Bayerischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 31. Januar 2008
Aktenzeichen: 15 ZB 07.825

(Bayerischer VGH: Beschluss v. 31.01.2008, Az.: 15 ZB 07.825)

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist zur Begründung ihrer Zulassungsanträge hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der geplante Mobilfunkmast gegen die Verbote des § 5 der Verordnung über die Landschaftsschutzgebiete im Landkreis Regensburg vom 17.1.1986 (LandschVO) verstoße. Hier komme allenfalls eine Beeinträchtigung der Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes durch den Mobilfunkmast gemäß § 3 Satz 1 Buchstabe c) LandschVO in Betracht. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der geplante Stahlgittermast im Nahbereich weitgehend durch den vorhandenen Baumbestand verschattet werde. Aus größerer Entfernung störe der Stahlgittermast aufgrund der Vorbelastungen am Standort durch die Autobahn A 3 und die Bundesstraße B 8 sowie seiner filigranen Bauweise nicht.

Nach § 5 LandschVO sind insbesondere alle Handlungen verboten, die geeignet sind, das Landschaftsbild zu beeinträchtigen. Das Verbot wird nach dem Schutzzweck des § 3 LandschVO durch jede Maßnahme ausgelöst, die nach ihrer Erscheinung innerhalb der geschützten Landschaft fremdartig wirkt und dort wahrgenommen werden kann. Hieran besteht bei einem 55 m hohen Mobilfunkmast an exponierter Stelle des 455 Meter hohen Saubergs kein Zweifel. Dabei spielt keine Rolle, inwieweit im Einzelnen in der unmittelbaren Umgebung durch die Verschattung des Baumbestandes der Mast wahrnehmbar ist, oder ob durch etwaige Vorbelastungen des Vorhabensgrundstücks durch Verkehrsanlagen eine verminderte Schutzwürdigkeit des konkreten Standorts im Einzelfall anzunehmen ist. Der Mobilfunkmast ist in der Landschaft in jedem Fall so deutlich wahrnehmbar, dass er in der geschützten Landschaft als Fremdkörper auffällt. Dies reicht für eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Sinne des § 5 LandschVO aus.

b) Weiter trägt die Klägerin vor, das Verwaltungsgericht hätte eine Befreiungslage gemäß § 8 LandschVO i.V.m. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG annehmen müssen. Überwiegende Gründe des Allgemeinwohls seien hier anzunehmen, da die möglichen Alternativstandorte, auf die das Verwaltungsgericht verwiesen habe, nicht zu einer vergleichbaren, flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung führten. Das Verwaltungsgericht habe hier das Merkmal des "Erforderns" für eine Befreiung überspannt.

Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung angenommen, dass in der lückenlosen Versorgung eines Siedlungsgebiets grundsätzlich Gründe des Wohls der Allgemeinheit im Sinne des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatschG gesehen werden können. Es hat dies mit den heutigen Lebensverhältnissen und einem daraus folgenden Allgemeininteresse an der Lückenlosigkeit der Netzabdeckung für Mobilfunk begründet. Das Verwaltungsgericht ist jedoch davon ausgegangen, dass dieses Allgemeinwohlinteresse hier eine Befreiung nicht erfordert, da ein etwaiger dringender allgemeiner Bedarf an einer flächendeckenden Mobilfunkversorgung jedenfalls auch durch eine andere Standortwahl befriedigt werden könnte.

Gemeinwohlbelange im Sinne des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG können nur besonders qualifizierte öffentliche Interessen sein (vgl. Engelhardt/Brenner/ Fischer-Hüftle/Egner, Naturschutz in Bayern, RdNr. 8 zu Art. 49). Ob diese bereits durch ein allgemeines Interesse am Telefonieren mit Mobiltelefonen an jedem beliebigen Ort begründet werden, lässt sich jedenfalls nicht unter Hinweis auf die nach Art. 87 f Abs. 1 GG i.V.m. § 78 TKG zu gewährleistende Grundversorgung begründen, kann aber dahingestellt bleiben. Denn selbst unter der Annahme, dass dieses Interesse als Grund des allgemeinen Wohls anzuerkennen sein sollte, überwiegen hier Belange des Naturschutzes, die eine Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung nicht zulassen.

Eine Befreiung nach Art. 49 BayNatSchG kann erteilt werden, wenn -was hier allein in Betracht zu ziehen ist -überwiegende Gründe des allgemeinen Wohls die Befreiung erfordern (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG). Dabei genügt es nicht, wenn die Befreiung dem allgemeinen Wohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist. Die Gründe des allgemeinen Wohls müssen sowohl überwiegen und als auch die Befreiung erfordern, d.h. das Vorhaben muss in Verfolgung öffentlicher Interessen vernünftigerweise an der vorgesehenen Stelle geboten sein (Engel-hardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner, a.a.O., RdNr. 9 zu Art. 49). Für die Frage, ob ein Vorhaben eine Befreiung an einem bestimmten Standort erfordert, kann die Möglichkeit von Alternativstandorten eine Rolle spielen. Gibt es Alternativstandorte, die im Vergleich zur beantragten Vorhabenslösung eine qualitativ ebenso hohe Versorgungssicherheit gewährleisten, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass der (hier unterstellte) Allgemeinwohlbelang eine Befreiung von naturschutzrechtlichen Verboten schon gar nicht erfordert. Davon ist das Verwaltungsgericht ausgegangen, indem es die Klägerin auf mögliche alternative Standorte zur Versorgung des Gebietes mit Mobilfunk verwiesen hat.

Es kann jedoch dahinstehen, ob diese Alternativstandorte tatsächlich geeignet sind, eine dem geplanten Vorhaben vergleichbare flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen und damit eine Befreiung schon nicht erforderlich machen. Denn in jedem Fall muss das Gewicht der geltend gemachten Gründe des Allgemeinwohls die Belange des Naturschutzes überwiegen. Dabei kann -wiederum unterstellend -auch die Frage der Maximierung der Versorgungssicherheit im Mobilfunk als Teilaspekt in die durch den Begriff des Überwiegens geforderte, rechtlich aber gebundene Abwägung einbezogen werden.

Die von der Klägerin geltend gemachten Allgemeinwohlbelange überwiegen gegenüber den Belangen des Naturschutzes nicht. Ausweislich der Dokumentation der örtlichen Situation anhand der Fotos aus dem Beweistermin vom 26. Januar 2007 hat das Landschaftsbild im fraglichen Bereich eine außerordentlich sensible Qualität. Das Verwaltungsgericht beurteilt den Vorhabensstandort als eine besonders reizvolle und völlig unberührte Landschaft von einzigartiger Schönheit. Das lässt sich ohne weiteres auch anhand der Fotodokumentation nachvollziehen. Zwar ist der Mast am Vorhabengrundstück von einem Waldbestand umfasst, der die Eingriffsintensität der Maßnahme aus jeder Perspektive mindert. Der geplante Stahlgittermast überragt die Baumkronen in jedem Fall um mindestens 30 m. Dabei kann offenbleiben, ob der Waldbestand an der betreffenden Stelle 15 bis 20 m hoch ist, wie von der Beklagten angenommen, oder bis zu 25 m Höhe aufweist, wie dies die Klägerin behauptet. Das der Mobilfunkmast erheblich auf das Landschaftsbild wirkt, bestreitet auch die Klägerin nicht. So wird unter Nummer 4.4 des Erläuterungsberichts zum landschaftspflegerischen Begleitplan ausgeführt, dass der Standort über einen bedeutenden ästhetischen Eigenwert verfügt und die zusätzliche Belastung durch die Errichtung des Gittermastes -auch unter dem Gesichtspunkt der guten Abschirmung mit waldartigen Gehölzbeständen -für das Schutzgut Landschaftsbild erheblich sein wird.

Die Vorbelastungen durch Verkehrsanlagen in der Region mindern die Schutzwürdigkeit der Landschaft nicht in einem Maße, dass Belange des Landschaftsbildes hinter den Interessen des Vorhabens zurückgestellt werden müssten. Für die Qualität des Schutzgutes Landschaftsbild spielen in erster Linie optische Beeinträchtigungen, weniger akustische Vorbelastungen eine Rolle. Es kann daher dahinstehen, ob mit dem Verwaltungsgericht sogar davon auszugehen ist, dass die wahrnehmbaren Verkehrsgeräusche von Eisenbahn und Bundesstraße eher den Eindruck einer naturbelassenen Enklave abseits der technisierten Umgebung noch verstärken. Maßgeblich ist hier, dass die optische Wahrnehmbarkeit der Verkehrsanlagen nur relativ geringfügig ist und daher insgesamt die Schutzqualität der fraglichen Landschaft nicht erheblich herabsetzt. Der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass allenfalls die Bundesstraße in Teilstücken von einzelnen Stellen der Umgebung aus sichtbar ist, ist die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht qualifiziert entgegengetreten.

In dieser konkreten Situation gehen die Regelungen der Landschutzverordnung selbst dann vor, wenn die Versorgungssicherheit auch anderweitig nicht zu verbessern ist. Ob und inwiefern das auch dann zutrifft, wenn im fraglichen Gebiet nicht nur die Versorgungsqualität eines bestimmten Netzes, sondern die allgemeine Notrufverbindung in Frage steht, bedarf keiner Entscheidung. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gibt für eine solche Konstellation keinen Anhaltspunkt.

c) Die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe sich bei seiner Entscheidung über die Befreiung nach Naturschutzrecht nicht ausreichend mit der Rechtsprechung zur Auslegung der Befreiungsnorm nach § 31 Abs. 2 BauGB auseinandergesetzt, kann ebenfalls keine ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begründen. Die Kriterien für die Entscheidung über eine Befreiung nach Art. 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG und nach § 31 Abs. 2 BauGB sind zum einen nicht identisch. Im Naturschutzrecht ist über die Anforderungen des Baurechts hinaus ein "Überwiegen" der Gründe des Allgemeinwohls erforderlich, das hier gerade nicht zu bejahen ist. Zum andern orientiert sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung wegen des Begriffs "erfordern" an der Rechtsprechung zu § 31 Abs. 2 BauGB.

2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache nicht auf. Nach dem unter Nummer 1 Ausgeführten lässt sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne weiteres im Rahmen einer kursorischen Prüfung nachvollziehen. Die von der Klägerin vorgelegten Gerichtsentscheidungen zu bauplanungsrechtlichen Befreiungslagen nach § 31 Abs. 2 BauGB oder der Zulässigkeit privilegierter Vorhaben im Außenbereich begründen keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten. Die dort entschiedenen Fallkonstellationen weichen grundlegend von der hier gegebenen Situation ab.

Weiter bestehen auch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache. Das Verwaltungsgericht hat sich insbesondere durch eigene Ortseinsicht im Rahmen des Beweistermins am 26. Januar 2007 eine umfassende Kenntnis der Sachlage angeeignet. Sachverhalte, die sich durch einen Augenschein klären lassen, begründen regelmäßig keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten (vgl. Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, RdNr. 33 zu § 124). Der Umstand, dass die Fachstelle für Naturschutz innerhalb des Landratsamtes dem Vorhaben zunächst zugestimmt hat, begründet schon deshalb keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten. Auch besondere rechtliche Schwierigkeiten lassen sich daraus nicht ableiten. Die naturschutzfachliche Stellungnahme ist inhaltlich ohne Substanz. Die auf einer Ortseinsicht beruhenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zeigen keinen weiteren Klärungsbedarf auf. Das Landratsamt hat seine Entscheidung im Übrigen nach außen maßgeblich durch den Bescheid vom 30. September 2005 geäußert. Hierin wurde aus Gründen des Natur-und Landschaftsschutzes der Vorhabensantrag abgelehnt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 145 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 52 Abs. 1, § 47 GKG.

Mit der Ablehnung der Anträge auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).






Bayerischer VGH:
Beschluss v. 31.01.2008
Az: 15 ZB 07.825


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