Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. November 2011
Aktenzeichen: I-14 U 27/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.11.2011, Az.: I-14 U 27/11)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 02.11.2010 Az. 35 O 28/09 dahin gehend abgeändert, dass festgestellt wird, dass die Kündigung des Dienstvertrages vom 14.05.2003 zwischen dem Kläger und der Beklagten durch das Schreiben der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten, der S, vom 16.02.2009, unwirksam ist.

Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner Feststellungsklage gegen die fristlose außerordentliche Kündigung seines Dienstvertrages als Geschäftsführer der Beklagten.

Der Kläger arbeitete zunächst als Angestellter für die SSD und war als persönlicher Referent für den damaligen Vorstandsvorsitzenden Sch tätig. In dem Zeitraum von Januar 2000 bis 15.07.2003 war der Kläger einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der S-KBG, einer 100 %igen Tochter der SSD. Bereits ab dem 21.05.2002 war der Kläger auch zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt worden.

Gegen Ende des Jahres 2000 legte der Kläger dem Vorstandsvorsitzenden Sch einen von diesem paraphierten Vermerk nebst einem später vom Kläger unterzeichneten Beratervertrag zwischen der S-KBG und dem Kölner Kommunalpolitiker M vor, der im Zusammenhang mit der seinerzeit beabsichtigten Auflage eines "Venture Capital Fonds" unter Beteiligung der S-KBG, der SSD und der SSK stehen sollte.

Das darin vorgesehene Honorar von jährlich 200.000 DM wurde in der Folgezeit auf Rechnung M´s gezahlt und vereinbarungsgemäß von der SSK erstattet.

Im Jahre 2004 wurde der inzwischen auf Veranlassung der SSK verlängerte Vertrag auf Bitten M´s einverständlich mit teilweiser Rückwirkung aufgehoben.

Nach Veröffentlichung von Presseberichten über Herrn M und dessen angeblich fehlender Beratungstätigkeit wurde der Kläger mit Beschluss der S-KBG vom 16.02.2009 als Geschäftsführer der Beklagten abberufen. Mit Schreiben vom 16.02.2009 erfolgte die streitgegenständliche Kündigung des Klägers durch die S-KBG.

Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung und macht geltend, es bestünden keine Kündigungsgründe.

Hinsichtlich der ihm übertragenen Auswahl des ihm seinerzeit unbekannten Beraters M habe er sich auf Empfehlungen verlassen. Ein Gesellschafterbeschluss sei nicht erforderlich gewesen, er habe allerdings angesichts seines gefertigten Zusatzes zum dem dem Ende 2000 Herrn Sch übermittelten Vermerk auf dessen Vorlage an die Gesellschafterversammlung vertraut. Herr Sch sei seinerzeit aber auch einzelvertretungsberechtigt gewesen. Der damalige Mitgesellschafter Herr B habe mitgezeichnet und die Vertragsverlängerung sei bereits beschlossen gewesen, als er diese später schriftlich lediglich bestätigt habe.

Er sei überdies mehrfach entlastet worden. Die Revision habe keinerlei Anlass zu Beanstandungen gesehen. Ein ihm zuzurechnender Schaden sei der S-KBG nicht entstanden.

Auch im Zusammenhang mit der Aufklärung sowie der Verlängerung eines Vertrages mit der K GmbH seien ihm keinerlei Pflichtverletzungen unterlaufen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Kündigung des Dienstvertrages vom 14. Mai 2003 durch das Schreiben der alleinigen Gesellschafterin, der S-KBG, vom 16.02.2009 unwirksam sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Der Kläger habe sowohl bei Abschluss als auch bei der Abwicklung des Beratervertrages Müller schwer wiegende Pflichtverletzungen begangen. Hierbei habe es sich um einen Scheinvertrag gehandelt, wie dem Kläger auch bewusst gewesen sei. Eine Beratungsleistung sei nicht erfolgt. Vorzuwerfen sei dem Kläger auch, nicht zeitnah eine Aufhebung herbei geführt zu haben, nachdem festgestanden habe, dass der VC Kapital Fonds nicht aufgelegt werde. Eine handschriftliche Notiz des Klägers habe Sch nicht paraphiert. Schließlich habe der Kläger im Rahmen der Aufklärung der Vorgänge Weisungen missachtet. Ihm seien schließlich im Zusammenhang mit einem Beratervertrag mit der K GmbH Pflichtverletzungen unterlaufen.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige Feststellungsklage sei unbegründet, weil die außerordentliche Kündigung wirksam sei. Der Kläger habe seine Kompetenzen in der Funktion als Geschäftsführer der S-KBG überschritten, indem er den Beratervertrag vom 07.12.2000 mit Herrn M ohne Einholung einer Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung abgeschlossen habe. Dies habe ihm nach der Geschäftsordnung jedoch oblegen, da sie für ihn nach dem Inhalt seines Anstellungsvertrages bindend gewesen sei. Der Beratervertrag habe sich als gewichtig und außergewöhnlich dargestellt. Dem Kläger habe es nach eigenem Vortrag oblegen, auf eine solche Beschlussfassung hinzuwirken, wie es auch ständige Praxis gewesen sei. Es habe daher für ihn keinen Anlass gegeben anzunehmen, dass hiervon abgewichen werden könne. Weiterhin habe damals keine Einzelvertretungsbefugnis des Herrn Sch vorgelegen, die auch der Gesetzeslage nicht entsprochen hätte.

Eine weitere Pflichtverletzung sei darin zu sehen, dass der Kläger später nicht auf die Kündigung hingewirkt habe, nachdem festgestanden habe, dass das VC-Projekt nicht verwirklicht werden würde. Trotz dieses Umstands habe der Kläger Zahlungen an Herrn M, der hierzu keine Beratungsleistungen habe erbringen können, veranlasst.

Es könne sodann dahin stehen, ob sein Verhalten am 02.02. und 03.03.2009 sowie im Zusammenhang mit der Verlängerung des Beratervertrages mit der K GmbH eine fristlose Kündigung rechtfertige, weil die beiden festgestellten Gründe bereits auch in der Gesamtschau von einem solchen Gewicht seien, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht mehr zumutbar gewesen sei. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen der S-KBG und der SSD sei es nachvollziehbar, dass die Beklagte angesichts der Pflichtwidrigkeiten auch trotz des jahrelangen unbeanstandeten Verhaltens kein Vertrauen mehr in die Loyalität des Klägers gehabt habe. Einer Abmahnung sowie einer Anhörung habe es nicht bedurft.

Auch die Kündigungsfrist sei gewahrt, weil es auf die Kenntnis der Organmitglieder der Gesellschafterversammlung und letztlich der Geschäftsführer der S-KBG-GmbH ankomme. Eine vorherige Kenntnis des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der SSD müsse sich die alleinige Gesellschafterin der Beklagten nicht zurechnen lassen. Soweit der Geschäftsführer der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten, Herr G, Verlängerungsschreiben und eine Rechnung gefertigt habe, habe er dies lediglich als Mitarbeiter erledigt. Daher seien auch diese Umstände irrelevant. Dies gelte ebenso für die von den Geschäftsführern der S-KBG mit Schreiben vom 12.02.2004 bestätigte Aufhebung des Beratungsvertrages; denn hieraus lasse sich keine Kenntnis seines Zustandekommens ableiten.

Der Kläger könne sich schließlich nicht auf die zu seinen Gunsten ergangenen Entlastungsbeschlüsse berufen, weil sich diese nicht auf die vorliegenden, seinerzeit jeweils nicht bekannten Kompetenzüberschreitungen bezögen.

Den Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers hat das Landgericht mit Beschluss vom 24.05.2011 (Bl. 428 GA) zurückgewiesen.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, er habe sich nicht bewusst über ein etwaiges Zustimmungserfordernis auf Seiten der Gesellschafterversammlung hinweg gesetzt, denn er habe davon ausgehen können, dass Herr Sch die Angelegenheit im später auch verfolgten Sinne mit dem Gesamtvorstand besprochen habe. Zudem habe die Geschäftsordnung keine konkrete Regelung vorgesehen. Die Kostenerstattung durch die SSK habe überdies keine Vermögensminderung auf Seiten der Beklagten bewirkt. Er habe insgesamt nicht von einer Kompetenzüberschreitung des damaligen Vorstandsvorsitzenden ausgehen müssen.

Er habe auch eine Kündigung des Beratervertrages nicht pflichtwidrig unterlassen. Dazu habe keine Veranlassung bestanden, weil trotz des Scheiterns des VC-Fonds Anfang des Jahres 2001 gleichwohl in Venture Capital in Zusammenarbeit der SSD und SSK investiert werden sollte, wodurch für die SSD die Chance eröffnet gewesen sei, Investmentmöglichkeiten zu eruieren, ohne eigene Beraterkosten tragen zu müssen. Auch habe der Mitgeschäftsführer B die Honorar-Überweisung im Januar 2002 mitgezeichnet.

Bereits erstinstanzlich habe er vorgetragen, dass es auch nicht zutreffe, dass keine Beratungsleistungen durch M erbracht worden seien. Die Vertragsverlängerung sei Anfang 2003 auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Sch erfolgt, der insoweit selbst gehandelt habe. Das nachfolgende Bestätigungsschreiben habe lediglich deklaratorische Bedeutung gehabt.

Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass keine Pflichtverletzung gegenüber der Beklagten vorliege. Das Landgericht habe die Kenntnisse und die Verantwortung des Herr Sch, dessen Kompetenzüberschreitungen ihm, dem Kläger, nicht bekannt gewesen seien, unberücksichtigt gelassen. Die vom Landgericht angenommene Loyalitätsverletzung habe nicht vorgelegen, weil er (der Kläger) nach langjähriger korrekter Diensterfüllung in gutem Glauben gehandelt habe. Weitere Kündigungsgründe seien schon nicht schlüssig vorgetragen.

Überdies sei die Kündigungsfrist nicht gewahrt, weil Herrn G, der Mitte 2003 zum Geschäftsführer der S-KBG bestimmt worden sei, die Existenz des Beratungsvertrages sowie der Inhalt und die weiteren Umstände hinsichtlich des VC-Fonds bekannt gewesen seien. Er hätte daher bereits zum damaligen Zeitpunkt ggfls. auch Kündigungen aussprechen können und müssen. Alle Umstände seien den beiden Geschäftsführern G und Mat aber jedenfalls bei der Aufhebung des Beratungsvertrages im April 2004 bekannt geworden.

Das Landgericht habe außerdem die zu seinen Gunsten ergangenen Entlastungsbeschlüsse nicht zutreffend gewürdigt. Die mehrfachen Entlastungen bezögen sich auch auf diese der Gesellschaft bekannt gewesenen Sachverhalte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 02.11.2010 Az. 35 O 28/09, zugestellt am 17.11.2000, abzuändern und festzustellen, dass die Kündigung seines Dienstvertrages vom 14.05.2003 durch das Schreiben der alleinigen Gesellschafterin, der S-KBG, vom 16.02.2009 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die landgerichtliche Entscheidung und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält daran fest, dem Kläger seien insgesamt drei grobe Pflichtverletzungen vorzuwerfen. Für den Abschluss des Beratervertrages sei ein entsprechender Gesellschafterbeschluss erforderlich gewesen, den zu veranlassen der Kläger verpflichtet gewesen sei. Dem Kläger sei auch der politische Hintergrund des Herrn M bekannt gewesen. Insgesamt habe der Kläger seine Kompetenzen bewusst überschritten. Die Erstattungszusage der SSK sei bei der Bewertung der groben Pflichtverletzungen unbeachtlich. Aus der - späteren - Mitunterzeichnung durch Herrn B vermöge der Klägers nichts für sich Günstiges abzuleiten. Zudem habe es der Kläger pflichtwidrig unterlassen, die Kündigung des Beratervertrages herbeizuführen. Stattdessen habe er an der Vertragsverlängerung mitgewirkt. Insgesamt falle die abschließende Interessenabwägung zu ihren Gunsten aus.

Der Senat hat den Parteien mit Beschluss vom 06. Juni 2011 Hinweise erteilt (Bl. 431 ff. GA) und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, die von der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens genutzt worden ist.

Wegen der weiter gehenden Einzelheiten wird auf die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen sowie den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und insgesamt zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Beklagten begründet.

Die Parteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass die Kündigung insoweit nicht angegriffen wird, als hiermit die (weitere) Verlängerung des Dienstvertrages gemäß § 14 Abs. 2 des unter dem 14. Mai 2003 abgeschlossenen Vertrages ausgeschlossen wird.

1) Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung ist verfristet, weil sie bezogen auf den Beratervertrag mit Herrn M nicht innerhalb der Frist gemäß § 626 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB erfolgt ist. Sie kann nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, wobei für den Fristbeginn derjenige Zeitpunkt entscheidend ist, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (§ 626 Abs. 2 S. 2 BGB).

a) Bei juristischen Personen ist grundsätzlich die Kenntnis des zur Kündigung berechtigten Organs entscheidend, bei der GmbH demnach deren Gesellschafterversammlung (alle Rechtsprechungszitate nach Juris: BGH Urteil vom 15.06.1998 - II ZR 318/96 = NJW 1998, 3274 unter Berufung auf die st. Rspr.), mithin die Gesellschafterversammlung der Beklagten. Insoweit kommt es jedoch auf die durch in den Medien erfolgte Aufdeckung der Vorgänge um den Beratervertrag M im Jahre 2009 für den Fristbeginn nicht an, weil eine Kenntniserlangung entgegen der Ansicht und den Behauptungen der Beklagten, die wesentlichen Umstände des Beratervertrages und seiner Handhabung seien erst infolge späterer Presseberichte zu Tage getreten, bei zutreffender wertender Betrachtung bereits Jahre zuvor erfolgte. Kenntnis im Sinne des § 626 Abs. 1 und 2 BGB lag nach den objektiven Gegebenheiten bereits zum Zeitpunkt der von den Geschäftsführern der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten unterzeichneten Zustimmung zur Aufhebung des Beratervertrages mit M vor. In ihrer damaligen Funktion als Geschäftsführer der S-KBG haben die Herren Mat und G bereits mit der Vorlage des Aufhebungsschreibens und der sodann mit Schreiben vom 12.02.2004 erteilten Zustimmung (Bl. 31 GA) Kenntnis über die hier letztlich als Kündigungsgrund heran gezogenen Umstände erlangt. Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachten Einwände vermögen den Senat nicht zu überzeugen.

b) Bereits das Landgericht hat im Ansatz zutreffend auf die Kenntnis der beiden Geschäftsführer der alleinigen Gesellschafterin der Beklagten als aus § 46 Nr. 5 GmbHG folgend (vgl. BGH Urteil vom 16.07.2007 - II ZR 109/06 = DStR 2007, 1640; Urteil vom 08.01.2007 - II ZR 267/05 = DStR 2007, 1090) abgestellt. Soweit es den Rückschluss auf die Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Umstände nicht hat ziehen wollen, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Die S-KBG als alleinige Gesellschafterin der Beklagten wurde durch ihre Geschäftsführer Mat und G gerichtlich und außergerichtlich vertreten, wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Das Wissen der Vertreter muss sich die S-KBG und damit die Beklagte gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, und zwar (in analoger Anwendung) auch, soweit es nicht im engeren Sinne um den Austausch vertraglicher Willenserklärungen geht (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 70. Auflage, § 166 RZ. 11 m.w.N.). Der für die Tatsachenkenntnis maßgebliche Sachverhalt lag mithin zurechenbar im Wissen der Geschäftsführer.

c) Es liegt deshalb neben der Sache, wenn die Beklagte nunmehr auf die Aufgaben eines Herrn H verweist, auf den die Kündigungskompetenz übertragen worden sei; denn eine solche interne Kompetenzverlagerung ändert an der gesetzlich verankerten Wissenszurechnung nichts. Selbst wenn man diese unterstellt, wäre aus ihr zwanglos die Pflicht der Geschäftsführer herzuleiten, Herrn H entsprechend zu unterrichten. Es ist dagegen nicht angängig, sich durch interne Kompetenzverlagerungen mit Außenwirkung der gesetzlichen Vertretungsfolgen zu entledigen. In der bereits vom Landgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt dieser ausdrücklich auf die organschaftlichen Vertreter ab und nicht auf eine interne Vollmachtserteilung (BGH Urteil vom 20.10.2008 - II ZR 107/07 = DStR 2008, 2430). Diese Rechtslage ist nicht mit derjenigen Fallgestaltung vergleichbar, in der ein Aufsichtsrat fakultativ gemäß § 52 GmbHG seinerseits organschaftlich installiert und diesem die Kündigungskompetenz nach §§ 52 Abs. 1 GmbHG, 111 AktG i.V.m. dem Gesellschaftsvertrag bindend (vgl. § 111 Abs. 5 AktG) übertragen ist, wie die Beklagte meint, weil einem solchen Aufsichtsrat schon als unentziehbare Minimalkompetenz die Kontrolle der Geschäftsführer übertragen ist (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck GmbH-Gesetz 19. Auflage 2010 § 52 GmbHG Rz 28).

d) Die Geschäftsführer Mat und G hatten auch so weitreichende Kenntnis, dass hieran für den Fristbeginn aus § 626 Abs. 2 BGB anzuknüpfen ist. Soweit die Beklagte demgegenüber die Pflicht zu etwa erforderlichen zeitnahen Erkundigungen über das Vorliegen eines Kündigungsgrundes in Frage stellen will, greift dies nicht durch. Sie verkennt schon den Zusammenhang der vom Senat erteilten Hinweise, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen ausdrücklich Bezug genommen wird. Danach spricht alles dafür, dass schon zu dem Zeitpunkt, als das Schreiben vom 12.02.2004 verfasst wurde, positive Kenntnis von den später als kündigungsrelevant erachteten Tatsachen herrschte. Die hierzu vom Senat getroffenen Feststellungen tragen schon für sich den Rückschluss darauf, dass die Urheber des Schreibens konkrete Kenntnisse von den zugrunde liegenden Vorgängen hatten. In diesem Schreiben heißt es: "Sehr geehrter Herr M, Ihren Brief vom 29. Januar 2004 betreffend den Beratervertrag haben wir erhalten. Wir folgen gern Ihrem Vorschlag und stimmen hiermit einer Aufhebung des Vertrags mit Wirkung vom 31.Dezember 2003 zu. Wir bedanken uns für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und verbleiben mit freundlichen Grüßen...".

Dieses Schreiben dokumentiert aus sich heraus eine Bestätigung und Billigung des Beratervertrages, die verdeutlichen, dass die Unterzeichner bereits die wesentlichen Hintergründe kannten und sogar billigten. Andernfalls bliebe auch angesichts der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Erklärungsversuche schlechthin unverständlich, wie sich die Geschäftsführer dazu veranlasst gesehen haben könnten, eine nur teilweise rückwirkende Aufhebung eines gänzlich unbekannten Beratervertrages zu bestätigen und M sogar eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu attestieren. Mit diesen Vorgaben sind die weiteren Ausführungen in dem Hinweisbeschluss nur dahin zu verstehen, dass selbst bei unterstelltem Fortbestehen gewisser (Rest-) Unklarheiten über den Charakter des bereits auf den ersten Blick höchst auffälligen und ungewöhnlichen Beratervertrages und zumal eines solchen, bei dem es nach der Darstellung der Beklagten nie eine Beratungstätigkeit gegeben haben soll, jedenfalls Veranlassung bestanden hätte, den sich akut aufdrängenden Seriositätsbedenken nachzugehen. Allerdings liegt für diesen Fall auf der Hand, dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit den erst Jahre später aufgrund öffentlicher Enthüllungen erfolgten Ermittlungen nicht eingehalten werden konnte. Denn noch etwa notwendige Ermittlungen sind mit gebotener Eile durchzuführen (BAG Urteil vom 31.03.1993 - 2 AZR 492/92 = NJW 1994, 1891; Urteil vom 10.06.1988 - 2 AZR 25/88 = NJW 1989, 733).

e) Die demgegenüber zuletzt von der Beklagten verfolgte Differenzierung zwischen der kündigungsrelevanten Bedeutung des Abschlusses des Beratervertrages einerseits und der geradezu nachrangigen Aufhebung desselben Vertrages andererseits birgt einen offenen, nicht nachzuvollziehenden Wertungswiderspruch, der sich durch die nur teilweise rückwirkende Aufhebung noch verstärkt. Wenn es so gewesen sein sollte, dass die Geschäftsführer sich noch grundlegend im Unklaren waren, welche Bewandtnis es mit dem Beratervertrag überhaupt hatte, müssten Diktion und Inhalt des Schreibens vom 12.02.2004 als schlechthin unverständlich gelten.

f) Auch ist die Einschätzung der Beklagten, selbst bei entsprechenden Nachforschungen der Geschäftsführer Mat und G im Jahre 2004 hätte sich das dem Kläger vorzuwerfende Handeln ihnen nicht offenbart, nicht nachvollziehbar. Entgegen ihrer Ansicht bezieht sich die Kenntnis gerade auf den Kern der Jahre später vorgeworfenen Pflichtwidrigkeit. Wie bereits ausgeführt, dokumentiert das Schreiben aus sich heraus weitreichende Kenntnisse, die sogar in eine wohlwollende Beurteilung des Vorgangs mündeten. Außerdem ist nicht einsichtig, warum allein die Staatsanwaltschaft zur Klärung in der Lage gewesen sein sollte, denn im Besitz der relevanten Unterlagen war die Alleingesellschaftern der Beklagten bzw. deren Muttergesellschaft, die SSD, aus denen sich zudem für die Innenrevision interessante, gleichsam alarmierende Umstände ergeben haben, wie insbesondere der keineswegs unbedeutende Zahlungsverkehr. Auch insoweit ist nicht nachzuvollziehen, dass es ohne Entfaltung einer Beratungstätigkeit erst so spät und sodann erst auf Presseberichte zur Aufdeckung des wahren Sachverhalts gekommen sein könnte.

2) Soweit die Beklagte die Missachtung von Weisungen durch den Kläger im Rahmen der Aufklärungstätigkeit im Jahre 2009 für kündigungsrelevant hält, trägt dies die fristlose außerordentliche Kündigung ebenfalls nicht.

a) Soweit die kündigungsrelevanten Umstände bereits im Jahre 2004 bekannt waren oder zu dieser Zeit jedenfalls die gebotenen Erkundigungen verabsäumt wurden, ist es schon im Ansatz verfehlt, etwaige Versäumnisse des Klägers bei eben dieser Aufdeckung der Vorgänge im Jahre 2009 für ein gleichsam wieder auflebendes Kündigungsrecht ins Feld zu führen. An der Verfristung der Kündigung vermögen diese nachträglichen Vorkommnisse nichts zu ändern.

b) Dass dem Kläger darüber hinaus Verfehlungen anzulasten wären, die für sich die ausgesprochene Kündigung zu tragen vermochten, ist nicht feststellbar. Der Kläger, der sogar eine unmittelbar bevor stehenden USA-Reise kurzfristig absagte, zeigte durchaus Präsens. Dass er überhaupt imstande war, die Unterlagen der SSD, deren Geschäftsführer er seit geraumer Zeit nicht mehr war, über einen gut acht Jahre zurück liegenden Vorfall gleichsam auf Zuruf zu beschaffen, kann auch nicht festgestellt werden. Auch insoweit leidet die Rechtsverteidigung der Beklagten an Widersprüchen und Wertungsbrüchen. Einerseits reklamiert sie die unbedingte, ad hoc bestehende Leistungsfähigkeit des Klägers zur Beibringung gewünschter Untenlagen, andererseits macht sie für sich selbst bzw. ihre Alleingesellschafterin die Unmöglichkeit einer Aufklärung der Vorgänge anhand der Aufhebung des Beratervertrages im Jahre 2004 geltend. Dies ist vor dem Hintergrund der bereits behandelten Geschehnisse aus dem Jahre 2004 und allfälliger Plausibilitätsbedenken unerheblich. Vielmehr ist es ersichtlich so gewesen, dass die Geschäftsführer Mat und G die zugrunde liegenden Vorgänge durchaus in einem Maße überblickten, wie sie dies in dem bereits gewürdigten Schreiben vom 12.02.2004 anschaulich zum Ausdruck brachten.

c) Schließlich ist der auf die Weitergabe von "Informationsbitten" bezogene Vortrag der Beklagten ("am Morgen", noch am Vormittag" etc., "aus der Vorstandssitzung") ungenau und zeigt durchgängig einen fairen angemessenen Handlungsrahmen für den Kläger nicht auf. Darüber hinaus bewertet der Senat den dargestellten Umgang gegenüber dem Kläger als leitenden Angestellten wegen eines krassen Maßregelungscharakters als deutlich unangemessen.

d) Soweit die Beklagte auf das auffällige Auffinden von Unterlagen bei Erscheinen von Mitarbeitern der Revision und auf eine "Verhöhnung" einer eine Weisung erteilenden Person abstellt, handelt es sich um Wertungen, der der Senat sich nicht anzuschließen vermag. Der Kläger war formal für das Auffinden von Unterlagen einer Gesellschaft, deren Geschäftsführer er nicht (mehr) war, grundsätzlich nicht zuständig; hieran ändern auch entsprechende Weisungen, die betreffende Unterlagen heraus zu suchen, nichts. Die von der Beklagten angeführten Umstände tragen jedenfalls eine Kündigung nach § 626 BGB nicht. In diesem Zusammenhang vermag sie sich nicht erfolgreich auf eine Entscheidung des 8. Zivilsenats des OLG Düsseldorf (Urteil vom 15.11.1984 - 8 U 22/84 = ZIP 1984, 1476, 1480) zu berufen, weil die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, zumal der 8. Senat in seiner Gesamtschau auf eine hier nicht erteilte Abmahnung verwiesen hat.

3) Letztlich vermag der Senat auch beim Komplex G Forum keinen Kündigungsgrund auszumachen.

Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die vorgelegten Unterlagen B 50 und 51. Das Beklagtenvorbringen entbehrt in der Kernfrage des tatsächlichen Kündigungsgrundes eines lebensnahen Sachverhalts. Den handschriftlichen Vermerk auf dem Beschlussformular B 51 versteht der Senat - wie bereits in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen aufgezeigt worden ist - wie folgt: "Abstimmung im Vorstand erfolgt wg Veräußerung siehe AV von Herrn E vom 31.03. 2008”. Damit ist entgegen der Ansicht der Beklagten keineswegs auf den gesamten Vermerk Bezug genommen worden, sondern lediglich auf die dort im dritten Absatz erwähnte Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Zudem war der Gesellschafterversammlung der Vermerk des Herrn E offenbar bekannt, denn sonst würde die teilweise Bezugnahme in der genannten Weise nicht verständlich. Wenn hier Abstimmungsprobleme vorgelegen hätten, dann ist nicht erklärt und auch nicht erklärbar, warum gleichwohl in dem von dem Kläger vorbereiteten Sinne eine Beschlussfassung erfolgte. Ursache für etwaige Abstimmungsprobleme wären aber sodann allenfalls nach einem Personalwechsel auf der Vorstandsebene herrschende unzureichende Kenntnisse gewesen. Selbst die Gesellschafterversammlung ging von einer bereits mündlich erfolgten Verlängerung des Vertrages mit der K GmbH aus und sah ausweislich des genannten Protokolls insoweit keinen Anlass für eine Abstimmung verschiedener Fachbereiche sowie insgesamt keine Versäumnisse des Klägers, die andernfalls naheliegend vermerkt worden sein müssten. Dann wäre auch eine gleichwohl erfolgte Beschlussfassung gerade in Ansehung des gesamten Vermerks unverständlich. Soweit die Beklagte wiederholt pauschal auf den Aktenvermerk verweist, ignoriert sie den Zusatz auf dem entsprechenden Protokoll der Gesellschafterversammlung, wonach eben gerade nicht auf ein (weiteres) Abstimmungserfordernis verwiesen, sondern diese Angelegenheit in Kenntnis des Aktenvermerks abschließend entschieden und lediglich auf die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen Bezug genommen wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Es besteht kein Anlass zur Zulassung der Revision (§ 543 ZPO).






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 24.11.2011
Az: I-14 U 27/11


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