Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Oktober 2000
Aktenzeichen: 29 W (pat) 242/99

(BPatG: Beschluss v. 18.10.2000, Az.: 29 W (pat) 242/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Mai 1999 aufgehoben und der Marke IR 676 598 der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Dienstleistungen "Traitement de materiaux; faonnage de t™les et de metaux (avec ou sans addition d'enduits en poudre)" wegen des Widerspruchs aus der Marke IR R 390 501 A verweigert.

Gründe

I.

Gegen die für die Dienstleistungen

Ç 40 Traitement de materiaux ; faonnage de t™les et de metaux (avec ou sans addition d'enduits en poudre) ; assemblage de materiaux sur commande (pour des tiers) È

international registrierte Marke Nr. 676 598 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Marke Nr. IR R 390 501 A

"ALMET"

,die u.a. für die Waren

"7 Machines et machinesoutils pour la transformation des metaux; moteurs"

international registriert ist. Der Widerspruch ist im Beschwerdeverfahren beschränkt worden und richtet sich noch gegen die Dienstleistungen "Traitement de materiaux; faonnage de t™les et de metaux (avec ou sans addition d'enduits en poudre)" der jüngeren Marke.

Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 26. Mai 1999 den Widerspruch zurückgewiesen, weil mangels Ähnlichkeit der gegenseitigen Waren und Dienstleistungen keine Gefahr von Verwechslungen der jüngeren Marke mit der älteren Marke bestehe. Zwar könnten Waren und Dienstleistungen grundsätzlich ähnlich sein. Im vorliegenden Fall reichten die Berührungspunkte der gegenseitigen Waren und Dienstleistungen jedoch nicht aus. Die Waren der Widersprechenden resultierten zwar aus einer Material- oder Metallbearbeitung, diese sei aber von der Herstellung und vom Vertrieb solcher Waren eindeutig zu trennen. Das Argument der Widersprechenden, Anlagen zur Metallbearbeitung von Warenherstellern würden auch zur Metallbearbeitung im Auftrag und für Dritte verwendet, sei nicht belegt und könne vom Prüfer ebenfalls nicht bestätigt werden. Die Tatsache, daß die Materialbearbeitung in der Regel nur einen geringen Teil der Wertschöpfung des fertigen Produktes ausmache, spreche im Gegenteil dafür, die Materialbearbeitung als unselbständige Hilfsdienstleistung einzustufen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Es sprächen wirtschaftlich vernünftige Gründe dafür, daß Hersteller von Waren ihre Anlagen für Materialbearbeitung und Montage auch zur Ausführung von Aufträgen Dritter einsetzten und daß hierzu wirtschaftlich selbständige Geschäftsbereiche geführt würden. So erwirtschafte die Widersprechende den Großteil ihrer Erträge durch Weiterbearbeitung, Lohnarbeit für Dritte sowie die Bearbeitung eigener Waren. Dies sei auch bei anderen Firmen der Branche der Fall. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß von identischen Marken auszugehen sei, weil der klanggleiche Bestandteil "ALLMET" die jüngere Marke präge, so daß auch bei entfernter Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr vorliege.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und der Marke IR 676 598 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Widerspruchs aus der Marke IR R 390 501 A zu verweigern.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat weder Anträge gestellt noch sich in der Sache geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsätze der Widersprechenden, das Ergebnis einer Recherche des Senats zur Frage der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, sowie auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig. Soweit der Widerspruch zurückgenommen worden ist, ist die Grundlage für die Entscheidung der Markenstelle entfallen und deren Beschluß insoweit wirkungslos geworden (in analoger Anwendung von § 269 Abs. 3 Satz 1 und 3 ZPO; vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 42 Rn 38 m.N.). Im übrigen hat die Beschwerde im Umfang des eingeschränkten Widerspruchs auch Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken insoweit die Gefahr von Verwechslungen (§§ 107, 114, 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MMA, Art. 6 quinquies B Nr. 1 PVÜ).

Nach der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. B der Markenrechtsrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR Int. 1998, 56, 57 - Sabèl/Puma), die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Verbindung, die das jüngere Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. Markenrechtsrichtlinie, 10. Erwägungsgrund). Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die dominierenden und die sie unterscheidenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. BGH 1996, 198 "Springende Raubkatze"; BGHZ 131, 122, 124 f. "Innovadiclophont"). Schließlich impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR 1999, 731 "Canon II; GRUR 1999, 995, 997 "HONKA"; BGH WRP 2000, 529, 531 "ARD-1"; BGH WRP 2000, 1155, 1156 "Carl Link"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen im Umfang der mit dem Widerspruch noch angegriffenen Dienstleistungen gegeben.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH MarkenR 1999, 22, 23 Tz. 23 "CANON"; BGH a.a.O. "Canon II"; BlPMZ 1998, 226 f "GARIBALDI"; vgl. auch BGH WRP 2000, 1152, 1153 "PAPPAGALLO"). Auch die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, nämlich Herstellungsstätte und Vertriebswege der Waren und Dienstleistungen, deren Stoffbeschaffenheit und Zweckbestimmung oder Verwendungsweise sowie, wenn auch weniger, die Verkaufs- und Angebotsstätten sind relevante Gesichtspunkte. Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht die Hauptfunktion der Marke darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Die Marke muß also Gewähr dafür bieten, daß alle Waren und Dienstleistungen, die mit ihr versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt oder erbracht worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann. Daher liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, daß die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

Danach sind die Dienstleistungen "Traitement de materiaux; faonnage de t™les et de metaux (avec ou sans addition d'enduits en poudre)" (= Materialbearbeitung; Formung von Blechen und Metallen (mit oder ohne Pulverbeschichtungen)) der angegriffenen Marke den Waren "machines et machinesoutils pour la transformation des metaux" (= Maschinen und Werkzeugmaschinen für die Metallbearbeitung) der Widerspruchsmarke ähnlich. Eine Recherche des Senats hat ergeben, daß diese Waren und Dienstleistungen zwar häufig von verschiedenen Unternehmen hergestellt bzw. erbracht werden, es aber doch eine Reihe von Betrieben gibt, die sowohl Materialbearbeitung für Dritte durchführen als auch die hierzu benötigten Maschinen selbst herstellen und vertreiben (vgl. Internet-Recherche "Metallbearbeitung": die Firmen Friedrich Hippe, kroma GmbH, Ludwig Lehner (S.2), Reku, Striebosch und Tieflochbohren (S.3); "Blechbearbeitung": die Firmen bode gmbh, Fritz Deppe (S.1), Hoedtke, KLB Kuri, Franz Klotz GmbH, MDK GmbH, Metallbearbeitung und Vorrichtungsbau (S.2), Schürholz (S.3); "Wer liefert was€": unter 6903 die Firmen Hippe Eberhard und Hippe Friedrich [s.o.], Knutzen, Mühleisen; unter 6905 Abatech, AKL, ALFA, Allgemeine Metallverformung, Berg, MAGEPA; unter 6925 Gerber; unter 6934 BRS und unter 6941 Plersch). Es bestehen daher ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß entscheidungserhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise auch im vorliegenden Fall die Waren und Dienstleistungen dem selben Unternehmen zuordnen werden. Zwischen den Waren und Dienstleistungen besteht eine mittlere Entfernung.

Die jüngere Marke hält den danach erforderlichen mittleren Abstand von der Widerspruchsmarke nicht ein. Zwar ist bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr stets vom Gesamteindruck der Marken auszugehen (st. Rspr. BGH BlPMZ 1997, 28 "Foot-Joy"; Mitt. 1996, 285 f. "Sali-Toft"; GRUR 1999, 241, 243 "Lions"). Weichen - wie im vorliegenden Fall - die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet voneinander ab, so kann trotzdem eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn übereinstimmende oder ähnliche Markenbestandteile den Gesamteindruck der Kombinationsmarken prägen (vgl. BGH GRUR 1996, 198, 199 "Springende Raubkatze"; GRUR 1996, 406 "Juwel"; GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"; MarkenR 2000, 20, 21 "RAUSCH/ELFI RAUCH").

Dies ist bei dem Bestandteil "ALLMET" der angegriffenen Marke, der allein als kollisionsbegründend in Betracht kommt, der Fall, denn dieses Wort prägt den Gesamteindruck der angegriffenen Marke. Die weiteren Bestandteile treten so stark in den Hintergrund, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck nichts beitragen (vgl. dazu BGH MarkenR 2000, 20, 22 "RAUSCH/ELFI RAUCH").

Die Bildbestandteile der jüngeren Marke können Verwechslungen nicht ausschließen, weil der Verkehr bei mündlicher Benennung der Marke und auch bei hand- und maschinenschriftlicher Wiedergabe sich in aller Regel des Wortbestandteils als kürzester und einfachster Bezeichnung bedient (vgl. BGH GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"; BGH GRUR 1996, 198, 199 "Springende Raubkatze"). Unter den Wortbestandteilen der angegriffenen Marke bietet sich zur Benennung in erster Linie das graphisch hervorgehobene größenmäßig dominierende Wort "ALLMET" an, da der weitere Wortbestandteil "industries" im Verhältnis dazu sehr klein und unauffällig gehalten und - sofern er überhaupt genauer beachtet wird - leicht als Hinweis darauf erkennbar ist, daß die gekennzeichneten Dienstleistungen aus einem Industriebetrieb stammen. Das Wort "industries" weist darum keine eigenständige Kennzeichnungskraft auf. Da der Verkehr zu Verkürzungen von aus mehreren Elementen bestehenden Kennzeichnungen neigt, wobei das Weglassen von beschreibenden Angaben (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 9 Rn. 185 m.N.) häufig vorkommt, werden sich maßgebliche Teile des Verkehrs ausschließlich an "ALLMET" orientieren und die angegriffene Marke mit diesem Wort benennen.

Die sich somit gegenüberstehenden Wörter "ALLMET" und "Almet" sind klanglich und schriftbildlich fast identisch, so daß selbst bei relativ günstigen Übermittlungsbedingungen und bei großer Aufmerksamkeit auch von Fachleuten Verwechslungen nicht zu vermeiden sind.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Meinhardt Baumgärtner Guth Cl Abs. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/29W(pat)242-99.1.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 18.10.2000
Az: 29 W (pat) 242/99


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