Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 19. Oktober 1999
Aktenzeichen: 9 S 1312/99

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 19.10.1999, Az.: 9 S 1312/99)

Bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats läßt sich entnehmen, daß ein Antrag gemäß § 7 Abs 2 S 2 RAVG (RAVersorgG BW) auf Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft - jedenfalls nach Ablauf der in dieser Vorschrift genannten sechsmonatigen Ausschlußfrist - auch dann nicht mehr rechtswirksam zurückgenommen werden kann, wenn zuvor weder die Begründung der Mitgliedschaft noch deren Aufrechterhaltung vom Versorgungswerk positiv festgestellt worden ist.

Gründe

Der auf die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gerichtete Antrag hat keinen Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger seinen am 30.12.1993 gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 Rechtsanwaltsversorgungsgesetz - RAVG - gestellten Antrag auf Aufrechterhaltung seiner Mitgliedschaft (nach erfolgter Umzulassung gem. § 209 Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - nach Nordrhein-Westfalen) nicht rechtswirksam durch sein Telefax vom 12.11.1997 zurückgenommen hat.

Zutreffend geht das Verwaltungsgericht dabei davon aus, daß bereits mit der Antragstellung im Dezember 1993 eine (Sonder-)Form der Pflichtmitgliedschaft auf Antrag entstanden ist, ohne daß es hierfür noch einer positiven Verbescheidung des Antrags durch das beklagte Versorgungswerk bedurft hätte. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, der bereits in seinem Beschluß vom 22.12.1994 - 9 S 1347/92 (NJW 1993, 443) - ausdrücklich ausgeführt hat, daß § 7 Abs. 2 Satz 2 RAVG für den Fall, daß die Wahlmöglichkeit zugunsten des Verbleibens im Versorgungswerk ausgeübt wird, die Rechtsfolge vorsieht, daß "die Mitgliedschaft" aufrecht erhalten bleibt. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, daß er berechtigt ist, nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 2 RAVG vorliegen - insbesondere die Ausschlußfrist von sechs Monaten eingehalten ist -, und daß es deshalb aus Rechtssicherheitsgründen sinnvoll und wohl auch üblich ist, mit positivem Bescheid festzustellen, daß die Mitgliedschaft trotz Vorliegens des gesetzlichen Ausscheidungsgrundes nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RAVG aufrecht erhalten bleibt. Dieser Bescheid hat jedoch nur deklaratorische Bedeutung, denn nach dem eindeutigen Wortlaut von § 7 Abs. 2 Satz 2 RAVG besteht bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen nicht lediglich ein Rechtsanspruch auf Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft, sondern die Mitgliedschaft bleibt bereits kraft Gesetzes zwingend bestehen.

Im vorliegenden Fall gilt entgegen der Ansicht des Beklagten nicht deshalb etwas anderes, weil dieser seiner Verpflichtung aus dem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil des Senats vom 07.10.1997 - 9 S 1128/96 - jedenfalls zum Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung im November 1997 noch nicht nachgekommen war. Mit diesem (inzwischen rechtskräftigen) Urteil hat der Senat den Beklagten verpflichtet festzustellen, daß der Kläger mit Wirkung vom 20.07.1993 Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg geworden ist. Dabei ist sowohl aus dem Tenor als auch aus den Entscheidungsgründen eindeutig zu entnehmen, daß die Mitgliedschaft ohne daß es eines Bescheids des Beklagten bedurft hätte zum 20.07.1993 begründet worden ist; der Beklagte ist lediglich deshalb, weil er das streitige Rechtsverhältnis bereits zuvor durch Erlaß eines negativen Feststellungsbescheides konkretisiert hatte, verpflichtet worden, die von ihm bestrittene Mitgliedschaft nunmehr positiv festzustellen.

Das Verwaltungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß der fristgemäß gestellte Antrag auf Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft jedenfalls im November 1997 nicht mehr rechtswirksam zurückgenommen werden konnte. Auch dies läßt sich aus der Rechtsprechung des Senats entnehmen, denn dieser hat in seinem Beschluß vom 22.12.1994 - a.a.O. - ausgeführt, daß das Mitglied, das die Entscheidung zugunsten der Fortsetzung der Mitgliedschaft gefällt hat, an diese Entscheidung gebunden ist und sie nicht mehr frei revidieren kann. Dem Umstand, daß zum Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung zwischen den Beteiligten noch nicht rechtskräftig geklärt war, ob überhaupt jemals eine Mitgliedschaft des Klägers begründet worden ist, kommt keine Bedeutung zu, nachdem diese Mitgliedschaft - ebenso wie ihre spätere Aufrechterhaltung - als zwingende Folge eines gesetzlichen Tatbestandes eingetreten ist, ohne daß es hierzu eines Bescheides des Beklagten bedurft hätte.

Ob der Antrag auf Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft innerhalb der in § 7 Abs. 2 Satz 2 RAVG genannten sechsmonatigen Ausschlußfrist für seine Stellung hätte rechtswirksam zurückgenommen werden können, kann dahingestellt bleiben, denn diese Frist war unstreitig längst abgelaufen.

Soweit der Beklagte geltend macht, dem Antrag des Klägers auf Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft stehe der Einwand der unzulässigen, weil mißbräuchlichen Rechtsausübung entgegen, begründen jedenfalls die im Zulassungsantrag vorgetragenen Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß die Annahme des Verwaltungsgerichts unzutreffend ist, der Kläger habe "nur eine sehr geringe Anwartschaft auf Berufsunfähigkeitsrente erworben, welcher andererseits auch Beitragsnachforderungsansprüche seitens des beklagten Versorgungswerks gegenüberstehen dürften". Die vom Beklagten im Zulassungsantrag vorgebrachten Einwände, das Verwaltungsgericht habe die sogenannten Zurechnungszeiten nicht beachtet, und eine Aufrechnung der Rentenansprüche gegen die Beitragsnachforderungsansprüche dürfte wohl eher nicht möglich sein, sind nur ganz vage. Aus ihnen ergibt sich nicht, daß ein Erfolg der Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Mißerfolg.

Der Beklagte hat auch nicht dargelegt, daß die Rechtssache besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist. Sein Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme, der Rechtsstreit werfe eine oder mehrere Fragen auf, deren Beantwortung über das normale Maß hinaus schwierig sei. Die im vorliegenden Fall allein zu entscheidende Frage, ob der 1993 fristgemäß gestellte Antrag gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 RAVG auf Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft im November 1997 noch rechtswirksam zurückgenommen werden konnte, nachdem zu diesem Zeitpunkt weder die Begründung der Mitgliedschaft noch deren Aufrechterhaltung vom beklagten Versorgungswerk festgestellt worden war, läßt sich wie oben dargelegt aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats beantworten. Die Frage, ob der Antrag innerhalb der Sechsmonatsfrist zurückgenommen hätte werden können, hat sich dem Verwaltungsgericht nicht gestellt und würde sich auch in einem Berufungsverfahren nicht stellen.

Dem Vorbringen des Beklagten ist schließlich auch nicht zu entnehmen, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung aufweist. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft; dies ist nur der Fall, wenn die ungeklärte Frage sich in einem angestrebten Berufungsverfahren auch stellen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei Klagen gegen ein berufsständiges Versorgungswerk, mit denen der Kläger das Ziel verfolgt, weiter Mitglied des beklagten Versorgungswerks zu bleiben, der Auffangstreitwert nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG festzusetzen (s. Beschl. d. Senats vom 31.01.1997 - 9 S 196/97). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der vom Kläger erstrebte wirtschaftliche Vorteil sich nicht in einem Geldbetrag ausdrücken läßt. Auch derzeit ist eine Prognose, ob der Kläger, der jedenfalls zu Anfang des Jahres noch als Rechtsbeistand zugelassen war, überhaupt und wenn ja zu welcher Zeit jemals eine Berufsunfähigkeits- oder Altersrente erhalten wird, nicht möglich.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 19.10.1999
Az: 9 S 1312/99


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