Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. März 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 55/01

(BPatG: Beschluss v. 13.03.2003, Az.: 11 W (pat) 55/01)

Tenor

1. Auf die Erinnerung wird der Beschluss des Bundespatentgerichts vom 20. Dezember 2001 aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts, Prüfungsstelle für Klasse A 41 D vom 20. April 1998 und vom 24. August 2001 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung mit der Bezeichnung Vorrichtung zur reversiblen Anbringung von Gegenständen im Kragenbereich eines Oberbekleidungsstückesist nach vorangegangenen Prüfungsbescheiden mangels Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit zunächst mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 41 D vom 20. April 1998 zurückgewiesen worden. Zur Begründung bezieht sich diese Entscheidung auf einen Prüfungsbescheid vom 31. Oktober 1997. Dessen Zugang ist in den Akten nicht belegt, insbesondere ist eine förmliche Zustellung nicht vorgenommen worden. Da sich herausstellte, dass die Zustellung des (ersten) Beschlusses unwirksam war, hat die Prüfungsstelle des Patentamts die Anmeldung mit Beschluss vom 24. August 2001 noch einmal mit identischer Begründung zurückgewiesen. Dieser (zweite) Beschluss wurde der Anmelderin am 6. September 2001 zugestellt.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer am 12. September 2001 eingegangenen Beschwerde, in der sie ua Ausführungen macht, weshalb sie der Auffassung ist, dass eine Beschwerdegebühr nicht anfalle. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2001 wurde sie darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegebühr in jedem Falle zu zahlen sei, worauf sie beantragt hat, den geforderten Betrag bis Ende Dezember 2001 begleichen zu können. Mit Beschluss vom 20. Dezember 2001 hat die Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts festgestellt, dass die Beschwerde mangels Zahlung der Beschwerdegebühr als nicht erhoben gilt. Nach Zustellung am 5. Januar 2002 hat die Anmelderin am 8. Januar 2002 Erinnerung eingelegt, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat. Am 20. September 2002 wurde die Beschwerdegebühr dann eingezahlt.

II.

a) Die gemäß § 23 Abs. 2 RpflG zulässige Erinnerung ist begründet. Die Feststellung, dass die Beschwerde als nicht erhoben gilt, durfte nicht erfolgen, da der Anmelderin Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu gewähren ist. Die versäumte Handlung ist innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden. Von daher ist Wiedereinsetzung auch ohne Antrag zu gewähren (§ 123 Abs. 2 Satz 3 PatG).

Die Wiedereinsetzung ist zulässig. Die Beschwerdegebühr wurde am 20. September 2002 und damit innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses bezahlt. Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses ist der Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 5. September 2002, in dem der Senatsvorsitzende der Anmelderin die Rechtslage vollständig erläutert hat. Dies war auch noch innerhalb der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG. Diese begann mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 6. September 2001 und endete demgemäß ein Jahr nach Ablauf der Beschwerdefrist, damit am 6. Oktober 2002.

Die Wiedereinsetzung ist auch in der Sache gerechtfertigt, da die Anmelderin ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten. Sie befand sich in einem entschuldbaren Rechtsirrtum. Mit Einlegung der Beschwerde tat sie ihre Auffassung kund, dass wegen des vorangegangenen Zustellfehlers eine Beschwerdegebühr nicht bezahlt werden müsse. Obwohl noch drei Wochen Zeit waren und die Akten bereits am 14. September 2001 dem Prüfer vorgelegt wurden, erging keine klärende Mitteilung an die Anmelderin. Diese erging erst nach Ablauf der Beschwerdefrist mit dem gerichtlichen Schreiben vom 4. Dezember 2001. Am 15. Dezember 2001 stellte die Anmelderin den Antrag, den geforderten Betrag bis Ende Dezember begleichen zu können.

Dieser Stundungsantrag wurde nicht beschieden, obwohl der ersichtlich rechtlich unbeholfenen Anmelderin zumindest ein Hinweis auf die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe hätte erteilt werden können. Somit ist von einem Wegfall des Hindernisses erst durch Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 5. September 2002 auszugehen, worauf noch die Zahlung der Beschwerdegebühr innerhalb der Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG erfolgt ist.

b) Der (erste) Beschluss vom 20. April 1998 ist in einem mit schweren Fehlern behafteten Verfahren ergangen, weshalb er aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Prüfung und Beschlussfassung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen ist. Nach § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG kann das Patentgericht die Entscheidung der Prüfungsstelle aufheben ohne in der Sache zu entscheiden, wenn das Verfahren vor dem Patentamt an einem wesentlichen Mangel leidet.

Dies ist hier der Fall. Der Beschluss der Prüfungsstelle nimmt auf Gründe Bezug, zu denen sich die Anmelderin nicht in der prozessual vorgesehenen Weise äußern konnte.

Nach §§ 48 Satz 2, 42 Abs. 3 Satz 2 PatG ist dem Patentsucher vor der Entscheidung Gelegenheit zu geben, sich zu den Umständen zu äußern, auf die die Zurückweisung der Patentanmeldung gestützt werden soll. Diese Umstände finden sich im Prüfungsbescheid vom 31. Oktober 1997. Dessen Zugang an die Anmelderin ist jedoch nicht ersichtlich, insbesondere ist nicht nach der Hausverfügung des Leiters der Hauptabteilung Patentwesen vom 30. November 1992 - 1414 E - H1 vorgegangen worden, die eine (nochmalige) Zustellung dann vorschreibt, wenn auf einen formlos hinausgegebenen Prüfungsbescheid keine Reaktion erfolgt und die Einhaltung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts des Anmelders auf die Gewährung rechtlichen Gehörs Art. 103 Abs. 1 GG sicherstellen soll.

Bezieht sich der Beschluss der Prüfungsstelle zu seiner Begründung auf einen Prüfungsbescheid, dessen Zugang nicht nachgewiesen werden kann, so fehlt es auch an der in § 47 Abs. 1 Satz 1 PatG vorgeschriebenen Begründung der Entscheidung, da für den Patentsucher nicht erkennbar ist, auf welche Tatsachen das Patentamt seine Entscheidung stützt.

c) Der (zweite) Zurückweisungsbeschluss vom 24. August 2001 ist auch deshalb aufzuheben, da er rechtswidrig ist.

Über die Anmeldung wurde bereits durch Zurückweisungsbeschluss vom 20. April 1998 entschieden, dessen Zustellung sich in der Folgezeit als fehlerhaft herausstellte. Für eine weitere (identische) Entscheidung fehlte nach Abschluss des Verfahrens jegliche Grundlage. Vielmehr hätte der existente (erste) Beschluss erneut zur Zustellung hinausgegeben werden müssen.

d) Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen. § 80 Abs. 3 PatG bestimmt, dass das Patentgericht anordnen kann, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird. Voraussetzung ist, dass dies der Billigkeit entspricht. Dies erfolgt in den Fällen, die vom Regelfall der Pflicht zur Zahlung einer erfolgsunabhängigen Beschwerdegebühr abweichen und ist für den Fall anerkannt, dass das Verfahren vor dem Patentamt an einem schweren Fehler leidet. Davon ist hier auszugehen, da sowohl die Verweigerung des rechtlichen Gehörs als auch einer identischer Zurückweisung - ohne vorherige Aufhebung des ersten Beschlusses beispielsweise im Abhilfeverfahren nach § 73 Abs. 3 Satz 1 PatG schwere Verfahrensfehler darstellen.

Dellinger Sekretaruk Harrer Schmitz Na/Fa






BPatG:
Beschluss v. 13.03.2003
Az: 11 W (pat) 55/01


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