Landgericht Gießen:
Beschluss vom 5. Dezember 2011
Aktenzeichen: 1 S 345/11

(LG Gießen: Beschluss v. 05.12.2011, Az.: 1 S 345/11)

1. Der Anspruch des Auftraggebers gegen den Beauftragten auf Herausgabe des durch die Einziehung einer Forderung Erlangten ist rein schuldrechtlicher Art und begründet für sich kein Treuhandverhältnis. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem mit der Einziehung der Forderung Beauftragten um einen Rechtsanwalt handelt.2. Ein Rechtsanwalt ist ohne besondere Abrede mit dem Mandanten nicht verpflichtet, Forderungen des Mandanten auf ein Fremdgeldkonto einzuziehen.3. In der Insolvenz des Rechtsanwalts ist der Mandant in der Regel weder zur Aussonderung noch zur Ersatzaussonderung wegen einer vom Rechtsanwalt auf sein Geschäftskonto eingezogenen Forderung des Mandanten berechtigt.

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 03.01.2012.

Gründe

Die Zurückweisung der Berufung ist beabsichtigt, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Alle entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Klägerin ist nicht aufgrund einer mit der Schuldnerin getroffenen Treuhandabrede zur Aussonderung eine Anteils am Guthaben des Geschäftskontos der Schuldnerin in Höhe der von der Schuldnerin für die Klägerin vereinnahmten Forderung berechtigt (§ 47 InsO). Zwischen der Klägerin und der Schuldnerin ist kein Treuhandvertrag zustande gekommen. Vielmehr handelt es sich bei dem zwischen der Klägerin und der Schuldnerin geschlossenen Rechtsanwaltsvertrag über die Durchsetzung und Einziehung der Schadensersatzforderung der Klägerin um einen (sonstigen) Geschäftsbesorgungsvertrag ohne treuhänderische Bindung. In der Regel beruhen zwar die Rechtsverhältnisse zwischen einem Treugeber und einem Treuhänder auf einem Auftrag oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag. Keineswegs begründet aber schon ein Geschäftsbesorgungsvertrag für sich ein Treuhandverhältnis an allem, was der Beauftragte bei Ausführung des Vertrages erlangt hat. Hat der Beauftragte einen Gegenstand für den Auftraggeber erworben, so hat er nach § 667 BGB den Gegenstand herauszugeben. Für ein Treuhandverhältnis ist im Allgemeinen kein Raum (BGH v. 16.12.1970, Az. VIII ZR 36/69, Juris Rdnr. 10). Hat der Beauftragte Geld eingezogen und es - wie hier - im bargeldlosen Verkehr seinem eigenen Bankguthaben zugeführt, so ist lediglich ein Schuldverhältnis zwischen der Bank und dem Beauftragten begründet worden. Die Guthabenforderung steht nicht nur rechtlich allein dem Beauftragten zu; sie gehört auch wirtschaftlich zu seinem Vermögen. Der Auftraggeber dagegen ist weder wirtschaftlich Inhaber eines dem eingezahlten Betrage entsprechenden Teiles der Guthabenforderung, noch hat er Anspruch darauf, dass der Beauftragte ihm einen Teil der Guthabenforderung abtritt. Der Auftraggeber kann nach § 667 BGB lediglich verlangen, dass der Beauftragte ihm einen Geldbetrag in der Höhe zahlt, in der er seinerseits Geld für den Auftraggeber erhalten hat. Dieser Anspruch ist rein schuldrechtlicher Art und begründet für sich kein Treuhandverhältnis (BGH v. 16.12.1970, Az. VIII ZR 36/69, Juris Rdnr. 10). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem mit der Einziehung der Forderung Beauftragten um eine Rechtsanwalt handelt (BGH v. 01.06.1978, Az. III ZR 44/77, Juris Rdnr. 18). Von diesem Regelfall geht § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO aus, der für das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant bestimmt, dass der Rechtsanwalt von ihm vereinnahmte fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen hat. Der Rechtsanwalt ist also auch von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, Forderungen seines Mandanten auf ein Anderkonto einzuziehen. Eine solche Verpflichtung besteht lediglich dann, wenn dies zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten vertraglich vereinbart worden ist. Nur in diesem Fall hat der Rechtsanwaltsvertrag die Qualität eines Treuhandvertrags. Respektiert der Rechtsanwalt als Treuhänder die treuhänderische Bindung, ist der Mandant als Treugeber regelmäßig zur Aussonderung nach § 47 InsO wegen der von Dritten auf das Anderkonto eingezahlten oder überwiesenen Beträge berechtigt (vgl. BGH v. 10.02.2011, Az. IX ZR 49/10, Juris Rdnr. 16). Hier haben die Klägerin und die Schuldnerin jedoch nicht vereinbart, dass der Einzug der Forderung ausschließlich auf ein Anderkonto zu erfolgen hat. Jedenfalls wird dies von der Klägerin nicht behauptet. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin nach dem erkennbaren Willen der Klägerin von der üblichen Praxis der Einziehung von Mandantengeldern auf das allgemeine Geschäftskonto abweichen sollte.

Da die Klägerin nicht zur Aussonderung berechtigt ist bzw. war, kommt ein Recht zur Ersatzaussonderung nach § 48 InsO schon aus diesem Grunde nicht in Betracht. Abgesehen davon setzt ein Recht auf Ersatzaussonderung voraus, dass die Veräußerung des Aussonderungsgegenstands unberechtigt erfolgt ist (BGH v. 24.06.2003, Az. IX ZR 120/02, Juris Rdnr. 17). Bei der Einziehung fremder Forderungen ist dies dann der Fall, wenn sich der Schuldner oder der Insolvenzverwalter nicht auf eine Ermächtigung zur Einziehung der Forderung berufen kann (Brinkmann in: Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 48 Rdnr. 15). Hier war die Schuldnerin jedoch, wie ausgeführt, dazu berechtigt, die Schadensersatzforderung der Klägerin auf ihr Geschäftskonto einzuziehen. Darin unterscheidet sich der hiesige Sachverhalt von demjenigen, der der Entscheidung des BGH vom 09.03.2006, Az. IX ZR 67/04, zugrunde liegt. Dort war die Schuldnerin gerade nicht zur Einziehung der Forderung auf ihr allgemeines Geschäftskonto berechtigt (vgl. BGH v. 09.03.2006, Az. IX ZR 67/04, Juris Rdnr. 8).

Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Kammer der Klägerin zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen unanfechtbaren Beschluss, dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte - abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten - eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im Allgemeinen von vier auf zwei Gerichtsgebühren halbiert würden.






LG Gießen:
Beschluss v. 05.12.2011
Az: 1 S 345/11


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