Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juli 2002
Aktenzeichen: 10 W (pat) 28/01

(BPatG: Beschluss v. 15.07.2002, Az.: 10 W (pat) 28/01)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Auf die am 23. August 1989 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung wurde ein Patent mit der Bezeichnung "Verfahren und Anlage zum Beschichten von Gegenständen mit häufig wechselndem Farbmaterial" erteilt. Die Erteilung wurde am 30. Juli 1998 veröffentlicht. Das Patent umfasst 21 Patentansprüche.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 10 haben, versehen mit einer Merkmalsgliederung (die der Merkmalsgliederung der Patentinhaberin und derjenigen im angefochtenen Beschluss entspricht), folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum Beschichten von Gegenständen, wie beispielsweise Fahrzeugkarossen, mit häufig wechselndem Farbmaterial, a bei dem jeder Gegenstand nacheinander in zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Beschichtungsstationen unter Verwendung mindestens je einer Sprühvorrichtung mit jeweils gewünschtem Farbmaterial beschichtet wird, b und bei dem vor einem Farbmaterialwechsel die von einem Vorratsbehältersystem zu der Sprühvorrichtung führende Leitung entleert und gereinigt wird, dadurch gekennzeichnet, c dass vor Beginn der Beschichtung eines Gegenstands mit einem gegebenen Farbmaterial eine Stichleitungsanordnung, die von einem dieses Farbmaterial enthaltenden Vorratsbehälter in jede Beschichtungsstation führt, mit diesem Farbmaterial gefüllt wird, d dass vor Beginn der Beschichtung eines weiteren Gegenstandes mit einem anderen Farbmaterial eine weitere Stichleitungsanordnung, die von einem das andere Farbmaterial enthaltenden Vorratsbehälter in jede Beschichtungsstation führt, mit dem anderen Farbmaterial gefüllt wird, e dass zur Beschichtung die Sprühvorrichtung in der Beschichtungsstation selektiv an diejenige Stichleitungsanordnung angeschlossen wird, die das jeweils benötigte Farbmaterial enthält, undf dass die Stichleitungsanordnung vor einem Farbmaterialwechsel und vor dem Reinigen in den Vorratsbehälter entleert wird, aus dem sie zuvor gefüllt worden war."

"10. Beschichtungsanlage insbesondere zum Durchführen des Verfahrens nach einem der vorangehenden Ansprüche, g mit einer Anzahl n von Beschichtungsstationen zur Beschichtung von Gegenständen mit Material häufig wechselnder Farbe, mit mindestens einer Sprühvorrichtung in jeder Stationh und mit einem den Stationen gemeinsamen Vorratsbehältersystem mit einer Vielzahl von Vorratsbehältern für jeweils anderes Farbmaterial, die über Leitungen selektiv mit den Sprühvorrichtungen verbindbar sind, dadurch gekennzeichnet, i dass mindestens n+1 Stichleitungsanordnungen (12) vorgesehen sind, die von dem gemeinsamen Vorratsbehältersystem (10), k wo sie lösbar an je einen der Vorratsbehälter (11) anschließbar sind, i in alle Beschichtungsstationen (1-4) zu je einer Anschlussanordnung (15) führen, l durch die je eine Sprühvorrichtung (7) selektiv mit einer der n+1 Stichleitungsanordnungen (12) verbindbar ist."

Gegen das Patent wurde am 29. Oktober 1998 Einspruch erhoben, mit dem der Widerruf des Patents wegen fehlender Patentfähigkeit begehrt wird.

Die Einsprechende beruft sich im Einspruchsschriftsatz auf die vorveröffentlichten Druckschriften E1 Taschenbuch für Lackierbetriebe 1985, S 327-337 E2 "Zentrale Materialversorgungsanlagen" in Industrie Lackierbetrieb, 52. Jahrgang 5/1984, S 166-172 E3 "Lack-Fernversorgung" in Oberfläche + JOT 1977, Heft 9, S 458-460 und trägt vor, die Merkmale der Ansprüche 1 bis 21 seien entweder neuheitsschädlich vorbekannt oder beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zu Patentanspruch 1 wird vorgetragen, die kennzeichnenden Merkmale c bis e (= a bis c nach der nur den kennzeichnenden Teil betreffenden Merkmalsgliederung der Einsprechenden im Einspruchsschriftsatz) hätten überhaupt nichts mit der in der Patentschrift angegebenen Aufgabe zu tun. Es sei nicht nur naheliegend und selbstverständlich, sondern auch Stand der Technik, dass die einzelnen Stichleitungen zunächst mit Farbe gefüllt werden müssten, ehe gearbeitet werden könne; die Merkmale c bis e gehörten daher in den Oberbegriff von Anspruch 1. Das einzige Merkmal, das einen Beitrag zur Lösung der Aufgabe leiste, sei das Merkmal f (= d nach der Merkmalsgliederung im Einspruchsschriftsatz), das jedoch aus dem Stand der Technik bekannt sei. Insoweit werde auf eine Textstelle aus dem Taschenbuch für Lackierbetriebe, S 331 unten (E1), verwiesen, die eine Ringleitung beschreibe, wobei das Lackmaterial kontinuierlich aus einem druckfreien Behälter über ein Leitungssystem (Ringleitung) zum Verbrauch und wieder zurück gepumpt werde. Es sei branchenbekannt gewesen, dass die Ringleitungen mit Druckluft in den Vorratsbehälter entleert würden. Der Anspruch 1 spreche zwar von einer Stichleitungsanordnung und nicht von einer Ringleitung, dies ändere aber nichts an der Beurteilung der Schutzfähigkeit, denn eine Stichleitung könne ebenso wie eine Ringleitung in den Vorratsbehälter entleert werden, und dies so vorzusehen, sei nicht erfinderisch.

Zu Patentanspruch 10 wird vorgetragen, dass für ihn dasselbe gelte wie für Anspruch 1; auch hier sei von Stichleitungen/Stichleitungsanordnungen die Rede, obwohl die Anlage im Reinigungstakt sowohl mit Stichleitungen als auch mit einer Ringleitung arbeite. Am Ende der Einspruchsbegründung benennt die Einsprechende 5 Unternehmen und trägt insoweit vor, diese hätten bereits vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents Anlagen mit mehreren Ringleitungen verwendet, durch die Lacke während des Normalbetriebes und zum Reinigen in die speisenden Behälter zurückgedrückt würden. Zum Nachweis für branchenübliches Fachwissen verweist sie ferner auf die Druckschriften "Zentrale Materialversorgungsanlagen" (E2) und "Lack-Fernversorgung" (E3).

Durch Beschluss vom 2. Mai 2001 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts den Einspruch als unzulässig verworfen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Einspruchsbegründung befasse sich nur mit einem Teilaspekt des Streitpatents. Nur hinsichtlich des Merkmals f des Anspruchs 1 sei ein druckschriftlicher Stand der Technik genannt und eine mangelnde erfinderische Tätigkeit festgestellt worden. Ferner sei die Einsprechende in der Bemerkung, dass die Merkmale c bis e in den Oberbegriff gehörten und es nicht nur naheliegend und selbstverständlich, sondern auch Stand der Technik sei, dass die einzelnen Stichleitungen zunächst mit Farbe gefüllt werden müssten, ehe gearbeitet werden könne, nur auf Merkmal c im einzelnen eingegangen. Nachdem die Merkmale c und f nur einen Teil des Verfahrens beträfen und es die Einsprechende versäumt habe, auf das Zusammenwirken der einzelnen Merkmale einzugehen, sei eine abschließende Beurteilung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit den Angaben der Einsprechenden nicht möglich. Auch die Begründung zu Anspruch 10 sei nicht ausreichend, zumal dieser gegenüber Anspruch 1 noch weitere Vorrichtungsmerkmale aufweise. Falls mit der Nennung von diversen Anwendern eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht werden sollte, sei auch diese nicht substantiiert.

Hiergegen wendet sich die Einsprechende mit der Beschwerde und trägt zur Begründung vor, es seien nicht nur drei Literaturstellen benannt worden, sondern diese seien ausführlich diskutiert worden. Das Kennzeichen des Anspruchs 1 sei in die vier Merkmale c bis f (= a bis d nach der Merkmalsgliederung im Einspruchsschriftsatz) unterteilt worden und im anschließenden Absatz sei auf sämtliche vier Merkmale eingegangen worden, mögen auch die Merkmale c bis e gemeinsam und kurz abgehandelt worden sein, was nicht nur durch die Sachlage gerechtfertigt, sondern im genannten Absatz begründet worden sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Beschreibungseinleitung des Patents recht knapp gehalten sei. Es sei kein druckschriftlicher Stand der Technik angegeben und keine merkmalsmäßige Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik vorgenommen worden. Es werde auch nicht gesagt, wie die Aufgabe konkret gelöst werde. Auf das oberbegriffliche Merkmal a habe sie nicht eingehen müssen, denn in der Beschreibungseinleitung werde davon ausgegangen, dass das oberbegriffliche Merkmal a zum Stand der Technik gehöre, wodurch die Patentinhaberin selbst zugestehe, dass es vorbekannt sei. Die kennzeichnenden Merkmale c, d und e seien bei Beschichtungsverfahren mit Farbwechseln eine Selbstverständlichkeit. Das Merkmal c müsse sein, denn es sei nicht anders denkbar, dass die Stichleitung gefüllt sei, bevor gesprüht werde. Entsprechendes gelte für Merkmal d; dass es zwei Stichleitungen gebe, sei ebenfalls Stand der Technik, wie sich aus der Druckschrift "Zentrale Materialversorgungsanlagen", S 171 (E2) ergebe. Entsprechendes gelte ebenfalls für Merkmal e, denn die Schnelligkeit, mit der man arbeite, sei im Stand der Technik bereits gelöst, wie sich aus S 171, 2. Absatz der E2 ergebe. Auch bei Patentanspruch 10 sei zu berücksichtigen, dass die Patentinhaberin durch die Zuordnung von Merkmalen in den Oberbegriff selbst zugestehe, dass diese Merkmale bekannt seien. Sie stelle ferner klar, dass sie sich nicht auf offenkundige Vorbenutzung berufe. Den Kostenantrag der Patentinhaberin halte sie für unbegründet, denn angesichts der Besonderheiten des Falls - man wisse nicht, was die Merkmale eigentlich sollten - sei ein besserer Einspruch nicht möglich gewesen.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen und der Einsprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Die Patentinhaberin trägt vor, die pauschale Abhandlung der ersten drei kennzeichnenden Merkmale sei nicht geeignet gewesen, dem Patentamt ohne weiteres eine abschließende Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands des Anspruchs zu ermöglichen. Die Einsprechende habe nicht vorgetragen, warum diese Merkmale technisch notwendig seien und wo dies im Stand der Technik nachweisbar sei. Selbst wenn das Patent unklar sei, wie die Einsprechende behaupte, verringere dies nicht die Anforderungen an die Substantiierung des Einspruchs. Die Figur 1 der Patentschrift zeige im übrigen die Komplexität des Merkmals a, das im Einspruchsschriftsatz überhaupt nicht angesprochen worden sei. In der Verteilung der Merkmale auf Oberbegriff und Kennzeichen liege auch kein Eingeständnis einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit. Auch das Merkmal e sei überhaupt nicht angesprochen worden, das hinsichtlich der Charakterisierung als "selektiv" jedoch ein wichtiges Merkmal der Erfindung sei. Da bekannt sein dürfte, dass in der Einspruchsbegründung die Befassung nur mit einem Teilaspekt nicht genüge, halte sie den Kostenantrag für begründet.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Einspruch gegen das Patent ist unzulässig, da er nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet worden ist.

Gemäß § 59 Abs 1 Satz 4 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im einzelnen anzugeben. Dieses Erfordernis ist in ständiger Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass eine so vollständige Darlegung der Tatsachen zu erfolgen hat, dass Patentamt und Patentinhaber daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können; sie sollen allein anhand der mitgeteilten Umstände, ohne eigene Ermittlungen, in die Lage versetzt sein, zu prüfen, ob der behauptete Widerrufsgrund gegeben ist (vgl Schulte, PatG, 6. Aufl, § 59 Rdn 66; Busse, PatG, 5. Aufl, § 59 Rdn 66, mwN). Hierfür muss grundsätzlich eine Auseinandersetzung mit der gesamten patentierten Lehre stattfinden, denn eine Befassung nur mit einem Teilaspekt der Erfindung macht den Einspruch unzulässig (vgl BGH BlPMZ 1988, 250 - Epoxidation). Wenn sich die Einspruchsbegründung mit dem Kern der Erfindung auseinandersetzt, ist es aber unschädlich, dass nicht jedes einzelne Merkmal behandelt wird (vgl Schulte, aaO, § 59 Rdn 70; Busse, aaO, § 59 Rdn 70).

Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht ist die Einsprechende nicht hinreichend nachgekommen. Die Einsprechende hat in ihrer Einspruchsbegründung zum Patentanspruch 1 von den insgesamt sechs Merkmalen ausdrücklich überhaupt nur die vier kennzeichnenden Merkmale c bis f bei der Begründung fehlender Patentfähigkeit erwähnt, die Merkmale a und b des Oberbegriffs dagegen nicht. Das Merkmal a des Oberbegriffs ist, ohne dass es als Merkmal a bezeichnet wird, nur bei der Wiedergabe der Beschreibung des Patents eingangs der Einspruchsbegründung aufgeführt, ohne dass es in irgendeiner Weise gewürdigt und - sei es auch nur pauschal - in Bezug zu einer der drei genannten Entgegenhaltungen gesetzt wird. Selbst eine pauschale Bezugnahme auf eine Entgegenhaltung hätte bei Merkmalen des Oberbegriffs allenfalls dann ausreichend sein können, wenn es sich bei dieser Entgegenhaltung um einen Stand der Technik handelt, der in dem angegriffenen Patent selbst als gattungsbildend gewürdigt ist (vgl zB die Senatsentscheidung 10 W (pat) 62/00 vom 5. 10. 01; 7 W (pat) 45/00 vom 17. 01. 01; beide in juris). Vorliegend ist jedoch weder eine pauschale Bezugnahme erfolgt noch ist eine der drei genannten Entgegenhaltungen als Stand der Technik in der Patentschrift des angegriffenen Patents genannt. Ein Bezug des oberbegrifflichen Merkmals a zu den genannten Entgegenhaltungen drängt sich angesichts seiner Komplexität auch nicht von selbst auf.

Entgegen der Auffassung der Einsprechenden kann auch nicht deshalb, weil das Merkmal a des Patentanspruchs 1 im Oberbegriff erscheint, von einer Befassung mit ihm abgesehen werden. Gegenstand der Prüfung auf Patentfähigkeit ist die Gesamtheit aller Merkmale in Oberbegriff und Kennzeichen (vgl Schulte, aaO, § 4 Rdn 11, 34 Rdn 74 mwN), wobei es für die Beurteilung der Schutzfähigkeit eines Patents nach ständiger Rechtsprechung ohne Bedeutung ist, ob ein bestimmtes Merkmal im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs erscheint; maßgebend ist insoweit allein die tatsächliche Sachlage, insbesondere der nach der tatsächlichen Sachlage zu beurteilende Stand der Technik (vgl BGH BlPMZ 1994, 281 - Muffelofen). Die Einspruchsbegründung muss sich daher grundsätzlich auch auf die Merkmale des Oberbegriffs erstrecken (so auch BPatGE 35, 263, 266). Daran fehlt es hier, denn mit Merkmal a des Oberbegriffs hat sich die Einspruchsbegründung, wie ausgeführt, überhaupt nicht auseinandergesetzt. Zum Merkmal b des Oberbergriffs wird, ohne dass es als Merkmal b bezeichnet wird, zu pauschal und ohne Herstellung eines Bezugs zu einer der drei genannten Entgegenhaltungen vorgetragen, es liege auf der Hand, dass die Leitung im Zusammenhang mit den häufigen Farbwechseln, die es erforderlich machten, einen Vorratsbehälter mit einer anderen Farbe an eine der Leitungen anzuschließen, geleert und gereinigt werden müsse, damit nicht die zuletzt verarbeitete Farbe die neue Farbe verschmutze.

Soweit die Einsprechende in ihrer Einspruchsbegründung zum Patentanspruch 1 zu den kennzeichnenden Merkmalen c bis e vorträgt, diese hätten überhaupt nichts mit der Aufgabe des Patents zu tun, sie gehörten angesichts ihrer Selbstverständlichkeit in den Oberbegriff von Anspruch 1, ist damit schon kein Einspruchsgrund iSd § 21 Abs 1 PatG behauptet. Die vermeintlich unrichtige Verteilung von Merkmalen auf Oberbegriff und Kennzeichen des Anspruchs ist kein Einspruchsgrund (vgl Schulte, aaO, § 21 Rdn 26). Der weitere Vortrag zu den kennzeichnenden Merkmalen c bis e erschöpft sich dann in der Behauptung, es sei nicht nur naheliegend und selbstverständlich, sondern auch Stand der Technik, dass die einzelnen Stichleitungen zunächst mit Farbe gefüllt werden müssen, ehe gearbeitet werden könne. Damit sind schon von vornherein nur die Merkmale c und d angesprochen, denn nur diese befassen sich mit der Befüllung einer Stichleitungsanordnung mit Farbmaterial. Dieser Vortrag berücksichtigt nicht nur nicht hinreichend, dass es um die Befüllung erst einer und dann einer anderen Leitung geht, sondern lässt auch jegliche Bezugnahme auf die Entgegenhaltungen vermissen. Zudem liegt in der bloßen Behauptung einer Selbstverständlichkeit ein Werturteil, aber kein Vortrag einer Tatsache (vgl hierzu BPatGE 37, 233). Das Vorliegen einer Selbstverständlichkeit hätte näher erläutert werden müssen (vgl BPatGE 35, 263, 267 zur Erläuterungsbedürftigkeit der Behauptung "rein handwerklicher Maßnahmen"). Dieser Vortrag ist daher zu pauschal, um zu erkennen, auf welche Tatsachen sich die Behauptung fehlender erfinderischer Tätigkeit vorliegend stützt. Mit diesem Vortrag wird auch nicht das kennzeichnende Merkmal e angesprochen, denn bei diesem Merkmal geht es nicht um die Befüllung mit Farbmaterial, sondern um den selektiven Anschluss der Sprühvorrichtung an diejenige Stichleitungsanordnung, die das jeweils benötigte Farbmaterial enthält. Mit Merkmal e hat sich die Einspruchsbegründung somit ebenfalls überhaupt nicht auseinandergesetzt. Dieses Merkmal wird in der Beschreibung des angegriffenen Patents (Sp 4, Z 7ff) als Voraussetzung für das unterbrechungsfreie Beschichten von mehreren aufeinanderfolgenden Gegenständen mit mehreren verschiedenen Farben angegeben, ist also, wie der Patentinhaberin zu folgen ist, ein wichtiges Merkmal der Erfindung. Die Einsprechende hat zwar in der mündlichen Verhandlung nähere Ausführungen dazu gemacht, warum die Merkmale c bis e selbstverständlich seien und diese auch in Bezug zu einer der Entgegenhaltungen gesetzt, in der Einspruchsbegründung ist dies aber so nicht enthalten, so dass keine andere Beurteilung gerechtfertigt ist. Denn für die Zulässigkeit des Einspruchs kann nur das innerhalb der Einspruchsfrist eingereichte Vorbringen berücksichtigt werden, § 59 Abs 1 Satz 5 PatG.

Lediglich zu dem kennzeichnenden Merkmal f des Patentanspruchs 1, das nur einen Teilaspekt der Erfindung darstellt, enthält die Einspruchsbegründung einen hinreichenden Vortrag. Dies reicht aber für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht aus. Denn angesichts der völlig fehlenden Befassung mit den Merkmalen a und e sowie der nur unzureichenden Befassung mit den Merkmalen c und d des Patentanspruchs 1 waren Patentamt und Patentinhaberin allein mit den Ausführungen in der Einspruchsbegründung nicht in der Lage, das Vorliegen des behaupteten Widerrufsgrundes ohne eigene Ermittlungen prüfen zu können. Noch weniger ist dies mit den Ausführungen zu dem nebengeordneten Patentanspruch 10 des angegriffenen Patents der Fall, denen erst recht keine Auseinandersetzung mit den gesamten Merkmalen des Patentanspruchs zu entnehmen ist. Der Einspruch erweist sich damit als formal unvollständig.

Der Antrag der Patentinhaberin, der Einsprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, hat keinen Erfolg. § 80 Abs 1 PatG geht von dem Grundsatz aus, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn Umstände vorliegen, die eine Kostenauferlegung nach billigem Ermessen als angebracht erscheinen lassen, so etwa bei kaum hinreichender Erfolgsausicht der Beschwerde oder bei Verstoß gegen die prozessuale Sorgfaltspflicht (vgl Schulte, aaO, § 80 Rdn 6, 10 ff). Derartige Umstände sind hier nicht festzustellen. Die Einsprechende ist zwar im Beschwerdeverfahren unterlegen, doch vermag das Unterliegen für sich allein grundsätzlich nicht die Kostenauferlegung zu rechtfertigen. Im übrigen kann die Beschwerdeeinlegung nicht als von vornherein derart aussichtslos angesehen werden, dass sie vorwerfbar oder mutwillig erscheint.

Schülke Knoll Püschel Ko






BPatG:
Beschluss v. 15.07.2002
Az: 10 W (pat) 28/01


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