Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 13. November 2014
Aktenzeichen: 2 U 30/14

(OLG Stuttgart: Urteil v. 13.11.2014, Az.: 2 U 30/14)

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 43. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2014 (Az. 43 0 52/13 KfH) wirdz u r ü c k g e w i e s e n.2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.

Streitwert: Für den ersten Rechtszugbis zum Erlass der Beschlussverfügung 100.000,- EUR,für das weitere erstinstanzliche Verfahren 50.000,- EURund für das Berufungsverfahren 37.500,- EUR.

Gründe

I.

Die Verfügungsklägerin begehrt Unterlassung einer Werbung aus Wettbewerbsrecht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Gegenstand des Verfahrens ist nur noch der in Ziffer 1 b des Tenors des Beschlusses des Landgerichts Stuttgart vom 31. Oktober 2013 zugesprochene, in dem angegriffenen Urteil bestätigte Anspruch.

Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen in dem Urteil der Vorsitzenden der 43. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2014 (Az. 43 0 52/13 KfH) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat seine Beschlussverfügung vom 31. Oktober 2013, soweit noch im Streit, bestätigt und hierzu ausgeführt:

Zwar nähmen die Preisangaben im roten Störer am Blickfang teil und würden nicht isoliert von der grünblauen Preisangabe in Blockbuchstaben wahrgenommen. Die zeitliche Begrenzung des herausgestellten Preises im roten Störer sei auch von einem vorbei eilenden Fußgänger wahrnehmbar.

Dennoch enthalte der rote Störer nur die halbe Wahrheit und sei geeignet, den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe, in die Irre zu führen, weshalb diese Werbung gem. §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG unlauter und daher zu untersagen sei.

Die Werbung richte sich nur an Neukunden. Dass im roten Störer der Kundenkreis, an den sich das Angebot richte, nicht näher definiert werde, bewirke die Fehlvorstellung, dass das Angebot für jedermann Geltung beanspruche. Dieser Eindruck werde verstärkt durch den Text in Großbuchstaben, wonach der €doppelte Speed" für den €gleichen Preis" zu erhalten sei.

Es gebe keine Verkehrsauffassung dahin, dass neue Angebote nicht für einen bestehenden Vertrag, sondern lediglich für Neuabschlüsse gälten. Eine solche Beschränkung müsse am Blickfang teilnehmend mitgeteilt werden.

Dass die Verfügungsbeklagte unter €Neukunden" nur Kunden verstehe, die in den letzten drei Monaten noch keinen Vertrag mit ihr hatten, werde auch in dem Sternchenhinweis nicht erläutert. Er beziehe sich auf die Preiskonditionen. Eine Einschränkung auch hinsichtlich des Kundenkreises werde bei diesem Sternchenhinweis nicht erwartet, weshalb jemand, der in den letzten drei Monaten Kunde der Verfügungsbeklagten war, sich nicht bemüßigt fühle, die Fußnote auch hierauf zu überprüfen.

Gegen dieses Urteil hat die Verfügungsbeklagte form- und freistgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.

Sie trägt vor:

Das Landgericht sei von einem Verkehrsverständnis ausgegangen, das nicht demjenigen eines verständigen und informierten Verbrauchers entspreche. Ein durchschnittlich informierter und verständiger Bestandskunde gehe von einer Vertragsbindung aus, wie sie auch in anderen Vertragsbereichen bestehe (Darlehen mit Festzins u.a.). Der im römischen Recht im 1. Jh. n. Chr. entwickelte Grundsatz "pacta sunt servanda" sei allgemein bekannt. Er sei 1900 auch ins BGB übernommen worden.

Für den Telekommunikationsbereich sei bekannt, dass Neukunden häufig mit Sonderangeboten geworben würden. Mit den vermeintlichen Tarifwechseln, auf die das Landgericht abziele, würden nicht die eigenen (Bestands-) Kunden beworben, sondern diejenigen der Mitbewerber, um so durch Wechselkunden den eigenen Marktanteil zu vergrößern. Ein Wechselangebot zu einem preisgünstigeren oder zu einem leistungsstärkeren Tarif bei gleichbleibenden Preis während der Mindestvertragslaufzeit scheine ein Ausnahmefall zu sein und sei nicht allgemein gültig. Günstigere Neuangebote für Bestandskunden müssten zu erheblichen Umsatzeinbußen führen und würden daher ganz unterbleiben, müssten sie auch Bestandskunden gewährt werden. Dies erkenne der informierte und verständige Verbraucher.

Auch die Überschrift "Doppelter Speed. Gleicher Preis" ändere daran nichts. Diese Mitteilung richte sich gerade an Neukunden. Es sei sinnwidrig, anzunehmen dass sich diese Aussage nur an Bestandskunden richte.

Der rote Störer sei schon nicht unvollständig. Der vom Landgericht erwogenen zusätzlichen Aufklärung durch einen ausdrücklichen Hinweis auf den Kundenkreis im roten Störer bedürfe es nicht. Jedenfalls schließe die Sternchenfußnote wirksam einen Irrtum aus, da darauf hingewiesen werde, dass das Angebot nur für Neukunden gelte.

Das Landgericht könne diesen Hinweis nicht wegen einer angeblichen Überraschung ignorieren, zumal es selbst ausführe, der rote Störer sei nur "teilweise unvollständig", nicht aber objektiv falsch. Der Hinweis sei mit zumutbarem Aufwand auffindbar, auch bei einer stehenden Betrachtung des Aufstellers in Originalgröße unschwer erkennbar und an der Preisangabe zutreffend verortet.

Der Bestandskunde werde sich aus seiner Kenntnis über eine Vertragsbindung heraus intensiver mit der Werbung auseinandersetzen, um zu erkennen, ob er in den Genuss der neuen Preiskonditionen kommen könne. Er werde die an der Preisangabe angebrachte Sternchenfußnote nicht übersehen, zumal es sich um die einzige Fußnote des Aufstellers handele; ein solcher Verbraucher werde diese geradezu suchen und besonders aufmerksam lesen.

Dass erläuternde Hinweise nach dem "labelling approach" des EuGH selbst bei einer Blickfangwerbung auch an einer Stelle, die nicht unmittelbar am Blickfang teilhat, erteilt werden könnten, sei erstinstanzlich ausführlich dargelegt worden.

Der Ausschluss entspreche gängiger Praxis (vgl. B 3 bis B 6). Gegen eine Unbeachtlichkeit spreche ein systematischer Vergleich mit § 4 Nr. 4 UWG, der eine Aufklärung in Sternchenfußnoten zulasse.

Der vom Landgericht im Beschluss vom 31. Oktober 2013 angesetzte Gegenstandswert mit 100.000 EUR sei überhöht.

Die Verfügungsbeklagte beantragt (27. Mai 2014),

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.02.2014 (Az. 43 0 52/13 KfH) kostenpflichtig abzuändern und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stuttgart vom 31.10.2013 in Ziffer lb) des Tenors unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags der Antragstellerin vom 31.10.2013 aufzuheben.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Standpunkte:

Die Blickfangaussage sei aus Sicht der Neukunden unzutreffend, in deren Haushalt in den letzten drei Monaten ein Internet- und Telefonanschluss von K... vorhanden war. Unter den €Bestandskunden" befänden sich auch solche, die nach Ende der Mindestvertragslaufzeit ihres aktuell genutzten K...-Tarifs in einen anderen Tarif wechseln möchten. Für sie komme die beworbene Leistung nicht in Betracht, obwohl sich die Werbung an jedermann richte.

Schon der Blickfang täusche und könne nicht nachträglich durch eine Fußnote verkehrt werden, zumal nicht am unteren Rand eines auf dem Gehweg positionierten Plakates in so kleiner Schrift; sie sei für den Passanten nicht ohne Weiteres erkennbar.

Der Plakataufsteller verstoße auch gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 Abs. 6 S. 2 PAngV und gegen §§ 3, 4 Ziff. 4 UWG.

Dass sich Bestandskunden angesprochen fühlten, liege nahe und sei auch nicht unsinnig, weil eine längere Vertragsbindung durch den neuen Tarif entstünde. Tarifwechsel seien branchenüblich. Die Überschrift €Doppelter Speed. Gleicher Preis" sei gerade für Bestandskunden von Bedeutung.

Die Anlagen B 3 bis B 6 belegten den Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht. Auch Bestandskunden erwarteten, in den Genuss solcher Konditionen zu kommen, wenn sie sich mit neuer Mindestvertragslaufzeit längerfristig an ihren bisherigen Anbieter bänden.

Den Streitwert habe das Landgericht zutreffend festgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug nimmt der Senat Bezug auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 30. Oktober 2014.II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Zurecht und mit weithin zutreffender Begründung hat das Landgericht den noch streitigen Unterlassungsanspruch bejaht. Die angegriffene Werbung ist unlauter nach §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG wegen Irreführung der angesprochenen Verbraucher. Der angesprochene Verbraucher wird durch sie in markterheblicher Weise daran vorbeigeführt, dass das beworbene Leistungspaket nur von demjenigen zu dem blickfangmäßig beworbenen Preis erworben werden kann, der in den letzten drei Monaten vor Vertragsabschluss nicht Vertragskunde der Verfügungsbeklagten gewesen war. Aus diesem Verstoß steht der Verfügungsklägerin als Mitbewerberin der Verfügungsbeklagten der geltend gemachte Verfügungsanspruch zu, und es besteht aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr auch ein Verfügungsgrund.

Darauf, ob die anderen von der Verfügungsklägerin aufgeführten Unlauterkeitsgründe (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 PAngV; §§ 3, 4 Nr. 4 UWG) gegeben sind, kommt es bei der von ihr gewählten Antragstellung nicht entscheidend an, so dass weitere Ausführungen dazu nicht erforderlich sind.1.

Der Verbraucher versteht, wie es das Landgericht im Kern zutreffend ausgeführt hat, die angegriffene Werbung dahin, dass jedermann den angebotenen Vertrag abschließen könne. Dies kann der aus Verbrauchern zusammengesetzte Senat aus eigener Kenntnis beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Juli 2013 - 2 U 175/12). Die Angriffe der Berufung vermögen das erstinstanzliche Urteil nicht zu erschüttern.a)

Das Landgericht ist nicht von einem falschen Verkehrsverständnis ausgegangen. Abzustellen ist auf den durchschnittlich verständigen und durchschnittlich informierten Verbraucher, der der Werbung mit situationsadäquater Aufmerksamkeit begegnet. Die Verfügungsbeklagte versucht an die Stelle dieses Verbrauchers einen überdurchschnittlich informierten zu stellen, der sich in einer Intensität mit einem in einem Fußgängerbereich in einem bodenberührenden Reiter aufgestellten Werbeplakat befasst, die von einem Passanten nicht zu erwarten ist. Dabei übergeht sie, dass der Verbraucher ein solches Plakat regelmäßig nur im Vorbeigehen, also kurzzeitig und damit flüchtig wahrnimmt. Er nimmt sich weder die Zeit, längere Textpassagen zu lesen, noch sucht er nach hintergründigen, komplexen oder versteckten Botschaften. In dieser Lage kommt dem Blickfang eine besondere Bedeutung zu; an Aufklärungshinweise sind strengere Anforderungen zu stellen als bei Werbeaussagen, die der Kunde längere Zeit vor sich hat (dazu noch unten).b)

Aus der Überschrift des Plakattextes "Doppelter Speed. Gleicher Preis" und der hervorgehobenen Preisangabe entnimmt der Verbraucher, dass er das Angebot der Verfügungsbeklagten annehmen könne, ohne weitere Voraussetzungen erfüllen zu müssen, also unabhängig davon, ob er bereits bei ihr Kunde ist oder nicht. Erst recht kommt er nicht auf den Gedanken, es könne eine Sperr- oder Karenzfrist geben. Für eine Beschränkung des Kreises der Bezugsberechtigten gibt der Blickfang keinen Anhaltspunkt. Das Wort "Doppelter" in der Überschrift bedarf als vergleichendes Zahlwort einer Bezugsgröße. Da eine solche nicht angegeben wird, liegt es für den Leser nahe, diese in der Geschwindigkeit zu sehen, mit der er bislang Daten im Internet übertragen kann, gleichviel ob als Kunde der Verfügungsbeklagen oder als Kunde eines anderen Anbieters.

Angesprochen fühlen sich somit durch die Werbung auch alle Bestandskunden der Verfügungsbeklagten, gleichviel ob sie gerade die Möglichkeit hätten, ihren Vertrag zeitnah zu beenden, ob sie schon eine Kündigung ausgesprochen haben oder ob sie noch für längere Zeit vertraglich gebunden sind. Die Einwände der Berufung hiergegen verfangen nicht.

Zwar teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts, dass der römisch-rechtliche Grundsatz "pacta sunt servanda" noch nicht im Rechtsbewusstsein der Verbraucher angekommen sei. Er war über viele Jahrzehnte Kernbestand des Bürgerlichen Gesetzbuches und schon von daher und unabhängig von seinem genauen Alter, seit langer Zeit im Rechtsbewusstsein verankert

Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Denn der Kunde weiß, dass im Telekommunikationsbereich, wie von der Verfügungsklägerin vorgetragen, neue, günstigere Konditionen auch Bestandskunden angeboten werden, sofern diese nur bereit sind, für den günstigeren Preis eine längere Bindungsfrist an ihren Vertragspartner hinzunehmen, also sich erneut für volle zwei Jahre zu binden und damit die Möglichkeit aufgeben, früher zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Dem Senat ist die Möglichkeit, auch in einen nicht teureren Tarif zu wechseln, aus eigener Kenntnis bekannt. Ein Senatsmitglied hat bereits von einer derartigen Möglichkeit Gebrauch gemacht und in einem weiteren Fall später erneut die Auskunft erhalten, dass ein solcher Tarifwechsel bei gleichem Preis möglich sei. Auch den anderen ist diese Praxis bekannt. Der Senat hat dies den Parteien in der mündlichen Verhandlung offen gelegt.

Ein dahin gehendes Angebot an den Kunden ist auch betriebswirtschaftlich nicht unsinnig, wie aber von der Verfügungsbeklagten behauptet. Denn durch die verlängerte Unternehmensbindung sichert das Unternehmen seinen Kundenbestand gegen Abwerbeversuche der Konkurrenz und damit längerfristig Einnahmen. Außerdem erhält es sich die Kundenzufriedenheit, die verloren ginge, sähe der Kunde, dass er für dieselbe Leistung mehr bezahlen müsste als ein Neukunde.

Dass in anderen Rechtsbereichen der Grundsatz der Vertragstreue eingefordert wird, geht an den für den vorliegenden Fall allein maßgebenden Verhältnissen in der Telekommunikationsbranche vorbei und ist daher unerheblich. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass gerade bei den von der Verfügungsbeklagten aufgeführten Darlehensvertragsverhältnissen mit Zinsfestschreibung mittlerweile die vorzeitige Ablösung des Darlehens gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung regelmäßig möglich ist.2.

Dieser beim Verbraucher erweckte Eindruck ist unstreitig falsch. Das beworbene Angebot kann nur von demjenigen angenommen werden, der in den zurückliegenden drei Monaten keinen Vertrag mit der Verfügungsbeklagten laufen hatte.3.

Der Sternchenhinweis reicht nicht aus, dem Irreführungsverdikt zu entgehen. Er ist in mehrerlei Hinsicht unzureichend, eine Irreführung zu verhindern.a)

Wegen der rechtlichen Voraussetzungen, unter denen eine Aussage über einen Sternchenhinweis ergänzt, erläutert oder klargestellt werden kann, nimmt der Senat Bezug auf seine den Parteien bekannte, da in ihren Angelegenheiten ergangene Rechtsprechung (s. schon OLG Stuttgart, Urteile vom 19. November 2012 - 2 U 80/12; vom 17. Januar 2013 - 2 U 47/12 und vom 18. Juli 2013 - 2 U 175/12), um Wiederholungen zu vermeiden. Von den dort in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätzen abzuweichen, gibt auch der vorliegende Fall keinen Anlass.b)

Der Sternchenhinweis ist nicht an der Stelle angebunden, an der er angebunden sein müsste, um eine einen Irrtum ausschließende Erläuterung geben zu können. Der an der Preisangabe angeknüpfte Sternchenhinweis reicht nicht aus, den Irrtum über den möglichen Abnehmerkreis zu beseitigen. Dazu müsste er unmittelbar an der erläuterungsbedürftigen Aussage angebunden sein. Das ist er nicht.c)

Auch aus inhaltlichen Gründen liegt keine zulässige Erläuterung vor.aa)

Die genannte Aussage im Blickfang ist - anders als vom Landgericht missverständlich ausgeführt - nicht unvollständig, sondern in Bezug auf den potenziellen Kundenkreis objektiv falsch, weshalb sich der Fußnotentext nicht als Erläuterung darstellt, sondern die konkludente Aussage, jedermann könne das Angebot annehmen, in ihr Gegenteil verkehrt. Durch ihn wird, wenn auch wiederum nur indirekt, ausgesagt, dass nicht jeder Interessent den beworbenen Preisvorteil erhalte.bb)

Der Verbraucher wird außerdem aufgrund der Klarheit der Aussage im Blickfang keinen Anlass nehmen, nach weiteren Erläuterungen zum Personenkreis zu fragen, dem die Werbende ihr Angebot unterbreite, so dass eine untergeordnet dargestellte Erläuterung ohnehin unzureichend wäre.d)

Hinzu kommt, dass der Hinweistext in der Werbung so verortet ist, dass er selbst eine unklare Angabe nicht klären könnte.aa)

Er findet sich am unteren Rand eines Plakates, das dem Passanten unstreitig in einem Bodenständer entgegentritt; also, wenn nicht niedriger, so bestenfalls in Kniehöhe. Der Erläuterungstext wird schon von daher schlecht erkannt und erst recht nicht gelesen. Er ist im Verhältnis zum Blickfang außerdem klein gedruckt, so dass die Aufmerksamkeit des Passanten in der kurzen Zeit, in der er das Plakat wahrnimmt - kaum ein Verbraucher wird stehen bleiben und es analysieren oder auch nur einen längeren Text vollständig lesen - nicht auf diesen Text fällt, auch wenn er wahrnimmt, dass ein solcher Text vorhanden ist. Erst recht wird er diesen Text nicht lesen, zumal er eine Erläuterung gar nicht für geboten hält, wenn er den Blickfang aufgenommen hat.

Demgegenüber bleibt unerheblich, ob der Hinweis mit zumutbarem Aufwand auffindbar wäre. Der Verbraucher hat keine Nachforschungsobliegenheit, um einem in der Werbung angelegten Irrtum zu entgehen. Entscheidend ist nicht, ob er den Fußnotentext wahrnehmen könnte, sondern ob er ihn zur Kenntnis nimmt.bb)

Auch geht die Verfügungsbeklagte fehl in ihrer Annahme, der Bestandskunde werde sich aus einer Kenntnis über seine Vertragsbindung heraus intensiver mit dem Angebot befassen und daher den Fußnotentext genauer lesen. Zum einen geht er, wie bereits ausgeführt, nicht mit dem von der Verfügungsbeklagten angenommenen Verständnis an die Werbung heran. Zum anderen erkennt auch er aus dem Blickfang keinen Aufklärungsbedarf und damit keinen Lektürebedarf.4.

Die Marktbeeinflussung durch diese Irreführung ist erheblich im Sinne des § 3 UWG. Dies zieht auch die Verfügungsbeklagte nicht in Zweifel. Bei einem Verstoß gegen §§ 5, 5a UWG ist grundsätzlich von einer Markterheblichkeit auszugehen. Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass alle Personen, die in den zurückliegenden drei Monaten nicht Kunden der Verfügungsbeklagten waren, den intendierten Vertrag zu dem beworbenen Preis abschließen könnten. Denn als Bezugsgruppe zur Feststellung einer Marktrelevanz ist auf die Irreführungsgefahr unter denjenigen abzustellen, denen die Verfügungsbeklagte die Leistung nicht zu diesem Preis gewährt. Hingegen bleiben Personen außer Betracht, bei denen eine Täuschung schon deshalb ausscheidet, weil der Werbende ihnen gegenüber bietet, was er verspricht. Anderenfalls fielen selbst größere Minderheiten aus dem Schutz des Irreführungsverbotes heraus.III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, ohne dass es eines Ausspruchs hierzu im Tenor bedürfte.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 51, 47 GKG i.V. m. § 3 ZPO. Der Senat setzt, wie in den anderen Sachen der Parteien auch, einen Hauptsachewert je Antrag bzw. Streitgegenstand von 50.000,- EUR an, was bei zwei Streitgegenständen zu einem Gesamtwert von 100.000,- EUR führte, wie vom Landgericht angesetzt. Jedoch nimmt der Senat einen Wertabschlag von 25% für beide Anträge vor, da nach neuer Rechtslage ein Abschlag im Verfügungsverfahren regelmäßig (aber nicht wie von der Verfügungsbeklagten vorgebracht stets) geboten ist, ein Ausnahmefall nicht vorliegt und ein Viertel als Abschlagssatz, wie regelmäßig, angemessen erscheint. Diese neue Rechtslage greift aber erst mit dem Inkrafttreten des neuen Kostenrechts und erfasst nicht diejenigen Teile des Rechtsstreits, in denen Gebühren bereits zuvor angefallen waren, hier also das erstinstanzliche Verfahren.

Die Revision kann nach § 542 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen werden.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 13.11.2014
Az: 2 U 30/14


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