Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. März 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 59/02

(BPatG: Beschluss v. 08.03.2004, Az.: 14 W (pat) 59/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren und Vorrichtung zur Heißformgebung von geschmolzenen Glasposten Anmeldetag: 21. September 2001 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:

Patentanspruch 1, vom 10. Februar 2004, Patentansprüche 2 bis 15, eingegangen am 21. September 2001, Beschreibung Seiten 1 bis 6 und 8, eingegangen am 21. September 2001, Seite 7, eingegangen am 4. März 2004.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse C 03 B des deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 4. Juni 2002 die am 21. September 2001 mit der Bezeichnung

"Verfahren und Vorrichtung zur Heißformgebung von geschmolzenen Glasposten"

eingereichte Patentanmeldung 101 46 510.6-45 gemäß PatG § 48 zurückgewiesen.

Zur Begründung ihres Zurückweisungsbeschlusses hat die Prüfungsstelle im Wesentlichen ausgeführt, dass das Verfahren nach dem seinerzeit geltenden Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4 zur Heißformgebung von geschmolzenen Glasposten aus

(1) WIPDS - Abstract zu SU 618 345 A bekannt seien. Die dort beschriebene Formunterlage bestehe aus einer offenporigen Keramik. Diese sei mit Platin als Glaskontaktmaterial beschichtet und ermögliche auch eine gasleitende Verbindung, wenn die Formunterlage mit Gas beaufschlagt werde.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie hat mit Schriftsatz vom 10. Februar 2004 einen neuen Anspruch 1 eingereicht. Er lautet:

"1. Verfahren zum Heißformgeben von schmelzflüssigem Glasposten auf einer Formunterlage unter Zwischenfügen eines Gasbettes, mit den folgenden Verfahrensschritten:

1.1 es wird eine Formunterlage aus einem offenporigen Formmaterial hergestellt;

1.2 die Tragfläche der Formunterlage wird dauerhaft mit einem Glaskontaktmaterial beschichtet;

1.3 es wird ein solches Schichtmaterial ausgewählt und/oder die Beschichtung wird derart gestaltet, daß die Schicht nach ihrem Aufbringen offene Poren aufweist, die eine gasleitende Verbindung zwischen der Unterseite und der Oberseite der Schicht erlauben;

1.4 es wird ein solches Schichtmaterial ausgewählt, das ein Ankleben oder Anhaften an den Glasposten vermeidet;

1.5 die Formunterlage wird mit einem Gas beaufschlagt, um ein Gasbett an der Oberseite der Schicht zu erzeugen.

Patentanspruch 4 lautet:

4. Vorrichtung zur Heißformgebung von geschmolzenen Glasposten aufeinem Gasbett, mit den folgenden Elementen:

4.1 mit einer Unterlage aus einem offenporigen Formenmaterial;

4.2 die Tragfläche der Formunterlage ist mit einem Glaskontaktmaterial beschichtet, das ein Ankleben oder Anhaften an den Glasposten vermeidet;

4.3 die Schicht ist ebenfalls offenporig;

4.4 auf der dem Glasposten abgewandten Seite der Formunterlage ist ein Gasanschluss vorgesehen, um auf die Formunterlage ein Gas aufzubringen, das durch die Poren der Formunterlage sowie durch die Poren der Schicht hindurchtritt."

Die Ansprüche 2 und 3 sind auf Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1, die Ansprüche 5 bis 15 auf Weiterbildungen der Vorrichtung gemäß Anspruch 4 gerichtet. Zum Wortlaut dieser Unteransprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin hat zur Begründung ihrer Beschwerde insbesondere vorgetragen, dass die beanspruchte Beschichtung ein seit langem anstehendes Problem löse. Dieses bestehe darin, dass es beim realen Produktionsprozess trotz des Einsatzes eines Gasbettes immer wieder zu Kurzzeitkontakten zwischen Glas und Form käme, die die Glasqualität beeinträchtigten. Dieses Problem sei in (1) nicht angesprochen.

Sie beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II 1. Die Beschwerde ist zulässig und hat auch Erfolg.

2. Bezüglich ausreichender Offenbarung des Verfahrens und der Vorrichtung nach den geltenden Ansprüchen 1 und 4 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen sind (Anspruch 1 iVm mit Ansp 4 Merkmal 4.2 und Ansprüche 2 bis 15). Der Ersatz des Begriffes "bzw" durch "und/oder" im geltenden Anspruch 1 entspricht einer zulässigen Präzisierung des Verfahrens.

3. Die Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 ist gegeben.

Aus der Entgegenhaltung (1) ist ein Verfahren zur Heißformgebung von geschmolzenen Glasposten bekannt. Es wird hierzu eine Formunterlage aus offenporigem Material eingesetzt, welche mit einem Gasgemisch beaufschlagt wird (Abstract iVm mit Fig der SU 618345). Die Kapillarkanäle der Unterlage werden mit Platin oder Palladium überzogen, um das eingeleitete Gasgemisch katalytisch zu verbrennen. Damit mag zwar - wie die Prüfungsstelle im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat - auch die Belegung der Tragfläche mit einem Platin- oder Palladiumfilm verbunden sein. Es wird aber nicht die in vorliegender Anmeldung für den Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang erkennbare technische Lehre gegeben, allein die Tragfläche der Formunterlage zu beschichten.

4. Das Verfahren nach Anspruch 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Der Anmeldung liegt nach den Angaben in den geltenden Unterlagen die Aufgabe zu Grunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung anzugeben, womit geschmolzene Glasposten mittels Gasbettlagerung auf einer porösen Formunterlage gelagert und einer Heißformgebung unterworfen werden können, ohne dass es zu einem Ankleben oder Anhaften des Glaspostens an der Tragfläche der Formunterlage kommt. Das Verfahren und die Vorrichtung sollen kostengünstig sein. Insbesondere soll die Formunterlage leicht und kostengünstig herstellbar und dauerhaft sein, so dass sie sich langfristig und häufig verwenden lässt (S 3 Z 22 bis 31 der geltenden Beschreibung).

Gelöst wird diese Aufgabe durch das im geltenden Anspruch 1 im Einzelnen angegebene Verfahren.

Zu dieser Lösung kann der entgegengehaltene Stand der Technik den Fachmann nicht anregen.

Gemäß der Lehre von (1) wird zur Durchführung des Verfahrens eine poröse Formunterlage eingesetzt, deren Kapillaren wie ein Katalysatorträger mit einer Lösung aus Platinchlorid getränkt und anschließend mit Ameisensäure unter Bildung einer Platinbeschichtung behandelt werden. Die Aktivierung der katalytisch wirksamen Oberfläche der gesamten Formunterlage erfolgt durch eine abschließende Behandlung mit Methylalkohol. Das eingeleitete Gas wird unter Hindurchleiten durch die Formunterlage oxidiert (Abstract iVm Fig). Damit wird eine Verbesserung der Formgebung des Glaspostens erreicht (Abstract Abs 1).

Ausgehend von dieser Lösung hat der Fachmann keine Veranlassung, lediglich die Tragfläche der Formunterlage, wie vorliegend beansprucht, einer Beschichtung zu unterziehen. Von einer solchen Maßnahme ist der Fachmann vielmehr abgehalten. Diese Vorgehensweise hat nämlich zwangsläufig gegenüber einer vollständigen Beschichtung der porösen Formunterlage eine Verringerung der beabsichtigten Umsetzung, dh eine unzureichende Oxidation des Gases, zur Folge. Negative Auswirkungen auf die Formgebung des Glaspostens können für den Fachmann dadurch nicht ausgeschlossen werden. Gerade die Beeinträchtigung der Qualität der Oberfläche des Glaspostens durch etwaige Anhaftungen an der Form während der Heißformgebung soll aber durch die anmeldungsgemäße Ausgestaltung der Tragfläche der Formunterlage im vorliegend beanspruchten Verfahren vermieden werden.

Die Entgegenhaltung (1) legt die Verfahrensmaßnahmen gemäß den Merkmalen 1.2 bis 1.4 von Anspruch 1 daher nicht nahe. Deren Lehre einer vollständigen Beschichtung führt vielmehr in eine andere Richtung und eher vom Anmeldungsgegenstand weg.

Das Verfahren nach geltendem Anspruch 1 ist somit neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Anspruch 1 ist folglich gewährbar. Mit ihm sind die besondere Ausführungsformen des Verfahrens betreffenden Ansprüche 2 und 3 ebenfalls gewährbar.

5. Der nebengeordnete Anspruch 4 ist auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens zum Heißformgeben von schmelzflüssigen Glasposten gerichtet. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für ihn die oben dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, so dass dieser Anspruch gleichfalls gewährbar ist.

Das Gleiche gilt für die auf den Anspruch 4 rückbezogenen Ansprüche 5 bis 15, die jeweils weitere, über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen betreffen.

Schröder Wagner Harrer Schuster Pü






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Beschluss v. 08.03.2004
Az: 14 W (pat) 59/02


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