Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 18. Juni 2004
Aktenzeichen: 38 O 76/04

(LG Düsseldorf: Urteil v. 18.06.2004, Az.: 38 O 76/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 18. Juni 2004 (Aktenzeichen 38 O 76/04) über einen Rechtsstreit im Bereich des Medizinprodukthandels entschieden. Die Klägerin und die Beklagte vertreiben beide medizinische Geräte, darunter solche, die mit Vakuumpumpen arbeiten. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, gegen das Wettbewerbsrecht zu verstoßen, indem sie ein Gerät zur Vakuumversiegelung von Wunden bewirbt und verkauft, obwohl es nur zur Wunddrainage gedacht ist. Die Klägerin hat beantragt, dass der Beklagten untersagt wird, Medizinprodukte mit falscher Zweckbestimmung anzubieten, zu bewerben oder zu verkaufen. Das Gericht hat diesem Antrag stattgegeben, da die Beklagte gegen das Medizinproduktegesetz (MPG) verstoßen hat. Die Beklagte hat Widerspruch gegen den Beschluss eingelegt, jedoch wurde dieser abgelehnt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Düsseldorf: Urteil v. 18.06.2004, Az: 38 O 76/04


Tenor

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2004

für R e c h t erkannt:

Die einstweilige Verfügung vom 16. April 2004 bleibt aufrechterhalten.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Antragsgegnerin.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben medizinische Geräte, u.a. solche, bei denen eine Vakuumpumpe eingesetzt wird.

Die Antragstellerin hält das Verhalten der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit dem Vertrieb des "MOBI.S Micro Vacuum Generator" des Herstellers Eurosets S.r.l. insofern für wettbewerbswidrig, als das Gerät entgegen der Zweckbestimmung des Herstellers und der entsprechend CE-Zertifizierung für die Vakuumversiegelung von Wunden und nicht lediglich zur Wunddrainage beworben und verkauft wird.

Ausschließlich zu diesem Zweck habe die Antragsgegnerin an ein Krankenhaus in M ein solches Gerät verkauft, das entsprechend eingesetzt worden sei. Hiervon habe die Antragstellerin im März 2004 erfahren. Die Antragsgegnerin verstoße gegen das Medizinproduktegesetz und müsse sich das Verhalten des Krankenhauses wettbewerbsrechtlich zurechnen lassen.

Auf Antrag der Antragstellerin hat die Kammer durch Beschluss vom 16. April 2004 im Wege der einstweiligen Verfügung der Antragsgegnerin untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Medizinprodukte für Anwendungen anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen, anbieten zu lassen, bewerben zu lassen und/oder verkaufen zu lassen, wenn dabei eine Zweckbestimmung angegeben wird, die nicht von der Zweckbestimmung des Herstellers des betreffenden Medizinprodukts umfasst wird,

insbesondere wenn dies dadurch geschieht, dass der MOBI.S Micro Vacuum Generator des Unternehmens EUROSETS S.r.L., Italien, zur Vakuumversiegelung von Wunden angeboten, beworben und/oder verkauft wird.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Sie ist der Meinung, das von ihr vertriebene System der aktiven Wunddrainage sei identisch mit der Vakuumversiegelung. Es liege weder ein Verstoß gegen die Herstelleranweisung noch die Zertifizierung vor. Die Antragsgegnerin liefere nur den außerhalb des sterilen Bereichs liegenden Teil des Drainagesystems. Im Übrigen sei auch die Verwendung ohne CE-Zeichen zulässig, wenn das Krankenhaus selbst das System oder die Behandlungseinheit im Rahmen einer sog. In-Haus-Herstellung errichte und einem Konformitätsbewertungsverfahren unterziehe.

Zudem fehle es an der Eilbedürftigkeit zum Erlass einer einstweiligen Verfügung, da der Antragstellerin bereits seit September 2003 der Einsatz der Vakuumpumpe der Antragsgegnerin bekannt sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss vom 16. April 2004 aufzuheben und den auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung vom 16. April 2004 ist aufrechtzuerhalten.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin es unterlässt, Medizinprodukte anzubieten, zu bewerben oder zu verkaufen, wenn dabei eine Zweckbestimmung angegeben wird, die nicht von der Zweckbestimmung des Herstellers umfasst wird. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus den §§ 1 und § 3 UWG i.V.m. § 6 Abs. 1 und Abs. 2 MPG.

Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Beide vertreiben Systeme oder Teile von Systemen, die bei der Wundbehandlung zum Einsatz kommen. Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, sie vertreibe lediglich die nicht sterilen Teile des MOBI.S.-Drainagesystems, ändert dies nichts daran, dass die Parteien als unmittelbare Konkurrenten sich beim Absatz ihrer konkreten Produkte gegenüberstehen. Im Übrigen ist aber auch der notwendige Zusammenhang allein schon dadurch gegeben, dass die Gebrauchsanweisung der von der Antragsgegnerin vertriebenen Pumpe ausdrücklich darauf hinweist: "Der MOBI.S Micro Vacuum Generator ist eine Microsaugeinheit, die ausschließlich mit dem mobilen Drainagesystem MOBI.S verwendet werden darf".

Die Antragsgegnerin hat in einer die Wiederholungsgefahr begründenden Weise gegen § 6 MPG verstoßen, indem sie den Vakuumgenerator mit der Angabe beworben hat, er sei zur Vakuumversiegelung von Wunden geeignet.

Zwar bestreitet die Antragsgegnerin die Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrages der Antragstellerin zum Ablauf der Verkaufsgespräche eines Gerätes an das F Krankenhaus in M.

Dieses Bestreiten bezieht sich aber maßgeblich nur auf Gesprächsdetails und beteiligte Personen. Im Kern wird keine von den wesentlichen Angaben des Krankenhausangestellten G abweichende Darstellung abgegeben, aus der ersichtlich wird, dass die Antragsgegnerin etwa niemals geäußert habe, die Pumpe sei für die Vakuumversiegelung von Wunden vorgesehen. Das Vorbringen der Antragsgegnerin, dieses Einsatzgebiet sei identisch mit demjenigen der aktiven Wunddrainage, lässt erkennen, dass entsprechende Äußerungen mit der für eine Entscheidungsfindung im vorliegenden Verfahren notwendigen Wahrscheinlichkeit gefallen sein dürften, um den Verkauf an das Krankenhaus in M zu ermöglichen.

Ein derartiges Verhalten verstößt jedoch insoweit gegen § 6 Abs. 1 und Abs. 2 MPG, als es nach diesen Vorschriften nur zulässig ist, Medizinprodukte mit einem CE-Kennzeichen in Verkehr zu bringen, das sich auf eine seiner Zweckbestimmung entsprechende Zertifizierung bezieht.

Eine derartig zertifizierte Zweckbestimmung für den Bereich der Vakuumversiegelung von Wunden besteht nicht. Die vom Hersteller gemäß § 3 Nr. 10 MPG vorgenommene Zweckbestimmung für das Medizinprodukt ergibt sich aus der Kennzeichnung, der Gebrauchsanweisung oder den Werbematerialien. Alle diese Materialien, insbesondere die Gebrauchsanweisung, sprechen von einer ausschließlichen Anwendung innerhalb des Drainagesystems MOBI.S. Nach Auffassung der Kammer ist ein Drainagesystem hierbei nicht gleichzusetzen mit einem System zur Vakuumversiegelung von Wunden.

Beide Systeme mögen zwar auf dem gleichen physikalisch technischen Prinzip beruhen und im wesentlichen gleiche Elemente enthalten. Sowohl nach dem Wortsinn wie aber auch der praktischen Medizin - so der sachverständige Zeuge Dr. M - bedeutet Wunddrainage lediglich die Ableitung von Flüssigkeit im Bereich einer Wunde. Dass diese Drainage der Heilung dient ist dabei selbstverständlich. Die als besondere Therapie für ungewöhnlich schwer heilende Wunden anzusehende Vakuumversiegelung soll jedoch über das bloße Ableiten von Wundsekreten hinausgehen. Aus den von der Antragstellerin vorgelegten wissenschaftlichen Artikeln (Anlage AS 2 a) ergibt sich jedenfalls, dass insbesondere bei Hauttransplantationen die Vakuumversiegelung ein differenziertes Verhalten auch im Bereich des Geräteeinsatzes erfordert, das mit herkömmlicher, auch aktiver, Wunddrainage allein nicht vollständig und ausreichend zu umschreiben ist. Nicht die bei jeder Wundheilung in gewissem Umfang notwendige Sekretableitung, sondern die Ermöglichung einer Wundheilung überhaupt steht im Vordergrund.

Ob das Drainagesystem MOBI.S hierzu geeignet ist und gegebenenfalls eine entsprechende Zertifizierung erhält oder erhalten soll, ist allein vom Hersteller im Rahmen der von ihm zu treffenden Zweckbestimmung zu entscheiden. Wenn das gesamte System von ihm nur mit der Zweckbestimmung einer Wunddrainage versehen wird, kann die Antragsgegnerin, die mit der von ihr vertriebenen Pumpe an dieses System gebunden ist, nicht eine weitergehende Zweckbestimmung ohne entsprechende Zertifizierung und Konformitätsbewertung vornehmen. In der von der Antragsgegnerin selbst vorgelegten Beschreibung des Herstellers des MOBI.S-Systems (Anlage AG 1) findet sich der ausdrückliche Warnhinweis: "Produkt darf nicht für weitere Anwendungsgebiete eingesetzt werden."

Dem stehen weder die Äußerungen des Zeugen Dr. M noch § 10 Abs. 2 MPG entgegen. Als Krankenhausarzt mag der Zeuge wie andere sogenannte In-Haus-Hersteller je nach Lage des Falles ein System zur Behandlung oder Drainage zusammenstellen, das ihm jeweils geeignet erscheint, um die beste Heilungswirkung zu erzielen. Für derartige Systeme ist der Anwender allein verantwortlich und mag sich dem von ihm einzuhaltenden Konformitätsbewertungsverfahren stellen. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die im Rahmen des Warenangebotes durch einen Vertreiber zu beachtende Zweckbestimmung des Herstellers und die sich hieraus ergebende Zertifzierung. Wenn ein außerhalb der Herstellerbestimmung liegender Zweck beworben wird, besteht die Gefahr, dass der Anwender zum Nachteil des Patienten sich nicht bewusst ist, dass er von der Zweckbestimmung überhaupt abweicht und gegebenenfalls ein Konformitätsbewertungsverfahren selbst zu veranlassen hat.

Insoweit liegt in der abweichenden Zweckbestimmung auch eine relevante Irreführung über verkehrswesentliche Eigenschaften des Produkts im Sinne von § 3 UWG.

Die zum Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendige Dringlichkeit wird gemäß § 25 UWG vermutet. Diese Vermutung ist nicht dadurch widerlegt, dass die Antragstellerin in Kenntnis des Gesetzes- und Wettbewerbsverstoßes ohne Einleitung gerichtlicher Schritte eine erhebliche Zeit abgewartet hat. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, am 18. März 2004 vom konkreten Verhalten der Antragsgegnerin in Bezug auf das F Krankenhaus in M erfahren zu haben. Soweit die Antragsgegnerin dem entgegenhält, aus dem anwaltlichen Schreiben vom 26. September 2003 ergebe sich bereits eine frühere Kenntnis vom Einsatzgebiet, kann dem insoweit nicht gefolgt werden, als in diesem Schreiben gegenüber einer Klinik eine Patentverletzung geltend gemacht wurde. Über konkrete Verwendungsangaben bezüglich einer Vakuumversiegelung von Wunden finden sich keine Ausführungen.

Insgesamt war der Beschluss daher aufrechtzuerhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

Der Streitwert wird auf 350.000,00 EUR festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 18.06.2004
Az: 38 O 76/04


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