Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 174/03

(BPatG: Beschluss v. 08.06.2004, Az.: 27 W (pat) 174/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke 397 53 099 Grafik der Marke 39753099.4 für "Computerperipheriegeräte, Videoschnittstellen, Videogeräte, Fernsehcodierkarten, Fernsehempfangskarten, 3-D-Videografik-Displays (d. h. dreidimensionale Videografikanzeigen), Digital-Computer, Digital-Kommunikationseinrichtungen, Digital-Kameras, Digital-Monitore" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke 395 46 724 KARDEX, eingetragen u. a. für "Bildaufnahme- und Bildwiedergabegeräte; Mikrofilmgeräte und -apparate, insbesondere Aufnahme-, Entwicklungs-, Vervielfältigungs-, Wiedergabe- und Lesegeräte; Video-, Speicher-, Übertragungs-, Aufzeichnungs- und Wiedergabegeräte; Datenverarbeitungsgeräte, -apparate und -maschinen; Geräte und Apparate zum Erfassen und Auswerten von Daten, insbesondere von medizinischen Daten".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent und Markenamts hat den Widerspruch durch zwei Beschlüsse vom 11. August 1999 und 24. März 2003, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Trotz hochgradiger Warenähnlichkeit halte die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein, da beide Marken von ihrem Gesamteindruck her deutlich unterschiedlich seien. Die angegriffene Marke werde entgegen der Ansicht der Widersprechenden wegen der begrifflichen Zusammengehörigkeit der Buchstabenfolge "EXPERT" nicht allein von dem Wortbestandteil "CARDEX" geprägt; vielmehr werde der Verkehr den Wortbestandteil der jüngere Marke trotz der abweichenden grafischen Ausgestaltung der Buchstabenfolgen "CARDEX" und "PERT" ohne weiteres als "Card Expert" im Sinne von "Kartenexperte" verstehen. Selbst wenn er die Wortbestandteile der jüngere Marke entsprechend der grafischen Ausgestaltung nicht in diesem Sinne wahrnehmen sollte, könne eine Prägung der Gesamtmarke allein durch das Wort "CARDEX" nicht angenommen werden, so dass dieses nicht als allein kollisionsbegründend erachtet werden könne. Für eine assoziative Verwechslungsgefahr bestünden ebenfalls keine Anhaltspunkte, da die Widersprechende nicht dargetan habe, eine Zeichenserie mit dem Stammbestandteil "KARDEX" zu besitzen. Außerdem trete weder die Buchstabenfolge "CARDEX" in der jüngere Marke in der Art eines Stammbestandteils auf, noch wirke die Lautfolge "PERT" wie ein typischerweise in Serienmarken einem Stammbestandteil hinzugefügter abwandelnder Bestandteil.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen. Ihrer Auffassung nach werden die überwiegenden Teile des Verkehrs die angegriffene Marke als aus den Wörtern "CARDEX" und "PERT" zusammengesetzt ansehen und "PERT" als bloßes Anhängsel auffassen. Die letztere Buchstabenfolge weise im übrigen einen gängigen Sinngehalt auf, denn sie stehe für "Program Evaluation and Review Technology". Es könne daher keine Rede davon sein, dass angesichts des herausstechenden Markenbestandteils "CARDEX" beim Verkehr keine Assoziationen zu der Widerspruchsmarke hervorgerufen würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um die seit über 80 Jahren benutzte Hauptkennzeichnung der KARDEX-REMSTAR-GRUPPE handele, zu welcher die Widersprechende gehöre.

Die Markeninhaberin, die entsprechend vorheriger Ankündigung auch an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat, hat sich inhaltlich zu der Beschwerde nicht geäußert und gebeten, nach Lage der Akten zu entscheiden.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung, in welcher der Senat eine vergleichsweise Beilegung des Verfahrens durch eine Beschränkung des Warenverzeichnisses der jüngere Marke angeregt hat, hat die Markeninhaberin eine solche Beschränkung vorgenommen; eine vergleichsweise Regelung ist indes nicht zustande gekommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist - unter Zugrundelegung des unbeschränkten Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke (vgl dazu BPatGE 46, 9 - Waldschlösschen) - nicht gegeben.

Die Verwechslungsgefahr der Marken ist anhand der in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren des Grades der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu beurteilen (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd). Aufgrund der Wechselbeziehung kann bei einem hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken und gesteigerter Kennzeichnungskraft der älteren Marke schon ein geringfügiger Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen und umgekehrt. Dabei ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach der Art der betreffenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (vgl. z.B. BGH GRUR 2000, 506 -ATTACHÉ/TISSERAND).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen. Allein die Tatsache, dass sie von der gleichnamigen Firmengruppe, zu der die Widersprechende gehört, seit langer Zeit für (Büro-) Organisationssysteme umfangreich benutzt wird, rechtfertigt ohne substantiierte Darlegung von Umsatzzahlen, Marktanteilen, Werbeaufwendungen usw. nicht die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft in dem Bereich der Datenverarbeitungsgeräte, Bildaufnahme - und Bildwiedergabegeräte und sonstigen Geräte zum Erfassen und Auswerten von Daten.

Zwischen den Waren der Widerspruchsmarke "Datenverarbeitungsgeräte, -apparate und -maschinen; Bildaufnahme- und Bildwiedergabegeräte; Videogeräte" und zumindest den Waren "Computerperipheriegeräte, Videoschnittstellen, Videogeräte, 3-D-Videografik-Displays (d. h. dreidimensionale Videografikanzeigen), Digital-Computer, Digital-Kommunikationseinrichtungen, Digital-Kameras, Digital-Monitore" der angegriffenen Marke ist von einer Identität auszugehen, im übrigen von einer nicht unbeachtlichen Ähnlichkeit. Infolgedessen ist überwiegend die Anlegung eines strengen Vergleichsmaßstabes geboten.

Den zu stellenden Anforderungen an die Unterschiedlichkeit der Marken wird die jüngere Marke indes gerecht. Wie auch immer der Verkehr die angegriffene Marke ansehen mag, sei es als "Card Expert", sei es - wie es die grafische Ausgestaltung nahe legen könnte - als "CARDEX PERT", ist die Gefahr von Verwechslungen nicht zu besorgen. In keinem Fall ist davon auszugehen, dass der Gesamteindruck der jüngeren Marke durch den Bestandteil "CARDEX" in der Weise geprägt wäre, dass der Verkehr sie allein mit diesem benennen und den zweiten Bestandteil "PERT" einfach weglassen würde.

Es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil des Verkehrs ungeachtet der grafischen Ausgestaltung das in der jüngeren Marke liegende Wortspiel erkennt, denn sowohl der Bestandteil "Card" als auch der Bestandteil "Expert" ergeben, für sich betrachtet ebenso wie in der Kombination, als insbesondere im Computer-, Fernseh- und Kommunikationsbereich breitesten Verkehrskreisen geläufige Grundbegriffe der englischen Sprache, einen Sinn. Diesen Sinn werden sie angesichts der Art der mit der jüngeren Marke beanspruchten Waren ohne weiteres als nahe liegende Interpretation der Marke zugrunde legen. Weitergehende hintergründige Analysen anzustellen, bei denen die Buchstabenfolge "PERT" in der von der Widersprechenden dargelegten Bedeutung als "Program Evaluation and Review Technology" interpretiert werden könnte, hat der Verkehr - dem generell analysierende Betrachtungsweisen nicht nahe liegen (st. Rspr., z.B. BGH GRUR 2001, 240, 241 - SWISS ARMY; GRUR 1996, 771, 772 - THE HOME DEPOT), - im vorliegenden Fall keinerlei Veranlassung. PERT als eine Netzwerktechnik zur Planung und Überwachung von Großprojekten (vgl. Fachlexikon Computer, Brockhaus-Verlag 2003, S. 623 f. und 701; PONS Fachwörterbuch Datenverarbeitung, 1997, S. 278), für die spezielle Software zur Verfügung steht, hat mit der beanspruchten Hardware für Daten- bzw. Bildein- und -ausgabe nichts zu tun. Hier eine Verbindung zu sehen und in die jüngere Marke hinein zu interpretieren bietet sich für den Verkehr nicht an.

Selbst jene denkbaren Teile des Verkehrs, die, möglicherweise veranlaßt durch die grafischen Ausgestaltung der jüngere Marke, die nächstliegende Interpretation von "Card Expert" nicht nachvollziehen und sie als "CARDEX PERT" verstehen, haben gleichwohl keine Veranlassung, sie mit der Widerspruchsmarke zu verwechseln. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist nämlich generell von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 Goldbarren). Dabei kann ein einzelner Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft aufweisen, so dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um rein beschreibende, sachbezogene Angaben handelt. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Auch der Teil des Publikums, der die Marke in dem von der Widersprechenden angenommenen Sinn ansieht, wird entweder die - ohnehin wohl nur Fachkreisen geläufige - Bezeichnung ""PERT" nicht verstehen oder aber erkennen, dass diese mit den beanspruchten Produkten der jüngeren Marke nichts zu tun hat. In beiden Fällen ist keinerlei Anhaltspunkt dafür ersichtlich, weshalb dieser Markenbestandteil bei der Benennung der Marke weggelassen werden sollte.

Da somit der Verkehr die jüngere Marke stets in ihrer Gesamtheit wahrnimmt, sind die Unterschiede zur älteren Marke so unübersehbar und unüberhörbar, dass eine unmittelbare Verwechslung auszuschließen ist.

Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr dergestalt, dass der Verkehr die Unterschiede der Marken zwar erkennt, sie aber wegen eines übereinstimmenden Bestandteils gleichwohl derselben betrieblichen Ursprungsstätte, ist nicht zu befürchten. Wie die Markenstelle im Erinnerungsbeschluss ausführlich und zutreffend dargelegt hat, kommt eine solche Verwechslungsgefahr nur unter der - hier nicht erfüllten - doppelten Voraussetzung in Betracht, dass die Vergleichsmarken denselben Wortstamm aufweisen und dieser Stammbestandteil für die Betriebsstätte des Inhabers der älteren Marke Hinweischarakter besitzt (vgl BGH GRUR 2002, 542, 544 - BlG). Die Widersprechende hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, noch sind solche sonst ersichtlich, dass sie eine Zeichenserie mit der Buchstabenfolge "KARDEX" als Stammbestandteil besitzt. Im übrigen werden jene Verkehrsteilnehmer, die überhaupt so weit reichende Betrachtungen anstellen, dass sie unterschiedliche Marken miteinander in Verbindung zu bringen bereit sind, die bestehenden Unterschiede, die, wie dargelegt, entweder in der sinngerechten Aufspaltung in die Begriffe "Card" und "Expert" liegen oder aber in dem nicht wegzulassenden Bestandteil "PERT", so deutlich wahrnehmen, dass der Gedanke an eine Verbindung zur Inhaberin der Widerspruchsmarke kaum aufkommen kann. Dagegen spricht weiterhin maßgeblich, dass der Anfangsbuchstabe "C" in "Cardex" ohne weiteres die Assoziation an den Begriff "Card" hervorruft, die durch die Widerspruchsmarke "KARDEX" nicht vermittelt wird. Es fehlt daher auch der erforderlichen Wesensgleichheit der Wörter "Cardex" und "KARDEX" im schriftbildlichen Eindruck (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 480 mNachw). Bei der klanglichen Wiedergabe der jüngeren Marke tritt "Cardex" ohnehin nicht als eigenständiger Wortstamm hervor, weil insoweit ein Verständnis i.S.v. "Card Expert" eindeutig im Vordergrund steht.

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, wonach jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen hat.

Dr. Schermer Prietzel-Funk Dr. van Raden Na






BPatG:
Beschluss v. 08.06.2004
Az: 27 W (pat) 174/03


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