Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Februar 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 124/00

(BPatG: Beschluss v. 20.02.2002, Az.: 29 W (pat) 124/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die u.a. für die Waren

"Fachzeitschriften, Bücher, elektronische Publikationen; Datenverarbeitungsgeräte sowie zugehörige Speichermedien; Mal- und Zeichenpinsel, Fotokopier- und Lichtpausepapier, Mal- und Zeichenfarben, Klebstoffe, Papier- und Pappwaren, nämlich Briefbögen, Briefpapiermappen, unbedruckte Briefumschläge, Briefkarten, Tüten, Schreibblocks, Notizbücher, Lichtbild- und Druckereierzeugnisse, Spielkarten, Schilder aus Papier, Buchstaben (Lettern), Schreib-, Zeichen-, Mal- und Modellierwaren, Schulkreide, Büro- und Kontogeräte, Lehr- und Unterrichtsmittel, Organisationsmittel in Form von in Ordner einheftbaren Registern, Büromaschinen, Spielwaren, Turn- und Sportgeräte"

eingetragene Marke Nr. 395 27 721

"KITA"

ist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Marke Nr. 1 153 603

"Cotta"

die für die Waren und Dienstleistungen

"Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Pinsel; Schreibmaschinen; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Tier- und Pflanzenpräparaten, Globen; Spielkarten, Drucklettern; Druckstöcke; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern und Zeitschriften, Durchführung von Fernkursen; bespielte Filme, Bild- und Tonträger, Bildplatten, Schallplatten und Dias; Datenträger mit aufgezeichneten Bild-, Text- und/oder Tonprogrammen, insbesondere auch zur Verwendung im Bildschirmtext-, Video- und Kabelfernsehbereich"

eingetragen ist.

Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt mit Schriftsatz vom 21.7.1997 erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 29. Dezember 1999 aufgrund fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von Warenidentität könne bei den sich gegenüberstehenden Kurzwörtern aufgrund der klanglichen Abweichungen Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden. Dies gelte auch in schriftbildlicher Hinsicht. Der zwischen "ia" und "oa" bestehende Unterschied werde durch die in den beiderseitigen Markenwörtern voneinander abweichende Betonung noch verstärkt. Lege man eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde, halte die jüngere Marke in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht den markenrechtlich gebotenen Abstand noch ein.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, daß zwischen den sich gegenüber stehenden Marken Verwechslungsgefahr bestehe. Zutreffend sei die Warengleichheit bejaht worden; bezüglich der Waren "elektronische Publikationen, Fachzeitschriften" bestehe Ähnlichkeit. Die klangliche Ähnlichkeit der Vergleichsmarken sei zu Unrecht verneint worden. Sowohl der Wortanfang als auch die Endsilbe seien identisch, auch die Betonung der beiden Marken stimme überein. Sie unterschieden sich lediglich im ersten Vokal, was zu Verwechslungen führe. Entgegen der Auffassung der Markenstelle handle es sich vorliegend nicht um Kurzmarken. Die Markenstelle habe nicht beachtet, daß angesichts der Warengleichheit und hochgradigen Warenähnlichkeit die geringfügige Verschiedenheit der Vergleichsmarken in nur einem Vokal nicht ausreiche die Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Die Widerspruchsmarke sei im rechtserheblichen Zeitraum für Druckereierzeugnisse benutzt worden, wofür die Widersprechende Fotokopien von Umschlagseiten und des Impressums der von ihr seit 1993 herausgegebenen Aufsatzsammlung "Cotta's kulinarische Almanach" sowie der eidesstattlichen Versicherung ihres Verlagsleiters über Umsatzzahlen vorlegt.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der Marke 395 2 7 721 hinsichtlich der Waren "elektronische Publikationen; Fachzeitschriften, Bücher, Druckereierzeugnisse, Lehr- und Unterrichtsmittel" wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 153 603 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Widersprechenden in allen Punkten entgegen. Sie ist der Auffassung, daß keine Zeichenähnlichkeit vorliege und eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei, auch soweit ein größerer Markenabstand erforderlich sei.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr (§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 2, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

Nach der Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma), die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Verbindung, die das jüngere Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (vgl. Markenrechtsrichtlinie, 10. Erwägungsgrund). Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die dominierenden und die sie unterscheidenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. BGH 1996, 198 "Springende Raubkatze"; BGHZ 131, 122, 124 f. "Innovadiclophont"). Schließlich impliziert die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR 1999, 731 "Canon II; zuletzt EuGH MarkenR 2000, 255 - Adidas/Marca Moda; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND, zuletzt BGH GRUR 2002, 167 - Bit/Bud mwN). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen nicht gegeben.

Hierbei kommt es nicht darauf an, daß, nachdem im Verfahren vor dem deutschen Patent- und Markenamt in zulässiger Weise die Benutzung bestritten worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), von der Widersprechenden vorgelegten Benutzungsunterlagen, insbesondere die eidesstattliche Versicherung ihres Verlagsleiters nicht im Original, sondern nur in Kopie zu den Akten gereicht wurden. Es kann auch offenbleiben, ob die Bezugnahme auf ein älteres Parallelverfahren und der Antrag, dessen Akten, in denen sich das Original befindet, beizuziehen, genügt, um die Benutzung glaubhaft zu machen. Denn auch bei unterstellter rechtserhaltender Benutzung der Widerspruchsmarke besteht zwischen den Marken "KITA" und "Cotta" keine Gefahr von Verwechslungen.

Auszugehen ist hier von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke mangels anderer Anhaltspunkte.

Die jüngere Marke hält unter Zugrundelegung von Warenidentität, aber auch von teilweiser großer Ähnlichkeit der einander gegenüber stehenden Waren, den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist vom Gesamteindruck der Marken auszugehen (st. Rspr. BGH BlPMZ 1997, 28 "Foot-Joy"; Mitt. 1996, 285 f. "Sali-Toft"; GRUR 1999, 241, 243 "Lions"; zuletzt BGH GRUR 2002, 167 - Bit/Bud mwN) und sie sind sowohl auf ihre klangliche, wie bildliche und begriffliche Ähnlichkeit zu prüfen. Die Marken unterscheiden sich in ihrem Klagbild deutlich.

Der Unterschied zwischen "Cotta" und "KITA" kann nicht darauf reduziert werden, daß lediglich ein Vokal anders sei. Bei kurzen Markenwörtern wie hier, können einzelne Veränderungen den Klangcharakter mehr beeinflussen als bei längeren. Die Markenstelle hat daher zutreffend auf die Unterschiede der in den beiden Marken enthaltenen Vokalfolgen "ia" und "oa" abgestellt, die zu deutlich unterschiedlichen Klangbildern führen. Der Vokal "i" in der angegriffenen Marke ist hell gesprochen, während das "o" in "Cotta" dunkel klingt. Außerdem befinden sich diese Vokale am Wortanfang, der regelmäßig die stärkste Beachtung innerhalb eines Wortes findet. Beide Markenwörter werden auch am Wortanfang betont. Für die von der Widersprechenden vertretene Meinung, das "a" am Ende der jeweiligen Wörter werde gedehnt und betont gesprochen, gibt es keine Anhaltspunkte, insbesondere nicht bei der Widerspruchsmarke. In "Cotta" wird der Vokal "o" durch die nachfolgenden Doppelkonsonanten "tt" sehr kurz, nahezu scharf und unbetont ausgesprochen, und in der Folge hiervon auch das "a" am Wortende. Das "i" in "KITA" erscheint durch das folgende einfache "t" dagegen lang und betont, wodurch auch das abschließende "a" hier länger gesprochen wird als in der Widerspruchsmarke. Auf Grund dieser Unterschiede ist vorliegend in klanglicher Hinsicht ein ausreichender Abstand zwischen "KITA" und "Cotta" festzustellen und die Gefahr von Verwechslungen auch bei der unterstellten Warenidentität bzw. hohen Ähnlichkeit nicht gegeben.

Eine schriftbildliche Ähnlichkeit hat die Widersprechende nicht geltend gemacht. Sie besteht auch nicht, denn beide Markenwörter unterscheiden einander deutlich in den grundsätzlich aufmerksamer wahrgenommenen Wortanfängen. Hier stehen sich die Buchstabenfolgen "Ki" bei der jüngeren und "Co" bei der älteren Marke gegenüber, also einerseits eine Aufeinanderfolge von mehreren Oberlängen und andererseits die beiden runden Formen des "C" und des "o", deren Verschiedenheit augenfällig ist.

In begrifflicher Hinsicht schließlich sind "Kita" und "Cotta" vollkommen unähnlich. Sofern der angegriffenen Marke ein Sinngehalt zugeordnet werden kann, ist es die Abkürzung für "Kindertagesstätte", während für die prioritätsältere Marke allenfalls das italienische Wort für "gekocht" assoziiert wird, wie es beispielsweise aus den Wörtern "Panna Cotta" und "Terracotta" bekannt ist. Beide Begriffe sind so weit von einander entfernt, dass eine Verwechslungsgefahr ausscheidet.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Grabrucker Baumgärtner Richterin Pagenberg ist in Urlaub und daher verhindert zu unterschreiben.

Grabrucker Cl






BPatG:
Beschluss v. 20.02.2002
Az: 29 W (pat) 124/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/795ea099923a/BPatG_Beschluss_vom_20-Februar-2002_Az_29-W-pat-124-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share