Verwaltungsgericht Hannover:
Urteil vom 27. Januar 2011
Aktenzeichen: 7 A 5630/08

(VG Hannover: Urteil v. 27.01.2011, Az.: 7 A 5630/08)

Zu den formellen und materiellen Anforderungen an einen Beanstandungsbeschluss der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK)

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird der Bescheid der Beklagten vom 13.10.2008 in der Gestalt der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 27.01.2011 abgegebenen Prozesserklärung aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin strahlte am Samstag, den C. ab 10.51 Uhr in ihrem Fernsehprogramm D die US-Produktion "Herkules und die Sandlot Kids 2" als Free TV Premiere aus; vor diesem Film zeigte D eine Wiederholung einer Folge von "E", danach die Qualifikation für ein Formel-1-Rennen. Der ca. 93 Minuten lange Film, der die FSK-Freigabe "ab 6 Jahre" hat, wurde durch 3 Werbeblöcke unterbrochen, wobei die Werbeblöcke 5 Kinderprodukte und 32 Erwachsenenprodukte enthielten. Der Film wurde von 590.000 Zuschauern gesehen, der Strukturanteil der 3- bis 13-jährigen Zuschauer betrug 8,4% = 50.000 absolut.

Der als Komödie/Abenteuerfilm beschriebene Realfilm kreist um das Thema Baseball. Die Baseball-Mannschaft der 12-13 Jahre alten Jungen wird von einer Mädchenmannschaft herausgefordert. Die aus dem Off moderierte Spielhandlung führt durch diverse Abenteuer der Jugendlichen, die auch die ersten Liebesbeziehungen umfasst. Der Film stellt die Fortsetzung des Films "Herkules und die Sandlot Kids" dar.

Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 13.06.2008 gegen die Klägerin ein Beanstandungsverfahren ein und hörte sie an. In ihrer Stellungnahme vom 30.06.2008 führte die Klägerin u.a. aus:

Der Film sei inhaltlich kein Kinder-, sondern ein Familienfilm. Die tatsächlichen Zuschauerzahlen bestätigten dies. Auch das Programmumfeld und der Inhalt der überwiegend an Erwachsene gerichteten Werbeblöcke sprächen gegen eine Einstufung als Kinderfilm. Zudem gebe es bei D kein spezielles Kinderprogramm mehr; diese Programmstrecke sei zu F gegangen. Schließlich sei der bei G mehrfach gezeigte Vorgängerfilm "Herkules und die Sandlot Kids" niemals beanstandet worden, obwohl der Strukturanteil der Zuschauer zwischen 3 und 13 Jahren bei der Erstausstrahlung mehr als doppelt so hoch gelegen habe.

Die Beklagte leitete ein Prüfverfahren nach § 38 Abs. 2 Satz 2 des Rundfunkstaatsvertrages - RStV - in der bis zum 31.08.2008 geltenden Fassung ein. Die Gemeinsame Stelle für Programm, Werbung und Medienkompetenz - GSPWM - setzte eine fünfköpfige Prüfgruppe ein. Während die Beklagte die Auffassung vertrat, der Film verstoße nicht gegen das Werbeverbot in § 44 Abs. 1 RStV, votierten die anderen vier Mitglieder der GSPWM-Prüfgruppe übereinstimmend dafür, dass ein Kinderfilm vorliege, der nicht durch Werbung unterbrochen werden dürfe. Die GSPWM unterbreitete der mit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag neu geschaffenen Kommission für Zulassung und Aufsicht - ZAK - einen entsprechenden - undatierten - Beschlussvorschlag (Bl. 39 ff VV), der die Voten der Mitglieder der GSPWM-Prüfgruppe sowie die Stellungnahme der Klägerin vom 30.06.2008 wörtlich wiedergab. Die ZAK fasste in ihrer Sitzung am 07.10.2008 mehrheitlich mit 12 Ja-Stimmen, einer Enthaltung und einer Nein-Stimme den Beschluss, wonach die Klägerin mit der Unterbrechung der Sendung "Herkules und die Sandlot Kids 2" am 26.04.2008 durch Werbung gegen § 44 Abs. 1 RStV iVm Ziffer 13 Nr. 1 Werberichtlinien - WerbeRL - verstoßen habe und dieser Verstoß zu beanstanden sei. Eine Begründung ist dem Beschluss ausweislich der Niederschrift (Bl. 180 GA) nicht beigefügt.

Unter dem 14.10.2008 informierte die ZAK die Beklagte über den am 07.10.2008 gefassten Beschluss, verwies zur Begründung auf die undatierte Beschlussvorlage der GSPWM, der mehrheitlich zugestimmt worden sei, und bat um Umsetzung des Beschlusses innerhalb von vier Wochen.

Bereits unter dem 13.10.2008 stellte die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid fest, dass die Beklagte durch die Unterbrechung der Sendung "Herkules und die Sandlot Kids 2", die am Samstag, den 26.04.2008 ab ca. 10.51 Uhr ausgestrahlt worden sei, mit drei Werbeblöcken gegen § 44 Abs. 1 RStV verstoßen habe (Ziffer 1 des Bescheides). Zugleich forderte die Beklagte die Klägerin unter Ziffer 2 des Bescheides auf, diesen Verstoß künftig zu unterlassen und zukünftige Ausstrahlungen dieser Sendung nicht durch Werbung oder Teleshopping zu unterbrechen. Schließlich setzte die Beklagte unter Ziffer 3 Kosten in Höhe von 1.000 EUR fest. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

Der Film "Herkules und die Sandlot Kids 2" sei eine Kindersendung, weil sie sich nach Inhalt, Form und Sendezeit überwiegend an unter 14-Jährige wende. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen. Die Klägerin hat am 12.11.2008 beim Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Beanstandung und das Verbot, diesen Film zukünftig mit Werbeunterbrechungen zeigen zu dürfen, wendet.

Der angefochtene Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Die ZAK sei für Verfahren, die vor Inkrafttreten des Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages eingeleitet worden seien, nicht zuständig. Ihre Zuständigkeit unterstellt, dürfe sie nicht - wie geschehen - auf der Basis einer Beschlussempfehlung der GSPWM, also einer Stelle nach altem Recht, entscheiden. Die ZAK habe keine eigenständige Prüfung vorgenommen, sondern lediglich auf die Beschlussvorlage der GSPWM verwiesen.

Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Der beanstandete Film sei inhaltlich kein Kinder-, sondern ein Familienfilm für Personen von 8 bis 45 Jahren; das von ihr im Klageverfahren eingeholte Gutachten begründe das überzeugend. Dessen ungeachtet seien sowohl der Beschluss der ZAK vom 07.10.2008 als auch der Bescheid der Beklagten vom 13.10.2008 ermessensfehlerhaft, weil der Vorgängerfilm bei G sowohl vor Erlass des Bescheides als auch danach unbeanstandet mit Werbung gezeigt worden sei. Die Klägerin habe darauf vertrauen können, dass der Nachfolgefilm ebenfalls mit Werbung gezeigt werden könne, weil die GSPWM, die auf eine einheitliche Verfahrensweise bei den einzelnen Landesmedienanstalten zu achten gehabt habe, in der Vergangenheit regelmäßig auf den Strukturanteil und die Zielgruppe der Werbung abgestellt habe. Der Strukturanteil habe hier nur bei 8,4% gelegen; Kinderspartenkanäle wie H oder F kämen auf einen Strukturanteil von über 50%. Von den über 30 Werbespots seien allenfalls 6 überwiegend an Kinder unter 14 Jahren gerichtet.

Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides aufgehoben; die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nur noch,

den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2008 in der Fassung der Prozesserklärung der Beklagten vom 27.01.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Berufung zuzulassen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid. Die ZAK habe sehr wohl auf der Basis der Beschlussvorlage des GSPWM entscheiden und der Beschlussempfehlung folgen können. Die Beschlussempfehlung sei ein Internum und deshalb nicht am Maßstab von § 37 VwVfG zu messen; maßgeblich sei allein der angefochtene Beanstandungsbescheid vom 13.10.2008. Entgegen der klägerischen Ansicht habe der Bescheid sich mit der Ausstrahlung des Vorgängerfilms bei G nicht näher auseinandersetzen müssen, weil es sich dabei nicht um denselben Film gehandelt habe und sie, die Beklagte, nicht für die Aufsicht über diesen Sender zuständig sei.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

I.

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.

II.

Der auf § 12 Abs. 3 des Niedersächsischen Landesmediengesetzes - NMedienG - in Verbindung mit § 44 Abs. 1 RStV in der Fassung des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages gestützte Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO, soweit er nicht bereits durch Prozesserklärung von der Beklagten aufgehoben worden ist.

Prüfungsgegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ist lediglich noch die ursprüngliche Ziffer 1 des Beanstandungsbescheides der Beklagten vom 13.10.2008 sowie die Kostenentscheidung in Ziffer 3, wobei allerdings auch der vorhergehende Beschluss der ZAK vom 07.10.2008 inzident auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen ist (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 35 RStV Rdnr. 18). Die ZAK selbst ist lediglich Organ der Beklagten und damit nicht beteiligungsfähig am verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 35 RStV Rdnr. 5). Die Beklagte, deren Zuständigkeit sich aus § 36 Abs. 1 Satz 3 RStV iVm dem Zulassungsbescheid ergibt, bedient sich zur Erfüllung ihrer Aufsichtsaufgaben der ZAK, § 36 Abs. 2 Nr. 1 RStV.

Der inzident zu überprüfende Beschluss der ZAK vom 07.10.2008 ist formell (1) und materiell (2) rechtswidrig.

1) Der Beschluss ist formell rechtswidrig, weil er verfahrensfehlerhaft (a) und unter Verstoß gegen die Begründungspflicht (b) zustande gekommen ist.

25a) Zwar war die ZAK auch für "Altfälle", die vor Inkrafttreten des Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages am 01.09.2008 eingeleitet worden waren, zuständig; denn der Zehnte Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält keine einschlägigen Übergangsvorschriften für das Aufsichtsverfahren, sodass die ZAK die alleinige Prüfungskompetenz nach § 36 Abs. 2 Nr. 7 RStV hat. Sie hat dabei das aktuelle Recht anzuwenden und kann für ihre Aufgabe nach § 36 Abs. 2 Satz 2 RStV Prüfungsausschüsse einrichten, möglicherweise kraft ihrer Organisationsgewalt auch die im Gesetz nicht erwähnten sog. Prüfgruppen einsetzen; das Nähere regelt die Geschäftsordnung der ZAK ([GVO-ZAK], abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 35 RStV Rdnr. 22). Die GSPWM, die hier die Beschlussempfehlung ausgesprochen hat, war jedenfalls zum 31.08.2008 aufgelöst (vgl. Gröpl, Die Reform der Medienkontrolle durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, ZUM 2009, 21), sodass die ZAK in dem hier zu behandelnden "Altfall" nicht ohne weiteres die Beschlussvorlage der nicht mehr existenten GSPWM übernehmen durfte; vielmehr hätte sie entweder einen Prüfungsausschuss nach neuem Recht einrichten oder die Entscheidung selbst - möglicherweise auch unter Hinzuziehung einer Prüfgruppe nach § 8 GVO-ZAK - treffen müssen. Richtet sie einen Prüfausschuss ein, entscheidet dieser bei Einstimmigkeit anstelle der ZAK, §§ 36 Abs. 2 Satz 3 RStV, 6 Abs. 1 GVO-ZAK. Für die Zusammensetzung dieser Prüfausschüsse sieht die GVO-ZAK ein bestimmtes, in § 7 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 GVO-ZAK näher geregeltes Verfahren vor.

Die ZAK hat das nach neuem Recht vorgesehene Verfahren nicht beachtet. Dieser Verfahrensfehler ist auch beachtlich im Sinne von § 46 VwVfG, weil es sich bei der Aufsichtsentscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. VGH München zum bayerischen Recht: Urt. v. 15.07.2010 - 7 BV 09.1276 -, juris).

b) Der Beschluss ist auch unter Verstoß gegen die Begründungspflicht zustande gekommen.

28Die ZAK trifft ihre Entscheidung mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder (§ 35 Abs. 9 Satz 1 RStV), sie ist zu begründen (§ 35 Abs. 9 Sätze 3 und 4 RStV) und bindet die zuständige Landesmedienanstalt, § 35 Abs. 9 Satz 5 RStV. Entgegen der klägerischen Ansicht dürfte es grundsätzlich nicht zu beanstanden sein, dass die ZAK die streitbefangene Sache in ihrer Sitzung am 07.10.2008 behandelt und zur Begründung ihrer Entscheidung auf eine Beschlussempfehlung verwiesen hat. Diese Vorgehensweise ist aber nur dann rechtmäßig, wenn die Beschlussempfehlung sich mit den unterschiedlichen Voten der Prüfgruppe und den von der Klägerin im Anhörungsverfahren vorgetragenen Argumenten auch ausführlich auseinandergesetzt und eine Abwägung getroffen hätte. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Vielmehr enthält die - undatierte - Beschlussempfehlung (Bl. 39 ff. BA A) lediglich eine Aneinanderreihung der unterschiedlichen Voten der Prüfgruppe und insbesondere nicht eine Auseinandersetzung mit dem Argument der Klägerin, wonach die Vorgängersendung auf G mehrfach unbeanstandet ausgestrahlt worden sei. Damit liegt zum einen ein Begründungsmangel vor, der zur formellen Rechtswidrigkeit und - weil es sich um eine Ermessensentscheidung handelt - zur Aufhebung auch des "Folgeverwaltungsaktes" führt, weil die Begründung nicht nachgeholt worden ist, §§ 45 Abs. 1 Nr. 2, 46 VwVfG. Dieser Verstoß kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dadurch geheilt werden, dass die Begründung in dem Beanstandungsbescheid vom 07.10.2008 erfolgt; denn § 35 Abs. 9 Sätze 3 und 4 RStV kann seinem Wortlaut nach nur so verstanden werden, dass die ZAK als zuständiges Organ ihren Beschluss selbst zu begründen hat. § 35 Abs. 9 Sätze 3 und 4 RStV geben die für Verwaltungsakte geltende Vorschrift des § 39 Abs. 1 VwVfG wörtlich wieder. Die gesonderte Aufnahme einer Begründungspflicht für Beanstandungsbescheide in den Rundfunkstaatsvertrag wäre vollkommen überflüssig, weil diese Begründungspflicht schon im Verwaltungsverfahrensgesetz normiert ist; die mit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in § 35 Abs. 9 Sätze 3 und 4 RStV eingeführte Begründungspflicht macht nur Sinn, wenn sie sich auf den Beschluss der ZAK bezieht, weil deren Entscheidungen nur deshalb keine Verwaltungsakte sind, weil die ZAK keine Behörde ist und ihren Entscheidungen keine unmittelbare Außenwirkung zukommt. Da die Aufsichtsmaßnahmen der ZAK aber materiell Verwaltungsaktcharakter haben, hat der Gesetzgeber die Begründungspflicht auch für ihre Beschlüsse normiert.

2) Der Beschluss ist auch materiell rechtswidrig.

30Die Kammer kann offenlassen, ob die Ausstrahlung des Films "Herkules und die Sandlot Kids 2" zu Recht als Sendung für Kinder qualifiziert worden ist, weil der Beschluss der ZAK vom 07.10.2008 Ermessenserwägungen nicht erkennen lässt, mithin ein Ermessensausfall vorliegt, der schon wegen der Bindungswirkung in § 35 Abs. 9 Satz 5 RStV zwingend zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung des nachfolgenden Bescheids der Beklagten vom 13.10.2008 führt. Die ZAK als Organ der Beklagten hat im Rahmen ihrer Aufsicht nach § 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 RStV sowohl Entschließungs- als auch Auswahlermessen auszuüben (vgl. VGH München, Urt. v. 15.07.2010, aaO). Stellt sie einen Verstoß gegen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags fest, hat sie je nach Schwere des Verstoßes im Rahmen ihres Entschließungsermessens zu entscheiden, ob sie überhaupt tätig wird. Dass solche Fälle denkbar sind, zeigt sich schon daran, dass der hier streitige Film kürzlich zweimal bei F mit Werbung gezeigt worden ist, ohne dass die ZAK eingeschritten wäre. Im Rahmen des Auswahlermessens hat die ZAK zu entscheiden, ob sie beispielsweise eine Beanstandung ausspricht, es bei einem bloßen Hinweis belässt oder (zusätzlich) ein Bußgeld verhängt. Der Beschluss der ZAK vom 07.10.2008 lässt nicht ansatzweise erkennen, dass die ZAK sich ihres Ermessensspielraums bewusst war und dass sie ihn wahrgenommen hat. Wie oben unter 1 b) bereits ausgeführt, hat die ZAK zur Begründung ihrer Beanstandung auf die - undatierte - Beschlussempfehlung verwiesen. Diese Beschlussempfehlung enthält aber lediglich eine Aneinanderreihung der unterschiedlichen Voten der Mitglieder der Prüfgruppe und insbesondere nicht eine Auseinandersetzung mit dem Argument der Klägerin, wonach die Vorgängersendung auf G mehrfach unbeanstandet ausgestrahlt worden sei; die Beschlussempfehlung enthält vor allem keine für eine Ermessensentscheidung erforderliche Abwägung des Für und Wider der unterschiedlichen Voten der Prüfgruppenmitglieder. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass es sich bei dem Vorgängerfilm nicht um denselben Film gehandelt habe. Gleichwohl hätte die ZAK sich mit diesem im Anhörungsverfahren vorgetragenen Argument der Klägerin auseinandersetzen müssen, weil die Klägerin die Vergleichbarkeit des Vorgängerfilms "Herkules und die Sandlot Kids" und des hier streitigen Fortsetzungsfilms nachvollziehbar begründet hat. Dieser Fall unterscheidet sich deshalb von dem Sachverhalt, der dem Urteil der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover vom 08.07.1997 - 6 A 1647/94 - ("Ottifanten") zugrunde lag. Dass der Vorgängerfilm mehrfach bei einem Sender ausgestrahlt wurde, für den die Beklagte aufsichtsrechtlich nicht zuständig ist, stellt ebenfalls keinen Grund dar, sich mit diesem Argument nicht auseinandersetzen zu müssen; denn es ist eine der Hauptaufgaben der ZAK, im Rahmen der Aufsicht auf eine ländereinheitliche Praxis hinzuwirken, § 1 Abs. 2 Nr. 2 GVO-ZAK.

Schließlich kann die Beklagte auch nicht mit dem Argument durchdringen, der wegen Ermessensausfalls fehlerhafte Beschluss der ZAK könne durch den nachfolgenden Bescheid geheilt werden. Die Begründung des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 13.10.2008 lässt ebenfalls nicht erkennen, dass sich die Beklagte ihres Ermessensspielraums bewusst war und dass sie ihn wahrgenommen hat; denn auch die Begründung dieses Bescheids lässt eine Auseinandersetzung mit den von der Klägerin im Anhörungsverfahren vorgetragenen Argumenten vermissen. Die im Klageverfahren nachgeschobenen Ermessenserwägungen sind von der Kammer nicht zu berücksichtigen, weil ein an Ermessensausfall leidender Verwaltungsakt unrettbar rechtswidrig und aufzuheben ist (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 30.04.2010 - 10 ME 186/09 -, NdsVBl 2010, S. 251).

Die ursprünglich in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids geregelte Kostenentscheidung kann ebenfalls keinen Bestand haben, nachdem Ziffer 1 und 2 - letztere durch Prozesserklärung der Beklagten - aufgehoben sind.

Gründe, die Berufung durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, liegen nicht vor. Mit der Entscheidung, den angefochtenen Bescheid allein schon wegen fehlender Ermessensbetätigung aufzuheben, weicht die Kammer nicht von der obergerichtlichen Rechtsprechung ab; grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache insoweit auch nicht zu.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 161 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO.

1. Soweit das Verfahren hinsichtlich der Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids eingestellt worden, war die Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten insoweit der Beklagten aufzuerlegen, weil sie die Klägerin klaglos gestellt hat.

2. Die Beanstandung und die Kostenentscheidung hat die Kammer aufgehoben; die Kostenentscheidung folgt insoweit aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer orientiert sich an der Streitwertpraxis des VGH München (Urt. v. 15.07.2010, aaO) sowie an den Angaben der Klägerin, wonach die Werbenettoeinnahmen im Rahmen der streitgegenständlichen Ausstrahlung bereits mehr als 40.000,00 EUR betrugen.






VG Hannover:
Urteil v. 27.01.2011
Az: 7 A 5630/08


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