Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. März 2004
Aktenzeichen: 15 W (pat) 54/03

(BPatG: Beschluss v. 11.03.2004, Az.: 15 W (pat) 54/03)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 11. März 1997 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 197 09 991 mit der Bezeichnung

"Waschmittelpressling und Verfahren zu seiner Herstellung"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 23. Dezember 1999.

Nach Prüfung der erhobenen Einsprüche wurde das Patent durch Beschluss der Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2003 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 16 gemäß DE 197 09 991 C2 zugrunde. Sie haben folgenden Wortlaut:

"1. Waschmittelpreßling, der eine pulver- und/oder granulatförmigen Waschmittelzusammensetzung und ein eingemischtes Sprengmittel aus kleinteiligem cellulosehaltigen Material umfasst und nach dem Einbringen in Flüssigkeit zur alsbaldigen Auflösung/Dispergierung unter Freigabe seiner Inhaltsstoffe bestimmt ist, dadurch gekennzeichnet, dass er aus einer Mischung der Waschmittelzusammensetzung mit einem Sprengmittel gepresst ist, welches feinstteiliges cellulosehaltiges Material in unter mechanischem Druck kompaktierter und dann granulierter Form umfasst.

2. Waschmittelpreßling nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Waschmittelzusammensetzung die Teilchengröße des Ausgangsmaterials 20 bis 200 µm, vorzugsweise 40 µm bis 60 um beträgt.

3. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das kompaktierte Granulat eine Dichte von 0,5 bis 1,5 g/cm3 aufweist.

4. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das kompaktierte Granulat des cellulosehaltigen Materials eine Partikelgröße von 0,2 bis 6,0 mm aufweist.

5. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Gewichtsanteil des kompaktierten cellulosehaltigen Materials an dem fertigen Waschmittelpreßling 3 bis 6 Prozent beträgt.

6. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass er zusätzlich einen Anteil an kleinteiligem nichtkompaktierten cellulosehaltigen Material umfasst.

7. Waschmittelpreßling nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Gewichtsanteil des nichtkompaktierten cellulosehaltigen Materials an dem fertigen Waschmittelpreßling 1 bis 3 Prozent beträgt.

8. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass das in dem Waschmittelpreßling enthaltene cellulosehaltige Material eine Beschichtung mit einem Quell- bzw. Verdickungsmittel aufweist.

9. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass das in dem Waschmittelpreßling enthaltene cellulosehaltige Material eine Beschichtung mit einem Tensid aufweist.

10. Waschmittelpreßling nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Waschmittelpreßling das Tensid in einem Gewichtsanteil von 0,5 bis 2,0 Prozent des fertigen Waschmittelpreßlings enthält.

11. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Waschmittelpreßling fibrilliertes cellulosehaltiges Material enthält.

12. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Waschmittelpreßling aus einer Mischung der pulverförmigen oder granulatartigen Inhaltsstoffe mit dem kleinteiligen, cellulosehaltigen Material trocken gepresst ist.

13. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das cellulosehaltige Material TMP (Thermo Mechanical Pulp) ist.

14. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass das cellulosehaltige Material CTMP (Chemo Thermo Mechanical Pulp) ist.

15. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass die größte Abmessung des Waschmittelpreßlings 1 bis 10 cm, vorzugsweise 2 bis 4 cm beträgt.

16. Verfahren zur Herstellung eines Waschmittelpreßlings, der eine pulver- und/oder granulatförmige Waschmittelzusammensetzung und ein eingemischtes Sprengmittel aus kleinteiligem cellulosehaltigen Material umfasst und nach dem Einbringen in Flüssigkeit zur alsbaldigen Auflösung/Dispergierung unter Freigabe seiner Inhaltsstoffe bestimmt ist, dadurch gekennzeichnet, dass feinstteiliges cellulosehaltiges Material unter mechanischem Druck kompaktiert und das kompaktierte Material zu dem Sprengmittel granuliert wird und dann die Vermischung mit der Waschmittelzusammensetzung und das Verpressen der Mischung zu dem Waschmittelpreßling erfolgen."

Die Aufrechterhaltung des Patents wurde hauptsächlich damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, dem beanspruchten Waschmittelpressling fehle es gegenüber der US 4 269 859 (3) bereits an der erforderlichen Neuheit, da die kompaktierten Cellulosegranulate gemäß (3), die, wie schon die Einspruchsabteilung festgestellt habe, mit dem Sprengmittelgranulat gemäß Streitpatent nicht nur stofflich übereinstimmten sondern darüber hinaus in ihrer Anwendung als Sprengmittel in einer beliebigen Art von Tablette, somit auch in einer darunter mitzulesenden Waschmitteltablette, vorbeschrieben seien. Außerdem habe die Einspruchsabteilung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit den vorliegenden Stand der Technik nicht genügend gewürdigt, insbesondere insofern, als sie zwar festgestellt habe, dass der Fachmann auf dem Gebiet der Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteltabletten auch im Bereich der Tablettierung von Pharmazeutika nach einer Lösung der ihm gestellten Aufgabe suchen werde, jedoch die Lehre der Druckschrift (3) betreffend kompaktierte Cellulosegranulate mangels des Hinweises auf eine gute bzw. überlegene Sprengwirkung nicht in Betracht gezogen hätte. Der Irrtum der Einspruchsabteilung liege in der Annahme, dass der Fachmann die Druckschrift (3) nur dann in Betracht gezogen hätte, falls er die Rieselfähigkeit oder die Bindungseigenschaften der Tablettierhilfen habe optimieren wollen (vgl Schrifts v 6. November 2003 S 1 le Abs bis S 2 Z 4 sowie S 2 Abs 3 iVm S 3 Abs 3 Z 4 ff).

Die Patentinhaber wenden demgegenüber ein, die Druckschrift (3) befasse sich in ihrer konkreten Offenbarung betreffend den Tablettenzerfall lediglich mit aus 100% kompaktiertem Cellulosegranulat hergestellten Tabletten. Eine im Vergleich zu herkömmlicher Cellulose überlegene Sprengwirkung könne der Fachmann daraus nicht entnehmen. Somit habe auch die Einarbeitung des kompaktierten Cellulosegranulats gemäß (3) in aus verschiedenen Entgegenhaltungen bekannte Waschmittelformulierungen zur Herstellung von Waschmittelpresslingen nicht nahegelegen (vgl Schrifts v 9. Januar 2004 insbes S 2 Abs 4 und 5 sowie S 3 Abs 3 und 4). Desweiteren verweisen die Patentinhaber auf den Zeitfaktor als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit. Von der Veröffentlichung der Druckschrift (3) bis zur streitpatentgemäßen Anmeldung seien 16 Jahre vergangen (vgl Schrifts v 9. Januar 2004 S 5).

In der mündlichen Verhandlung am 11. März 2004, zu der für die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin 1) trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen ist, erklärte die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin 2) die Teilung des Patents. Desweiteren reicht die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin 2) einen Hilfsantrag mit den Patentansprüchen 1 bis 15 folgenden Wortlauts ein:

"1. Waschmittelpreßling, der eine pulver- und/oder granulatförmigen Waschmittelzusammensetzung und ein eingemischtes Sprengmittel aus kleinteiligem cellulosehaltigen Material umfasst und nach dem Einbringen in Flüssigkeit zur alsbaldigen Auflösung/Dispergierung unter Freigabe seiner Inhaltsstoffe bestimmt ist, dadurch gekennzeichnet, dass er aus einer Mischung der Waschmittelzusammensetzung mit einem Sprengmittel gepresst ist, welches feinstteiliges cellulosehaltiges Material in unter mechanischem Druck kompaktierter und dann granulierter Form umfasst, wobeider Gewichtsanteil des kompaktierten cellulosehaltigen Materials an dem fertigen Waschmittelpreßling 3 bis 6 Prozent beträgt.

2. Waschmittelpreßling nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Waschmittelzusammensetzung die Teilchengröße des Ausgangsmaterials 20 bis 200 µm, vorzugsweise 40 µm bis 60 µm beträgt.

3. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das kompaktierte Granulat eine Dichte von 0,5 bis 1,5 g/cm3 aufweist.

4. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das kompaktierte Granulat des cellulosehaltigen Materials eine Partikelgröße von 0,2 bis 6,0 mm aufweist.

5. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass er zusätzlich einen Anteil an kleinteiligem nichtkompaktierten cellulosehaltigen Material umfasst.

6. Waschmittelpreßling nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Gewichtsanteil des nichtkompaktierten cellulosehaltigen Materials an dem fertigen Waschmittelpreßling 1 bis 3 Prozent beträgt.

7. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass das in dem Waschmittelpreßling enthaltene cellulosehaltige Material eine Beschichtung mit einem Quell- bzw. Verdickungsmittel aufweist.

8. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass das in dem Waschmittelpreßling enthaltene cellulosehaltige Material eine Beschichtung mit einem Tensid aufweist.

9. Waschmittelpreßling nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Waschmittelpreßling das Tensid in einem Gewichtsanteil von 0,5 bis 2,0 Prozent des fertigen Waschmittelpreßlings enthält.

10. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Waschmittelpreßling fibrilliertes cellulosehaltiges Material enthält.

11. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass der Waschmittelpreßling aus einer Mischung der pulverförmigen oder granulatartigen Inhaltsstoffe mit dem kleinteiligen, cellulosehaltigen Material trocken gepresst ist.

12. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 11, dadurch gekennzeichnet, dass das cellulosehaltige Material TMP (Thermo Mechanical Pulp) ist.

13. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 12, dadurch gekennzeichnet, dass das cellulosehaltige Material CTMP (Chemo Thermo Mechanical Pulp) ist.

14. Waschmittelpreßling nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die größte Abmessung des Waschmittelpreßlings 1 bis 10 cm, vorzugsweise 2 bis 4 cm beträgt.

15. Verfahren zur Herstellung eines Waschmittelpreßlings, der eine pulver- und/oder granulatförmige Waschmittelzusammensetzung und ein eingemischtes Sprengmittel aus kleinteiligem cellulosehaltigen Material umfasst und nach dem Einbringen in Flüssigkeit zur alsbaldigen Auflösung/Dispergierung unter Freigabe seiner Inhaltsstoffe bestimmt ist, dadurch gekennzeichnet, dass feinstteiliges cellulosehaltiges Material unter mechanischem Druck kompaktiert und das kompaktierte Material zu dem Sprengmittel granuliert wird und dann die Vermischung mit der Waschmittelzusammensetzung und das Verpressen der Mischung zu dem Waschmittelpreßling erfolgen, wobei der Gewichtsanteil des kompaktierten cellulosehaltigen Materials an dem fertigen Waschmittelpreßling 3 bis 6 Prozent beträgt."

Die Beschwerdeführerin und Einsprechende vertritt die Auffassung, dass die Abgabe der Teilungserklärung unzulässig sei, weil die Patentinhaberin 1) nicht an der Abgabe dieser Erklärung beteiligt ist. Entsprechendes gelte für die Stellung des Hilfsantrags, wobei sie anregt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen für den Fall, dass das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags aufrechterhalten werde.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin zu 2) stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten gemäß dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 - 15 in Verbindung mit einer ggf anzupassenden Beschreibung, 1 Seite Zeichnungen mit Figuren 1 - 3 aus der DE 197 09 991 C2.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig (PatG § 73). Sie ist auch begründet.

Die abgegebene Teilungserklärung hindert nicht den Fortgang des Beschwerdeverfahrens und eine abschließende Entscheidung über das Stammpatent (BGH, GRUR 2003, 781 - Basisstation).

1. Die Einsprechende hat die Zulässigkeit der Abgabe der Teilungserklärung durch die Patentinhaberin 2) ohne (ausdrückliche) Zustimmung durch die Patentinhaberin 1) in Frage gestellt.

Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Abgabe einer Teilungserklärung allein durch die Patentinhaberin 2) auch ohne Zustimmung der Patentinhaberin 1) zulässig ist. Dies ergibt sich aus § 62 ZPO und §§ 705, 744 BGB.

Die Verwaltung des Patents stehen der Patentinhaberin 1) und der Patentinhaberin 2) gemeinschaftlich zu. Sie bilden eine notwendige Streitgenossenschaft, aus der jeder Teilhaber berechtigt ist, die zur Erhaltung des Patents notwendigen Maßnahmen auch ohne Zustimmung des anderen zu treffen.

Im vorliegenden Fall hat die Patentinhaberin 1) den anberaumten Verhandlungstermin, zu dem sie ordnungsgemäß geladen war, versäumt mit der Folge, dass sie als durch den Patentinhaber 2) vertreten anzusehen ist und die durch den Patentinhaber 2) abgegebene Teilungserklärung damit zulässig ist.

Für den Fortgang des Verfahrens betreffend das Stammpatent ist die Frage der Zulässigkeit ebenso wie die Wirksamkeit der Teilungserklärung sowie das Schicksal der Trennanmeldung ohnehin unbeachtlich (vgl BGH, GRUR 2003, 781 - Basisstation; BGH, Sammelhefter), sodass über das Stammpatent nach Antragslage entschieden werden kann.

2. Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 16 nach Hauptantrag und der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 15 nach Hilfsantrag bestehen keine Bedenken, da sich deren Merkmale sowohl unmittelbar aus den ursprünglichen Unterlagen (vgl Erstunterlagen Anspr 1 bis 4 iVm S 10 Z 2 sowie Anspr 9) als auch unmittelbar aus dem Streitpatent in der erteilten Fassung (vgl StreitPS Anspr sowie Anspr 5) ergeben.

Die Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents, die in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Variante des geltenden Patentanspruchs 3 iVm der Beschreibung Sp 3 Z 52 bis 57 des Streitpatents unter gleichzeitigem Verweis auf den Einspruchsschriftsatz vom 18. Februar 2000 (vgl aaO S 7 Abs 1 und 2) angegriffen wurde, ist anzuerkennen. Denn zum einen steht außer Frage, dass nach der Lehre des Patentanspruchs 1 pulver- und/oder granulatförmige Waschmittelzusammensetzungen sowie kleinteilige Sprengmittel aus feinstteiligem, cellulosehaltigem, kompaktiertem und granuliertem Material unter mechanischem Druck ohne weiteres zu Waschmitteltabletten verpressbar sind. Die unter Bezugnahme auf die betreffende Textstelle in der Beschreibung des Streitpatents (vgl Sp 3 Z 52 bis 58) vorgetragenen Bedenken der Einsprechenden beziehen sich zudem auf die Frage nach der Qualität bzw. den vorteilhaften Eigenschaften eines Waschmittelpressling im beanspruchten Umfang. Zum anderen genügt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Beschreibung wenigstens eines ausführbaren Weges (vgl BGH "Taxol", GRUR 2001, 813), der gemäß Streitpatent anhand des Einsatzes von TMP oder CTMP als cellulosehaltigem Material aufgezeigt und damit gegeben ist (vgl StreitPS Sp 4 Z 49 bis Sp 6 Z 6).

Die von der Einsprechenden bemühte Frage, ob der Fachmann dem Gesamtoffenbarungsgehalt der Druckschrift US 4 269 859 (3) auch die Anwendung des dort als Sprengmittel beschriebenen kompaktierten Cellulosegranulat in Waschmitteltabletten entnehmen wird und es einem Waschmittelpressling gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag oder Hilfsantrag bereits an der erforderlichen Neuheit mangelt, brauchte hier nicht entschieden werden.

Denn die Bereitstellung eines Waschmittelpresslings mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag oder Hilfsantrag beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die darin besteht, einen gattungsgemäßen Waschmittelpressling so auszugestalten, dass er nach dem Einbringen in die Flüssigkeit rasch desintegriert und die Inhaltsstoffe freisetzt, so dass sie in der Flüssigkeit verteilbar sind (vgl StreitPS Sp 2 Z 13 bis 17).

Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Hauptantrag durch einen

(1) Waschmittelpressling

(1.1) gepresst aus einer Mischung der Waschmittelzusammensetzung miteinem Sprengmittel,

(1.2) der nach dem Einbringen in Flüssigkeit zur alsbaldigen Auflösung/

Dispergierung unter Freigabe seiner Inhaltsstoffe bestimmt ist, umfassend

(2) eine Waschmittelzusammensetzung

(2.1) pulverförmigund/oder

(2.2) granulatförmig

(3) ein eingemischtes Sprengmittel

(3.1) aus kleinteiligem (bzw. feinstteiligem) cellulosehaltigen Material

(3.2) in unter mechanischem Druck kompaktierter und dann granulierter Form.

In der Lösung gemäß Hilfsantrag weist der Waschmittelpressling als zusätzliches Merkmal

(3.3) einen Gewichtsanteil des kompaktierten cellulosehaltigen Materialsam fertigen Waschmittelpressling von 3 bis 6 Prozentauf.

Diese Lösungen waren indessen für einen Fachmann ausgehend vom druckschriftlichen Stand der Technik betreffend Wasch- und Reinigungsmitteltabletten naheliegend.

Wie aus den jeweils Waschmittelpresslinge enthaltend Sprengmittel und somit Gegenstände mit den Merkmalen 1, 1.1, 1.2 sowie 2 betreffenden Druckschriften US 5 407 594 (6) und EP 466 485 A2 (14) zu entnehmen ist, wird sich der mit der Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteltabletten befasste und vertraute Fachmann bei der Suche nach geeigneten Sprengmitteln in erster Linie an der Tablettenfertigung auf pharmazeutischem Gebiet orientieren (vgl (6) Sp 3 Z 62 bis Sp 4 Z 55; (14) S 5 Z 1 bis 23). Dort erhält er unter anderem den Hinweis auf die Anwendbarkeit verschiedener Cellulosen oder Cellulosederivate als physikalisch wirkende Sprengmittel (vgl (6) Sp 4 Z 22 bis 36; (14) Anspr 1 iVm 14). Beispielhaft belegt findet er ein solches Vorgehen in der EP 523 099 B1 (8), worin Wasch- und Reinigungsmittel beschreiben sind, die mikrokristalline Cellulose als Sprengmittel auf Cellulosebasis enthalten (vgl (8) S 7 Z 34 bis 48 iVm S 11 bis 12 Beisp 2 bis 4).

Bei der Suche im pharmazeutischen Anwendungsbereich nach weiteren geeigneten Sprengmitteln auf Cellulosebasis für Wasch- und Reinigungsmitteltabletten wird der Fachmann zwangsläufig auf die US 4 269 859 (3) stoßen, welche die Herstellung kompaktierter Cellulosegranulate mit - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - sämtlichen stofflichen Merkmalen 3, 3.1, 3.2 des eingemischten Sprengmittels gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sowie deren Anwendung im Gemisch mit pharmazeutischen Exzipientien und Bindemitteln zur Fertigung von gepressten Tabletten lehrt (vgl (3) Sp 2 Z 13 bis 37 iVm Sp 3 Z 55 bis Sp 4 Z 18), und damit unmittelbar und ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gelangen.

Der Senat kann nicht feststellen, dass die Druckschrift (3) Anhaltspunkte liefert, die einen Fachmann von der Anwendung solcher kompaktierter und granulierter Cellulose zur Fertigung von Waschmitteltabletten bzw. -presslingen hätten abhalten können. Weder wird in (3) der Anwendungsbereich Waschmitteltabletten expressis verbis ausgeschlossen noch sind für die kompaktierten Cellulosegranulate und Tablettenpresslinge in (3) Eigenschaften beschrieben, die dem Fachmann eine Anwendung auf Waschmittelzusammensetzungen und deren Inhaltsstoffe hätten wenig erfolgversprechend oder gar aussichtslos erscheinen lassen.

Vielmehr gibt die Druckschrift (3) nicht nur die Anregung, bisher zur Verfügung stehende Cellulosematerialien unter dem Gesichtpunkt gut rieselfähiger Teilchen, guter Bindemitteleigenschaften im Gemisch mit den Tablettenbestandteilen und eine angemessene Zerfallsgeschwindigkeit in wässriger Lösung oder im Magensaft bei gleichzeitig erforderlicher Tablettenstabiliät durch Cellulosematerial gemäß (3) zu ersetzen (vgl (3) Sp 1 Z 42 bis 61), sondern es werden darin auch Gründe genannt, die eine besondere Qualität solcher Tablettenpresslinge erwarten lassen. So wird für Tabletten, die aus 100 % des kompaktierten Cellulosegranulats auf übliche Weise verpresst wurden, ein schneller Zerfall mit befriedigender Zerfallsgeschwindigkeit beschrieben bei jeweils angemessener Bindungskapazität, Härte und Lagerstabilität sowie bei angemessener Rieselfähigkeit des zur Tablettierung eingesetzten Granulats (vgl (3) Sp 8 Z 12 bis 43). Zudem ergibt die Beimischung von 50 Gew.-% Calciumhydrogenphosphat als pharmazeutisches Exzipiens zu kompaktiertem Cellulosegranulat nach Verpressung demgegenüber eine Erhöhung der Tablettenhärte, ohne dass die Zerfallsgeschwindigkeit davon nachteilig beeinflusst wird (vgl (3) Sp 9 Z 49 bis 60). Herausgestellt werden zudem die Stabilität und Elastizität des Ausgangsmaterials (vgl (3) Sp 3 Z 55 bis Sp 4 Z 6 inbes Z 1 bis 6).

Gerade weil somit gemäß (3) die - nach den Ausführungen der Patentinhaberin (vgl Schrifts v 9. Januar 2004 S 6 Abs 4) - konträren Anforderungen an Bruchfestigkeit und Abriebfestigkeit einerseits und an eine ausreichende Sprengwirkung andererseits erfüllt werden können, wird der Fachmann den Blick nicht von der Lehre der Druckschrift (3) abwenden und somit auch nicht umhin können, das kompaktierte Cellulosegranulat gemäß (3) anstelle üblicher, diesbezüglich nachteiliger Cellulosen und Cellulosederivate in Betracht ziehen.

Dem Vortrag der Patentinhaberin 2) in der mündlichen Verhandlung, der Fachmann hätte die Druckschrift (3) zur Fertigung von Waschmittelpresslingen schon deshalb nicht in Betracht gezogen, weil gemäß (3) ein Tablettenpressling nur mit reiner Cellulose oder mit 50 Gew.-% Calciumhydrogenphosphat gefertigt werde, was wohl der üblichen Praxis eines hohen Sprengmittelanteils auf pharmazeutischem Gebiet entspreche, wogegen bei Wasch- und Reinigungsmitteltabletten der Anteil an Sprengmittel wesentlich niedriger liege, kann der Senat schon deshalb nicht beitreten, weil es gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag auf den Anteil des Sprengmittels an der Zusammensetzung des Waschmittelpresslings ersichtlich nicht ankommt.

Auch das Fehlen eines Hinweises in (3) auf eine überlegene Sprengwirkung des in (3) beschriebenen kompaktierten Cellulosegranulats gegenüber herkömmlicher Cellulose führt nicht dazu, dass der Fachmann die Druckschrift (3) unberücksichtigt lassen wird. Denn wie die Einsprechende unter Verweis auf die Ausführungen in der Druckschrift (3) in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt hat, kommt es dem Fachmann auf eine gegebenenfalls überlegene Sprengwirkung allein nicht an. Ebenso von besonderer Bedeutung sind für ihn die Rieselfähigkeit und Bindungseigenschaften von Bestandteilen, die einer Tablettenpresse zugeführt und verpresst werden, sowie die Härte bzw. Stabilität des Tablettenpresslings (vgl (3) Sp 1 Z 42 bis 51).

Dass es nicht allein auf eine überlegene Sprengwirkung sondern vielmehr auf eine Optimierung hinsichtlich Handhabbarkeit, Abriebfestigkeit, Bruchfestigkeit einerseits und hinreichend raschem Zerfall der Tablettenpresslinge andererseits ankommt, wird im Übrigen auch in der Streitpatentschrift nicht in Abrede gestellt (vgl aaO Sp 1 Z 51 bis 59 iVm Sp 3 Z 52 bis 58).

Daher sind nach Ansicht des Senats die Angaben in (3) zu den zu erwartenden Eigenschaften von mittels kompaktierter Cellulosegranulate gefertiger Tablettenpresslinge für den Fachmann ausreichend, um die Verwendung solchen Materials auf Waschmittelzusammensetzungen grundsätzlich in Erwägung zu ziehen. Zahlenmäßig besondere Effekte, beispielsweise hinsichtlich der Zerfallsgeschwindigkeit, stellen sich dann in Abhängigkeit von den weiteren üblichen Bestandteilen sowie deren Anteil an der Gesamtzusammensetzung zwangsläufig ein.

Dem Vorbringen der Patentinhaberin zum Zeitfaktor als Beweisanzeichen hat die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung - anders als im Einspruchsverfahren vor der Patentabteilung (vgl hierzu Beschluss v 30. Juli 2003 S 12 le Abs bis S 3 Abs 1) - widersprochen. Den Vortrag der Einsprechenden, wonach erst seit Anfang der neunziger Jahre ein echtes Bedürfnis zur Herstellung von Waschmitteltabletten bestanden hat, erachtet der Senat im Hinblick auf die Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung (vgl Schrifts v 9. Januar 2004 S 7 Abs 2) sowie den Zeitrang sämtlicher vorgebrachter Druckschriften, die Waschmittelzusammensetzungen in Tablettenform beschreiben (vgl (2), (3), (6), (8), (13) bis (16), (18), (19)) als zutreffend. Damit reduzieren sich aber die seit der Beschreibung der Lehre in (3) bis zum Anmeldetag des Streitpatents vergangenen 16-18 Jahre auf eine tatsächliche Zeitspanne von weniger als 7 Jahre. Unter Berücksichtigung eines bis zur Entwicklung und Marktreife erfahrungsgemäß stets erforderlichen zusätzlichen Zeitaufwands greift das Beweisanzeichen "Zeitfaktor" in vorliegendem Fall nicht, sodass es auch einer Klärung der in der mündlichen Verhandlung streitigen Frage nach dem genauen Zeitpunkt der Markteinführung der ersten Waschmitteltablette in Europa - nach dem Vortrag der Einsprechenden 1995/1996 das Produkt "Calgon Tabs" der Fa. Benckiser, von der Patentinhaberin mit Nichtwissen bestritten - nicht bedurfte.

Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist somit mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

Aber auch in der Festlegung auf einen Anteilsbereich von 3 bis 6 Gew.-% kompaktierter Cellulose gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag kann der Senat kein erfinderisches Zutun erkennen, da bei Waschmittelpresslingen bzw. -tabletten mit Sprengmitteln auf Cellulosebasis gerade dieser Anteilsbereich bzw. Teilbereiche davon und somit das Merkmal 3.3 im Blickfeld des Fachmanns gelegen haben (vgl (6) Sp 4 Z 53 bis 55 "...0.1 to 10 wt%, more preferably from 1 to 5 wt%"; (8) S 7 Z 47 bis 48 "...zwischen 5 und 10 Gew.-%...").

Auch hier kann dem Vortrag der Patentinhaberin zum Offenbarungsgehalt der Druckschrift (3) nicht gefolgt werden, weil die Lehre der Druckschrift (3) zum Einsatz kompaktierter und granulierter Cellulose als Sprengmittel in Tablettenpresslingen und damit der Gesamtoffenbarungsgehalt über die Ausführungsbeispiele mit 100% sowie mit 50% Sprengmittelanteil hinausgeht. Dies ergibt sich bereits aus der Beschreibung der Druckschrift (3), wonach innige Mischungen des betreffenden kompaktierten Cellulosegranulats mit einem oder mehreren üblichen Exzipientien, Zusatzstoffen und Bindemitteln nach Belieben und damit ohne Begrenzung der Mischungsverhältnisse zum Einsatz gelangen können (vgl aaO Sp 8 Z 45 bis 64).

Dass der Fachmann der Druckschrift (3) auch Anteile kompaktierter granulierter Cellulose entnimmt, die weit unter den beispielhaft belegten 50 % oder den anspruchsgemäßen 25 % (vgl Sp 9 Z 3, Sp 10, Z 67 liegen, ergibt sich - wie die Einsprechende zutreffend vorgetragen hat - aus den Erfahrungen beim Einsatz von gewöhnlichem Cellulosepulver als Sprengmittel bei der Tablettenfertigung auf pharmazeutischem Gebiet (vgl Sonderdruck aus Mitt.d. Deutschen Pharm. Gesellschaft und der Pharm. Gesellschaft der DDR, 38 (1968), Heft 9, 165-181, Verlag Chemie GmbH, Weinheim (21)). Demnach liegt das Optimum häufig im Bereich von 10 bis 20 %, ein für den jeweiligen Fall geeigneter Prozentsatz muß allerdings experimentell ermittelt werden (vgl (21) S 171 Abschnitt Sprengmittel).

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist somit mangels erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht gewährbar.

Die jeweiligen Unteransprüche zu Haupt- und Hilfsantrag teilen das Schicksal des jeweiligen Anspruchs 1 (vgl BGH, GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).

3. Somit kann dahinstehen, ob die Patentinhaberin 2) - anders als zur Abgabe der Teilungserklärung - auch berechtigt war, den Hilfsantrag ohne (ausdrückliche) Zustimmung der Patentinhaberin 1) zu stellen, weil, wie die Einsprechende vorgetragen hat, hierdurch und insbesondere im Falle einer Aufrechterhaltung nach dem Hilfsantrag unmittelbar materielle Rechte der Patentinhaberin 1) betroffen seien.

Damit brauchte auch die Anregung der Einsprechenden nicht aufgegriffen zu werden, Rechtsbeschwerde zur Frage der Berechtigung einer Antragsstellung durch die Patentinhaberin 2) ohne Einwilligung der Patentinhaberin 1) für den Fall zuzulassen, dass das Patent auf der Basis des in der mündlichen Verhandlunghne Zustimmung der Patentinhaberin 1) gestellten Hilfsantrags aufrechterhalten wird.

Kahr Niklas Klante Egerer Na






BPatG:
Beschluss v. 11.03.2004
Az: 15 W (pat) 54/03


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