Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Juli 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 703/03

(BPatG: Beschluss v. 09.07.2003, Az.: 7 W (pat) 703/03)

Tenor

Das Patent 197 29 676 wird beschränkt aufrechterhalten mit den am 9. Juli 2003 überreichten Patentansprüchen 1 bis 6, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I Gegen die am 13. September 2001 veröffentlichte Erteilung des Patents 197 29 676 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Betrieb eines Verbrennungsmotors zum Schutz einer Abgasbehandlungseinrichtung" ist am 12. Dezember 2001 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei.

In der Einspruchsbegründung ist Bezug genommen auf folgende Druckschriften zum Stand der Technik, von denen die vier zuletzt genannten bereits im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt berücksichtigt worden sind:

1. DE 195 17 434 A1 2. DE 43 44 137 A1 3. DE 195 02 011 C2 4. DE 195 10 642 A1 5. DE 44 33 631 A1 6. DE 44 12 191 A1 7. DE 44 10 489 C1.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin reicht in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 6 ein. Sie beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten mit den am 9. Juli 2003 überreichten Patentansprüchen 1 bis 6, Beschreibung und Zeichnungen nach Patentschrift.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Betrieb eines Verbrennungsmotors mit einer Abgasbehandlungsanordnung, einer elektronischen Motorsteuerung mit einer Einrichtung zur Festlegung des dem Verbrennungsmotor zuzuführenden Luft/Kraftstoff-Verhältnisses Lambda abhängig von verschiedenen Motorbetriebsparametern, wobei der Einstellbereich für Lambda Werte größer, gleich und kleiner 1,0 umfaßt, einer Einrichtung zur Einstellung des von der Motorsteuerung vorgegebenen Luft/Kraftstoff-Verhältnisses sowie einer Einrichtung zur näherungsweisen Bestimmung der Temperatur der Abgasbehandlungseinrichtung, dadurch gekennzeichnet, daß bei Überschreiten einer vorgegebenen Grenztemperatur, die 50 bis 150¡C unterhalb der Beschädigungsgrenztemperatur des temperaturempfindlichsten Bauteils der Abgasbehandlungseinrichtung liegt, ausschließlich ein Luft/Kraftstoff-Gemisch mit Lambda näherungsweise gleich oder kleiner 1,0 eingestellt wird, daß ein Magerbetriebsmodus vorgesehen ist, in dem der Motor bei Vorliegen eines vorgegebenen Magerbetriebszustandes mit einem mageren Luft-/Kraftstoffgemisch betrieben werden kann, wobei oberhalb der vorgegebenen Grenztemperatur im Magerbetriebszustand der Magerbetrieb unterdrückt und der Verbrennungsmotor stattdessen näherungsweise stöchiometrisch oder fett betrieben wird, daß eine Schubabschaltung vorgesehen ist, durch die der Motor bei Vorliegen eines Schiebebetriebszustandes ohne Kraftstoffeinspritzung betrieben werden kann, wobei oberhalb einer vorgegebenen Grenztemperatur im Schiebebetriebszustand die Abschaltung der Kraftstoffeinspritzung unterdrückt und der Verbrennungsmotor stattdessen näherungsweise stöchiometrisch oder fett betrieben wird, unddaß die vorgegebene Grenztemperatur für den Fall der Unterdrückung der Abschaltung der Kraftstoffeinspritzung im Schiebebetrieb unterschiedlich ist von der Grenztemperatur für den Fall der Unterdrückung des Magerbetriebs."

Die Ansprüche 2 bis 6 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen das Verfahren nach Anspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.

Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2003 hat die Patentinhaberin beantragt, das Einspruchsverfahren an das Patentgericht zu verweisen.

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 2 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt in der geltenden Fassung eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Ihre Merkmale sind ursprünglich offenbart und erweitern auch nicht den Schutzbereich des erteilten Patents. Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 sind aus den erteilten Ansprüchen 1, 6 und 7 sowie der Beschreibung (Patentschrift Sp 2 Z 19 bis 22) hervorgegangen. Die Merkmale der geltenden Ansprüche 2 bis 6 entsprechen denen der erteilten Ansprüche 2 bis 4, 8 und 9.

Das zweifellos gewerblich anwendbare Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist neu. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften offenbart ein Verfahren zum Betrieb eines Verbrennungsmotors mit einer Abgasbehandlungsanordnung mit sämtlichen Merkmalen des geltenden Anspruchs 1, insbesondere ist in keiner Druckschrift ein Magerbetrieb beschrieben, der oberhalb einer Grenztemperatur im Bereich von 50 bis 150¡K unterhalb der Beschädigungsgrenztemperatur des empfindlichsten Bauteils der Abgasbehandlungseinrichtung durch einen Motorenbetrieb mit stöchiometrischem oder fettem Luft/Kraftstoff-Gemisch ersetzt wird.

Das Verfahren gemäß geltendem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als hier zuständiger Fachmann wird ein Fachhochschulingenieur des Maschinenbaus mit Schwerpunktausbildung Fahrzeugtechnik und mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Abgasanlagenentwicklung für Brennkraftmaschinen angesehen.

Der Lehre des Anspruchs 1 liegt die Erkenntnis zugrunde, daß Abgasbehandlungsanlagen auch schon unterhalb der Beschädigungsgrenztemperatur des Katalysators in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn bestimmte Motorbetriebsbedingungen vorliegen (Patentschrift Sp 1 Z 63 bis 67). Als solche Betriebsbedingungen sind der Magerbetrieb und der Schiebebetrieb in der Patentschrift beschrieben. Die Beschädigung oder die vorschnelle Alterung der zB aus Drei-Wege-Katalysator und Stickoxid-Speicher bzw. Stickoxid-Falle bestehenden Abgasbehandlungsanlage treten danach bei Übergang aus dem Vollastbetrieb in den Magerbetrieb bzw. in den Schiebebetrieb (dh Abschaltung der Brennstoffzufuhr) und deutlich unterhalb der Beschädigungsgrenztemperatur des empfindlichsten Bauteils der Abgasbehandlungsanlage auf (Sp 4 Z 18 bis 27). Ursache für die Beschädigung des Katalysators bzw. der Stickoxidfalle bei magerem Motorbetrieb sei der im Abgas vorhandene Sauerstoff, der zur unerwünschten Oxidation der aktiven Substanzen in der Stickoxidfalle führe (Sp 2 Z 63 bis Sp 3 Z 2). Ursache für die Zerstörung aktiver Substanzen im Katalysator bei Schiebebetrieb seien lokale Überhitzungen im Katalysator infolge der Nachverbrennung geringer, trotz Unterbrechung der Kraftstoffzufuhr während einiger Arbeitstakte austretender, im Zylinder unverbrannt gebliebener Kraftstoffmengen (Sp 2 Z 31 bis 51).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Patentgegenstand die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Betrieb eines Verbrennungsmotors mit einer Magerbetrieb und Schiebebetrieb zulassenden elektronischen Motorsteuerung anzugeben, mit dem auf kostengünstige Weise und ohne nennenswerten Einfluß auf die Kraftstoffökonomie eine Beschädigung bzw. vorschnelle Alterung der Abgasbehandlungsanordnung unterhalb der Beschädigungsgrenztemperatur vermieden werden kann (PS Sp 1 Z 68 bis Sp 2 Z 6).

Zur Lösung dieser Aufgabe ist gemäß Anspruch 1 im Kern vorgeschlagen, den Magerbetrieb und den Schiebebetrieb des Verbrennungsmotors zu unterbrechen und durch einen stöchiometrischen oder fetten Motorbetrieb zu ersetzen, solange eine Grenztemperatur überschritten ist, wobei diese für Magerbetrieb und Schiebebetrieb unterschiedlich vorgegeben ist, jedoch zwischen 50 und 150¡K unter der Beschädigungsgrenztemperatur des temperaturempfindlichsten Teils des Katalysators liegt.

In der Streitpatentschrift ist bereits als bekannt ausgeführt, bei Annäherung der Katalysatortemperatur an die Beschädigungsgrenze zum Zwecke der Senkung der Abgastemperatur eine Gemischanreicherung vorzusehen (Sp 1 Z 60 bis 63). Soweit Beschädigungen bereits bei niedrigeren Temperaturen auftreten, liegt es für den einschlägigen Fachmann auf der Hand, die bekannte Gemischanreicherung bei entsprechend niedrigeren Katalysatorgrenztemperaturen anzuwenden, so daß die Vorgabe eines mehr oder weniger großen Temperaturabstandes (50 bis 150 K) von der ggf. vom Hersteller angegebenen (vermeintlichen) Beschädigungsgrenztemperatur für sich keine erfinderische Tätigkeit erfordert.

Der Senat ist aber zur Überzeugung gelangt, daß die Lehre, den Magerbetrieb und den Schiebebetrieb jeweils abhängig von unterschiedlichen Grenztemperaturen zu unterbrechen und durch einen stöchiometrischen oder fetten Motorbetrieb zu ersetzen, dem Fachmann nicht durch den aufgezeigten Stand der Technik nahegelegt wurde.

In der deutschen Offenlegungsschrift 195 17 434 ist bereits die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Problematik beschrieben, daß bei Übergang von Vollast- auf Schiebebetrieb der Brennkraftmaschine eine verstärkte Alterung des Katalysatormaterials zu beobachten sei. Sie wird dort zurückgeführt auf die hohe Temperatur des Katalysators bei gleichzeitig hohem Sauerstoffüberschuß nach Abschaltung der Kraftstoffzufuhr (Sp 3 Z 2 bis 13). Um diese Alterung zu verhindern, ist vorgeschlagen, im Schiebebetrieb die Abschaltung der Kraftstoffzufuhr nur unterhalb einer bestimmten Schwell- bzw. Grenztemperatur zu erlauben (Sp 3 Z 13 bis 17). Das bedeutet, daß der Schiebebetrieb oberhalb dieser Grenztemperatur unterbrochen und - mangels näherer Angaben - zumindest ein Normalbetrieb, dh ein stöchiometrischer Motorbetrieb gefahren wird. Die insoweit auch im geltenden Anspruch 1 gemäß Streitpatent beanspruchte Maßnahme ist - wie beim patentgemäßen Verfahren auch - auf wenige Fälle, hier insbesondere den Übergang von Vollast auf Schiebebetrieb begrenzt, so daß die Minderung der durch Schiebebetrieb erreichbaren Kraftstoffeinsparung gering bleibt. Ein Magerbetrieb ist in dieser Entgegenhaltung jedoch nicht angesprochen. Der Fachmann erhält somit aus dieser Druckschrift keine Hinweise, wie er bei Magerbetrieb vorzugehen hat. Er kann daher auch keine Anregung dafür erhalten, die die jeweilige Betriebsunterbrechung bei Schiebe- und Magerbetrieb auslösenden Grenztemperaturen unterschiedlich zu wählen.

Bei dem Verfahren zum Schutz vor Beschädigung eines Katalysators durch Übertemperatur nach der deutschen Offenlegungsschrift 43 44 137 wird aus einer maximal zulässigen Katalysatortemperatur, die abhängig von Betriebs- und Umgebungsbedingungen festgelegt wird, soweit sie Einfluß auf die Kühlmöglichkeiten des Katalysators haben, und der Ist-Temperatur des Katalysators eine Differenz ermittelt, diese mit verschiedenen Schwellwerten verglichen und abhängig vom Ergebnis des Vergleichs eine von ggf. mehreren Maßnahmen zur Kühlung des Katalysators aktiviert oder deaktiviert (Sp 7 Z 7 bis 16). Eine Maßnahme beinhaltet die Kühlung des Katalysators durch Anfettung des Luft/Kraftstoffgemisches, wobei diese Maßnahme auch in mehreren Stufen unter Verwendung mehrerer Schwellwerte durchgeführt werden kann (Sp 6 Z 59 bis 65). Da die Druckschrift keine besonderen Motorbetriebsverfahren wie den Mager- oder den Schiebebetrieb anspricht, wird der Fachmann von einem Normalbetrieb mit annähernd stöchiometrischem Luft/Kraftstoffverhältnis ausgehen, der bei Unterschreitung des Schwellwertes durch eine Anfettung des Gemisches unterbrochen wird, bis die gewünschte Kühlwirkung eingetreten ist. Es ergeben sich somit aus dieser Druckschrift keine Hinweise auf die Unterbrechung eines Mager- und Schiebebetriebs abhängig von unterschiedlich hohen Grenztemperaturen bzw. maximal zulässigen Katalysatortemperaturen.

Auch gemäß der deutschen Patentschrift 195 02 011 (D3) wird zur Senkung der Temperatur der Abgase bzw. des Katalysators ein im Vergleich zu einem stöchiometrischen Verhältnis angereichertes Luft/Kraftstoff-Verhältnis erzeugt, wenn die Katalysator-Innentemperatur eine vorgegebene Maximaltemperatur überschreitet (S 2 Z 27 bis 29 iVm S 3 Z 27 bis 34), wobei auch hier keine Unterbrechung eines Mager- oder Schiebebetriebs in Betracht gezogen ist. Insoweit geht diese Entgegenhaltung nicht über das hinaus, was schon aus der vorstehend gewürdigten Druckschrift bekannt ist.

Die übrigen, im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt genannten Druckschriften (D4 bis D7) haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt. Sie befassen sich im wesentlichen mit der Optimierung des Katalysatorbetriebs im Hinblick auf einen geringen Schadstoffausstoß, nicht jedoch mit der dem angefochtenen Patent zugrundeliegenden Problematik der Beschädigung des Katalysators bei Übergang von Vollast in den Mager- oder Schiebebetrieb und Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahr. Sie liegen daher weiter ab vom Patentgegenstand als die oben genannten Entgegenhaltungen.

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 sind auf weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gerichtet und werden von dessen Patentfähigkeit mitgetragen.

Dr. Schnegg Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Cl






BPatG:
Beschluss v. 09.07.2003
Az: 7 W (pat) 703/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/76747faa34d6/BPatG_Beschluss_vom_9-Juli-2003_Az_7-W-pat-703-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share