Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juli 2002
Aktenzeichen: 14 W (pat) 5/02
(BPatG: Beschluss v. 23.07.2002, Az.: 14 W (pat) 5/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. November 2001 hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 41 00 242 mit der Bezeichnung
"Verfahren zur Aufbereitung einer ölhaltigen, insbesondere ölemulgierten Flüssigkeit"
in vollem Umfang aufrechterhalten.
Dem Beschluss liegen die erteilten Ansprüche 1 bis 10 zugrunde. Die Ansprüche 1 bis 10 lauten:
1. Verfahren zum Aufbereiten einer ölhaltigen, insbesondere ölemulgierten Flüssigkeit, bei dem zunächst in mindestens einer Verdampfungsstufe (I-IV) eine Trennung in Dampf und nicht verdampftes Medium erfolgt, der Dampf kondensiert und als Abwasser abgeleitet wird und der Ölgehalt in dem nicht verdampften Medium aufkonzentriert wird auf eine Ölkonzentration unterhalb der maximal erzielbaren Ölkonzentration, dadurch gekennzeichnet, daß danach diese Flüssigkeit mit erhöhter Ölkonzentration einem Separator (35) zugeführt wird, in dem dem aufkonzentrierten Produkt das Öl größtenteils entzogen wird, so daß ein Öl und eine wäßrige Flüssigkeit erhalten werden und letztere zum Aufkonzentrieren erneut in die Verdampfungsstufe zurückgeleitet wird, wobei nach dem Verdampfen in der wenigstens einen Verdampfungsstufe (I-IV) die ölhaltige Flüssigkeit maximal 20 % Ölkonzentration aufweist.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Separator (35) ein Dreiphasenseparator ist, mittels dessen eine Trennung in ein Öl, eine wäßrige Phase und ein Ausscheiden von Verunreinigungen als Dünnschlamm erfolgt.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, daß die ölhaltige Flüssigkeit vor dem Verdampfen in einem Zweiphasen-Dekanter (8) von Festkörperteilchen gereinigt wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß von der ölhaltigen Flüssigkeit vor dem Verdampfen (I-IV) in zumindest einem Sammelbehälter (3) Skimmöl entfernt wird (bei 10).
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß nach dem Separieren (Separator 35) das abgezogene Öl einem Desorber (39) zugeführt wird, in dem ihm mit kühlerer Luft Wasser entzogen wird.
6. Verfahren nach den Ansprüchen 4 und 5, dadurch gekennzeichnet, daß bei der Separation (35) anfallender Dünnschlamm in den Dekanter (8) zurückgeführt wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß bei mehrstufiger Verdampfung (I-IV) die Wärme des in einer Stufe (I) erzeugten, ggf kondensierten Dampfes zur Erwärmung der der nächsten Stufe (II) zuzuführenden Flüssigkeit ausgenutzt wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Wärme des bei der Verdampfung (I-IV) erzeugten, ggf kondensierten Dampfes zur Vorwärmung (Vorwärmer 14) der ölhaltigen Flüssigkeit vor der Verdampfung ausgenutzt wird (Leitungen 17a, 17b).
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Flüssigkeit zwischen Verdampfen (Verfahrensschritte I bis IV) und Separieren (Separator 35) auf zumindest 98¡C erhitzt wird (Sammelbehälter 31).
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß der Separator (35) mit maximal 1/3 seiner Effektivleistung beaufschlagt wird.
Die Aufrechterhaltung ist im wesentlichen damit begründet, dass die einzige von der Einsprechenden genannte Druckschrift
(1) Schreiben der GEA Wiegand GmbH an die Volkswagen AG vom 29. August 1988 keine der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Druckschrift sei. Es handle sich um ein spezifisches Angebot einer individuell ausgearbeiteten Anlage, die von der Einsprechenden der Patentinhaberin als einzigem Kunden angeboten wurde. Kenntnis erlangten nur die damit befassten Mitarbeiter der Patentinhaberin und der Einsprechenden, die üblicherweise der Geheimhaltung verpflichtet seien. Solche Informationen könnten auch nicht das Kriterium der Offenkundigkeit erfüllen und gehörten somit nicht zum Stand der Technik. Diese Druckschrift könne daher den Widerrufsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Patentgegenstandes nicht begründen. Auch dem Antrag auf Widerruf des Patents aufgrund widerrechtlicher Entnahme könne nicht stattgegeben werden. Es bestehe keine Wesensgleichheit zwischen der patentierten und der entnommenen Erfindung. Bei dem (1) zu entnehmenden gattungsgemäßen Verfahren erfolge eine Eindampfung auf einen Mittelwert von ca 40 % Öl, wogegen beim Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents die Emulsion und die Waschwässer nur bis auf maximal 20 % Ölgehalt aufkonzentriert würden, um die Belastung des Abwassers mit Schadstoffen auf einen zulässigen Wert abzusenken. Dieses erfindungswesentliche Merkmal werde von (1) nicht nahegelegt und liege für den Fachmann auch nicht ohne weiteres auf der Hand.
In der Beschwerdebegründung macht die Einsprechende geltend, dass (1) das sogenannte Offenkundigkeitskriterium erfülle, da die Weiterverbreitung der dem Angebot zugrundeliegenden technischen Kenntnisse an Dritte nach der Lebenserfahrung nahe gelegen sei. Die V... AG als Angebotsempfänger sei nicht zur Geheimhaltung verpflichtet gewesen, hätte von wenigstens zwei weiteren Mitbewerbern Angebote angefragt und das Angebot (1) mit mehreren Unterlieferanten besprochen.
Gegenüber (1) beruhe der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. (1) sei mit dem Ziel ausgearbeitet worden, die patentgemäße Aufgabe zu lösen, nämlich den CSB-Wert des Abwassers so stark zu reduzieren, dass eine aufwendige und kostspielige Nachbehandlung des Abwassers vermieden werden könne. Analog zum Streitpatent werde eine Verringerung der CSB-Wertes des Abwassers bei (1) dadurch erzielt, dass die Trennung der ölhaltigen Flüssigkeit in der wenigstens einen Verdampfungsstufe nur bis zu einer Ölkonzentration des nicht verdampften Mediums durchgeführt werde, die unterhalb der maximal erzielbaren Ölkonzentration liege. Sowohl der Konzentrationswert von 40 % gemäß (1) als auch der Wert von 20 % liege unterhalb der maximal erreichbaren Ölkonzentration des nicht verdampften Mediums. Diese unwesentliche Abänderung liege im Können des Fachmanns. In diesem Zusammenhang werde auch auf die Ölemulsionstrennanlagen gemäß
(2) CH-PS 460 656
(3) CH-PS 516 323
(4) Angebot der GEA Wiegand GmbH an die Firma FAUDI Feinbau GmbH aus dem Jahre 1973 verwiesen. Bei (2) erfolge die Trennung einer ölhaltigen Flüssigkeit ebenfalls bis zu einer maximalen Ölkonzentration des nicht verdampften Mediums, die mit 50 % unterhalb der maximal erreichbaren Ölkonzentration des nicht verdampften Mediums liege. Auch gegenüber diesen Dokumenten weise der Gegenstand des Streitpatents keinen erfinderischen Schritt auf.
Das Streitpatent müsse auch aufgrund widerrechtlicher Entnahme widerrufen werden, denn wesentliche Inhalte des Streitpatents seien (1) entnommen worden. Die dem Streitpatent und (1) zugrundliegenden Aufgaben und Lösungen seien identisch. Die Abänderung des Ölgehalts stelle eine im Können des Fachmanns liegende unwesentliche Abänderung dar, die den Kern der Erfindung unberührt lasse.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen. Mit Eingabe vom 12. Juli 2002 beantragt sie, nach Aktenlage zu entscheiden.
Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig (PatG § 73); sie ist aber nicht begründet.
1. Wie bereits im Beschluss 14 W (pat) 5/99 des erkennenden Senats betreffend das Streitpatent festgestellt, bestehen keine formalen Bedenken gegen die Anspruchsfassung. Die geltenden Ansprüche sind aus den ursprünglichen Ansprüchen herleitbar.
2. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist unbestritten neu, weil bei keinem der in (1) bis (4) beschriebenen Verfahren nach dem Verdampfen in der Verdampfungsstufe eine ölhaltige Flüssigkeit angestrebt wird, die maximal 20 % Öl aufweist.
3. Das beanspruchte Verfahren beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn der durch die Entgegenhaltungen vermittelte Stand der Technik legt die beanspruchte Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe nicht nahe.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist vom zugrundeliegenden Problem auszugehen, das darin zu sehen ist, ein gattungsgemäßes Verfahren zu schaffen, durch das eine unzulässige Belastung des Abwassers durch Schadstoffe und damit eine unzulässige Verschlechterung des CSB-Wertes vermieden wird - vgl Streitpatentschrift Sp 1 Z 40 - 44.
Die Aufgabe wird durch ein Verfahren zum Aufbereiten einer ölhaltigen, insbesondere ölemulgierten Flüssigkeit mit folgenden Merkmalen gelöst:
a) Verfahren zum Aufbereiten einer ölhaltigen Flüssigkeitb) bei dem zunächst in mindestens einer Verdampfungsstufe (I-IV) eine Trennung inc) Dampf undd) nicht verdampftes Medium erfolgt, wobei 1) der Dampf kondensiert und 2) als Abwasser abgeleitet wird und 3) der Ölgehalt in dem nicht verdampften Medium auf eine Ölkonzentration unterhalb der maximal erzielbaren Ölkonzentration aufkonzentriert wird, e) die Flüssigkeit mit erhöhter Ölkonzentration einem Separator zugeführt wird, in demf) dem aufkonzentrierten Produkt das Öl größten Teils entzogen wird, wobeig) ein Öl undh) eine wässrige Flüssigkeit erhalten werden undi) diese Flüssigkeit zum Aufkonzentrieren erneut in die Verdampfungsstufe zurückgeleitet wird, und wobeij) nach dem Verdampfen in der wenigstens einen Verdampfungsstufe die ölhaltige Flüssigkeit maximal 20 % Ölkonzentration aufweist.
Im Beschluss des erkennenden Senats betreffend das Streitpatent wurde festgestellt, dass die Druckschriften (2) und (3) dem Fachmann nicht nahe legen, das Verfahren so zu führen, dass nach dem Verdampfen in der wenigstens einen Verdampfungsstufe die ölhaltige Flüssigkeit maximal 20 % Ölkonzentration aufweist. Obwohl in (2) ausgeführt wird, dass die Ölkonzentration des Rückstandes durch Wiederholung des Verdampfungsvorganges beliebig gesteigert werden kann, wird eine Konzentration von ungefähr 50 % für ausreichend angesehen - vgl (2) Sp 3 Z 19 bis 26 - (wobei es sich in (2) - vgl Sp 3 Z 62 bis 66 - um Gew-% handeln soll), da diese Konzentration genügt, um eine später erfolgende, einwandfreie Verbrennung des Öls zu gewährleisten. Eine Anregung dafür, dass die einem Separator zugeführte ölhaltige Flüssigkeit maximal 20 % Ölkonzentration aufweisen soll, kann weder aus (2) noch aus (3) erhalten werden.
Auch dem Angebot (1), das dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommt, kann keine Anregung entnommen werden, die einem Separator zugeführte ölhaltige Flüssigkeit nur auf eine Ölkonzentration von maximal 20 % aufzukonzentrieren. Das Angebot (1) betrifft eine Ölemulsionstrennanlage mit vier Zwangumlaufverdampfern, einem Dekanter und einem nachgeschalteten Separator (Fig S 4). Der Funktionsbeschreibung (S 4) ist zu entnehmen, dass in den vier Zwangumlaufverdampfern eine Trennung in Dampf (wird als Brüdenkondensat abgeführt) und nichtverdampfte Flüssigkeit erfolgt, denen ein Dekanter zur Abtrennung der Feststoffe nachgeschaltet ist. Im darauf folgenden Separator wird die Ölphase von der Wasserphase getrennt und die Wasserphase daraus zur Emulsionstrennanlage zurückgeführt. In der Verdampfungsstufe wird entsprechend dem Verfahren nach Anspruch 1 der Ölgehalt in dem nicht verdampften Medium auf eine Ölkonzentration (S 5) unterhalb der maximal erzielbaren Ölkonzentration aufkonzentriert. Dabei wird aber eine gegenüber dem Anspruch 1 des Streitpatents (Merkmal j) wesentlich höhere Ölkonzentration von 40 % eingestellt. Von der Aufgabenstellung gemäß Streitpatent ist in (1) nicht die Rede. Auch (1) legt daher dem Fachmann, einem Chemieingenieur, der mit Abwasseraufbereitung befasst ist, nicht nahe, den Ölgehalt der nichtverdampften Flüssigkeit um mindestens die Hälfte, dh auf maximal 20 %, abzusenken, um eine unzulässige Belastung des Abwasser und damit eine unzulässige Verschlechterung des CSB-Wertes zu vermeiden. Es findet sich in den Entgegenhaltungen kein Hinweis, dass durch eine gegenüber dem Stand der Technik starke Verringerung der Ölkonzentration auf maximal 20 % der Schadstoffübertritt, also der Übertritt von Öl, in den Dampf bzw die wässrige Phase und damit in das Abwasser so weit verringert werden kann, dass eine aufwendige und kostspielige Nachbehandlung des Abwassers nicht erforderlich ist, vgl Sp 3 Z 13-17 der Streitpatentschrift, zumal bei (2) eine Ölkonzentration von 50 % als ausreichend angesehen wird (Sp 3 Z 10-26), und sich bei dieser Verfahrensweise durch das größere Volumen des ölhaltigen Abfalls die Kosten für dessen Entsorgung erhöhen dürften. Die diesbezügliche Argumentation der Einsprechenden in ihrer Eingabe vom 12. Juli 2002 kann daher nicht durchgreifen. Nachdem der Gegenstand des Anspruchs somit auch von (1) nicht nahegelegt wird, kann es dahingestellt bleiben, ob (1) überhaupt als der Öffentlichkeit zugänglich gemachter Stand der Technik gemäß § 3 (1) Patentgesetz gewertet werden kann.
Die weitere Entgegenhaltung (4), ein Angebot der Einsprechenden, das eine gattungsgemäße Anlage zum Aufbereiten einer ölhaltigen Flüssigkeit mittels Verdampfung betrifft, liegt dem Gegenstand des Anspruchs 1 ferner. Im Hinblick auf die einzustellende Ölkonzentration nach dem Verdampfen kann (4) nichts entnommen werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird also von den Entgegenhaltungen nicht nahegelegt und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wurde der Einsprechenden auch nicht widerrechtlich entnommen. Denn, wie bereits im Beschluss der Patentabteilung 43 vom 16. November 2001 richtig festgestellt, ist die Grundvoraussetzung für eine widerrechtliche Entnahme die Wesensgleichheit zwischen der patentierten und der entnommenen Erfindung. Wie vorstehend dargelegt, ist das patentierte Verfahren aber durch das Angebot der Einsprechenden an die Patentinhaberin (1) weder vorweggenommen, noch dem Fachmann nahegelegt und damit mit (1) nicht wesensgleich, sodass der Tatbestand einer widerrechtlichen Entnahme nicht gegeben ist.
Der erteilte und weiterhin gültige Anspruch 1 hat damit Bestand.
Die auf den Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10, die besondere Ausgestaltungen des Verfahrens betreffen, sind mit diesem ebenfalls beständig.
Nachdem die Einsprechende und Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 12. Juli 2002 beantragt hat, nach Aktenlage zu entscheiden, ist bei der gegebenen Sachlage vom Senat eine mündliche Verhandlung nicht für sachdienlich erachtet worden. Die Zurückweisung der Beschwerde war daher im schriftlichen Verfahren zu beschließen.
Moser Wagner Harrer Gerster Pü
BPatG:
Beschluss v. 23.07.2002
Az: 14 W (pat) 5/02
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