen der Verkehr deshalb geneigt ist, in Anlehnung an die Firmenbezeichnung der Klägerin den Bestandteil X als individualisierende Kurzbezeichnung des Unternehmens heranzuziehen, und welche Unternehmen mit welcher Unternehmensbezeichnung das sind, trägt die Beklagte jedoch nicht vor.

II.

Durch den Gebrauch der angegriffenen Bezeichnung "X" hat die Beklagte jedoch nicht entgegen § 15 Abs. 2 des MarkenG ein mit dem für die Klägerin geschützten Firmenschlagwort "X" ähnliches Zeichen in einer Weise benutzt, die geeignet ist, Verwechslungen mit der für die Klägerin geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Da das Markengesetz auch hier an die unter der Geltung seiner Vorgängerregelung in § 16 Abs. 1 UWG bestehende Rechtslage anknüpft, setzt die Verwechslungsgefahr bei geschäftlichen Bezeichnungen voraus, daß die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen die angesprochenen Verkehrskreise zu der unzutreffenden Annahme verleiten, die Dienstleistungen oder Waren stammten aus demselben Geschäftsbetrieb (Verwechslungsgefahr im engeren Sinne) oder zwischen den beiden Unternehmen bestünden irgendwelche wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhänge (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach einer Wechselwirkung zwischen dem wirtschaftlichen Abstand der Geschäftsbereiche, dem Grad der Kennzeichnungskraft der sich gegenüberstehenden Bezeichnungen und dem Grad ihrer Ähnlichkeit (BGH GRUR 1991, 475, 477/8 - Caren Pfleger; 1986, 253, 256 - linke Spalte Zentis). Enthält wenigstens eine der sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen mehrere Bestandteile, kommt es darauf an, ob ihre nach dem Gesamteindruck jeweils prägenden Bestandteile miteinander verwechslungsfähig sind (BGH GRUR 1991, 319, 320 - Hurricane). Hierbei ist auch bei der angegriffenen Kennzeichnung im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr die Neigung des Verkehrs zu berücksichtigen, längere Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen und Bestandteile oder auch Buchstaben-Abkürzungen anstelle der vollständigen Bezeichnung zu verwenden (BGH GRUR 1995, 507, 508 - City-Hotel; 1993, 913, 914 - KOWOG; 1991, 331, 332 - ärztliche Allgemeine; 1960, 296, 297 - Reiherstieg; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rdn. 40). Das können seit Inkrafttreten des Markengesetzes im Einzelfall auch Zahlenkombinationen sein, denn nach der durch dieses Gesetz geschaffenen Rechtslage sind Zahlen im Grundsatz unbeschränkt als Marken eintragungsfähig (BGH GRUR 1997, 396 - quattro II; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 3 Rdn. 25); dann dürfen sie auch nicht mehr von vornherein als von Hause aus nicht unterscheidungskräftig und schutzunfähig angesehen werden (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rdn. 205; Albrecht, GRUR 1996, 246, 247; vgl. ferner BGH GRUR 1995, 808, 810 - P3-plastoclin). Auch eine Zahlenkombination kann eine nicht ganz unoriginelle und keinerlei Bezüge auf die bezeichneten Waren aufweisende Kombination darstellen und dann vom Verkehr für sich genommen auch als eine unterscheidende Bezeichnung für Waren oder Dienstleistungen verstanden werden, wenn sie ihm in entsprechender Anwendungsweise wie eine Marke oder andere Kennzeichnung begegnet (BGH a.a.O., Seite 810, linke Spalte oben, P3-plastoclin). Nichts anderes kann bei entsprechender Verwendung als Unternehmenskennzeichen gelten. Zu einer entsprechenden Benutzung genügt es, daß der betreffende Bestandteil vom Namensträger selbst als besondere Unternehmensbezeichnung benutzt wird (vgl. BGH GRUR 1986, 475, 476 - Fernschreibkennung). Ein solcher vom Namensträger selbst als Unternehmenskennzeichen herausgestellter und vom Verkehr aufgegriffener Bestandteil wird gleichzeitig auch den Gesamteindruck der vollständigen Firma in besonderer Weise prägen.

Der Gesamteindruck der angegriffenen Kennzeichnung wird dementsprechend in erster Linie durch die vorangestellte Zahlenkombination "X" geprägt, während der mit dem für die Klägerin geschützten Firmenbestandteil "X" übereinstimmende Bestandteil in der Firma der Beklagten nur deren sachliches Tätigkeitsgebiet beschreibt. Die Zahlenkombination "X" ist die Netzbetreiberkennzahl der Beklagten, die der Benutzer bei Ferngesprächen vorwählen muß, will er die Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen. Eine anderweitige Kontaktaufnahme mit der Beklagten, bei der es regelmäßig auch zu einer Übersendung von Geschäftsschreiben der Beklagten an den jeweiligen Kunden kommt, ist im von der Beklagten allein bedienten Callby-Call-Verfahren nicht erforderlich. Wer die Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen will, orientiert sich deshalb nicht an ihrem vollständigen und den Bestandteil "X" aufweisenden Firmennamen, der ihm regelmäßig auch nicht begegnet, sondern entscheidet sich dafür, sein Ferngespräch über das Unternehmen mit der Netzbetreiberkennzahl "X" bzw. dem "Anbieter X" zu führen und benutzt die Netzbetreiberkennzahl zur Individualisierung des von ihm ausgewählten Telefonanbieters, indem er sie der Ortsnetzkennzahl und der Fernsprechnummer des gewünschten Teilnehmers beim Wählen voranstellt. Da die Netzbetreiberkennzahl nur an ein einziges Unternehmen vergeben wird, ist es ausgeschlossen, daß die Netzbetreiberkennziffer für die Inanspruchnahme unterschiedlicher Leistungsanbieter vorgewählt werden muß und zur Unterscheidung weitere Kriterien herangezogen werden müssen. Dementsprechend stellt nicht nur die Beklagte ihre Netzbetreiberkennziffer in ihrer Werbung blickfangmäßig heraus, sondern auch ihre Wettbewerber verfahren entsprechend, wie die von der Klägerin als Anlage W 10 vorgelegten Werbeanzeigen verschiedener Anbieter belegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein Unternehmen, wie die Beklagte es tut, die Netzbetreiberkennzahl "X" in ihre Firma aufnimmt und im Geschäftsverkehr schlagwortartig nach Art eines Unternehmenskennzeichens herausstellt. Wie die von der Klägerin als Anlage W 4 und von der Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Werbebeispiele aus dem Internet zeigen, hebt die Beklagte die Kennzahl "X" nicht nur blickfangmäßig hervor, sondern bezeichnet auch ihr Unternehmen mit der Kurzbezeichnung "X"; so unterhält sie im Internet die Rubriken "X", "X" und "X", und insbesondere in dem in der Anlage B 1 mit vorgelegten Fragebogen steht nur die Zahlenfolge "X" als Kurzbezeichnung für das Unternehmen der Beklagten; auch ihre E-Mail-Adresse enthält nur die Zahlenfolge "X" als unterscheidbaren Bestandteil (Anlage B 1, vorletzte Seite). Der Verkehr hat diese Übung der Beklagten aufgegriffen; ihr Unternehmen wird in dem als Anlage B 2 vorgelegten Bericht aus der Zeitung "X" nur mit der Zahlenkombination "X" bezeichnet, und auch die als Anlage B 5 vorgelegten E-Mail-Zuschriften an die Beklagte richten sich an ein mit "X" bezeichnetes Unternehmen, selbst wenn in einem Fall als Adressat auch der vollständige Firmenname der Klägerin genannt wird (vgl. Anlage B 5 Seite 1). Auch in ihren im Amtsblatt der Regulierungsbehörde für X veröffentlichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird die vollständige Firma der Beklagten mit "X" abgekürzt und der Zeichenbestandteil "X" fortgelassen. Unter diesen Umständen hat der Bestandteil "X" in der vollständigen Firma der Beklagten ebenso wie bei dem von der Klägerin auf den Seiten 18 und 19 ihres Replikschriftsatzes vom 14. Februar 2000 (Bl. 73/74) genannten Unternehmen nur beschreibenden Charakter und bezieht sich auf das sachliche Tätigkeitsgebiet der Beklagten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch nicht zu befürchten, der in der vollständigen Firma der Beklagten enthaltene Bestandteil "X" könne nicht unerhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise vermuten lassen, zwischen den sich gegenüberstehenden Unternehmen bestünden wirtschaftliche Zusammenhänge, und die Beklagte für ein Tochterunternehmen der Klägerin halten, das im Callby-Call-Verfahren besonders günstige Tarife anbietet. Gegen diese Annahme spricht bereits das schon erwähnte Vorbringen der Klägerin, die bereits genannten Drittunternehmen führten neben dem Bestandteil "X" andere kennzeichnungskräftige Zusätze; infolge dieser Zusätze hält der Verkehr in solchen Firmen den Wortbestandteil "X" für einen das Betätigungsfeld des jeweiligen Unternehmens beschreibenden Hinweis, der über rechtliche oder wirtschaftliche Verbindungen dieses Anbieters zur Klägerin nichts aussagt. Nichts anderes kann für die ebenso beschaffene angegriffene Kennzeichnung gelten.

III.

Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus den §§ 709 Satz 1, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Streitwert: 500.000,00 DM.

Dr. Meier-Beck Dr. Becker Dieck-Bogatzke






LG Düsseldorf:
Urteil v. 11.04.2000
Az: 4 O 230/99


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