Landgericht Mannheim:
Beschluss vom 3. Juli 2012
Aktenzeichen: 24 Qs 1/12; 24 Qs 2/12

(LG Mannheim: Beschluss v. 03.07.2012, Az.: 24 Qs 1/12; 24 Qs 2/12)

Die Beschlagnahmefreiheit von Unterlagen im Gewahrsam eines Zeugen ist nach § 97 Abs. 2 StPO zu beurteilen; lediglich ergänzend ist § 160a Abs. 1 StPO in der seit dem 01.02.2011 geltenden Fassung - insbesondere zur Frage der Verwertbarkeit - heranzuziehen.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer zu 1 und 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts M. vom 28.02.2012 - 41 Gs 325/12 - wie folgt abgeändert:

Die Beschlagnahme der u.g. Unterlagen wird, soweit sie sich im Gewahrsam der Beschwerdeführerin zu 2 (und sich insbesondere nicht im Gewahrsam der Beschwerdeführer zu 1 bzw. ihrer Hilfspersonen gem. § 53a StPO) befinden, ohne vorherige Anhörung nach §§ 94, 98, 33 Abs. 4 StPO angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden:

Bericht der Rechtsanwälte X. für den Aufsichtsrat der Y. AG zu möglichen Pflichtverletzungen der Vorstände der Y. AG im Zusammenhang mit dem Z.-Rechtsstreit (Mandatierung vom ...) nebst der für diesen Bericht erhobenen Unterlagen und gefertigten Aufzeichnungen über durchgeführte Befragungen (Interviews).

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2 als unbegründet verworfen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 1 (24 Qs 1/12) und die diesen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.Die Beschwerdeführerin zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der von ihr erhobenen Beschwerde (24 Qs 2/12); insoweit werden die Gebühr um die Hälfte ermäßigt und die dieser entstandenen notwendigen Auslagen zur Hälfte der Staatskasse auferlegt.

Gründe

I.

Im Zuge des vorliegenden Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzung in mittelbarer Täterschaft (bzw. Beihilfe dazu), welches sich gegen die Beschuldigten A., B., C., D., E., F. u. G. als für die Beschwerdeführerin zu 2 verantwortlich handelnde Personen richtet, erließ das Amtsgericht M. auf Antrag der Staatsanwaltschaft M. am 12.12.2011 (EA, Bl. 184) einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für deren Geschäftsräume.

Am 19.12.2011 wurden seitens der Ermittlungsbehörden die Geschäftsräume der Beschwerdeführerin zu 2 aufgesucht und auf der Grundlage dieses Beschlusses die Herausgabe der entsprechenden Unterlagen verlangt, wobei die Abwendung entsprechender Zwangsmaßnahmen durch freiwillige Herausgabe gestattet wurde. Davon machte die Beschwerdeführerin zu 2 auch Gebrach und stellte verschiedene Unterlagen zusammen, die sie teilweise sogleich (Auszüge aus den Personalakten der Beschuldigten; Zwischenbericht Haftungsgutachten YA.; Adressen der Beschuldigten; Kurzübersicht über die jew. Kundenverbindungen) herausgab.

Im Verlauf dieser Maßnahme gab der Leiter der Rechtsabteilung, der Zeuge Y2., bekannt, zu den Vorgängen um YA. habe ein Sonderausschuss des Aufsichtsrates Untersuchungen eingeleitet. Mit den internen Untersuchungen seien die jetzigen Beschwerdeführer zu 1 beauftragt worden, wobei deren endgültiger Untersuchungsbericht noch nicht vorliege; diesbezüglich war in dem von ihm übergebenen Zwischenbericht Haftungsgutachten YA. als Fertigstellungstermin der Februar 2012 angegeben. Mit den Ermittlungsbehörden wurde sodann seitens des Zeugen Y2. und des mittlerweile hinzugekommenen anwaltlichen Vertreters der Beschwerdeführerin zu 2, Rechtsanwalt Y1., eine Verständigung dahingehend getroffen, dass die weiter zusammenzustellenden Unterlagen nachgereicht und mit einer Vollständigkeitserklärung versehen würden.

Unter dem 12.01.2012 ließ die Beschwerdeführerin zu 2 weitere Unterlagen (Kundenakten: A1. GmbH & Co. KG, B1. Ltd., C1. AG, D1. AG, E1. AG) der Staatsanwaltschaft zukommen und gab in der Folgezeit auch eine entsprechende Vollständigkeitserklärung ab.

Mit Schriftsatz ihres anwaltlichen Vertreters vom 20.01.2012 erhob die Beschwerdeführerin zu 2 Widerspruch gegen die Sicherstellung des Zwischenberichts Haftungsgutachten YA.  und beantragte dessen Herausgabe. Sie ist der Ansicht, dass dieser Zwischenbericht i.E. unverwertbar sei, da nach § 160a Abs. 1 S. 5 StPO Erkenntnisse nicht verwendet werden dürften, die durch eine Ermittlungsmaßnahme von einem Berufsgeheimnisträger erlangt worden seien; eine Beschlagnahme dieses internen Untersuchungsberichts, der dem nach § 160a Abs. 1 StPO geschützten Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant unterfalle, sei daher generell nicht zulässig.

Eine Entscheidung über diesen Antrag ist, soweit aus den der Beschwerdekammer vorliegenden (Doppel-)Akten ersichtlich, bislang noch nicht ergangen.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht M. am 28.02.2012 - 41 Gs 325/12 - (HA, Bd. I, Bl. 230) den Beschluss, mit dem gemäß §§ 94, 98, 33 Abs. 4 StPO die Beschlagnahme des Berichts der Rechtsanwälte X. für den Aufsichtsrat der Y. AG zu möglichen Pflichtverletzungen der Vorstände der Y. AG im Zusammenhang mit dem Z.-Rechtsstreit (Mandatierung vom ...) nebst der für diesen Bericht erhobenen Unterlagen und gefertigten Aufzeichnungen über durchgeführte Befragungen (Interviews) angeordnet wurde.

Mit Verfügung vom 05.03.2012 veranlasste die Staatsanwaltschaft M. die Zustellung dieses Beschlusses an die Beschwerdeführer zu 1, an die Rechtsabteilung der Beschwerdeführerin zu 2 sowie an deren anwaltliche Bevollmächtigte; die Zustellung erfolgte am 08.03.2012. Dabei wurde seitens der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass einer Herausgabe der in dem Beschluss bezeichneten Unterlagen bis zum 15.03.2012 entgegen gesehen werde.

Mit Schriftsatz der Beschwerdeführer zu 1 vom 12.03.2012 (Sb. Beschwerde, Bl. 2) und Schriftsatz der Beschwerdeführerin zu 2 vom 12.03.2012 (Sb. Beschwerde, Bl. 7) legten diese jeweils Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts M. vom 28.02.2012 ein.

Zugleich wurde die Aussetzung der Vollziehung dieses Beschlagnahmebeschlusses beantragt.

Die Aussetzung der Vollziehung wurde, noch bevor dieser vollzogen worden war, durch Beschluss des Amtsgerichts M. vom 19.03.2012 (Sb. Beschwerde, Bl. 16) gem. § 307 Abs. 2 StPO angeordnet.

Den beiden Beschwerden gegen den Beschlagnahmebeschluss vom 28.02.2012 hat das Amtsgericht nicht abgeholfen.

a) Ausführungen der Beschwerdeführer zu 1:

Die Beschwerdeführer zu 1 führen zur Begründung ihrer Beschwerde aus, der Rechtsanwalt sei unabhängiger Berater und Beistand seines Mandanten und könne diese Aufgabe nur dann erfüllen, wenn zwischen diesen ein Vertrauensverhältnis bestünde. Mit dem Ausmaß potentieller Kenntnis staatlicher Organe von vertraulichen Äußerungen wachse aber die Gefahr, dass sich auch Unverdächtige nicht mehr den Berufsgeheimnisträgern anvertrauen wollten.

§ 160a StPO gewährleiste daher einen umfassenden Schutz der Vertraulichkeit der berufs- und funktionsbezogenen Kommunikation von Mandanten mit Strafverteidigern und Rechtsanwälten.

Auch Rechtsanwälte, die interne Ermittlungen in einem Unternehmen durchführten, fielen unter den absoluten und keiner Abwägung zugänglichen Schutz des § 160a Abs. 1 StPO, der daher jegliche Ermittlungshandlungen gegen diese ausschließe.

Die Beschlagnahmeanordnung vom 28.02.2012 ziele sowohl auf den Bericht der Rechtsanwälte als auch auf die für den Bericht erhobenen Unterlagen ab, womit nur die speziell zur Anfertigung dieses Berichts benötigten Unterlagen der Y. AG gemeint sein könnten. Alle diese Unterlagen seien aber Teil der Kommunikation zwischen den Rechtsanwälten und ihrer Mandantin und daher nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO beschlagnahmefrei. Dies gelte auch für die Aufzeichnungen über die im Rahmen der Erstellung des Berichts geführten Mitarbeiter-Befragungen (Interviews). Entgegen der Entscheidung des Landgerichts Hamburg v. 15.10.2010(Az.: 608 Qs 18/10; NJW 2011, 942), die wegen der seither veränderten Gesetzeslage überholt sei, sei auch eine Beschlagnahme dieser Aufzeichnungen gem. § 160a Abs.1 StPO n.F. unzulässig.

Im Übrigen könne auch nicht unter Bezugnahmen auf diese Entscheidung aus § 97 StPO hergeleitet werden, dass nur das Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Anwalt geschützt sei, da zwischen beschuldigtem Vorstand und der mit internen Ermittlungen beauftragten Kanzlei kein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis bestehe. Vorliegend gehe es vielmehr um die Mandatsbeziehung zwischen Y. AG und X. und den Schutz der innerhalb dieser vertraulich geführten Kommunikation. Diese unterfalle ausschließlich dem Anwendungsbereich des § 160a Abs. 1 StPO in der seit dem 01.02.2011 geltenden Fassung, gegenüber der auch der Regelungsgehalt des § 97 StPO keinen Vorrang habe. Auch eine Durchsuchungsanordnung hinsichtlich der Kanzleiräume der Rechtsanwälte wäre nach § 160a Abs. StPO unzulässig, was als Vorauswirkung auch die Unzulässigkeit einer entsprechenden Beschlagnahmeanordnung begründe, denn diese sei ohne Durchsuchungsmaßnahme letztlich faktisch nicht durchsetzbar.

Im Übrigen wird - zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die Schriftsätze der Beschwerdeführer zu 1 vom 27.03.2012 u. 06.06.2012 (Sb. Beschwerde, Bl. 47, 76) verwiesen.

b) Ausführungen der Beschwerdeführerin zu 2:

Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Beschwerdeführerin zu 2 aus, neben ihrer Beschwerdebefugnis als direkt Betroffene bestehe auch eine solche als mittelbar Betroffene der gegen X. ergangenen Beschlagnahmeanordnung.

Ein Rechtsanwalt sei unabhängiger Berater und Beistand seines Mandanten und könne diese Aufgabe nur bei Wahrung des zwischen ihnen bestehenden Vertrauensverhältnisses erfüllen. Mit dem Ausmaß potentieller Kenntnis staatlicher Organe von vertraulichen Äußerungen wachse die Gefahr, dass sich auch Unverdächtige nicht mehr solchen Berufsgeheimnisträgern zur Durchsetzung ihrer Interessen anvertrauten. Auch im Falle, dass ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft zur Prüfung des Vorstandshandelns Rechtsanwälte beauftrage, seien alle Informationen geschützt, welche die Rechtsanwälte im Rahmen ihrer Untersuchung von der juristischen Person - vermittelt durch ihre Vertreter - erhielten. Die dabei anvertrauten oder bekannt gewordenen Informationen seien Teil des Beratungsmandates und insofern gem. § 160a StPO absolut vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden geschützt; denn diese Regelung schütze das konkrete Vertrauensverhältnis und jede darauf beruhende Kommunikation zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten.

Dementsprechend sei die gegen X. ergangene Beschlagnahmeanordnung gem. § 160a Abs. 1 S. 1 StPO unzulässig.

Im Übrigen habe die in einem anderen Fall interner Untersuchungen durch eine Anwaltssozietät im Auftrag des Aufsichtsrates einer Bank (sog. internal investigations) ergangene Entscheidung des Landgerichts Hamburg v. 15.10.2010(- wie Fn. 1 -), auch wenn dort zutreffenderweise festgestellt worden sei, dass zwischen den Interviewpartnern der Rechtsanwälte und diesen kein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis bestanden habe, keine Aussagekraft, da diese Entscheidung noch auf Grundlage der alten Fassung des § 160a Abs. 1 StPO erfolgt sei; diese Rechtslage sei wegen der Aufnahme aller Rechtsanwälte in den Schutzbereich dieser Norm überholt.

Darüber hinaus schütze aber § 160a Abs. 1 S. 5 StPO auch Personen, die nicht selbst Berufsgeheimnisträger seien, vor Ermittlungsmaßnahmen, welche auf Informationen aus einem Vertrauensverhältnis zu einem solchen gerichtet seien.

Das dort normierte Beweisverwertungsverbot habe zur Folge, dass bereits die Erhebung solcher - von einem Berufsgeheimnisträger stammender Informationen - als Beweismittel unzulässig sei.

Dieser Vorauswirkung eines ausdrücklich normierten Beweisverwertungsverbotes lasse sich vorliegend auch nicht entgegen halten, dass im Rahmen der Beschlagnahme nicht vorhersehbar sei, welche Beweismittel zu erlangen seien; denn die vorliegend angegriffene Maßnahme ziele auf Unterlagen, die erkennbar in ihrer Gesamtheit einem solchen Beweisverwertungsverbot unterfielen.

Es bestehe auch kein Vorrang des Regelungsgehaltes des § 97 StPO vor § 160a StPO. Die Regelung des § 160a StPO stelle in persönlicher Hinsicht die speziellere dar; die systematische Einordnung und Erwägungen zur Genese der beiden Normen führten zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber, der mit der am 01.02.2011 eingeführten Regelung das Zweiklassensystem der Berufsgeheimnisträger hinsichtlich der Rechtsanwälte dahingehend verändert habe, dass auch diese dem absoluten Schutz des § 160a Abs. 1 StPO unterliegen, mit dieser grundlegenden Neuregelung eine künftige Beurteilung solcher Ermittlungsmaßnahmen auf Grundlage des § 160a Abs. 1 StPO n.F. genau in dieser Weise gewollt habe.

Dementsprechend sei auch die gegen die Fa. Y. AG ergangene Beschlagnahmeanordnung gem. § 160a Abs. 1 S. 1 StPO unzulässig.

Im Übrigen wird - zur Vermeidung von Wiederholungen - auf die Schriftsätze der Beschwerdeführerin zu 2 vom 12.03.2012, 27.03.2012 u. 06.06.2012 (Sb. Beschwerde, Bl. 7, 24, 65) verwiesen.

c) Ausführungen der Staatsanwaltschaft:

Die Staatsanwaltschaft M. ist den beiden Beschwerden entgegengetreten.

Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass aufgrund § 97 StPO kein Beschlagnahmeverbot hinsichtlich der Ergebnisse unternehmensinterner Ermittlungen durch eine Anwaltskanzlei bestehe; ein solches sei auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten, da insoweit der höchstpersönliche Lebens- und Geheimnisbereich des Bürgers nicht tangiert sei. Auch § 160a StPO in der seit dem 01.02.2011 geltenden Fassung gewähre daher keinen absoluten Schutz vor strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen.

Auf die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 13.03.2012 (Sb. Beschwerde, Bl. 12) wird insoweit - zur Vermeidung von Wiederholungen - ebenfalls verwiesen.

II.

1. Beschlagnahmeanordnung, die Rechtsanwälte X. betreffend (24 Qs 1/12):

Die Beschwerden gegen die Beschlagnahmeanordnung gegenüber den Rechtsanwälten X. sind zulässig und begründet.

Die im Beschluss des Amtsgerichts M. vom 28.02.2012 (auch) enthaltene Beschlagnahmeanordnung gegenüber diesen war nicht rechtmäßig.

a) Tatverdacht:

Der notwendige - aber auch hinreichende - Eingriffsanlass für eine solche Zwangsmaßnahme im Strafverfahren, nämlich der Verdacht, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen worden ist (Anfangsverdacht), wobei sich dieser auf eine Tatsachengrundlage, aus der sich die Möglichkeit der Tatbegehung des/der Beschuldigten ergibt, und nicht auf bloße Vermutungen stützen muss, lag zwar vor.

Der vom Amtsgericht M. insoweit angenommene Tatverdacht, wonach in den Jahren 2005 bis 2008 auf Veranlassung bzw. unter Mitwirkung der Beschuldigten als Verantwortliche der weltweit im Bereich der ...produktion tätigen Fa. Y. AG, ..., bzw. ihrer Tochtergesellschaften deren Mitarbeiter auch in Deutschland eine Nutzung von ...produkten der Fa. Z. Corp., ..., eines ebenfalls in diesem Bereich weltweit tätigen Unternehmens, bzw. deren Tochtergesellschaften ohne entsprechende Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers zu eigenen geschäftlichen Zwecken der Y.-Unternehmensgruppe durchgeführt haben sollen, sich die Beschuldigten danach wegen gewerbsmäßiger Urheberrechtsverletzung in mittelbarer Täterschaft bzw. der Beihilfe dazu (§§ 106, 108a UrhG, 25 Abs. 1, 27 StGB) strafbar gemacht haben sollen, stützt sich in zutreffender Weise auf die von den Ermittlungsbehörden zusammengetragenen Erkenntnisse.

b) neue Rechtslage seit dem 01.02.2011:

Nach § 160a Abs. 1 StPO in der seit dem 01.02.2011 geltenden Fassung ist eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen eine in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder Nummer 4 genannte Person, einen Rechtsanwalt, eine nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Person oder einen Kammerrechtsbeistand richtet und voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die diese das Zeugnis verweigern dürfte, ... unzulässig.

Der Gesetzgeber hat sich insoweit, wie sich den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen lässt, ganz bewusst für die Einbeziehung aller Rechtsanwälte in diese Norm entschieden(Bundesrat Drucksache 229/10, 23.04.10; Bundestag Drucksache 17/2637, 22. 07. 2010; Bundestag Drucksache 17/3693, 10. 11. 2010; Bundestag Drucksache 17/3705, 10. 11. 2010), nachdem dort zuvor neben den Geistlichen und den Abgeordneten nur Strafverteidiger benannt waren. Ziel war es dabei, dass sich Mandanten ihren Verteidigern und Rechtsanwälten anvertrauen können sollten ohne die Sorge, dass der Verteidiger oder der Rechtsanwalt später über den Inhalt der Kommunikation Zeugnis abgeben müsse. Den Gesetzgebungsmaterialien zufolge wurde davon ausgegangen, die Verstrickungsregelung des § 160a Absatz 4 StPO stelle in ausreichender Weise sicher, dass bei einem Tatverdacht, der sich auch gegen den Berufsgeheimnisträger richte, Ermittlungsmaßnahmen auch gegen diesen weiterhin möglich seien(Bundesrat Drucksache 229/10, 23.04.10).

Die Bundesministerin der Justiz führte dazu in der Bundestagsdebatte vom 11.11.2010 u.a. aus:

Wenn ein Mandant nicht die Gewähr hat, dass er mit seinem Anwalt frei und unbelauscht sprechen kann, wenn er befürchten muss, dass etwa bei einem Telefonat der Staat in der Leitung mithört, dann ist das Entstehen von Vertrauen gefährdet und dann ist auch nicht gesichert, dass ein Anwalt seiner Funktion im Rechtsstaat in vollem Umfang nachkommen kann. Deshalb muss der Rechtsstaat um seiner selbst willen die freie und ungehinderte Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt respektieren und garantieren. Genau das ist das Ziel des Gesetzentwurfes, der heute in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden soll...

Dieser Gesetzentwurf nimmt eine Korrektur früherer Gesetzgebung vor. Nach dem durch den Gesetzentwurf geänderten § 160 a der Strafprozessordnung sollen alle Rechtsanwälte und nicht allein Strafverteidiger vor Ermittlungsmaßnahmen des Staates geschützt sein, soweit es um Erkenntnisse geht, hinsichtlich derer sie das Zeugnis verweigern dürfen. Damit kein Missverständnis entsteht:

Wenn es um den konkreten Verdacht geht, dass der Anwalt selbst eine Straftat begangen hat - das ist nicht der Bereich, den wir mit dem geänderten Gesetz regeln -, dann kann natürlich ermittelt werden. Mit dieser Änderung schaffen wir wieder eine gute Balance zwischen den Rechten von Anwälten, die verteidigen und beraten, auf der einen Seite und der Effektivität der Strafrechtspflege auf der anderen Seite...

Wichtig ist, dass wir mit diesem Schritt die bisherige künstliche Aufspaltung zwischen Strafverteidigern und anderen Anwälten beenden. Diese Abgrenzung lässt sich in der Realität sowieso nicht punktgenau treffen. Gerade bei komplexen Beratungsmandaten bestehen häufig enge Verflechtungen zu strafrechtlichen Fragen. Der Übergang von beratender zu verteidigender Tätigkeit ist oft fließend. Künftig gilt daher, bezogen auf alle Anwälte, ein absolutes Verbot der Erhebung und Verwertung von Informationen. Gegen Anwälte dürfen sich deshalb keine strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen mehr richten, wenn damit Informationen erfasst würden, die vom Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts umfasst wären. Schutz vor Durchsuchungen oder Beschlagnahmen in Kanzleien gibt es bereits. Aber wir müssen sicherstellen, dass Telefone oder die E-Mail-Kommunikation nicht überwacht werden. Wir tragen damit natürlich auch dem Wandel Rechnung, der das anwaltliche Berufsbild betrifft; denn zum einen wird elektronische Kommunikation immer wichtiger, zum anderen gibt es immer mehr Sozietäten, in denen Strafverteidiger mit Anwälten anderer Fachrichtungen zusammenarbeiten.(Protokoll Dt. Bundestag - 17. Wahlperiode - 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010, S. 7706, 7707).

In der Literatur wurde in diesem Zusammenhang vor allem auch der Gesichtspunkt eingebracht, dass durch die Gesetzesänderung ein unter der alten Rechtslage bestehendes Zwei-Klassen-Recht unter Anwälten angesichts ihrer Stellung als Organe der Rechtspflege beseitigt werden sollte(Müller-Jacobsen, NJW 2011, 257).

Über die Verstrickungsklausel des § 160a Abs. 4 StPO hinaus wurden die Folgen der gesetzlichen Neuregelung - soweit ersichtlich - bislang aber nicht in allen erwartbaren Fallgestaltungen im Gesetzgebungsverfahren bzw. in der Literatur diskutiert(vgl. aber - allerdings noch vor Inkrafttreten des § 160a Abs. 1 StPO n.F. -: Siegrist, wistra 11/2010, S. 427 f.).

Insbesondere lässt sich den Gesetzesmaterialien aber auch nicht entnehmen, dass eine Abänderung der durch § 97 StPO geregelten Beschlagnahmeverbote hinsichtlich physisch vorhandener Gegenstände durch die gesetzliche Neuregelung beabsichtigt gewesen wäre. Denn schon in der Begründung der zunächst im Bundesrat eingebrachten Gesetzesinitiative wurde mitgeteilt:

Mit dem neu in die Strafprozessordnung eingefügten § 160a StPO hat der Gesetzgeber unter uneingeschränkter Beibehaltung sowohl der Zeugnisverweigerungsrechte als auch dem mittelbaren Schutz des Berufsgeheimnisses dienenden Sonderregelungen in § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und § 100c Absatz 6 StPO (Verbot der akustischen Wohnraumüberwachung) erstmals eine Regelung geschaffen, wonach auch alle anderen Ermittlungsmaßnahmen Einschränkungen unterworfen wurden, wenn sie zu Erkenntnissen führen, die in einer Vernehmungssituation dem Zeugnisverweigerungsrecht eines Berufsgeheimnisträgers unterfallen würden...

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Schutz von Berufsgeheimnisträgern insgesamt weiter zu verbessern. Sie greift deshalb mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die teilweise geäußerte Kritik auf und schlägt vor, in einem ersten Schritt die als problematisch erachtete Differenzierung zwischen dem Vertrauensverhältnis zu einem Verteidiger einerseits und demjenigen zu einem (sonstigen) Rechtsanwalt sowie ihm weitgehend gleichstehenden Berufsgeheimnisträgern mit anwaltlichen Aufgaben (in die Rechtsanwaltskammer aufgenommene ausländische Rechtsanwälte nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie Kammerrechtsbeistände) andererseits zu beseitigen - und zwar zugunsten eines jeweils absoluten Schutzes im Rahmen des § 160a Absatz 1 StPO. Eine einheitliche Behandlung beider Vertrauensverhältnisse erscheint gerechtfertigt, weil sowohl die anwaltliche als auch die strafverteidigende Tätigkeit ganz überwiegend von derselben Berufsgruppe (Anwälte, Kammerrechtsbeistände) ausgeübt wird und der sich dabei im Einzelfall vollziehende Übergang von einem Anwalts- zum Verteidigermandat in der Praxis oftmals fließend ist.(Bundesrat Drucksache 229/10, 23.04.10, S. 2)

Danach ist aus Sicht der Kammer davon auszugehen, dass sich die Intention des Gesetzgebers ausschließlich auf eine Gleichstellung aller Rechtsanwälte (und der diesen weitgehend gleichstehenden Berufsgeheimnisträgern mit anwaltlichen Aufgaben) mit den Strafverteidigern richtete, also nicht eine Ausweitung von bestehenden Beschränkungen bei der Beschlagnahme von Gegenständen, sondern lediglich ein verstärkter Schutz der Tele- und elektronischen Kommunikation von und mit Rechtsanwälten hergestellt werden sollte; denn die Regelung des § 160a StPO regelt aus Sicht des Gesetzgebers offensichtlich nur alle anderen Ermittlungsmaßnahmen, die nicht schon durch § 97 StPO bzw. § 100c Absatz 6 StPO geregelt waren.

c) unmittelbare Folgen einer Fortschreibung bisheriger Rspr.:

Soweit es sich um schriftliche Unterlagen im Gewahrsam des Verteidigers handelt, ist die bislang wohl überwiegende Meinung davon ausgegangen, dass insoweit gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO sämtliche Unterlagen, auch Geschäftsunterlagen des Mandanten (Beschuldigten), einem Beschlagnahmeverbot unterfielen(Meyer-Goßner, 54. Aufl. 2011, § 97, Rz. 30, m.w.N.), soweit sie vom Vertrauens- und Beratungsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant erfasst seien; nicht notwendigerweise müssten diese aber auch innerhalb des Vertrauensverhältnisses entstanden sein(OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2005, 270, 271; OLG Karlsruhe, B. v. 02.04.2012 - 3 Ws 66/12 -; Meyer-Goßner, aaO, Rz. 30, 36).

Allerdings war der Anwendungsbereich des § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO - jedenfalls nach der zur alten Rechtslage wohl h.M. - beschränkt auf das Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger(BVerfG, 27.10.2003, 2 BvR 2211/00, Rz. 9; BGH, NJW 1998, 1963-1965; KK-Nack, 6. Aufl. 2008, § 97, Rz. 1; Meyer-Goßner, aaO, § 97, Rz. 10; zum Streitstand: Jahn/Kirsch, StV 2011, 148, 153 m.w.N.); diese Auffassung wird vor dem Hintergrund der Neugestaltung des § 160a StPO in der Lit. erneut diskutiert(vgl. Jahn/Kirsch, aaO; Bauer, StV 2012, 277, 278).

In die Beurteilung der neuen Rechtslage mit einzubeziehen ist daher jedenfalls, dass letztlich alle - oder zumindest nahezu alle - schriftlichen Unterlagen, die im Rahmen eines bestehenden Mandatsverhältnisses gleich welcher Art in den Gewahrsamsbereich eines Rechtsanwaltes gelangen, als beschlagnahmefrei angesehen werden müssten, wollte man diese hinsichtlich § 97 Abs. 1 StPO zum Verhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger entwickelte Rechtsprechung uneingeschränkt auch auf das nach § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO bzw. § 160a Abs. 1 StPO n.F. bestehende Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt in allen Tätigkeitsbereichen übertragen.

Darüber hinaus sieht § 160a Abs. 1 StPO n.F. ein umfassendes Verwendungs- und Verwertungsverbot für solche Unterlagen vor; aufgrund einer möglicherweise - jedenfalls in bestimmten Fallkonstellationen - eintretenden Vorauswirkung eines solchen Verbots könnte sich - allerdings unbeschadet der sich aus § 97 Abs. 2 S. 1 StPO ergebenden Folgen (vgl. unten II. 2. b.) - auch ein dann insoweit bestehendes Beschlagnahmeverbot ergeben(Meyer-Goßner, aaO, § 103, Rz. 7).

d) grundlegend zu beachtende Gesichtspunkte:

Zu beachten ist insoweit allerdings, dass die bisherige Rechtsprechung zu beschlagnahmefreien Unterlagen einen sehr kleinen Personenkreis (Geistliche, Abgeordnete, Strafverteidiger) betraf, der durch die Neuregelung des § 160a Abs. 1 StPO zahlenmäßig nicht lediglich etwas erweitert, sondern vervielfacht wurde.

Dieser Umstand ist letztlich geeignet, eine völlige Verschiebung der zuvor - über lange Zeit hinweg - bestehenden Verteilung der Kräfteverhältnisse im strafprozessualen Verfahren herbeizuführen, weshalb bei der Anwendung dieser neuen strafprozessualen Regelung die nachfolgend aufgeführten, maßgeblichen Gesichtspunkte Beachtung werden finden müssen.

Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können(BVerfGE 38, 105, 111 = BVerfG, 08.10.1974, 2 BvR 747/73, juris: Rz. 16, = NJW 1975, 103-105; BVerfG, 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, Rz. 70, = BVerfGE 122, 248-303, = NJW 2009, 1469-1481).

Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten.

Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf(BVerfGE 20 ,323, 331; BVerfGE 80, 244, 255; 95, 96, 140), zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen.

Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt. Verfahrensrechtliche Gestaltungen, die der Ermittlung der Wahrheit und somit einem gerechten Urteil entgegenstehen, können, soweit sie verfassungsrechtlich nicht anderweit erfasst werden, jedenfalls den Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren berühren(BVerfGE 57, 250, 275, = NJW 1981, 1719-1726, = B. v. 26.05.1981, 2 BvR 215/81, juris: Rz. 64; BVerfGE 118, 212, 231; BVerfG, 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, juris: Orientierungssatz, Ziff. 2 a. u. b., Rz. 66, = BVerfGE 122, 248-303, = NJW 2009, 1469-1481).

Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren wurzelt - wie die allgemeine Rechtsschutzgarantie - im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes, insbesondere in dem durch ein Strafverfahren bedrohten Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und in Art. 1 Abs. 1 GG, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen(BVerfGE 57, 250, 274 f.), und den Staat zu korrektem und fairem Verfahren verpflichtet(BVerfGE 38, 105, 111). An dem Recht auf ein faires Verfahren sind diejenigen Beschränkungen zu messen, die von den speziellen Gewährleistungen der grundgesetzlichen Verfahrensgrundrechte nicht erfasst werden(BVerfGE 57, 250, 274; 109, 13, 34; BVerfG, 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, aaO, Rz. 69).

Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, ist in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde(BVerfGE 57, 250, 276; 64, 135, 145 f.; BVerfG, 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, aaO, Rz. 71).

Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen(BVerfGE 47, 239, 250; 80, 367, 375). Das Rechtsstaatsprinzip, das die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält(BVerfGE 7, 89, 92; 74, 129, 152), fordert nicht nur eine faire Ausgestaltung und Anwendung des Strafverfahrensrechts. Es gestattet und verlangt auch die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden(BVerfGE 33, 367, 383; 46, 214, 222; BVerfG, 15.01.2009, 2 BvR 2044/07, aaO, Rz. 72).

Allerdings enthält das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; es bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Dabei ist im Blick auf die Weite und Unbestimmtheit des Rechtsstaatsprinzips mit Behutsamkeit vorzugehen. Erst wenn sich unzweideutig ergibt, daß rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, können aus dem Prinzip selbst konkrete Folgerungen für die Verfahrensgestaltung gezogen werden; diese haben sich tunlichst im Rahmen der vom Gesetzgeber gewählten Grundstruktur des Verfahrens zu halten(BVerfGE 57, 250, 276; BVerfG, 08.10.1985, 2 BvR 1150/80, 2 BvR 1504/82, juris: Rz. 33, = BVerfGE 70, 297-323, = NJW 1986, 767-771).

Danach erscheint es aber - jedenfalls bei Übernahme des von der Rspr. bislang definierten Umfangs der beim Verteidiger beschlagnahmefreien Unterlagen auf alle Rechtsanwälte (vgl. oben II. 1. c.) - unter Beachtung der vorgenannten Gesichtspunkte sehr zweifelhaft, ob angesichts der vom Gesetzgeber vorgenommenen, zahlenmäßig signifikanten Ausweitung des Personenkreises, bei dem strafprozessuale Zwangsmaßnahmen nur unter den Voraussetzungen des § 160a Abs. 1, 4 u. 5 StPO n.F. erfolgen dürfen, noch eine zuverlässige Sachverhaltsaufklärung, die den verfassungsmäßig gebotenen Mindestanforderungen genügt, gewährleistet werden kann.

e) weitere Problemstellungen:

Denn gerade die von den Beschwerdeführern und der Staatsanwaltschaft angesprochene Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 15.10.2010(Az.: - 608 Qs 18/10 -, NJW 2011, 942-945, = StV 2011, 148-151), die die Geschehnisse innerhalb der HSH Nordbank zum Gegenstand hat, bei denen die Bank durch die Eingehung von unvertretbaren Risiken von Vorstandsmitgliedern Millionenverluste erlitten hat(vgl. Schuster, NZWiSt 2012, 28-30; Jahn/Kirsch, StV 2011, 148), die wiederum großenteils dem Steuerzahler zur Last fielen, zeigt deutlich die Gefahren auf, die durch eine allzu weite Beschränkung einer Aufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden entstehen können. Dort war im Übrigen auch noch ein anderer (ggf. auch strafrechtlich relevanter) Vorfall zum Vorschein gekommen, wonach einem Mitarbeiter der Bank in New York im Auftrag von Verantwortlichen der Bank kinderpornographische Dokumente untergeschoben worden sein sollen, um ihm gegenüber deswegen die Kündigung aussprechen zu können(vgl. FAZ, Bericht v. 20.03.2011, "HSH Nordbank entschuldigt sich bei ehemaligem Manager", http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/keine-verbindung-zu-kinderpornographie-hsh-nordbank-entschuldigt-sich-bei-ehemaligem-manager-1608401.html; Süddeutsche Zeitung, Bericht v. 03.11.2010, "Schmutziges Geld und untergeschobene Kinderpornographie", http://www.sueddeutsche.de/geld/hsh-norbank-dirk-jens-nonnenmacher-reif-fuer-den-rauswurf-1.1018868-3; DER SPIEGEL, Bericht v. 09.10.2010, "Vom Bankchef beauftragte Firma soll in Kinderporno-Skandal verwickelt sein", http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/hsh-nordbank-vom-bankchef-beauftragte-firma-soll-in-kinderporno-skandal-verwickelt-sein-a-722257.html; DER SPIEGEL, Bericht v. 19.03.2011, "HSH Nordbank entschuldigt sich bei Ex-Manager", http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/kinderporno-affaere-hsh-nordbank-entschuldigt-sich-bei-ex-manager-a-751983.html).

Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg v. 15.10.2010 wird jedenfalls in der Literatur vielfach als überholt betrachtet, da sich diese noch auf die Rechtslage des § 160a StPO a.F. beziehe(Schuster, aaO (- Fn. 25 -); v. Galen, NJW 2011, 942, 945; a.A.: Jahn/Kirsch, StV 2011, 148, 154; Bauer, StV 2012, 277).

Gerade solche - wie am Beispiel der HSH-Nordbank öffentlich zutage getretenen - Vorgänge, welche nach der neuen Rechtslage allenfalls unter beachtlichen Erschwernissen aufzuklären wären, lassen aber sehr gut erkennen, welches Gewicht eine zuverlässige Sachverhaltsaufklärung gerade für einen Beschuldigten haben kann, zumal derartige - mit konspirativen Methoden betriebene - Vorgehensweisen angesichts verschiedener weiterer derartiger Berichte sicherlich nicht als Einzelfälle zu betrachten sind(zum sog. "Spitzel-Skandal" bei der Dt. Telekom: WELT Online, Bericht v. 24.05.2008, "Spitzel-Skandal erschüttert Deutsche Telekom", http://www.welt.de/wirtschaft/article2029097/Spitzel-Skandal-erschuettert-Deutsche-Telekom.html; Süddeutsche Zeitung, Bericht v. 03.09.2010, "Telekom: Spitzel-Affäre - Ricke in Bedrängnis", http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/spitzelaffaere-bei-der-telekom-wenn-das-t-mithoert-1.995687; Handelsblatt, Bericht v. 24.11.2010, "Haftstrafe in Telekom-Spitzel-Prozess beantragt", http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/koepfe/kurz-vor-abschluss-haftstrafe-in-telekom-spitzel-prozess-beantragt/3646912.html; ZEIT Online, Bericht v. 30.11.2010, "Telekom - Gefängnis für den Spitzel", http://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2010-11/telekom-spitzel-prozess)(zur sog. "Spitzel-Affäre" bei der Dt. Bank: STERN, Bericht v. 4. Juli 2009, "Deutsche Bank bespitzelte Gewerkschafter", http://www.stern.de/wirtschaft/news/unternehmen/medienbericht-deutsche-bank-bespitzelte-gewerkschafter-705365.html; WELT Online, Bericht v. 05.07.2009, "Skandal um Deutsche Bank - Spitzel-Opfer will Entschuldigung von Ackermann", http://www.welt.de/wirtschaft/article4062183/Spitzel-Opfer-will-Entschuldigung-von-Ackermann.html; Frankfurter Rundschau, Bericht v. 21. Juli 2009, "Spitzel-Affäre - Deutsche Bank unter Verdacht", http://www.fr-online.de/wirtschaft/spitzel-affaere-deutsche-bank-unter-verdacht,1472780,3294564.html; Süddeutsche Zeitung, Bericht v. 25.03.2012, "Spitzelskandal bei der Deutschen Bank - Wiedergutmachung mit der Portokasse", http://www.sueddeutsche.de/geld/ermittlungen-in-deutsche-bank-spitzelaffaere-eingestellt-wiedergutmachung-mit-der-portokasse-1.1317551)(vgl. auch: DER SPIEGEL, Bericht v. 23.07.2009, "Spitzelei - Firmen hetzen Mitarbeitern Privatdetektive auf den Hals", http://www.spiegel.de/wirtschaft/spitzelei-firmen-hetzen-mitarbeitern-privatdetektive-auf-den-hals-a-637669.html) (und der Kammer auch andere gleichgelagerte Fälle zur Kenntnis gelangt sind, die keine Medienberichterstattung ausgelöst haben).

Insbesondere als Beschäftigter eines größeren Unternehmens wird ein Beschuldigter regelmäßig der organisatorischen und finanziellen Überlegenheit seines Arbeitgebers ausgeliefert sein, der er wenig oder überhaupt nichts entgegen zu setzen hat.

Stünde es nun im völligen Belieben des Arbeitgebers, unliebsame oder gar brisante Dokumente dadurch dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen, dass er diese an einen oder mehrere Rechtsanwälte übergibt, so wäre eine zuverlässige Sachverhaltsaufklärung weitgehend oder völlig unmöglich.

Der jeweils beauftragte Rechtsanwalt müsste dabei auch nicht einmal einen vollständigen Überblick über die ihm gegebenen Dokumente bzw. Teile von Dokumenten erlangen, gerade dann nicht, wenn ihm für einen bestimmten Auftrag eine relativ große Menge von Dokumenten aus dem Unternehmen übergeben würden, er diese für den ihm erteilten Auftrag nur zu einem (kleinen) Teil benötigte, aber auch die übrigen - kaum zu überblickenden - Teile in seinen Gewahrsam gelangten. Denn gerade aus den - im Falle der Verteilung der Unterlagen auf mehrere Rechtsanwälte - dem einzelnen Rechtsanwalt vorliegenden Bruchstücken wird dieser in der Regel noch nicht einmal erkennen können, ob er als Werkzeug für eine dolose Strategie seines Auftraggebers eingesetzt wird.

Ein strafrechtlich relevantes Zusammenwirken mit den Verantwortlichen des Unternehmens wäre in einer solchen Konstellation regelmäßig von vornherein ausgeschlossen, weshalb auch die Verstrickungsklausel des § 160a Abs. 4 StPO in aller Regel nicht die vom Gesetzgeber offenbar erwartete Korrekturfunktion erfüllen würde.

Soweit sich ein Mandant, der zu späterer Zeit Beschuldigter eines Strafverfahrens wird, eines - mangels ausreichender Information - als nicht-doloses Werkzeug handelnden Rechtsanwaltes bedient, bewegt sich eine solche Vorgehensweise im Rahmen dessen, was jedem Beschuldigten erlaubt ist und erlaubt sein muss.

Soweit es sich aber um Personen handelt, insbesondere um solche, die niemals Beschuldigte eines Strafverfahrens werden können - wie etwa juristische Personen (diese können allenfalls Betroffene eines Einziehungs-/Verfalls- bzw. OWi-Verfahrens werden; der von einer solchen mit "internal investigations" beauftragte Rechtsanwalt kann regelmäßig auch nicht mehr Verteidiger werden, vgl. §§ 43a Abs. 4 BRAO, § 356 StGB(vgl. aber: Zimmer, BB 2011, 1075, der fordert, dass den mit unternehmensinternen Ermittlungen beauftragten Anwälten die gleiche Stellung wie Strafverteidigern zukommen müsste, da es sich bei den Auftraggebern um potentielle Nebenbeteiligte handele.) ) -, eröffnet die Regelung des § 160a StPO n.F. für Zeugen jedoch ebenfalls umfangreiche Möglichkeiten, Beweismittel dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu entziehen, was - jedenfalls für andere Verfahrensbeteiligte - ausgesprochen problematische Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Darüber hinaus bestehen solche Möglichkeiten der Beweismittel-Verlagerung in umso größerem Ausmaß, je weniger finanzielle Gesichtspunkte bei der Beauftragung eines oder mehrerer Rechtsanwälte zu diesem Zweck eine Rolle spielen.

Gerade große Unternehmen können aber ein durchaus nachvollziehbares, mitunter sehr vielfältiges Interesse daran haben, bestimmte Unterlagen - insbes. solche mit Bedeutung für drohende zivilrechtliche Auseinandersetzungen, mit Eignung zur Beeinträchtigung des Rufs bzw. des Images in der Öffentlichkeit, etc. - vor dem Zugriff Dritter und auch der Strafverfolgungsbehörden sicher verwahrt zu wissen.

Zeugen mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln werden sich im Zweifel eine solche Beweismittel-Verlagerung gar nicht leisten können; finanziell gutgestellte Personen hingegen - also z.B. gerade größere Unternehmen - werden diese Möglichkeiten oftmals nahezu unbeschränkt in Anspruch nehmen können.

Insofern mag zwar durch die gesetzliche Neuregelung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Rechtsanwälten beseitigt worden sein; demgegenüber wäre durch diese Neuregelung dann aber eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Zeugen geschaffen worden.

Zusammenfassend ist danach jedenfalls davon auszugehen, dass die gesetzliche Neuregelung des § 160a Abs. 1 StPO die gebotene Sachverhaltsaufklärung im strafprozessualen Verfahren jedenfalls in äußerst weitgehendem Ausmaß zu beschränken geeignet ist.

f) Bewertung und denkbare Einschränkungen:

Im Übrigen wäre es auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens als in höchstem Maße bedenklich anzusehen, wenn es ein Zeuge generell selbst in der Hand hätte, welche Beweismittel er einem Strafverfahren zuführen wollte, gerade dann, wenn sich dieses maßgeblich auf Grundlage von Belastungen durch den Zeugen gegen einen Dritten richten sollte.

Diese problematische Konstellation stellt sich in ähnlicher bzw. vergleichbarer Weise letztlich auch bei der Sperrung von Beamten (z.B. Verdeckten Ermittlern, nicht offen ermittelnden Polizeibeamten) durch die vorgesetzten Behörden dar.

In diesem Fall besteht für die Exekutive im Grundsatz eine gleichartige Möglichkeit, Einfluss auf den Verlauf eines Strafverfahrens durch entsprechende Steuerung von Beweismitteln zu nehmen. Die Rechtsprechung hat daher in solchen Fallkonstellationen verschiedenste Anforderungen aufgestellt (z.B. audiovisuelle Vernehmung, Mindestanforderungen an den Inhalt der Sperrerklärung, Verwertungsverbote, etc.), um einen fairen, rechtsstaatlichen Verfahrensablauf sicherzustellen(vgl. BGH, NStZ 2005, 43; BGH, JuS 2010, 832 m.w.N.).

Nachdem jedoch auch schon in der Vergangenheit (z.B. in Wirtschaftsstrafverfahren) die Beobachtung zu machen war, dass Unternehmen als Anzeigeerstatter - auch von mit "internal investigations" betrauten Rechtsanwälten unterstützte - zuweilen nur sehr sukzessive bzw. mit offenbar wohldurchdachter Strategie die ihnen zur Verfügung stehenden Beweismittel im Verlauf eines Strafverfahrens vorlegen, lassen sich - gerade auch im Vergleich mit den durch Sperrerklärungen vor einer direkten Befragung geschützten Beamten - die mit der gesetzlichen Neuregelung des § 160a StPO einhergehenden Problemkonstellationen, nämlich Steuerungsversuche von außen auf das Strafverfahren, durchaus absehen.

Das Strafverfahren ist nach dem grundgesetzlichen Gewaltenteilungsgrundsatz allerdings, anders als es der Gesetzgeber - z.B. in der Plenarsitzung vom 11.11.2010 (vgl. oben II. 1. b.) - offenbar vorwiegend diskutiert hat, nicht als Verfahren ausgestaltet, in dem der Staat dem Bürger gegenüber steht, sondern in dem die dritte Gewalt im Staat im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens die Aufklärung des wahren Sachverhalts zu betreiben und die daraus resultierende rechtliche Bewertung - durchaus auch gegen die Interessenlage der anderen staatlichen Gewalten - zu treffen hat.

Allen zuvor genannten Konstellationen gemein ist letztlich der Umstand, dass der Beschuldigte den nicht offen zutage tretenden Strategien anderer Verfahrensbeteiligter (Exekutive, Anzeigeerstatter, etc.) vor Gericht ausgesetzt sein kann, ohne sich gegen diese effektiv zur Wehr setzen oder gar ohne diese überhaupt erkennen zu können.

Ein vollkommen uneingeschränkter Schutz der von ihm an einen Rechtsanwalt übergebenen Dokumente kann daher einem Zeugen, wenn grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien des Strafverfahrens gewahrt bleiben sollen, nicht zugebilligt werden.

Das BVerfG führt demzufolge zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 160a StPO n.F. in seiner Entscheidung vom 12.10.2011 näher aus:

Die Normierung eines absoluten Beweiserhebungs- und -verwendungsverbotes in § 160a Abs. 1 StPO beschränkt die Strafverfolgung in erheblichem Maße, weil sie in Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsgruppen Ermittlungsmaßnahmen von vornherein untersagt und jede Verwendung dennoch erlangter Erkenntnisse unterbindet. Derartige absolute Verbote können nur in engen Ausnahmefällen zum Tragen kommen, insbesondere wenn eine Ermittlungsmaßnahme mit einem Eingriff in den Schutzbereich der Menschenwürde verbunden wäre, die jeder Abwägung von vornherein unzugänglich ist. Nur in solchen Fällen ist es zulässig - und unter Umständen auch verfassungsrechtlich geboten -, bereits eine Beweiserhebung generell zu untersagen und jede Verwendung gleichwohl erlangter Erkenntnisse auszuschließen(BVerfG, 2 BvR 236-08, 2 BvR 237-08, 2 BvR 422-08 , juris: Rz. 257)...

Auch die gesetzgeberische Entscheidung, den absoluten Schutz des § 160a Abs. 1 StPO auf Rechtsanwälte, auf nach § 206 BRAO in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Personen sowie auf Kammerrechtsbeistände auszudehnen, ist vor Art. 3 Abs. 1 GG noch zu rechtfertigen(aaO, juris: Rz. 260)...

Allein die Stellung der Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege und ihre Teilnahme an der Verwirklichung des Rechtsstaats heben sie noch nicht in einer Weise aus dem Kreis der lediglich von dem relativen Schutz des § 160a Abs. 2 StPO erfassten Berufsgeheimnisträger heraus, die einen Verzicht auf Ermittlungsmaßnahmen rechtfertigen könnte(aaO, juris: Rz. 261)...

Eine hinreichende Rechtfertigung kann jedoch in dem Umstand gesehen werden, dass eine Differenzierung zwischen Anwälten und Verteidigern aufgrund der Nähe der Tätigkeitsfelder faktisch kaum möglich ist(aaO, juris: Rz. 262).

In der Literatur kommentieren erste Stimmen diese Entscheidung teilweise dahingehend, dass für die Gesetzgebungspraxis mit dem Beschluss möglicherweise für eine gewisse Zeit ein Schlusspunkt gesetzt sei; Probleme bei der praktischen Anwendung der als verfassungsgemäß gebilligten Bestimmungen seien freilich nicht auszuschließen(Sachs, JuS 2012, 374, 376).

Teilweise wird angemerkt, dass die Billigung der nunmehr durch den Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierung nicht bedeute, dass die jetzige Grenzziehung die einzig mögliche wäre. Das BVerfG sehe zwar gute Gründe dafür, auch Rechtsanwälte in den absoluten Schutzbereich des § 160a Abs. 1 StPO einzubeziehen. Deren Einbeziehung sei daher noch gerechtfertigt. Lese man an dieser Stelle (Rn. 260) jedoch weiter, werde man konstatieren müssen, dass der Senat auch die zuvor geltende Regelung wohl kaum beanstandet hätte(Rütters, jurisPR StrafR, 04/2012, Anm. 2).

Danach kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass die Neuregelung des § 160a StPO dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von Berufsgeheimnisträgern in vollem Umfang genügt oder gar die gebotenen Mindestanforderungen deutlich bzw. erheblich übersteigt.

Eine über den Wortlaut und die gesetzgeberische Intention hinausgehende Auslegung, etwa dahingehend, dass durch die Neuregelung des § 160a StPO auch § 97 StPO eingeschränkt oder gar verdrängt werde, erscheint danach aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geboten.

Vielmehr erscheint es durchaus denkbar und jedenfalls bei Vorliegen evident mißbräuchlicher Gestaltungen angezeigt, die Regelung des § 160a Abs. 1 StPO n.F. anhand ihrer verfassungsrechtlich zu billigenden Zielsetzung,

- nämlich: Schutz des potentiellen Verteidigungsmandates,

- und nicht: Schutz eines Zeugen, der im Grundsatz keinerlei strafrechtliche Ermittlungen gegen sich selbst zu erwarten hat, vor lediglich unerwünschten Aufklärungsbemühungen der Strafverfolgungsbehörden,

dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass im Hinblick auf die rechtsstaatlich gebotene Sachverhaltsaufklärung eine Verlagerung von Beweismitteln in den Gewahrsamsbereich eines Rechtsanwaltes - insbesondere durch juristische Personen - nicht ohne jede Einschränkung möglich ist, wenn nicht der durch § 160a Abs. 1 StPO n.F. gewährte Schutz entfallen soll.

Insoweit kommt etwa in Betracht, dass im Falle der gezielten Verknüpfung bzw. Vermischung von Gesprächsinhalten, Dokumenten oder anderen Beweismitteln zum Zwecke der Einbringung in den grundsätzlich gemäß § 160a Abs. 1 StPO vor Ermittlungszugriffen geschützten Bereich dennoch Ermittlungsmaßnahmen in diesem Bereich als zulässig zu erachten wären, um mißbräuchlichen Beweismittel-Verlagerungen Einhalt zu gebieten.

Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn zum Beispiel konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass - im Gewahrsamsbereich des Rechtsanwaltes - z.B. kernbereichsbezogene Kommunikationsinhalte, sog. Verteidigungsunterlagen etc. mit Inhalten verknüpft werden, die dem Ermittlungsziel unterfallen, um zielgerichtet die Überwachung bzw. Beschlagnahme der letztgenannten zu verhindern(vgl. bzgl. elektronischer Kommunikation: BVerfG, NJW 2008, 822, 834, Rz. 281, = BVerfGE 120, 274; BeckOK - Patzak, Stand: 01.02.2012, § 160a StPO, Rz. 5a; Meyer-Goßner, aaO, § 160a, Rz. 3a).

Im vorliegenden Ermittlungsverfahren sind solche konkreten Anhaltspunkte für eine zielgerichtete Vermischung von Beweismitteln, die grundsätzlich einer Beschlagnahme unterfielen, mit geschützten mandatsbezogenen Inhalten zum Zwecke der Verhinderung einer Beschlagnahme (insoweit denkbar z.B.: Abtrennung ganzer Teile des betrieblichen Areals mit dort gelagerten Dokumenten und Verlagerung - z.B. durch Untermietverhältnisse - in den Gewahrsamsbereich des Rechtsanwaltes; Übergabe sehr großer, den üblichen Umfang weit übersteigender Mengen an Originaldokumenten - ohne Zurückbehalt von Kopien - an den Rechtsanwalt; etc.) jedoch nicht erkennbar.

g) Handhabung bzgl. einzelner Beweismittel:

Es kann danach in vorliegender Sache aber auch dahinstehen, ob § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO - vorrangig vor § 160a Abs. 1 StPO n.F. - auch auf das Verhältnis zwischen dem Nichtbeschuldigten und seinem Rechtsanwalt Anwendung findet (vgl. oben II. 1. c.); denn hinsichtlich der Unterlagen, auf welche die vorliegend angegriffene Beschlagnahmeanordnung abzielt, ergeben beide Regelungen, dass eine solche im Gewahrsamsbereich der Beschwerdeführer zu 1 nicht durchgeführt werden darf.

aa)

Bei dem Bericht der Rechtsanwälte X., der beschlagnahmt werden soll, handelt es sich zweifellos um ein mandatsbezogenes Dokument, das von den Rechtsanwälten zur Beratung ihrer Mandantschaft erstellt wurde.

Ein solcher Bericht unterfällt danach, soweit er sich im Gewahrsamsbereich dieser Rechtsanwälte befindet, der - grundsätzlich als spezieller zu wertenden - Regelung des § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO, aber auch - soweit man diese für einschlägig hielte - der Regelung des § 160a Abs. 1 StPO n.F.

bb)

Bei den für diesen Bericht erhobenen Unterlagen kann es sich durchaus um solche handeln, die - im üblichen Umfang - zur Information der Anwälte zusammengestellt und an diese (ggf. in Kopie) übergeben wurden; es würde sich in diesem Fall ebenfalls um Dokumente, die unzweifelhaft beiden zuvor genannten Regelungen unterfallen, handeln.

Anderweitige Informationen liegen insoweit nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis nicht vor, jedenfalls nicht solche, die eine mißbräuchliche Verlagerung von Dokumenten zu den Rechtsanwälten hin naheliegend erscheinen lassen können.

cc)

Zwar ist bei den offenbar von den Rechtsanwälten mit den Mitarbeitern des Unternehmens im Rahmen der internal investigations geführten Befragungen (Interviews) bzw. den darüber gefertigten Aufzeichnungen eine solche Vermischung durchaus denkbar bzw. zu erwarten.

Dabei stellen aber die jeweiligen Fragestellungen der Rechtsanwälte einen mandatsbezogenen Inhalt, der insbesondere Rückschlüsse auf deren Ermittlungsziele zulässt, dar und unterfallen daher dem Schutzbereich der beiden zuvor genannten Regelungen; die Antworten der nicht in einer Mandatsbeziehung zu den Fragenden stehenden Mitarbeiter unterfallen diesem Schutzbereich hingegen nicht. In diesem Fall erfolgt die Vermischung aber zwangsläufig im Rahmen eines Frage-Antwort-Zusammenhanges.

Aufgrund dieser - notwendigerweise eintretenden - Vermischung zwischen geschützten Inhalten (Fragen) und nicht geschützten Inhalten (Antworten) begegnet auch die in der Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 15.10.2010 vorgenommene rechtliche Einordnung, wonach in solchen Konstellationen letztlich allein schon das fehlende Mandatsverhältnis der Mitarbeiter zu den Rechtsanwälten die Zulässigkeit einer Beschlagnahme der Interviewprotokolle zur Folge haben solle, nicht unerheblichen Bedenken. Da vorliegend keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die jeweiligen Fragestellungen von den Antworten zu trennen wären, muss sich der von § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO bzw. § 160a Abs. 1 StPO n.F. gewährte Schutz vor einer Beschlagnahme aus Sicht der Kammer auf die Gesamtheit dieser Dokumente - soweit im Gewahrsamsbereich der Rechtsanwälte - richten(a.A.: Bauer, StV 2012, 277, 278, der das Tätigkeitsfeld der internal investigations schon deswegen nicht für schutzwürdig hält, weil es strukturell auf Interessenkonflikt, wenn nicht gar Parteiverrat, angelegt sei).

Dabei ist allerdings ergänzend zu bemerken, dass die nunmehr fehlende Möglichkeit der Beschlagnahme solcher Interviewprotokolle im Gewahrsamsbereich des Rechtsanwaltes andere Ermittlungsmaßnahmen, z.B. auch die Befragung dieser Mitarbeiter als Zeugen, nicht hindert, so dass ein Verlust der beweisrelevanten Informationen insoweit nicht notwendigerweise zu erwarten ist.

h) abschließende Bewertung bzgl. des Gewahrsamsbereichs der Rechtsanwälte:

Im Gewahrsamsbereich der Beschwerdeführer zu 1, der neben den ihrer Kanzlei zugehörigen Räumlichkeiten auch den nach § 53a StPO erweiterten Bereich umfasst, ist danach eine Beschlagnahme - mangels vorliegend konkreter Anhaltspunkte für eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Möglichkeit der Verlagerung beweisrelevanter Unterlagen an diese - als unzulässig zu bewerten.

Die vom Amtsgericht M. insoweit ergangene Beschlagnahmeanordnung war danach nicht rechtmäßig.

2. Beschlagnahmeanordnung, die Fa. Y. AG betreffend (24 Qs 2/12):

Die Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung gegenüber der Fa. Y. AG ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Die im Beschluss des Amtsgerichts M. vom 28.02.2012 (auch) enthaltene Beschlagnahmeanordnung gegenüber dieser war rechtmäßig.

a) Tatverdacht, Beweismittel:

Der notwendige - aber auch hinreichende - Eingriffsanlass lag vor (vgl. oben II.1.a.).

Der vom Amtsgericht M. insoweit angenommene Tatverdacht gegenüber den Beschuldigten (gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzung in mittelbarer Täterschaft bzw. Beihilfe dazu; §§ 106, 108a UrhG, 25 Abs. 1, 27 StGB) stützt sich in zutreffender Weise auf die von den Ermittlungsbehörden zusammengetragenen Erkenntnisse (vgl. oben II.1.a.).

Der Beschlagnahmebeschluss, der die Tatvorwürfe genau schildert, wird auch den an eine richterliche Anordnung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen zu stellenden Anforderungen gerecht.

Es sind dort die Beweismittel, auf die die Maßnahme abzielt, ausführlich und in konkreter Weise benannt. Den genannten Gegenständen kommt auch die gemäß § 94 Abs. 1 StPO erforderliche Beweisbedeutung zu. Für die Sicherstellung und Beschlagnahme eines Gegenstandes als Beweismittel reicht grundsätzlich seine potentielle Beweisbedeutung aus; es genügt daher die nach vorausschauender Beurteilung nicht fern liegende Möglichkeit, dass der Gegenstand erst im Verlauf des Verfahrens Bedeutung für die Ermittlung gewinnen wird(BGH, NStZ 1981, 94).

Damit waren sowohl die relevanten Tatsachen als auch die erwarteten Beweismittel so genau beschrieben, dass die von der Maßnahme betroffene Beschwerdeführerin in die Lage versetzt wurde, diese zu kontrollieren bzw. dieser im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten entgegenzutreten.

b) Verhältnis zwischen § 97 StPO und § 160a StPO n.F.:

Die Wechselwirkung zwischen § 97 StPO und § 160a StPO ergibt sich schon aus ihrem Wortlaut, da jede der beiden Vorschriften auf die jeweils andere verweist.

§ 97 StPO wurde letztmals geändert mit Wirkung zum 01.08.2009, damals in den Abs. 3 u. 4, und gilt seither unverändert fort; die vorliegend relevanten Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 hatten aber auch bereits zuvor unverändert Gültigkeit.

§ 160a StPO wurde letztmals mit Wirkung zum 01.02.2011 geändert. In den Abs. 1 S. 1 wurde dabei der Passus:

einen Rechtsanwalt, eine nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Person oder einen Kammerrechtsbeistand

eingefügt, so dass auch diese - wie zuvor schon die in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und Nummer 4 genannten Personen (Geistliche, Verteidiger, Abgeordnete) diesem umfassenden Schutz gegen Ermittlungsmaßnahmen unterfallen.

Abs. 1 S. 5 wurde redaktionell dahingehend geändert, dass der Passus:

§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 genannte Person richtet, von einer dort genannten

durch den Passus:

Satz 1 in Bezug genommene Person richtet, von dieser

ersetzt wurde, was inhaltlich eine Gleichstellung aller in Satz 1 in Bezug genommenen Personen zur Folge hat.

In § 160a Abs. 2 StPO n.F. wurde dementsprechend der in Abs. 1 hinzugekommene Personenkreis durch folgenden ergänzenden Satz herausgenommen: Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Rechtsanwälte, nach § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung in eine Rechtsanwaltskammer aufgenommene Personen und Kammerrechtsbeistände.

Dabei fällt zunächst schon auf, dass die Systematik des § 53 StPO erhalten blieb, der den zuvor genannten Personenkreis in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO zusammen mit allen weiteren in § 160a Abs. 2 StPO genannten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen aufführt.

Die übrigen - soweit ersichtlich lediglich redaktionellen - Änderungen dieser Vorschrift sind vorliegend nicht relevant.

Nach wohl herrschender Meinung war und ist § 97 StPO im Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger, soweit die Ermittlungsmaßnahme auf die Beschlagnahme von körperlichen Gegenständen (z.B. schriftliche Unterlagen) abzielt, die speziellere Regelung vor § 160a StPO(KK-Nack, 6. Aufl. 2008, § 160a, Rz. 21; Meyer-Goßner, aaO, § 160a, Rz. 17; BeckOK-Patzak, aaO, § 160a StPO, Rz. 17; Müller-Guggenberger/Bieneck - Häcker, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011, § 93, Rz. 41).

Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut des § 97 StPO, der sich ausschließlich mit solchen Beschlagnahmungen befasst, als auch aus der Regelung des § 160a Abs. 5 StPO selbst, der lautet: Die §§ 97 und 100c Abs. 6 bleiben unberührt..

Danach ist die Zulässigkeit einer Beschlagnahme in solchen Fällen nach § 97 StPO zu beurteilen; lediglich soweit diese speziellen Vorschriften keine Regelungen treffen - wie etwa § 97 hinsichtlich der (Nicht-)Verwertbarkeit von beschlagnahmefreien Gegenständen -, ist § 160a ergänzend anzuwenden(KK-Nack, aaO, Rz. 21; Meyer-Goßner, aaO, Rz. 17; BeckOK-Patzak, aaO, Rz. 17; Jahn/Kirsch, StV 2011, 148, 154; vgl. auch: Bauer, StV 2012, 277; a.A.: Bertheau, StV 2012, 303, 306).

Nach § 97 Abs. 2 S. 1 StPO gelten die durch § 97 Abs. 1 StPO geregelten Beschränkungen allerdings nur, wenn die Gegenstände im Gewahrsam der zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten sind. Diese Einschränkungen gelten nach der Rechtsprechung allerdings nicht für solche Dokumente, bei denen es sich um Unterlagen, die sich ein Beschuldigter erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren anfertigt (sog. Verteidigungsunterlagen), handelt(vgl. dazu BGH, 25.02.1998, 3 StR 490/97, = NJW 1998, 1963-1965).

An dieser rechtlichen Konstellation im Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger hat sich durch die Neuregelung des § 160a StPO nichts geändert. Auch der Gesetzgeber hatte bei der Neuregelung ersichtlich keine grundlegende Umgestaltung des Verhältnisses zu § 97 StPO beabsichtigt (vgl. oben II. 1. b.).

Erst recht kann dann aber kein weitergehender Schutz vor der Beschlagnahme von Gegenständen (Unterlagen etc.) für das Verhältnis zwischen dem lediglich potentiell Beschuldigten und seinem lediglich potentiellen Verteidiger - etwa durch eine Anwendung des § 160a Abs. 1 StPO bereits auf die Frage der Zulässigkeit der Beschlagnahme - gelten.

Denn wenn bislang schon der Beschuldigte durch die inhaltlich gleiche - infolge der gesetzlichen Neuregelung nur um weitere Personen ergänzte und redaktionell etwas umgestaltete - Regelung des § 160a Abs. 1 StPO nicht vor dem grundsätzlich möglichen Zugriff auf Gegenstände in seinem Gewahrsam und vor der weiteren Verwendung bzw. Verwertung der bei ihm aufgefundenen Beweismittel - soweit nicht sog. Verteidigungsunterlagen - geschützt war und ist, so besteht schon gar keine Veranlassung dafür, nunmehr dem bloß als Zeugen oder Drittbeteiligten Betroffenen, der allenfalls eine mögliche oder gar nur hypothetische Beschuldigten-Eigenschaft für sich reklamieren kann, einen weitergehenden Schutz zuzubilligen.

Im Übrigen lässt auch der Wortlaut des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO eine Anwendung auf alle Konstellationen, in denen Gegenstände als Beweismittel außerhalb des Gewahrsamsbereiches eines Zeugnisverweigerungsberechtigten für eine Beschlagnahme in Betracht kommen, ohne Weiteres zu. Auch ist - jedenfalls in diesem Zusammenhang - durchaus zu sehen, dass auch § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, der insbesondere für Geschäftsunterlagen einschlägig ist, - seinem Wortlaut nach - keinerlei Beschränkungen auf eine etwaige, ausschließliche Anwendbarkeit im Zusammenhang mit einer Beschlagnahme beim Beschuldigten enthält (wenngleich eine solche von der bislang zur alten Rechtslage wohl überwiegenden Meinung angenommen wurde, vgl. dazu oben, unter II. 1. c.; andere Konstellationen waren unter der früheren Rechtslage i.d.R. aber auch nicht relevant).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass für den Bereich der sog. internal investigations - Mandate der nunmehr bestehende Schutzraum des § 160a StPO n.F. ohnehin weit über das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß des Schutzes - auch potentieller - Verteidiger hinausgeht. Eine Auslegung, die bei Vorliegen solcher Mandatsverhältnisse einen weitergehenden Beschlagnahmeschutz als bei tatsächlich bestehenden Verteidigungsmandaten für gegeben erachtet, kann daher nicht überzeugen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass bereits bislang für die Frage der Verwertbarkeit auf § 160a StPO zurückgegriffen wurde; die Frage, ob ein Gegenstand als beschlagnahmefrei zu gelten hat, wurde dennoch nach den Regelungen des § 97 StPO beurteilt und nur im Falle, dass danach eine Beschlagnahmefreiheit anzunehmen war, ergänzend - bei der Beurteilung der Verwertbarkeit - § 160a StPO herangezogen. Auch die systematische Einordnung des § 97 StPO im Ersten Buch und des § 160a StPO im Zweiten Buch schließen das Vorliegen einer spezielleren Regelung in § 97 StPO für bestimmte Fallgestaltungen nicht aus.

Dabei kann auch die - ausschließlich am Wortlaut des § 160a Abs. 1 StPO n.F. orientierte - Überlegung, die dort normierten Verwendungs- und Verwertungsverbote müssten nunmehr, nach der Einbeziehung aller Rechtsanwälte in ihren Anwendungsbereich, eine Vorauswirkung dahingehend entfalten, dass keinerlei Beschlagnahmungen mehr - sowohl beim Rechtsanwalt als auch beim Mandanten - zulässig seien, vor dem Hintergrund der ansonsten inhaltlich unveränderten Regelung nicht überzeugen. Darin läge nämlich eine Ausweitung solcher Beschränkungen der grundsätzlich gebotenen Sachverhaltsaufklärung sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht. Dem strafprozessualen Erkenntnisverfahren kommt aber auch in seiner gesamten Funktionsweise - einschließlich der Interaktionsmöglichkeiten der daran Beteiligten - eine erhebliche Bedeutung bei der Feststellung der Schuldfrage zu. Ausnahmeregelungen für einen kleineren Personenkreis können daher im Grundsatz deutlich großzügiger ausfallen als diejenigen für einen größeren, ohne diesen Erkenntnisprozess nachhaltig zu beeinträchtigen. Würde nun aber die für einen ursprünglich sehr kleinen Personenkreis konzipierte Ausnahmeregelung nicht nur in personeller, sondern auch in sachlicher Hinsicht erheblich ausgedehnt, so wäre von beträchtlichen negativen Auswirkungen auf diesen Erkenntnisprozess auszugehen. Eine solche Ausdehnung hat der Gesetzgeber - den Materialien zufolge - offenbar weder angedacht noch beabsichtigt.

Dem gesetzgeberischen Willen zufolge sollte durch die Neugestaltung des § 160a StPO letztlich auch nur eine Gleichstellung aller Rechtsanwälte mit den Verteidigern bewirkt werden (vgl. oben II. 1. b.).

Eine solche wird durch die vorliegend von der Kammer vorgenommene Bewertung des Verhältnisses der §§ 97 und 160a StPO zueinander erreicht.

Danach ist weiterhin davon auszugehen, dass Eingriffsnorm für Sicherstellungen und Beschlagnahmungen die §§ 94, 95, 98 StPO, gegebenenfalls beschränkt durch § 97 StPO, darstellen; der Anwendungsbereich des § 160a StPO ist demgegenüber begrenzt auf die insoweit nicht durch § 97 StPO speziell geregelten Fragestellungen, insbesondere also - bei Vorliegen beschlagnahmefreier Gegenstände - auf Verwertungsfragen.

c) Beschlagnahme im Gewahrsamsbereich der Fa. Y. AG:

Bei der Fa. Y. AG handelt es sich weder um eine Beschuldigte des vorliegenden Strafverfahrens, auch wenn die Beschuldigungen gegen deren (teils ehemalige) Verantwortliche erhoben sind, noch um eine zeugnisverweigerungsberechtigte Person.

Dass ausnahmsweise eine besonders schutzwürdige Beziehung zwischen der Fa. Y. AG und den Beschuldigten bestünde, die ein gesetzlich nicht geregeltes Beschlagnahmeverbot zur Folge haben könnte(BVerfG, 27.10.2003, 2 BvR 2211/00, Rz. 12), ist vorliegend nicht ersichtlich, wobei die Interessen der Vertreter von juristischen Personen und dieser selbst sich ohnehin auch diametral entgegenstehen können(BVerfG, aaO, Rz. 11).

Im Übrigen sind auch keine Gesichtspunkte erkennbar, die eine Beschlagnahme der Unterlagen, soweit sie sich im Gewahrsam der Beschuldigten selbst befänden, hindern würden, so dass auch deshalb eine Beschlagnahme bei der Fa. Y. AG infolge der Regelung des § 97 Abs. 2 StPO auf keine Bedenken trifft.

d) Verhältnismäßigkeit:

Die angefochtene Beschlagnahmeanordnung steht auch in einem angemessenem Verhältnis zur Stärke des Tatverdachts und zur Bedeutung der aufzuklärenden Straftaten. Der Tatverdacht stützt sich auf tatsächliche Anhaltspunkte und nicht nur auf unklare Gegebenheiten und/oder ungenaue Hinweise. Zu berücksichtigen war dabei auch die - dem Anzeigevortrag nach - möglicherweise eingetretene, beträchtliche Schadenshöhe.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin zu 2 vorliegend selbst Drittbetroffene einer Strafanzeige eines konkurrierenden Unternehmens ist, lässt die Verhältnismäßigkeit ebenfalls nicht entfallen, zumal die Beschwerdeführerin zu 2 in die behaupteten Geschehnisse zumindest wirtschaftlich mit einbezogen gewesen sein soll.

Das - bei Beteiligung konkurrierender Unternehmen besonders schützenswerte - Interesse an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen wird darüber hinaus im Rahmen der Entscheidung über etwaige Akteneinsichtsersuchen zu berücksichtigen sein.

Insbesondere sind auch keine Maßnahmen mit geringerer Eingriffsintensität ersichtlich, mit denen die gesuchten bzw. alle alternativ erforderlichen Beweismittel stattdessen voraussichtlich zu erlangen wären.

III.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Beschwerdeführer zu 1 auf § 467 Abs. 1 StPO (analog); hinsichtlich der Beschwerdeführerin zu 2 findet sie ihre Grundlage in § 473 Abs. 1 und 4 StPO.






LG Mannheim:
Beschluss v. 03.07.2012
Az: 24 Qs 1/12; 24 Qs 2/12


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7b499cc0074d/LG-Mannheim_Beschluss_vom_3-Juli-2012_Az_24-Qs-1-12-24-Qs-2-12




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