Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Oktober 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 96/03

(BPatG: Beschluss v. 08.10.2003, Az.: 28 W (pat) 96/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 12 des DPMA vom 8. Januar 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch hinsichtlich der Waren "Autozubehör, nämlich Zubehörteile für die Innenausstattung und zwar Lenkräder, Schaltknöpfe, Sitze, Sitzbezüge, Innengarnituren in Form von Dachhimmeln, Türverkleidungen und Teppichböden aus Bezugsstoff" zurückgewiesen worden ist.

Auch insoweit wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 26 265 die Löschung der jüngeren Marke 399 01 245 angeordnet.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 399 01 245 die Marke TT-Sportfür diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 12 und 37, darunter Autozubehör, nämlich Zubehörteile für die Innenausstattung und zwar Lenkräder, Schaltknöpfe, Sitze, Sitzbezüge, Innengarnituren in Form von Dachhimmeln, Türverkleidungen und Teppichböden aus Bezugsstoff.

Die Inhaberin der rangälteren Marke 395 26 265 TT die unter anderem für "Kraftfahrzeuge und deren konstruktionsbedingte Teile" eingetragen ist, hat beschränkt auf die Waren Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 12 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, hinsichtlich der oben genannten Waren aber den Widerspruch mangels Warenähnlichkeit zurückgewiesen.

Bei der Entscheidung hat sie einen Schriftsatz der Markeninhaberin vom 14. Dezember 2000 verwendet, von dem die Widersprechende keine Kenntnis erhalten hatte. In diesem Schriftsatz hat die Markeninhaberin Ausführungen zur Warenähnlichkeit und zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gemacht, denen sich die Markenstelle anschloss.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und sich gegen die behauptete Kennzeichnungsschwäche gewandt. Auch seien die Waren erheblich ähnlich, so dass Verwechslungsgefahr vorliege.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch zum rechtlichen Hinweis des Gerichts, dass zwischen den "Zubehörteilen für die Innenausstattung" und den "konstruktionsbedingten Teilen" von Kraftfahrzeugen eine Warenidentität bestehen dürfte, keine Stellung genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG) und hat Erfolg.

I. In die Beschlussfassung ist substantiell ein Schriftsatz der Markeninhaberin eingeflossen, von dem die - zum Teil - unterlegene Widersprechende keine Kenntnis hatte. Damit hat die Markenstelle gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs des § 103 Abs 1 GG (und des § 59 Abs 2 MarkenG) verstoßen, wonach jeder an einem Verfahren Beteiligte Anspruch darauf hat zu erfahren, welche Unterlagen des Gegners bei der Entscheidung vorliegen. Dieser Anspruch ist nicht auf den tatsächlichen Sachvortrag beschränkt, sondern umfasst auch die rechtliche Ausführungen (st Rspr zB BverfG, NJW 2002, 1334). Ein faires Verfahren, auf das jeder an einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Beteiligte Anspruch hat, ist nur dann gewährleistet, wenn sämtliche Schriftsätze eines Beteiligten dem Gegner unverzüglich zur Kenntnis gebracht werden (vgl Ströbele, Hacker, MarkenG, 7. Aufl. § 59 Rdz 26, 27). Nur in Ausnahmefällen mag eine andere Handhabung gerechtfertigt sein, so zB wenn sich der betreffende Schriftsatz im wesentlichen auf Wiederholungen beschränkt und die Entscheidung unmittelbar bevorsteht. Das Behalten eines Schriftsatzes über einen Zeitraum von über zwei Jahren ist durch nichts gerechtfertigt, insbesondere dann nicht, wenn sich die Markenstelle den dort vorgetragenen Ausführungen anschließt.

Von einer Zurückverweisung wurde abgesehen, denn diese würde das Verfahren verzögern und liegt nicht im Interesse der durch den Verfahrensfehler betroffenen Widersprechenden.

II. Zwischen den Marken besteht auch in Hinblick auf die sich hier noch im Streit befindlichen Waren eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Markenstelle hat eine Warenähnlichkeit zwischen den Waren der Widersprechenden und "Autozubehör, nämlich Zubehörteile für die Außenausstattung" bejaht, eine solche aber - ohne jede Begründung - für "Autozubehör, nämlich Zubehörteile für die Innenausstattung" verneint. Demgegenüber ist bezüglich der "Lenkräder, Schaltknöpfe, Sitze" sogar von Warenidentität auszugehen, denn diese Teile sind zur ordnungsgemäßen Funktion eines Kraftfahrzeuges notwendig und damit "konstruktionsbedingte Teile". Die andern Waren als übliches, wenn auch nicht unbedingt notwendiges Zubehör der Innenausstattung sind zumindest im mittleren Bereich warenähnlich.

Die Widerspruchsmarke kann einen durchschnittlichen Schutzumfang beanspruchen, denn selbst wenn Buchstaben auf dem Kraftfahrzeugsektor wegen deren häufiger Verwendung als Typ oder Serienzeichen eine nur geringe Aussagekraft hätten - wovon in der von der Markenstelle ausgeführten Allgemeinheit nicht ausgegangen werden kann, denn es fehlt jeder Nachweis, dass TT beschreibende Anklänge hätte - , so wäre eine solche mögliche ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche doch durch die bereits im Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke (12.1.1999) bestehende weite Verbreitung und Bekanntheit der Kennzeichnung ausgeglichen gewesen. Dies bestätigt auch eine Nachschau zB in der Süddeutschen Zeitung (elektronische Ausgabe des Jahrgang 1999), in der im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen wiederholt TT in Alleinstellung auftaucht, womit unterstellt wird, der Leser weiß von welchem Produkt und welchen Hersteller die Rede ist.

Vor diesem Hintergrund reicht der Abstand der Marken TT-Sport und TT nicht aus um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Dies ergibt sich schon beim unmittelbaren Vergleich der Marken, denn der Bestandteil "Sport" ist unmittelbar beschreibend als Sportversion eines Fahrzeugs und tritt daher bei der Bestimmung des Gesamteindrucks der Marke zurück. Bei Gegenüberstellung des allein prägenden TT in der jüngeren Marke, besteht aber volle Übereinstimmung der Marken. Hinzu kommt, dass eine Verwechslungsgefahr auch in mittelbarer Hinsicht gegeben ist, denn der Zusatz Sport findet sich bei mehreren Automarken (zB Volvo V 40 t4 Sport, Seat Leon Sport, Peugeot 460 Sport usw) und könnte somit bei dem Verbraucher, der die ältere Marke kennt, als Sportausführung dieses Produkt gesehen werden.

Die Beschwerde hat damit Erfolg.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

Von einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 66 Abs 5 Satz 2 MarkenG wurde abgesehen. Zwar rechtfertigt die Verletzung des rechtlichen Gehörs regelmäßig eine derartige Entscheidung, die Beschwerdeführerin hat sich aber nicht darauf berufen und der Rechtsverstoß dürfte für die Entscheidung nicht kausal gewesen sein.

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Beschluss v. 08.10.2003
Az: 28 W (pat) 96/03


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