Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2013
Aktenzeichen: 17 W (pat) 34/08
(BPatG: Beschluss v. 20.03.2013, Az.: 17 W (pat) 34/08)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 20. März 2013 (Aktenzeichen 17 W (pat) 34/08) entschieden, dass der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patentund Markenamtes aufgehoben wird. Die Patentanmeldung, welche Verbesserungen beim Datenretrieval betrifft, wurde zunächst zurückgewiesen, da die ursprünglichen Patentansprüche keine erfindungsgemäße Idee enthalten würden. Die Anmelderin hat daraufhin Beschwerde eingelegt und beantragt, das Patent mit geänderten Unterlagen zu erteilen. Das Bundespatentgericht hat den Hauptantrag aufgrund einer unzulässigen Erweiterung abgelehnt, jedoch den Hilfsantrag für zulässig befunden. Die Anmeldung wurde somit an das Deutsche Patentund Markenamt zur weiteren Prüfung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Beschwerdegebühr wurde nicht zurückgezahlt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 20.03.2013, Az: 17 W (pat) 34/08
Tenor
1) Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patentund Markenamtes vom 18. Dezember 2007 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung über den Hilfsantrag an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.
2) Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung, welche drei US-amerikanische Prioritäten vom 2. August 1996, 3. Februar 1997 und 28. März 1997 in Anspruch nimmt, wurde am 4. August 1997 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Sie trägt die Bezeichnung
"Verbesserungen beim Datenretrieval".
Die Anmeldung wurde durch den von der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patentund Markenamtes in der Anhörung vom 18. Dezember 2007 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass in den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 8 sowie im geltenden Patentbegehren weder eine einzige Erfindung noch eine durch eine allgemeine erfinderische Idee verbundene Gruppe von Erfindungen anerkannt werden könne. Der geltende Patentanspruch 1 sei somit unzulässig und daher nicht gewährbar.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1 -4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, noch anzupassender Beschreibung und Zeichnungen mit Figuren wie Offenlegungsschrift; gemäß Hilfsantrag mit Patentansprüchen 1 -4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen wie Hauptantrag.
Ferner regte die Anmelderin die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt sind die Druckschriften D1: US5331547A; D2: SCHILIT, B.N.; DOUGLIS, F. [u. a.]: TeleWeb: Loosely Connected Access to the World Wide Web, WWW5 Conference, May 6-10, 1996, Paris, France, Seiten 1-16; D3: IBM Technical Disclosure Bulletin: Distributing Uniform Resource Locators as Bar Code Images, Vol. 39, January 1996, No. 1, Seite 1 und D4: US4471218A genannt worden. Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften D5: DOSSICK, S.; KAISER, G.: WWW Access to Legacy Client/Server Applications, Fifth International World Wide Web Conference, May 6-10, 1996, Paris, France, Seiten 1und D6: WO 95/08900 A eingeführt.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (nach Korrektur zweier offensichtlicher Schreibfehler):
"Datenerfassungsund -weitergabeeinrichungtung, die folgendes aufweist:
(a)
einen Strichcodeleser zur Erfassung und Dekodierung eines Strichcodes;
(b)
einen Speicher zum Speichern von dekodierten Daten des Strichcodes;
(c)
einen Server in der Einrichtung zum Erzeugen einer lokalen Internet-Website, an der auf die gespeicherten, dekodierten Daten zugegriffen werden kann, und zum Erzeugen einer Site-Adresse; und (d)
einen Sender zum Senden von den gespeicherten, dekodierten Daten an einen Host-Computer, welcher sich entfernt von der Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung befindet, und zwar über ein drahtloses Medium bei einer Zugriffsanforderung durch den Host-Computer, um auf die lokale Website über die Site-Adresse zuzugreifen."
Zum nebengeordneten Patentanspruch 4 und zu den Unteransprüchen 2 und 3 wird auf die Akte verwiesen.
Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:
"Mobile Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung, die folgendes aufweist:
(A)
eine digitale Kamera zur Aufnahme eines Bilds eines aufzunehmenden Ziels;
(B)
ein Mikrophon zur Aufnahme einer verbalen Beschreibung des Ziels;
(C)
einen Speicher zum Speichern des von der Kamera aufgenommenen Bilds und der von dem Mikrophon aufgenommenen verbalen Beschreibung;
(D)
einen in der mobilen Einrichtung angeordneten Server zum Erzeugen einer lokalen Internet-Website, über die auf das gespeicherte, aufgenommene Bild und die gespeicherte, auf genommene verbale Beschreibung zugegriffen werden kann, und zum Erzeugen einer Site-Adresse; und (E)
einen Sender, der eingerichtet ist, bei einer Zugriffsanforderung auf die lokale Website über die Site-Adresse durch einen Host-Computer, welcher sich entfernt von der Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung befindet, das gespeicherte, aufgenommene Bild und/oder die gespeicherte, aufgenommene verbale Beschreibung über ein drahtloses Medium an den Host-Computer zu senden."
Der Patentanspruch 2 gemäß Hilfsantrag lautet:
"Einrichtung gemäß Anspruch 1, wobei die Einrichtung ein mobiles Gehäuse umfasst, welches an einer geographischen Position angeordnet ist und funktionsmäßig vorgesehen ist zum Tragen der Kamera, des Mikrophons, des Speichers, des Servers und des Senders; und wobei die Kamera funktionsmäßig vorgesehen ist zum Aufnehmen des Bilds von einer Umgebungs-Szene und/oder einem Gegenstand an der geographischen Position."
Der Patentanspruch 3 gemäß Hilfsantrag lautet:
"Einrichtung gemäß Anspruch 2, wobei die Einrichtung ferner einen GPS (Global Positioning System)-Empfänger aufweist, welcher in dem mobilen Gehäuse angeordnet ist, zum Bestimmen einer geographischen Position des mobilen Gehäuses."
Der nebengeordnete Patentanspruch 4 gemäß Hilfsantrag lautet:
"Verfahren zum Erfassen und zur Weitergabe von Daten mittels einer mobilen Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung, wobei das Verfahren die folgenden Schritte aufweist:
(A*) Aufnehmen eines Bilds eines aufzunehmenden Ziels unter Verwendung einer digitalen Kamera;
(B*) Aufnehmen einer verbalen Beschreibung des Ziels unter Verwendung eines Mikrophons;
(C*) Speichern des von der Kamera aufgenommenen Bilds und der von dem Mikrophon aufgenommenen verbalen Beschreibung;
(D*) Erzeugen einer lokalen Internet-Website, über die auf das gespeicherte, aufgenommene Bild und die gespeicherte, aufgenommene verbale Beschreibung zugegriffen werden kann, und Erzeugen einer Site-Adresse; und (E*) Senden von dem gespeicherten, aufgenommenen Bild und/ oder der gespeicherten, aufgenommenen verbalen Beschreibung an einen entfernten Host-Computer über ein drahtloses Medium beim Empfang einer Zugriffsanforderung durch den Host-Computer, um auf die lokale Website über die Site-Adresse zuzugreifen."
Die Anmelderin trägt vor, dass der Vorteil des Gegenstandes der Anmeldung im Wesentlichen darin bestehe, die in einem Datenterminal erfasste Information für Zugriffsanforderungen aus dem Internet verfügbar zu machen. Um dies zu erreichen sei das Datenterminal z. B. mit einem Strichcodeleser ausgestattet, der der Erfassung und Dekodierung von Strichcodes diene. Die dekodierten Daten würden dann in einem Datenspeicher des Terminals abgelegt und stünden dort für eine weitere Verarbeitung zur Verfügung, z. B. für Produktregistrierung, Datenvergleich und -abgleich usw. Ein im Datenterminal eingerichteter Webserver ermögliche zudem den Zugriff externer Host-Computer auf die dekodierten Daten.
Die jeweiligen Gegenstände nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptund Hilfsantrag seien weder durch die Druckschriften D1 bis D4 noch durch die vom Senat nachbenannten Druckschriften D5 und D6 nahegelegt.
II.
Die rechtzeitig eingegangene und auch sonst zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und im Umfang des Hilfsantrags zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patentund Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Der Hauptantrag wird jedoch zurückgewiesen.
1. Die vorliegende Patentanmeldung betrifft Verbesserungen beim Datenretrieval.
In der Beschreibung wird ausgeführt, dass die im Internet verfügbare Information gewöhnlich in der Form von Pages bzw. Seiten gespeichert werde, die eine Home Page oder Hauptseite aufweisen würden und sich auf eine Website bezögen. Eine Site umfasse eine eindeutige Internetprotokolladresse oder einen Uniform Resource Locator (URL), durch die der Zugriff auf die Site erst ermöglicht werde (Offenlegungsschrift, Seite 4 Zeilen 11-14). Der Benutzer greife über einen Client, z. B. einen PC auf das Internet zu. Die Verbindung erfolge typischerweise über ein Modem, ein Telefonnetz, einen Serviceprovider und einen Host Computer mit Webserver, der als Vermittler fungiere, wobei der Client über den Server auf das Internet zugreife. Zusätzlich erlaube der Webserver dem Benutzer, eine Internetsite zu erstellen. Dadurch, dass es sich bei dem Host Computer in der Regel um eine feste Station handle, sei es aber oft zeitaufwändig und mitunter kompliziert, wenn immer erst auf den Host zugegriffen werden müsse, um danach eine Internetsite erstellen oder auf eine solche zugreifen zu können (Offenlegungsschrift, Seite 4 Zeilen 14-23). Mittlerweile werde die Internet-Verbindungsfähigkeit elektronischer Geräte, wie z. B. Mobiltelefone, Kabelfernsehen, Set-Top-Boxen, Fernseher, Pager durch geeignete Softwareprodukte wie etwa REMOTE MOSAIC ständig verbessert. REMOTE MOSAIC mache es möglich, eine kleine "Viewer" Anwendung in Vorrichtungen zu integrieren, die sich dann mit einem "Proxy Browser" in einem entfernten Server verbinden. Der "Proxy-Browser" übernehme ressourcenintensive Anwendungen, wie z. B. das Zwischenspeichern in einem Puffer und sei für die Verbindung der jeweiligen Vorrichtung mit anderen Servern zuständig. Durch die Zusatzsoftware würden diverse elektronische Endgeräte (z. B. auch mobile Einheiten) mit der Funktionalität ausgestattet, im Internet zu navigieren (Offenlegungsschrift, Seite 4 Zeilen 47-56).
Neben dem mitunter komplizierten Aufbau einer Internetsite und dem Zugriff darauf über einen festen Host Computer stelle oftmals die zielgerichtete Weiterleitung von erfasster Information an einen bestimmten Benutzerkreis ein Problem dar. Dies werde u. a. deutlich bei der Dokumentierung von Ereignissen oder Objekten und der Zuleitung der gewonnenen Information an die zuständigen Stellen, wie es z. B. für die Versicherungswirtschaft von Bedeutung sei. Bei der Dokumentierung von Versicherungsansprüchen sei es wichtig, so genau und vollständig wie möglich die Umstände zu dokumentieren, für die ein Versicherungsanspruch in Anspruch genommen werde. Bislang würden Einzelheiten entweder schriftlich oder durch Fotografieren unter Verwendung einer Filmkamera dokumentiert. Diese Information werde dann zusammen mit der gesamten anderen Information, die sich auf den Versicherungsanspruch beziehe, in ein Datenverarbeitungssystem eingegeben. Ein solches Vorgehen sei aber zeitaufwändig und fehleranfällig, da Informationen oft wiederholt eingegeben und die Fotografien zu den relevanten Akten erst fehlerfrei übertragen werden müssten (Offenlegungsschrift, Seite 4 Zeilen 57-66).
Die der Anmeldung zugrundeliegende objektive technische Aufgabe sieht der Senat darin, eine Vorrichtung zu schaffen, welche eine Weitergabe von Daten an sich entfernt aufhaltende Nutzer bei mobilen Computern ermöglicht.
Als Fachmann, der mit der Aufgabe betraut wird, ein System bzw. ein Verfahren für ein Datenretrieval zu verbessern, ist ein Ingenieur der Elektrotechnik mit Hochschulabschluss anzusehen, welcher über eine mehrjährige Berufserfahrung in der Entwicklung moderner Informationsund Kommunikationssysteme verfügt und darüber hinaus fundierte Kenntnisse in der Anwendung von Webtechnologien im Bereich mobiler Computersysteme besitzt.
2. Zum Hauptantrag Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist nicht gewährbar, da sein Gegenstand unzulässig erweitert worden ist (§ 38 PatG).
2.1 Zur Lösung der genannten Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 eine Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung nach den Merkmalen (a) bis (d) vor.
Der Patentanspruch 1 bedarf der Auslegung.
Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist eine Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung -in der Beschreibung auch als Datenterminal bezeichnet -die über einen Strichcodeleser verfügt, mit dem Strichcodes erfasst und dekodiert werden können (Merkmal (a)). Laut Beschreibung kann es sich bei dem Strichcodeleser um einen herkömmlichen Laserscanner handeln, mit dem die im Strichcode codierte Information eingelesen werden kann. Die detektierte codierte Information wird mittels eines Decoders im Datenterminal decodiert (Offenlegungsschrift, Seite 31, Zeilen 18-28).
Weiterhin umfasst die beanspruchte Einrichtung einen Datenspeicher, dem die dekodierten Daten zugeführt werden (Offenlegungsschrift, Seite 29, Zeilen 24-27 -Merkmal (b)).
Ein in dem Datenterminal eingerichteter Server -nach fachmännischem Verständnis handelt es sich hierbei um einen Webserver -dient der Erzeugung einer lokalen Website, mittels der auf die gespeicherten dekodierten Daten über das Internet zugegriffen werden kann, sowie der Erzeugung einer Site-Adresse, die einen solchen Zugriff erst möglich macht (Offenlegungsschrift, Seite 27, Zeilen 49-53 -Merkmal (c)).
Außerdem beinhaltet die Einrichtung noch einen Sender, der bei einer Zugriffsanforderung auf die lokale Website durch einen entfernten Host-Computer, die dekodierten Daten über ein drahtloses Medium an den Host-Computer überträgt (Offenlegungsschrift, Seite 27, Zeilen 39 -42; Seite 28, Zeile 59 -Seite 29, Zeile 2 -Merkmal (d)).
2.2 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag verlässt den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung. Die Patentanmeldung wird hierdurch unzulässig erweitert.
Dass die beanspruchte Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung lediglich einen Strichcodeleser zur Erfassung und Dekodierung eines Strichcodes umfasst, war nämlich den ursprünglichen Unterlagen nicht entnehmbar.
In der Offenlegungsschrift ist auf Seite 27, Zeilen 24 und 25 angegeben, dass die zentralen Elemente des Datenterminals eine digitale Kamera mit einer Linse und eine drahtlose Internetverbindung aufweisen würden. Optional umfasse das Datenterminal ferner ein Mikrophon zur Aufzeichnung einer verbalen Beschreibung einer aufgenommenen Szene, einen Strichcodeleser, was einen alternativen oder komplementären Betrieb des Datenterminals erlaube, sowie eine Schnittstelle zum Download von in dem Datenterminal gespeicherter Information zu einem Terminal (Offenlegungsschrift, Seite 27, Zeilen 42 -46; Fig. 3a).
Aus den zitierten Textstellen geht zwar hervor, dass das Datenterminal neben der digitalen Kamera als zentralem Element zusätzlich mit einem Mikrophon und einem Strichcodeleser ausgestattet sein kann. Dass das Datenterminal allerdings allein über einen Strichcodeleser verfügt, also ohne die als "zentrales Element" bezeichnete digitale Kamera, wie dies als eine mögliche Variante im Patentanspruch 1 unter Merkmal (a) fallen würde, geht aus dieser Textstelle nicht hervor. Eine solche Lehre ist den ursprünglichen Unterlagen auch an keiner anderen Stelle zu entnehmen.
Das geltende Patentbegehren ist somit unzulässig über den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung hinaus erweitert worden. Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die jeweiligen Patentansprüche 2 bis 4 nicht gewährbar.
3. Zum Hilfsantrag Das geltende Patentbegehren gemäß Hilfsantrag ist zulässig. Im Übrigen ist der Gegenstand nach Patentanspruch 1 dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich sowie durch den aus den Druckschriften D1 bis D6 entnehmbaren Stand der Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch durch diesen nahegelegt.
3.1 Das geltende Patentbegehren gemäß Hilfsantrag ist zulässig.
Der Patentanspruch 1 beruht auf den ursprünglichen Patentansprüchen 4 und 5, eingeschränkt durch Merkmale aus der Beschreibung. Das Merkmal einer mobilen Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung ist der ursprünglichen Beschreibung ebenso zu entnehmen (Offenlegungsschrift, Seite 27, Zeilen 13-15), wie die Merkmale (A) (Offenlegungsschrift, Seite 27, Zeilen 26-34), (B) (Offenlegungsschrift, Seite 27, Zeilen 42-44), (C) (Offenlegungsschrift, Seite 29, Zeilen 24-27), (D) (Offenlegungsschrift, ursprüngliche Ansprüche 4, 5; Seite 27, Zeilen 2-12) und (E) (Offenlegungsschrift, Seite 23, Zeilen 45-59; Seite 27, Zeilen 39-42; Seite 29, Zeilen 28-39).
Die entsprechenden Verfahrensschritte des Verfahrens nach Patentanspruch 4, welcher inhaltlich nicht über den Patentanspruch 1 hinausgeht, ergeben sich aus der ursprünglichen Beschreibung auf analoge Weise.
Weiterhin gehen auch die jeweiligen Merkmale der abhängigen Patentansprüche 2 und 3 aus der ursprünglichen Beschreibung hervor (Offenlegungsschrift, Seite 28 Zeile 52 - Seite 29 Zeile 16 und Figur 4 bzw. Seite 27 Zeilen 53-59).
Die geltenden Patentansprüche beruhen ersichtlich nicht auf den nach der Ausscheidungserklärung vom 7. September 2007 ausgeschiedenen Gegenständen der ursprünglichen Patentansprüche 1 -3 und 9 bis 22 oder auf Bestandteilen der Beschreibung bzw. Figuren, die voll und ganz den ausgeschiedenen Gegenständen zuzurechnen sind und auf die somit nicht mehr zurückgegriffen werden kann.
3.2 Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 4 gemäß Hilfsantrag stehen in einem einheitlichen Zusammenhang (§ 34 Abs. 5 PatG).
Die Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag befassen sich ausschließlich mit der Problematik der Erzeugung einer lokalen Internet-Website auf einem mobilen Datenterminal und dem Zugriff eines externen Host-Computers auf diese Website über eine drahtlose Kommunikationsverbindung, womit eine technologische Zusammengehörigkeit der jeweils beanspruchten Lehren gegeben ist.
Die Patentansprüche weisen somit ein gemeinsames Konzept auf, wodurch die unabhängigen Patentansprüche untereinander verbunden sind und eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen.
3.3 Die mobile Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung nach Patentanspruch 1 und das entsprechende Verfahren nach Patentanspruch 4 sind dem Patentschutz grundsätzlich zugänglich, da sie eine Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln liefern.
3.4 Das geltende Patentbegehren ist durch den bisher bekannten Stand der Technik weder vorbekannt noch nahegelegt. Denn gerade die Anordnung einer Kamera und eines Mikrophons in einem mobilen Datenterminal sowie die Einrichtung eines Webservers auf diesem für den Internetzugriff sind aus keiner der Druckschriften entnehmbar.
Die Druckschrift D1 offenbart ein Verfahren zur Steuerung der graphischen Benutzerschnittstelle eines Computersystems und zum Zugriff auf Datendateien (Spalte 1, Zeilen 35-43). Das Verfahren beruht u. a. auf der Verwendung eines optischen Lesegeräts, mit dem vorbestimmte Codes (z. B. Barcodes) eingelesen werden. Die Codes werden zur Aktivierung von Computerfunktionen sowie zum Abrufen elektronischer Dokumente verwendet. Das Verfahren dient insbesondere dazu, die Interaktion eines Benutzers mit einer Benutzerschnittstelle zu vereinfachen und einen raschen Zugriff auf elektronische Dokumente, wie Berichte, Korrespondenzen, Graphiken, Tabellen usw. zu ermöglichen (Spalte 2, Zeilen 45-52).
Die Druckschrift D2 befasst sich mit einem System, das es einem Benutzer ermöglicht, jederzeit und überall im World Wide Web zu browsen, egal ob er mit einem Netzwerk verbunden ist oder nicht. Insbesondere befasst sich die Druckschrift D2 mit einem verbesserten Internetzugang für ein mobiles Computersystem, z. B. ein Laptop. Die Druckschrift D2 beschreibt ein Szenario, wie mit Hilfe der beschriebenen TeleWeb Software ein Laptop überall dort mit dem World Wide Web verbindbar ist, wo ein Telefonanschluss besteht, wie z. B. am Flughafen, im Flugzeug, im Hotel usw. (Seite 2 Absätze 3 bis 6).
Die Druckschrift D3 beschreibt eine Methode zur Verteilung von URLs in Form von Barcodes. Das Verfahren basiert auf einem Computerprogramm zur Erzeugung von URL Barcodes. Das Programm erzeugt die Abbildung eines Barcodes einer URL, die zuvor eingegeben worden ist. Der Barcode wird in einem geeigneten Format (Bitmap, JPEG, TIFF, GIF) gespeichert. Ein "end user" liest den Barcode an seinem Terminal ein und erhält so Zugriff auf die URL, ohne sie eintippen zu müssen.
Die Druckschrift D4 beschreibt eine kabellose Datenerfassungseinheit, welche über einen Barcode-Scanner verfügt (Spalte 2, Zeilen 24-34). Zur weiteren Verarbeitung können Daten von der Datenerfassungseinheit auf ein Basisgerät mit Eingabetastatur und Bildschirm übertragen werden (Spalte 2, Zeilen 36-44). Bei der portablen Datenerfassungseinheit kann es sich um einen Stiftscanner bzw. Scanner-Pen handeln (Fig. 1), welcher in verschiedenen Modi betrieben werden kann.
In der Druckschrift D5 wird ein Verfahren für den Zugriff auf Client/Server-Anwendungen über Standard World Wide Web-Browser beschrieben. Ein vorhandener Client wird für das System derart modifiziert, dass er HTTP Proxy Aufgaben erfüllen kann. Web-Browser Nutzer können ihre Browser so konfigurieren, dass sie diesen HTTP Proxy verwenden können. Der Zugriff auf das System erfolgt über speziell codierte URLs, die der HTTP-Proxy abfängt und an den Applikationsserver weiterschickt. Der HTTP Proxy kann aber auch als ein Mini-Webserver fungieren, der auf Anforderungen nach Webdokumenten hin mit der Rückgabe von HTML Seiten aus einem eigenen lokalen Dokumentenbaum antwortet (Seite 6, 2. Absatz).
Die Druckschrift D6 beschreibt ein mobiles Kommunikationssystem, welches den Zugriff eines Hosts auf ein LAN über ein Mobilfunknetz erlaubt (Seite 8, Zeilen 12-20; Seite 9, Zeilen 2-16). Das System umfasst einen (mobilen) Host, einen Sender, einen Vermittlungsrechner sowie einen Access-Router zum Zugriff auf das LAN (Seite 10, Zeilen 13-29; Fig. 1).
Keine dieser Druckschriften gibt jedoch eine Anregung, in einer mobilen Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung eine digitale Kamera in Verbindung mit einem Mikrophon anzuordnen (Merkmale (A) und (B)) sowie in dieser mobilen Einrichtung einen Webserver einzurichten, der den Zugriff auf gespeicherte Bilder und verbale Beschreibungen durch einen externen Host-Computer erst ermöglicht (Merkmal (D)).
Nach allem ist nicht erkennbar, wie der Fachmann in Kenntnis lediglich des aus den ermittelten Druckschriften bekannten Standes der Technik zur beanspruchten Lehre hätte gelangen können.
4. Die Anmeldung war an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen.
Eine unmittelbare Patenterteilung hält der Senat für nicht sachgerecht. Denn das Amt hat für die geltende Fassung der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag bislang nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Patents erfüllt sind, und somit noch nicht in der Sache selbst entschieden.
Insbesondere das Merkmal einer mobilen Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtung in Verbindung mit einem Webserver gemäß Merkmal (D) war nicht Gegenstand des bisherigen Prüfungsverfahrens. Es deutet nichts darauf hin, dass die bisherige Recherche zum Stand der Technik auch auf solche mobilen Datenerfassungsund -weitergabeeinrichtungen ausgerichtet war. Eine dies umfassende Recherche wird nunmehr nachzuholen sein.
Nachdem das Schicksal der Anmeldung insgesamt mangels vollständiger Ermittlung des Standes der Technik noch offen ist, kann die Anpassung der Beschreibung an die in der Stammanmeldung verbliebenen Patentansprüche bzw. Gegenstände zurückgestellt werden.
5. Für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG bestand keine Veranlassung.
Ob die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats. Sie ist veranlasst, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten. Maßgebend sind dafür alle Umstände des Falles (Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 80 Rdn. 21; Schulte, PatG, 8. Auflage (2008), § 73 Rdn. 124 ff., § 80 Rdn. 110 ff.). Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich danach aus einem Verfahrensverstoß durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben (Schulte, a. a. O. § 73 Rdn. 132, 147; Benkard a. a. O. § 80 Rdn. 23, 26; BPatG BIPMZ 2006, 372, 374 -Frequenzsignal; BPatGE 47, 224, 231 - Mikroprozessor; 49, 154, 161 ff. -Tragbares Gerät; BPatG Mitt. 2010, 41, 43 - Mobilfunknetzwerk).
Eine fehlerhafte Begründung der Entscheidung oder eine sachliche Fehlbeurteilung durch die Prüfungsstelle genügen dem noch nicht. Hinzukommen müssten noch besondere Umstände, die das Einbehalten der Gebühr als ungerecht erscheinen ließen (vgl. Schulte a. a. O.). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Zwar erweist sich der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle als unbegründet, da nicht erkennbar ist, auf welche Grundlage sich der von der Prüfungsstelle festgestellte Mangel der Uneinheitlichkeit stützen soll bzw. welches Patentbegehren uneinheitlich sein soll. Ein schwerwiegender Verfahrensfehler oder eine unangemessene Sachbehandlung sind aber nicht ersichtlich. Ein grober Verstoß gegen die Verfahrensökonomie kann im Ablauf des Prüfungsverfahrens ebenfalls nicht erkannt werden.
Dr. Morawek Eder Baumgardt Dr. Forkel Fa
BPatG:
Beschluss v. 20.03.2013
Az: 17 W (pat) 34/08
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