Landgericht Bonn:
Urteil vom 15. Dezember 2009
Aktenzeichen: 11 O 52/09

(LG Bonn: Urteil v. 15.12.2009, Az.: 11 O 52/09)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.435,34 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2009 sowie weitere 859,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2009 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden der Klägerin zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.100,00 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin war aufgrund schriftlicher Verträge ("Vertriebsvertrag / Call - Center") vom 25.09./06.10.2008 (Anlage A1 = Bl.13 - 14 d.A.) und vom 07.01./12.01.2009 (Anlage A2 = Bl.15 - 16 d.A.) für die Beklagte als Handelsvertreterin tätig. Gegenstand dieses Vertrages war unter anderem die Vermittlung von Energielieferverträgen zwischen der Beklagten und ihren Endkunden.

Die Einzelheiten der der Klägerin für ihre Tätigkeit gemäß § 3 Ziffer 1. dieser Verträge zustehenden Provisionen sind in den jeweils als "Anlage 2 "Energie" zum Vertriebspartnervertrag" überschriebenen Provisionsvereinbarungen der Parteien (Anlage B3 zur Klageerwiderung) geregelt. Diese enthalten unter Ziffer V. ("Stornohaftung") unter anderem die Klausel:

Endet die Vertragsbeziehung mit dem Kunden innerhalb von 2 Monaten nach Beginn der Energielieferung, gleich aus welchem Grund, veranlasst der Kunde die Rückbuchung der Sonderabschlagszahlung innerhalb der Widerruffrist nach Bankrecht oder erhält U eine negative Bonitätsauskunft, so erlischt der Anspruch auf die Abschlussprovision. Rückforderungsbeträge aufgrund stornierter Abschlussprovisionen, sind unverzüglich vom Vertriebspartner an U zurückzuzahlen und können mit anderen Provisionsansprüchen aus dieser Vereinbarung aufgerechnet werden.

Während der Vertragsdauer erhielt die Klägerin von der Beklagten laufende Provisionsabrechnungen mit einer Einzelauflistung zu den verdienten Provisionen und Vertragsstornos. Unter dem 30.11.2008 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Provisionsabrechnung, die mit einem negativen Ergebnis in Höhe von - 2.307,41 € endete (Anlage B1 zur Klageerwiderung), unter dem 21.01.2009 eine Abrechnung mit einem negativen Ergebnis von - 3.565,24 € (Anlage B2). Beiden Abrechnungen hat die Klägerin nicht widersprochen.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten nunmehr die Auszahlung folgender Provisionsabrechnungen:

Abrechnung der Beklagten vom 10.12.2008 (Anlage A3 = Bl.17 d.A.) über 9.475,38 €,

Abrechnung der Beklagten vom 22.12.2008 (Anlage A4 = Bl.18 d.A.) über 12.086,83 €,

Abrechnung der Beklagten vom 31.12.2008 (Anlage A5 = Bl.19 d.A.) über 274,89 €,

Abrechnung der Beklagten vom 07.01.2009 (Anlage A6 = Bl.20 d.A.) über 7.297,08 €.

Mit Fristsetzung zum 16.02.2009 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zur Zahlung des sich hieraus ergebenden Gesamtbetrages zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.005,40 € aufgefordert.

Die Klägerin behauptet, die sich aus den Abrechnungen vom 30.11.2008 und 21.01.2009 ergebenden Stornosalden hätten bei den der Klageforderung zugrunde liegenden Provisionsabrechnungen bereits Berücksichtigung gefunden.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.134,18 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.005,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich gegenüber der abzüglich der Stornosalden verbleibenden Provisionsforderung der Klägerin auf ein Zurückbehaltungsrecht, das sie mit Schadensersatzansprüchen wegen Pflichtverletzungen der Klägerin aus den Vertriebspartnerverträgen begründet. Hierzu trägt sie unwidersprochen vor, dass die Klägerin im November 2008 Postwurfsendungen mit dem Text "Verbraucherinformation ! Wichtige Tarif-Information zu Ihrem Strom-Anschluss ! Bitte umgehend melden unter: Tel.: (…) Bitte Stromrechnung bereit halten !" (Anlage B4 zur Klageerwiderung) an Haushalte verteilt habe, wobei sich eine Absenderangabe lediglich kleingedruckt auf der Rückseite der Sendung befand.

Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, die Klägerin habe davon ausgehen müssen, dass die angesprochenen Verbraucher glauben würden, die Postwurfsendung stamme von ihrem bisherigen Energieversorger. Die der Beklagten im Anschluss an diese Postwurfsendungen unstreitig entstandenen Verfahrenskosten aus einer auf Antrag der Stadtwerke M GmbH gegen die F GmbH und die Beklagte ergangenen Unterlassungsverfügung des Landgerichts M vom ........2008 - ... O ....../... - (Anlage B10 zur Klageewiderung) seien von der Klägerin zu ersetzen. Gleiches gelte für die Verfahrenskosten aus einer auf Antrag der G gesellschaft mbH gegen die F GmbH und ihrem Geschäftsführer ergangenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts T vom ........2009 - ... O #/... KfH - (Anlage B21) sowie einem bislang noch nicht anhängigen Hauptsacheverfahren und für die ihr entstandenen Kosten aus dem Rechtsstreit der Stadtwerke M gegen die F GmbH, deren Geschäftsführer und die Beklagte vor dem Landgericht M - ... O ...#/... -, der unstreitig ebenfalls Unterlassungsansprüche aus der Postwurfsendung zum Gegenstand hatte.

Der Rechtsstreit ... O ...#/... wurde am ........2009 durch Prozessvergleich, dem die Klägerin als Streitverkündete auf Seiten der dortigen Beklagten beigetreten ist, beendet (Anlage K9 = Bl.56 - 61 d.A.). In diesem Prozessvergleich verpflichtete sich die Beklagte unter anderem zur Zahlung von 30.000,00 € an die Stadtwerke M GmbH. Mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin aus dem Verfahren ... O ...#/..., den die Beklagte auf mindestens 15.000,00 € beziffert, erklärt die Beklagte ferner die Aufrechnung gegen die (verbleibende) Klageforderung.

Die Klägerin trägt zu den Gegenansprüchen der Beklagten unwidersprochen vor, dass die einstweilige Verfügung vom 15.01.2009 durch Urteil des Landgerichts T vom ........2009 - ... O #/... KfH - mit der entsprechenden Kostenfolge aufgehoben worden sei (Anlage K8 = Bl.48 - 55 d.A.). Sie verweist ferner darauf, dass der Prozessvergleich vom ........2009 unstreitig diverse Ordnungs- und Zwangsgeldverfahren abgegolten habe und tritt der hierauf gestützten Aufrechnung der Beklagten mit Sach- und Rechtsausführungen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 19.435,34 € aus § 87 Abs.1 HGB i.V.m. den §§ 611 Abs.1, 675 Abs.1 BGB und § 3 Ziffer 1. der Vertriebsverträge der Parteien sowie auf Ersatz der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 € aus den §§ 280 Abs.1 und Abs.3, 286 Abs.1 BGB. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.

Die tatsächlichen Voraussetzungen ihrer Provisionsforderung hat die Klägerin nur in Höhe von 23.261,53 € überprüfbar dargelegt (§ 138 Abs.1 ZPO). Denn die zur Begründung ihrer Klageforderung zu den Akten gereichten Provisionsabrechnungen waren, worauf die Kammer in der mündlichen Verhandlung im einzelnen hingewiesen hat, erkennbar unvollständig, weil die dort ausdrücklich erwähnte "Aufstellung der Einzelposten" sowie die dort am Ende bezifferten weiteren Seiten 2 von 4 beziehungsweise Seiten 2 von 5 beziehungsweise Seiten 2 von 6 fehlen. Damit ist der für die Berechnung der der Klägerin letztendlich zustehenden Ansprüche erforderliche Abgleich des Inhaltes der eingereichten Provisionsabrechnungen mit den gemäß Ziffer V.1. der Provisionsvereinbarungen der Parteien abzusetzenden Stornosummen nicht möglich. Die sich aus dieser Unklarheit ergebenden prozessualen Konsequenzen wirken sich zum Nachteil der Klägerin aus, der als Anspruchsstellerin die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe und den Gegenstand der von ihr eingeklagten Provisionsforderung obliegt (vgl. Emde in Staub, Großkommentar zum HGB, 5. Aufl. 2008, § 87 Rd.163 und 164; Löwisch/W.Hakenberg in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. 2008, § 87 Rd.63 jeweils m.w.N.). Der Umstand, dass Ziffer V.1. der Provisionsvereinbarungen die Stornohaftung als Tatbestand des Erlöschens der Provisionsforderung formuliert, der grundsätzlich von der Beklagten dazulegen und zu beweisen wäre, rechtfertigt im vorliegenden Fall keine andere Beurteilung, da zwischen den Parteien nicht die Höhe des Stornobetrages streitig ist, sondern die Frage, ob und mit welchen Provisionsansprüchen diese Stornos bereits verrechnet worden sind.

Die Höhe der sich aus den von der Beklagten vorgelegten Abrechnungen vom 30.11.2008 und 21.01.2009 ergebenden Vertragsstornos von insgesamt 5.872,65 € ist zwischen den Parteien unstreitig und damit von der Klageforderung abzusetzen. Bedenken gegen die Wirksamkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Stornohaftung bestehen nicht, da sich diese Klausel auf die Frage der tatsächlichen Voraussetzungen der Entstehung eines Provisionsanspruches der Beklagten bezieht, die von den Parteien eines Handelsvertretervertrages in den gesetzlichen Grenzen der Vertragsfreiheit einvernehmlich geregelt werden können (vgl. dazu von Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum HGB, 2. Aufl. 2005, § 87 Rd.8 und Rd.63ff. sowie § 87a Rd.25 und Rd.63) und die Nichtausführung der Geschäfte in den unter Ziffer V.1. der Provisionsvereinbarung geregelten Fällen nicht im Sinne von § 87a Abs.3 Satz 2 HGB von der Beklagten zu vertreten wäre.

Der damit verbleibende Provisionsanspruch der Klägerin von 23.261,53 € ist in Höhe von 3.826,19 € durch Aufrechnung der Beklagten mit einem ihr zustehenden Schadensersatzanspruch betreffend die Verfahrenskosten aus dem Erlass einer einstweiligen Verfügung durch das Landgericht M vom ........2008 - ... O ....../... - erloschen (§ 389 BGB).

Die in der Klageerwiderung formulierte Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes war insoweit entsprechend den §§ 133, 140 BGB in eine Aufrechnungserklärung der Beklagten umzudeuten (§ 388 Satz 1 BGB), da hinsichtlich dieses Schadensersatzbegehrens eine Aufrechnungslage besteht (§ 387 BGB) und die daraus folgende Verrechenbarkeit beider Zahlungsansprüche dem Begehren der Beklagten gerecht wird, während eine Zug um Zug Verurteilung (§ 274 Abs.1 BGB) hier weder sinnvoll noch praktikabel erscheint (vgl. BGH NJW 2000, 278, 279; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 273 Rd.14).

Der Beklagten steht ihrerseits gegen die Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von 3.826,19 € aus den §§ 280 Abs.1, 249 Abs.1, 251 Abs.1 BGB zu, da die Klägerin die ihr obliegenden Pflichten aus den Vertriebspartnerverträgen zur Einhaltung der Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 2 Ziffer 2. Satz 2 und Ziffer 5. Satz 1 und Satz 2) schuldhaft verletzt hat (§ 280 Abs.1 Satz 2 BGB) und der Beklagten dadurch ein ersatzfähiger Schaden in dieser Höhe entstanden ist. Diese sich bereits aus den zitierten gesetzlichen Regelungen ergebende Schadensersatzpflicht der Klägerin (vgl. Emde, aaO., § 86 Rd.219, S.749; von Hoyningen-Huene, aaO., § 86 Rd.68 und Rd.69) findet in § 2 Ziffer 5. und Ziffer 8. der Vertriebsverträge der Parteien noch einmal ausdrückliche Erwähnung.

Die den Gegenstand des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts M bildende Versendung der beanstandeten Postwurfsendungen im November 2008 war irreführend im Sinne der §§ 3, 4 Ziffer 3, 5 Abs.1 und Abs.2 Satz 1 Ziffer 3. UWG a.F. und damit wettbewerbswidrig, wobei diese beanstandete Handlung vor Inkrafttreten der Änderungen des UWG aufgrund des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb am 30.12.2008 (BGBl. 2008 I, S.2949) begangen worden ist und sich die Beurteilung der Zulässigkeit dieser Handlung damit nach altem Recht richtet. Denn die inhaltliche und drucktechnische Gestaltung der Postwurfsendungen barg infolge der Hinweise auf Tarif-Änderungen und die Vorlage von Stromrechnungen nach ihrem Gesamteindruck eine irreführende Verwechselungsgefahr (vgl. BGH GRUR 1968, 382, 385), weil die Sendungen von den angesprochenen durchschnittlichen Verbrauchern (vgl. zu diesem Maßstab: BGH NJW 2004, 1163, 1164) als Mitteilungen ihres derzeitigen Stromversorgers verstanden werden mussten. Dies folgt neben der eingangs zitierten Wortwahl aus der Bezugnahme der Sendung auf eine Stromrechnung sowie aus der Aufforderung, sich "umgehend" zu melden, was dem Adressaten einen Abrechnungsfehler beziehungsweise das dringende Erfordernis der Überprüfung der Stromrechnungen suggeriert. Hinter diesen blickfangmäßig besonders markanten Vorderteil der Sendungen trat der kleingedruckt auf der Rückseite der Sendungen angebrachte Hinweis auf den Absender nahezu vollständig zurück, so dass infolge dieses Gesamteindruckes die begründete Gefahr einer Verwechselung des Absenders mit dem bestehenden Stromversorger durch die Adressaten bestand und diese über die Identität des werbenden Unternehmens in die Irre geführt wurden (vgl. dazu auch BGH GRUR 2003, 249; GRUR 2000, 911, 913; GRUR 1991, 554, 555; GRUR 1975, 658, 660). Zugleich begründen diese Erwägungen den Tatbestand der Verschleierung des Werbecharakters der Wettbewerbshandlung durch derartige Postwurfsendungen (§ 4 Ziffer 3. UWG a.F.). Dass es sich bei diesen Sendungen um eine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Ziffer 1. UWG a.F. gehandelt hat, die sowohl geeignet gewesen ist, den angesprochenen Verbraucher zu einer Nachfrage und in der Folge zu einem Wechsel des Versorgers zu veranlassen (vgl. BGH GRUR 1995, 125, 126), als auch den Wettbewerb der Energieversorger nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (§ 3 UWG a.F.), bedarf hier keiner Vertiefung und wird von der Klägerin im übrigen nicht in Frage gestellt. Die Beklagten hat die von diesen Sendungen ausgehenden Irreführungsgefahren und Werbewirkungen zudem durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Zeugen L (Anlage B7) anschaulich belegt.

Die der Beklagten durch diese Maßnahmen und die daraus folgende Inanspruchnahme durch die Stadtwerke M GmbH entstandenen Verfahrenskosten sind aus den §§ 249 Abs.1 und 251 Abs.1 BGB ersatzfähig. Die Beklagte hat hierzu unwidersprochen und durch den entsprechenden Kostenfestsetzungsbeschluss (Anlage B12) nebst Überweisungsauftrag (Anlage B13) substantiiert dargelegt, Gerichts- und gegnerische Anwaltskosten in Höhe von 2.359,16 € gezahlt zu haben. Hinzu kommen die ihr entstandenen und der Höhe nach ebenfalls unstreitigen eigenen Rechtsanwaltskosten von 1.467,03 € gemäß Rechnung vom 20.01.2009 (Anlage B24).

Eine Minderung dieses Schadensersatzanspruches ist nicht zu begründen, da der Beklagten ein Mitverschulden weder in Bezug auf die Entstehung noch auf die Höhe dieses Schadensersatzanspruches (§ 254 Abs.1 und Abs.2 BGB) vorgeworfen werden kann. Soweit die Klägerin der Beklagten entgegenhält, dass diese gehalten gewesen wäre, unverzüglich auf die Abmahnung vom 17.11.2008 zu reagieren, zeigt die Beklagte einleuchtend auf, dass ihr innerhalb der gesetzten kurzen Frist bis zur Antragstellung der Stadtwerke M GmbH am 28.11.2008 keine Aufklärung der Vorwürfe möglich gewesen ist. Umstände, die zu einer abweichenden Würdigung Anlass geben könnten, zeigt die Klägerin nicht auf.

Darüber hinaus stehen der Beklagten gegen die Klägerin keine Gegenansprüche zu.

Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten kann nicht auf die einstweilige Verfügung des Landgerichts T vom ........2009 - ... O #/... KfH - gestützt werden, da es an einem ersatzpflichtigen Schaden der Beklagten fehlt. Denn die einstweilige Verfügung ist durch Urteil des Landgerichts T vom ........2009 - ... O #/... KfH -aufgehoben worden. Zugleich sind die damit verbundenen Verfahrenskosten insgesamt der G gesellschaft mbH auferlegt worden (vgl. Ziffer 3. des Urteilstenors).

Auf möglicherweise in Anbetracht des Umfanges der vertriebenen Postwurfsendungen zu erwartende weitere Verfahren gegen die Beklagte kann diese keine begründeten Einwendungen gegen die Klageforderung ableiten. Gleiches gilt für die im Rahmen des Prozessvergleiches vom ........2009 vor dem Landgericht M - ... O ...#/... - begründeten Zahlungs- und Kostenpflichten.

Die Erwartung gerichtlicher Maßnahmen anderer Wettbewerber allein begründet ungeachtet der sich mit zunehmendem Zeitablauf aufdrängenden Frage der Verjährung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche (§ 11 UWG) keinen Schadensersatzanspruch, der Gegenstand von Zurückbehaltungsrechten (arg. § 273 Abs.1 BGB) sein könnte.

Ein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des Prozessvergleiches hat die Beklagte, worauf die Kammer bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hatte, nicht schlüssig dargelegt. Ausweislich des Textes des Prozessvergleichs wurden dort verschiedene Verfahren und Begehren der Stadtwerke M GmbH vergleichsweise beigelegt (§ 779 Abs.1 BGB). Inwieweit die eingangs aufgezeigten Wettbewerbshandlungen der Klägerin dem Grunde nach zu den dort geregelten Ansprüchen der Stadtwerke M GmbH geführt haben, diese den Abschluss des Prozessvergleiches (mit-) verursacht haben und diese letztendlich zu der dort begründeten Verpflichtung der Beklagten der Höhe nach beigetragen haben sollen, lässt sich anhand des Beklagtenvorbringens nicht beurteilen. Der Beitritt der Klägerin als dortige Streitverkündete allein vermag den insoweit notwendigen schlüssigen Beklagtenvortrag nicht zu ersetzen, da sich die Klägerin in diesem Prozessvergleich weder zu einer Zahlung an die Stadtwerke M GmbH noch zu einer Freistellung der Beklagten in bestimmter Höhe verpflichtet hat. Vielmehr kommt dem Beitritt der Streitverkündeten zu diesem Vergleich lediglich klarstellende Wirkung in Bezug auf ihr möglicherweise erwachsene Kostenerstattungsansprüche zu (vgl. dazu BGH NJW-RR 2005, 1159; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 67 Rd.9a). Auf die Interventionswirkungen der §§ 68, 74 Abs.1 ZPO kann eine Gegenforderung der Beklagten nicht gestützt werden, da diese nicht durch einen Prozessvergleich, sondern nur durch ein mit den Wirkungen materieller Rechtskraft versehenes Urteil herbeigeführt werden können (Zöller/Vollkommer, aaO., § 68 Rd.4).

Schließlich kann dem Provisionsverlangen der Klägerin nicht der Einwand der Verwirkung (§ 242 BGB) entgegengesetzt werden. Denn eine derartige Rechtsfolge lässt sich in Anbetracht der gesetzlichen Wertungen des HGB, ausweislich derer ein Handelsvertreter einmal verdiente Provisionsansprüche behält, der Handelsvertreter im übrigen keinen Erfolg seiner Tätigkeit schuldet und der Unternehmer mit dem ihm eingeräumten Recht zu einer außerordentlichen Vertragskündigung (§§ 89a, 89b Abs.3 Ziffer 2. HGB) sowie begleitenden Schadensersatzansprüchen aus den §§ 280ff. BGB hinreichend geschützt ist, allenfalls in besonderen Ausnahmefällen begründen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.03.1988 - 15 U 105/87 - juris; Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 86 Rd.49; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, aaO., § 86 Rd.50; Oetker/Busche, HGB, 2009, § 84 Rd.68). Ein derartiger Ausnahmefall, wie dies etwa bei groben Verstößen gegen den Unternehmer selbst betreffende Schutz- oder Rücksichtnahmepflichten zu erwägen sein könnte (vgl. OLG Karlsruhe, aaO.; OLG Koblenz BB 1973, 866), liegt bei dem hier zu Diskussion stehenden Wettbewerbsverstoß der Klägerin indes nicht vor.

Die zugesprochenen Rechtsanwaltskosten sind aus den §§ 280 Abs.1 und Abs.3, 286 Abs.1, 249 Abs.1 BGB ersatzfähig. Die Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war allerdings bezogen auf eine nur über 19.435,34 € berechtigte Provisionsforderung auf diesen Gegenstandswert zu beschränken. Entsprechend der zutreffend berechneten Kostennote vom 05.02.2009 (Anlage A7 = Bl.21 d.A.) reduziert sich die 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale somit auf insgesamt 859,80 € netto.

Der Zinsanspruch ist aus den §§ 288 Abs.1 und 2, 286 Abs.1 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1, 92 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Ziffer 11., 711 ZPO einerseits und § 709 ZPO andererseits.

Streitwert: 29.134,18 €.






LG Bonn:
Urteil v. 15.12.2009
Az: 11 O 52/09


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