Landgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 3. Juli 2003
Aktenzeichen: 31 O 83/95

(LG Düsseldorf: Beschluss v. 03.07.2003, Az.: 31 O 83/95)

Tenor

1.

Die Anträge auf Festsetzung einer Erhöhung der im

Vertrag vom 20.04.1990 vorgesehenen Abfindung von

500,-- DM für eine KK-Aktie im Nennbetrag von

50,-- DM werden zurückgewiesen.

2.

Der angemessene Ausgleich für die außenstehenden

Aktionäre der KK AG wird für jedes Geschäfts-

jahr und für jede KK-Aktie im Nennbetrag von

50,-- DM auf 12,70 Euro (= 24,84 DM) zuzüglich Körper-

schaftsteuerguthaben festgesetzt.

3.

Die Beteiligten zu 9) und 10) (Antragsgegnerinnen) tragen

die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergericht-

lichen Kosten der Antragsteller und der gemeinsamen

Vertreter als Gesamtschuldner.

Gründe

I.

Mit Vertrag vom 20. April 1990, dem in der Hauptversammlung der Beteiligten zu 9) vom 13. Juni 1990 mit der notwendigen Mehrheit zugestimmt wurde, kam zwischen den Beteiligten zu 9) und 10) ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu Stande. § 4 des Vertrages lautet:

1. BB verpflichtet sich, den außenstehenden Aktionären von

KK als angemessenen Ausgleich für jedes Geschäfts-

jahr und für jede KK-Aktie im Nennbetrag von

DM 50,-- einen Ausgleich von DEM 21,76 zu zahlen.

2. Der an die außenstehenden Aktionäre der KK zu

zahlende Ausgleich ist am Tage nach der Hauptversammlung

von KK fällig.

§ 5 Ziffer 1 des Vertrages lautet:

1. Gemäß § 305 AktG verpflichtet sich BB auf Verlangen eines

jeden außenstehenden Aktionärs von KK, dessen

KK-Aktien gegen eine Barabfindung von DM 500,--

für eine KK-Aktie im Nennbetrag von DM 50,-- zu

erwerben.

Mit Vertrag vom 20.12.1991 verkaufte die Beteiligte zu 10) sämtliche von ihr gehaltenen Inhaberaktien an der Beteiligten zu 9) an die Firma ME GmbH, Hannover, einer 100 %igen Tochtergesellschaft der Firma AC S.A., Frankreich. Der Unternehmensvertrag mit der Beteiligten zu 9) wurde mit Wirkung zum 31.12.1991 aufgehoben. Mit Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 4.4.1996 übertrug die Beteiligte zu 10) ihr Vermögen im Wege der Ausgliederung mit wenigen Ausnahmen, zu denen die hier streitigen Ansprüche nicht gehören, auf die EE GmbH mit Sitz in Frankfurt.

Die Beteiligten zu Ziffer 1) bis 8) (der Beteiligte O hat seinen Antrag vom 11.02.1991 mit Schreiben vom 08.06.1995 -Blatt 462 d.A.- zurückgenommen) haben form- und fristgereicht Anträge nach §§ 304, 305 AktG eingereicht. Sie sind, ebenso wie die gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Beteiligte zu 11) und 12)) der Auffassung, die im Unternehmensvertrag vom 20.04.1990 als Abfindung bzw. Ausgleich vorgesehenen Beträge seien nicht angemessen und höher anzusetzen.

Die Antragsgegnerinnen sind der Auffassung, die im Vertrag vom 20.04.1990 vorgesehenen Beträge seien angemessen. Im Übrigen sei durch die Aufhebung des Unternehmensvertrages mit Wirkung zum 31.12.1991 der Abfindungsanspruch der außenstehenden Aktionäre erloschen und das Verfahren, soweit es die Abfindung betreffe, erledigt. Soweit der Ausgleichsanspruch betroffen sei, komme eine Ausgleichszahlung nur noch für die Dauer des Vertrages, also für die Jahre 1990 und 1991 in Betracht.

Die Kammer, die mit den Beteiligten am 25.11.1992 und 17.01.2002 mündlich verhandelt hat, hat gemäß der Beschlüsse vom 19.10.1991 und 15.05.2000 Beweis erhoben. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Anträge der Beteiligten zu 1) bis 8) haben nur in dem aus dem Tenor zu 2. ersichtlichen Umfang Erfolg. Die im Vertrag vom 20.04.1990 gemäß § 305 Abs. 1 AktG bestimmte Abfindung von 500,-- DM für eine KK-Aktie im Nennbetrag von 50,-- DM, ist nicht zu beanstanden. Dem gegenüber war der im Vertrag vom 20.04.1990 festgelegte Ausgleich für jedes Geschäftsjahr und für jede KK-Aktie im Nennbetrag von 50,-- DM statt auf 21,76 DM auf 24,84 DM zuzüglich Körperschaftssteuerguthaben zu erhöhen.

Eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren durch die erkennenden Richter steht zunächst nicht entgegen, dass die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2002 anders besetzt war. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass im Termin vom 17.01.2002 keine Dinge erörtert wurden, die nicht lediglich durch Kenntnisnahme des Protokollinhaltes zu erfassen sind, andererseits daraus, dass die vorliegende Entscheidung nicht auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2002, sondern auf Grund der Beratung vom 03.07.2003 ergeht.

Eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren steht auch nicht die nach Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom 20.04.1990 erfolgte Aufhebung des Unternehmensvertrages mit Wirkung zum 31.12.1991 entgegen. Denn die nach Einleitung des Spruchstellenverfahrens eingetretene Beendigung des hier einschlägigen Beherrschungsvertrages hat keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren (vgl. BGHZ 135, 374; 147, 108 ff.).

Die im Vertrag festgesetzte Abfindung ist nicht zu beanstanden. Die angemessene Barabfindung (§ 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG) muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen (§ 305 Abs. 3 S. 2 AktG). Angemessen ist eine Abfindung, die dem Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert einer Beteiligung entspricht (vgl. BVerfGE 14, 263 ff.). Zu ermitteln ist demnach der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann. Dieser Grenzpreis beläuft sich nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen F in dessen Gutachten vom 15.03.1995 und 27.02.2001 auf 488,53 DM je Aktie der KK im Nennwert von 50,-- DM, liegt also unter dem im Vertrag vom 20.04.1990 vorgesehenen Wert von 500,-- DM je Aktie.

Bei der Ermittlung des von ihm genannten Werts hat der Sachverständige F die sogenannte Ertragswertmethode angewendet. Dies entspricht der nahezu durchgängigen Praxis der Gerichte (vgl. BayObLGZ 1998, 231 ff.), die abgesehen von einer etwaigen Korrektur an Hand des Börsenkurses (hierzu weiter unten) rechtlich unbedenklich ist (vgl. BVerfGE 100, 289 ff.). Nach dieser Methode bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; sie wird ergänzt durch eine gesonderte Berechnung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, dass regelmäßig mit dem Liquidationswert eingesetzt wird (vgl. BayObLG a.a.O.). Der Ertragswert eines Unternehmens besteht im Barwert zukünftiger Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben. Notwendig ist mithin eine Prognose, die zwangsläufig mit Unsicherheiten belastet ist. Dabei ist der vom Sachverständigen gewählte zeitliche Ansatz (Mittelfristplanung) von KK für die Wirtschaftsjahre 1990 bis 1995 zur Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse nicht zu beanstanden (vgl. insoweit IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen - IDW S 1 - FN-IDW 2000, 415/418, Rdnr. 82 ff.).

Soweit die Beteiligten zu 5), 6), 8), 11) und 12) gegenüber den vom Sachverständigen ermittelten Wert Einwendungen erhoben haben, hat der Sachverständige F hierzu in seinem Ergänzungsgutachten vom 27.02.2001 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass sich keine Änderung des im Gutachten vom 15.03.1995 ermittelten Werts ergeben. Insbesondere ist der im Gutachten vom 15.03.1995 angesetzte Kapitalisierungszinssatz nicht zu beanstanden, da das vom Sachverständigen gewählte Verfahren als Basiszinssatz den Durchschnitt der Zinssätze heranzuziehen, der in den letzten zwanzig Jahren vor dem Stichtag bei einer Anlage in nahezu risikofreien festverzinslichen Wertpapieren zu erzielen war, nicht zu beanstanden ist (vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1988, 1555, 1560; OLG Stuttgart AG 2000, 428, 431).

Auch der vom Sachverständigen ermittelte Risikozuschlag für den Planungszeitraum von 0,5 % und im Anschluss an den Planungszeitraum von 2 % ist sachgerecht. Bestehende Schwierigkeiten der Quantifizierung des allgemeinen Unternehmensrisikos können dessen Festsetzung nicht ausschließen, sondern machen eine Schätzung (§ 287 ZPO) erforderlich. Diese ist nicht zu beanstanden, da die im Gutachten vom 15.03.1995 dargestellten Markt- und Wettbewerbsentwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland das Risiko einer weiteren Beeinträchtigung der Ertragskraft in sich trugen.

Ein Geldentwertungsabschlag im Planungszeitraum war nicht zusätzlich anzusetzen, da die Ertragserwartungen bereits mit Geldwertbedingten Erlös- und Kostensteigerungen geplant waren.

Eine Erhöhung des im Vertrag vom 20.04.1990 genannten Werts von 500,-- DM je Aktie im Nennwert von 50,-- DM ist auch nicht unter Berücksichtigung der maßgeblichen Börsenkurse geboten. Zwar ist bei der Bewertung der Aktie sowohl der beherrschten als auch der herrschenden AG grundsätzlich der Börsenkurs zu Grunde zu legen, damit möglichst gleiche Ausgangsvoraussetzungen für die Bestimmung der Wertrelation vorliegen (vgl. BGHZ 147, 108 ff.). Hierbei ist jedoch der maßgebliche Börsenkurs zwecks Vermeidung der Berücksichtigung kurzfristiger Kursschwankungen im Vorfeld des Stichtags nach § 305 Abs. 2 S. 3 AktG. als Durchschnittskurs der letzten drei Monate vor dem Stichtag zu ermitteln (vgl. BGH a.a.O.).

Mithin ist hier maßgeblich, der Zeitraum vom 12.03.1990 bis zum 12.06.1990. Für diesen Zeitraum ergibt sich auf Grund der insoweit nicht angegriffenen Kursentwicklungstabelle im Gutachten des Sachverständigen F vom 27.02.2001 ein durchschnittlicher Börsenkurs von 484,15 DM (30.017,10 DM : 62). Auch dieser Wert liegt unter dem im Vertrag vom 20.04.1990 genannten Wert.

Die gemäß § 304 Abs. 1 AktG im Vertrag vom 20.04.1990 genannte Ausgleichszahlung war von 21,76 DM auf 24,84 DM heraufzusetzen. Dieser Wert ergibt sich auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen F im Gutachten vom 15.03.1995. Danach hat der Sachverständige in zutreffender Weise den von ihm ermittelten Ertragswert unter Berücksichtigung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens zu Grunde gelegt, da zum Bewertungsstichtag konkrete Anhaltspunkte für eine Veräußerung bestanden (vgl. OLG Düsseldorf AG 1990, 397 ff.). Der so ermittelte Betrag von 24,84 DM zuzüglich einer Steuergutschrift nach den Verhältnissen von 1990 in Höhe von 13,97 DM ist als angemessen anzusehen, da er nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen F dem Betrag entspricht, den der Aktionär ohne den Unternehmensvertrag erhalten hätte.

Der Betrag von 24,84 DM ist nicht auf Grund von nach dem Unternehmensvertrag erfolgten Änderungen der körperschaftssteuerlichen Ausschüttungsbelastung (Standortsicherungsgesetz vom 13.09.1993) zu korrigieren. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auf Grund des auch für das Ausgleichsverfahren geltenden Stichtagsprinzips Gesetzesänderungen, für die es wie hier zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung keinerlei Anhaltspunkte gab, keine Berücksichtigung finden (vgl. BayObLG AG 2002, 392 ff.; OLG Hamburg NZG 2003, 89 ff.).

Die Ausgleichsregelung ohne Anknüpfung an die Höhe der körperschaftssteuerlichen Ausschüttungsbelastung ist auch deshalb nicht unangemessen, weil sich das auf die persönliche Steuerschuld des Aktionärs anrechenbare Steuerguthaben bei konstantem Ausgleichsanspruch erhöhen oder erniedrigen kann. Dies hängt jedoch allein von der steuerlichen Regelung ab, welche den Antragsgegnerinnen weder vorhersehbar noch von ihnen beeinflussbar ist. Inwieweit die Gutschrift für den Aktionär überhaupt bedeutsam wird, beruht auf dessen individuellen Verhältnissen, fällt also in dessen Risikobereich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 306 Abs. 7 Satz 7 AktG, 13 a Abs. 1 FGG. Das Verfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die Kosten aus Billigkeitsgründen nicht den Antragsgegnerinnen aufzuerlegen wären.






LG Düsseldorf:
Beschluss v. 03.07.2003
Az: 31 O 83/95


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