Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. April 2011
Aktenzeichen: 7 W (pat) 28/11

(BPatG: Beschluss v. 08.04.2011, Az.: 7 W (pat) 28/11)

Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle G 06 F des Deutschen Patentund Markenamtes vom 6. September 2006 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung der Patentfähigkeit der Anmeldung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2011 gestellten Antrags der Anmelderin an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die am 24. Dezember 2003 unter Inanspruchnahme der Unionspriorität mit dem Aktenzeichen US 10-357,168 vom 31. Januar 2003 eingereichte Patentanmeldung 103 61 194.0-53 betrifft ein Sicherheitsnetzwerk mit Phantomadressinformation.

Die Anmeldung ist vom Deutschen Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse G 06 F -durch Beschluss vom 6. September 2006 mit Bezug auf den Bescheid vom 24. Mai 2006 zurückgewiesen worden.

Der dem Zurückweisungsbeschluss zugrunde liegende Patentanspruch 1, eingereicht mit Schriftsatz vom 28. September 2006, lautet:

1. Verfahren zum Erzeugen eines Netzwerks hoher Zuverlässigkeit, welches kommunizierende Knoten eines industriellen Steuersystems miteinander verbindet, das zur Echtzeitsteuerung industrieller Maschinen und Prozesse verwendet wird, um die Sicherheit von Arbeitern im Bereich der Maschinen und Prozesse zu gewährleisten, aufweisend die Schritte:

a) Versehen jedes Knotens mit einer erwarteten Sicherheitsadresse für Nachrichten, die er empfangen sollte;

b) Berechnen eines Fehlerdetektionscode bei einem Knoten, der eine Nachricht auf das Netzwerk aussendet, wobei der Fehlerdetektionscode eine Kombination aus vom Knoten auszusendenden Daten und aus einer Sicherheitsadresse abdeckt, und Aussenden der Daten und des Fehlerdetektionscode als die Nachricht auf das Netzwerk ohne die Sicherheitsadresse; undc) Auswerten einer Übereinstimmung zwischen dem Fehlerdetektionscode der Nachricht und einer Kombination aus den Daten der Nachricht und der erwarteten Sicherheitsadresse bei einem die Nachricht vom Netzwerk empfangenden Knoten, wobei bei Ermittlung einer fehlgeleiteten Nachricht im Schritt c) der die Nachricht empfangende Knoten in einen Sicherheitszustand eintritt, der das Herunterfahren von Teilen des oder des gesamten industriellen Steuersystems in Übereinstimmung mit vorbestimmten Sicherheitszuständen für dessen Einund Ausgaben vorsieht.

Hieran schließen sich auf den Anspruch 1 direkt und indirekt rückbezogene Unteransprüche 2 bis 9 und zwei nebengeordnete Ansprüche 10 und 15 mit direkt und indirekt rückbezogenen Unteransprüchen 11 bis 14, resp. 16 bis 19 an, zu deren Wortlaut im Einzelnen auf die beigezogene Amtsakte und die Offenlegungsschrift DE 103 61 194 A1 verwiesen wird.

Die Prüfungsstelle war in dem Zurückweisungsbeschluss zu dem Ergebnis gelangt, dass eine nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähige Erfindung nicht vorliegen würde, da die mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Lehre insbesondere nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten könne. Als einschlägigen Stand der Technik hatte die Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss die im Prüfungsverfahren ermittelte Abhandlung 1) IBM International Technical Support Organization; "TCP/IP Tutorial and Technical Overview", (IBM Redbooks) 7th Edition, August 2001, Chapter 21.2.4, herangezogen.

In der Anmeldung wurde zum Stand der Technik die US-Patent-Anmeldung 09/667,145 genannt.

Zu dieser US-Patent-Anmeldung wurde eine PCT-Anmeldung getätigt, die mit der Druckschrift WO 01/46 765 A1 zur vorliegenden Patentanmeldung vorveröffentlicht wurde und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Die am 22. Dezember 2006 eingelegte Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung der Anmeldung.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin ihre Anmeldung zuletzt mit einem neuen einzigen Patentanspruch 1 verteidigt, der die Merkmale der Patentansprüche 1, 2, 3 und 9 laut Offenlegungsschrift enthält.

Die Patentansprüche 1, 2, 3 und 9 laut Offenlegungsschrift lauten:

1. Verfahren zum Erzeugen eines hoch zuverlässigen Netzwerks, das kommunizierende Knoten miteinander verbindet, welches Verfahren die Schritte umfaßt:

a) Versehen jedes Knotens mit einer erwarteten Sicherheitsadresse für Nachrichten, die er empfangen sollte;

b) Berechnen eines Fehlerdetektionscode bei einem Knoten, der eine Nachricht auf das Netzwerk aussendet, wobei der Fehlerdetektionscode eine Kombination aus vom Knoten auszusendenden Daten und aus einer Sicherheitsadresse abdeckt, und Aussenden der Daten und des Fehlerdetektionscode als die Nachricht auf das Netzwerk ohne die Sicherheitsadresse; undc) Auswerten einer Übereinstimmung zwischen dem Fehlerdetektionscode der Nachricht und einer Kombination aus den Daten der Nachricht und der erwarteten Sicherheitsadresse bei einem die Nachricht vom Netzwerk empfangenden Knoten, um eine fehlgeleitete Nachricht zu detektieren.

2.

Verfahren nach Anspruch 1, enthaltend die Schritte der Formatierung der Nachricht für das Aussenden und den Empfang auf einem Standardseriennetzwerk, wobei das Formatieren an die Nachricht eine zweite Adresse anfügt, die dem Standardseriennetzwerk zugeordnet ist.

3.

Verfahren nach Anspruch 2, bei dem der Schritt (a) jeden Knoten mit mehreren erwarteten Sicherheitsadressen versieht und bei dem der Knoten, der die Nachricht empfängt, eine erwartete Sicherheitsadresse aus einem Satz von erwarteten Sicherheitsadressen auf der Grundlage der zweiten Adresse auswählt.

9. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem bei Detektion einer fehlgeleiteten Nachricht beim Schritt (c) das Netzwerk in einen Sicherheitszustand eintritt.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamtes vom 6. September 2006 aufzuheben und auf die Anmeldung 103 61 194 ein Patent mit einem neuen einzigen Patentanspruch 1, der die Merkmale der Patentansprüche 1, 2, 3 und 9 laut Offenlegungsschrift enthält, sowie mit noch anzupassender Beschreibung und den Zeichnungen laut Offenlegungsschrift zu erteilen.

Die Anmelderin führt im wesentlichen aus, der Gegenstand des nunmehr beantragten Patentanspruchs 1 sei gegenüber dem durch die oben genannten Druckschriften belegten Stand der Technik neu und auch erfinderisch.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 PatG.

1. Der Gegenstand des dem Zurückweisungsbeschluss vom 6. September 2006 zugrunde liegenden Anspruchs 1, der im wesentlichen die Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 9 enthalten hat, hat sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik gemäß der Abhandlung 1) ergeben, wie aus der zutreffenden Begründung der Prüfungsstelle für Klasse G 06 G im Beschluss vom 6. September 2006 im Einzelnen zu entnehmen ist. Als Fachmann ist hierbei ein Entwicklungsingenieur auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik mit besonderer Erfahrung auf dem Fachgebiet der Netzwerktechnik und mit Kenntnissen der dabei zum Einsatz gelangenden Datenübertragungsverfahren und Systeme, insbesondere auch der dabei genutzten Sicherheitsund Fehlerkorrektursysteme anzusehen. Zu Einzelheiten der Sicherheitssysteme befragt der Fachmann ggf. einen Informatiker. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Druckschrift WO 01/46 765 A1, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Zurückweisungsbeschluss zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (vgl. BGH GRUR 1993, 896 f. -Leistungshalbleiter).

2. Der -zweifelsfrei gewerblich anwendbare -Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist aber gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik neu.

a) Der nunmehr beantragte Patentanspruch 1 ist dabei zulässig. Seine Merkmale ergeben sich als zur Erfindung gehörend aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen, vgl. die Offenlegungsschrift, insbesondere den Wortlaut der Ansprüche 1, 2, 3 und 9 auf der Seite 6. Gegenüber dem dem Zurückweisungsbeschluss zugrunde liegenden Anspruch 1 ist der geltende Anspruch 1 insbesondere dadurch enger gefasst, dass er die Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 und 3 enthält.

b) Der Gegenstand des geltenden einzigen Patentanspruches ist auch gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften neu, weil diesen keine Hinweise auf die nunmehr im geltenden Anspruch 1 geforderten Merkmale, insbesondere gemäß den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 und 3, entnehmbar sind, betreffend ein Formatieren der Nachricht für das Aussenden und den Empfang auf einem Standardseriennetzwerk, wobei das Formatieren an die Nachricht eine zweite Adresse anfügt, und weiter das Vorsehen mehrerer Sicherheitsadressen an jedem Knoten und ein Auswählen von erwarteten Sicherheitsadressen auf der Grundlage der zweiten Adresse. Auch ist aus dem bislang ermittelten Stand der Technik und auch aus dem allgemeinen Fachwissen heraus keine Veranlassung ersichtlich, die dem Fachmann ein Verfahren zum Erzeugen eines hoch zuverlässigen Netzwerks mit den gemäß Anspruch 1 geforderten Merkmalen nahelegen könnte.

3. Der Senat hat jedoch nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. und 3 PatG davon abgesehen, antragsgemäß in der Sache selbst zu entscheiden und das Patent zu erteilen, weil er die Frage, ob der Gegenstand des geltenden Patentanspruches auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, anhand des derzeit ermittelten Standes der Technik nicht abschließend beurteilen kann. Denn der in der mündlichen Verhandlung neu vorgelegte einzige Patentanspruch 1, der aus den bisherigen Patentansprüchen 1, 2, 3 und 9 gebildet ist, enthält Merkmale, welche das Deutsche Patentund Markenamt -aufgrund der bei seiner Beschlussfassung noch gegebenen anderen Anspruchsfassung aus seiner Sicht folgerichtig -noch nicht abschließend prüfen konnte.

Nachdem nicht ausgeschlossen werden kann, dass insbesondere unter dem Gesichtspunkt des § 4 PatG ein einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche des relevanten Standes der Technik ergehen kann, wofür in erster Linie die Prüfungsstellen des Patentamts berufen sind, war die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2011 gestellten Antrags der Anmelderin an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

Höppler Hartung Schwarz Maile Hu






BPatG:
Beschluss v. 08.04.2011
Az: 7 W (pat) 28/11


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