Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Januar 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 86/01

(BPatG: Beschluss v. 16.01.2002, Az.: 26 W (pat) 86/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. März 2001 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die für die Waren und Dienstleistungen

"Strom;

Verbraucherberatung in Finanz-, Abrechnungs- und Ausgabenplanungsfragen in Zusammenhang mit Stromverbrauch;

Lieferung, Verteilung und Übertragung von Strom und anderen Energieformen;

Erzeugung von Strom und anderen Energieformen; Recycling, insbes Entsorgung von Müll und Umsetzung in elektrische Energie sowie Zuleitung der gewonnenen Energie in Stromnetze;

wirtschaftliche und technische Energieberatung für Haushalt, Gewerbe und Industrie; technische Verbraucherberatung in Zusammenhang mit Elektroanlagen sowie Stromverbrauch; Unterstützung der Verbraucher bei der Steuerung des Stromverbrauchs; Untersuchungen und Verbraucherberatung zur Optimierung von Elektroanlagen"

angemeldete WortmarkeproNaturgemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Zurückweisung ist im wesentlichen damit begründet, daß die Markenelemente "pro" und "Natur" den durch die vorgesehenen Dienstleistungen angesprochenen Verbraucherkreisen unmittelbar verständlich seien, weil der Zeichenbestandteil "pro" in seinem Bedeutungsgehalt "für" auch in der inländischen Werbesprache für die unterschiedlichsten Sachverhalte und Themen häufig verwendet werde. Daß der Begriff "Natur" seit vielen Jahren gebräuchlich und auch auf dem hier maßgeblichen Dienstleistungssektor eines der am häufigsten verwendeten Werbeschlagwörter schlechthin sei, bedürfe keiner näheren Begründung. Da die angemeldete Marke zudem völlig sprachüblich gebildet sei, werde sie daher im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ohne weiteres Nachdenken im Sinne von "für die Natur" und damit lediglich als werbeüblicher Sachhinweis (umweltfreundliche Energie) verstanden werden, zumal es sich bei den betreffenden Dienstleistungen um Leistungen handele, bei denen für die Verbraucher der ökologische Aspekt seit langem von besonderer Bedeutung sei. Die angemeldete Marke beschreibe mithin aus sich heraus verständlich die naturnahe Ausrichtung der vorgesehenen Dienstleistungen und damit eine ihrer wesentlichen Eigenschaften. Aus der bloßen Aneinanderreihung zweier schutzunfähiger Wortbestandteile ergäbe sich im vorliegenden Fall kein phantasievoller, unterscheidungskräftiger Gesamtbegriff. Vielmehr stelle die Marke auch in ihrer Gesamtheit einen Sachhinweis dar, dem die angesprochenen Verbraucherkreise keinerlei betriebliche Kennzeichnungsfunktion beimessen würden. Auch die konkrete Schreibweise enthalte keine über das werbeübliche Maß hinausgehenden Elemente. Zwar könne der Ausgestaltung einer beschreibenden Aussage durchaus eine schutzbegründende Wirkung zukommen, Voraussetzung hierfür sei aber, daß die gewählte Ausformung eine gewisse Prägnanz und Eigentümlichkeit aufweise. Da die vorliegende Ausgestaltung sich jedoch lediglich in einer grammatikalisch inkorrekten Schreibweise erschöpfe, an die der Verkehr gewöhnt sei, werde er der gewählten Form keine betriebskennzeichnende Eigentümlichkeit beimessen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Gegenüber der Markenstelle hat die Anmelderin die Ansicht vertreten, daß es sich bei "proNatur" nicht um einen feststehenden, im inländischen Verkehr gängigen, allgemein verwendeten Begriff oder Fachausdruck handele. Mithin sei von einer Neuschöpfung auszugehen. Der Verkehr, der erfahrungsgemäß wenig geneigt sei, eine Gesamtbezeichnung begrifflich zu analysieren und ihr eine bestimmte Bedeutung zu entnehmen, werde die vorliegende Marke ohne nähere Überlegungen regelmäßig als eine geschlossene phantasievolle Wortneubildung und damit als Herkunftshinweis eines bestimmten Unternehmens ansehen. Allein aus der Tatsache, daß "proNatur" eine aus den beiden Worten "pro" und "Natur" zusammengesetzte Wortverbindung sei, folge noch keine Wertung als eindeutige Beschaffenheitsangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Da der Begriffsgehalt vielmehr unklar sei, sei nicht erkennbar, daß für die Mitbewerber der Markenanmelderin ein gegenwärtiges oder zukünftiges konkretes Bedürfnis bestehe, mit der angemeldeten Bezeichnung auf bestimmte konkrete Eigenschaften ihrer Erzeugnisse bzw Dienstleistungen hinzuweisen.

Demgemäß beantragt die Anmelderin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet, denn hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen stehen der begehrten Eintragung die Schutzhindernisse des § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

1. Nach § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG sind nur Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen dienen können. Zu den nach dieser Vorschrift vom Markenschutz ausgeschlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die dort ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für den Warenverkehr wichtige und für den umworbenen Abnehmerkreis irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden Waren und Dienstleistungen selbst beschreiben (BGH GRUR 1998, 813 - CHANGE; BlPMZ 1999, 410 - FOR YOU) und die entweder bereits als Sachaussage benutzt werden oder deren Benutzung als Sachaussage aufgrund konkret feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu erwarten ist (BGH GRUR 1995, 408 - PROTECH). Der Beurteilung ist dabei die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen und keine zergliedernde Betrachtungsweise vorzunehmen (BGH MarkenR 2000; 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die Anmeldung "proNatur" jedoch nicht.

Eine Verwendung der um Schutz nachsuchenden Bezeichnung als beschreibende Angabe für die von der Anmelderin beanspruchten Waren und Dienstleistungen hat die Markenstelle nicht belegt. Ebensowenig hat der Senat die erforderlichen Feststellungen zu treffen vermocht. Ein auf gegenwärtiger Benutzung beruhendes aktuelles Freihaltebedürfnis an der angemeldeten Marke als beschreibende Sachaussage ist deshalb nicht nachweisbar. Ebensowenig liegen konkrete Tatsachen vor, die dafür sprechen könnten, daß die Gesamtbezeichnung "proNatur" in Zukunft als warenbeschreibende Angabe für die im Warenverzeichnis aufgeführten Produkte und Dienstleistungen dienen könnte. Selbst wenn mit der Markenstelle davon ausgegangen wird, daß der angesprochene Verkehr der Anmeldung "proNatur" die Aussage "für die Natur" bzw "umweltfreundliche Energie" entnimmt, sagt dieser Sinngehalt nichts Eindeutiges, Konkretes darüber aus, wodurch bzw inwiefern die beanspruchten Waren und Dienstleistungen umweltfreundlich sind oder zum Schutz der Umwelt beitragen. Die Annahme der Markenstelle, daß mit "proNatur" etwa umweltfreundliche Energie unter (besonderer) Beachtung ökologischer Aspekte angeboten wird, ist nicht geeignet, die betreffenden Energieträger und Energieberatungsleistungen eindeutig zu beschreiben. So sagt "proNatur" zB nichts darüber aus, auf welche Art und Weise der betreffende "Strom" gewonnen wurde; ebensowenig sagt "proNatur" etwas darüber aus, durch welche Empfehlungen etwa der Verbrauch der Stromabnehmer verringert werden könnte. Damit liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, daß im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen in Zukunft eine Benutzung der angemeldeten Gesamtbezeichnung als eindeutige Sachangabe erfolgen könnte.

2. Ebensowenig kann der Marke jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Absatz 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrunde liegenden Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden, zumal der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann mithin einer Wortmarke kein für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch nicht um eine gebräuchliche Bezeichnung, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung (vgl BGH WRP 1998, 495 - TODAY) - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl BGH MarkenR 1999; 349 - YES).

Hiervon ausgehend kann der Bezeichnung "proNatur" nicht die erforderliche Unterscheidungseignung abgesprochen werden. Eine warenbeschreibende Aussage, die auf bestimmte Eigenschaften des in Frage stehenden Energieträgers und der Beratungsleistungen selbst Bezug nimmt, stellt diese Bezeichnung - wie dargelegt - nicht dar. Ebensowenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, daß der Verkehr etwa durch eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung in der Werbung als schlagwortartige Aussage daran gewöhnt sein könnte, in ihr in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Marke mehr zu sehen.

Der angefochtene Beschluß war mithin aufzuheben.

Kraft Reker Ederbr/prö






BPatG:
Beschluss v. 16.01.2002
Az: 26 W (pat) 86/01


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