Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 4. Oktober 2002
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 44/01

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 04.10.2002, Az.: VI-U (Kart) 44/01)

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 22. März 2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200.000 &.8364; abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die zu erbringenden Sicherheiten können auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts geleistet werden.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Die Beschwer der Beklagten und der Streitwert für das Berufungsverfahren werden auf 1.073.712,95 &.8364; festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 30. September 1989 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 7. Oktober 1988 angemeldeten und unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland und Österreich eingetragenen europäischen Patents 366 946 (Anlage W 3). Das Klagepatent betrifft ein Verfahren, mit dem Verfahrenschemikalien aus labilen biologischen Gemischen durch hydrophobe Austauschchromatographie entfernt werden. Es zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es sich zum Entfernen von virusinaktivierenden Chemikalien in dem Sinne eignet, dass das biologische Material seine Aktivität nicht einbüßt und allenfalls in geringen Mengen absorbiert wird. Der Patentanspruch 1 (Hauptanspruch) hat nach seiner deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut:

"Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltendem biologischen Material, wobei das diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen wird, das biologische Material Aktivität aufweist, die biologische Aktivität im wesentlichen erhalten bleibt und wenig oder kein biologisches Material während des Durchlaufs durch die Säule absorbiert wird."

Gegen das Klagepatent hat die Beklagte zu 1. Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht erhoben, die - soweit hier von Interesse - erfolglos geblieben ist. Durch Urteil vom 14. Februar 2002 hat das Bundespatentgericht den streitgegenständlichen Patentanspruch mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass nach den Worten "enthaltendem biologischen Material" die Formulierung "zur Herstellung einer Protein enthaltenden Zusammensetzung nach einer Lösungsmittel/Detergens-Behandlung" einzufügen ist. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass dieser Ergänzung vorliegend keine Bedeutung zukommt, weil das angegriffene Erzeugnis "O." eine Protein enthaltende Zusammensetzung nach Behandlung durch ein Lösungsmittel/Detergens ist.

Die in Österreich ansässige Beklagte zu 2. stellt unter der Bezeichnung "O." ein in der Humanmedizin verwendetes Blutplasmapräparat her. Bei der Herstellung wird Tri (nbutyl)phophat (TNBP) und Triton X-100 verwendet und anschließend aus der mit dem Lösungsmittel/Detergenzgemisch behandelten biologischen Flüssigkeit entfernt. Die Entfernung wird mittels einer hydrophoben Austauschchromatographie unter Verwendung einer an einen Silika-Matrix-Träger gekuppelten Octadecyl- (C 18) Kette (C - 18 Harz) vorgenommen. Das biologische Material wird während des Durchlaufs durch die Austauschchromatographie-Säule nicht absorbiert und die biologische Aktivität des Blutplasmapräparats wird durch die Verfahren nicht wesentlich beeinträchtigt. Im Anschluß an die Austauschchromatographie wird die gewonnene Plasmaphase weiter filtriert, es wird Glycin hinzugefügt und eine Sterilfiltration schließt sich an. Schließlich wird das Blutplasma in Plasmabeutel portioniert und in flüssigem Stickstoff schockgefroren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das von den Beklagten zur Akte gereichte Herstellungsprotokoll (Anlage CCP 1) sowie auf die von der Klägerin zur Akte gereichte Produktmonographie (Anlage W 18) und die Produktbeschreibung (Anlage W 50) Bezug genommen.

Die Beklagte zu 3. ist die deutsche Niederlassung der Beklagten zu 1. Sie bezieht von der Beklagten zu 2. das angegriffene Blutplasmapräparat "O." und vertreibt es in der Bundesrepublik Deutschland. Die Beklagte zu 3. ist für die organisatorische Seite des Vertriebes und das Produktmarketing zuständig. Der Beklagte zu 4. ist der gesetzliche Vertreter der Beklagte zu 1.

Mit Vertrag vom 4. Mai 1987 (Anlage W 9) vereinbarten die Klägerin und die zu dieser Zeit noch unter "L. S.A." firmierende Beklagte zu 1., bei der Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von virusinaktiviertem Plasma zusammenzuarbeiten. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass der Beklagten zu 1. die Herstellung und Qualitätskontrolle der Vertragsprodukte (zu denen auch solche nach dem Verfahren des Klagepatents gehören sollen) obliegt und die Beklagte zu 1. das ausschließliche Recht zur Vergabe von Unterlizenzen für die Herstellung und den Vertrieb der Vertragsprodukte in Europa erhält.

Im Wege der Zwischenfeststellungsklage hat die Klägerin zunächst die Unwirksamkeit des Vertrages vom 4. Mai 1987 geltend gemacht. Mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Januar 2000 - U (Kart) 5/99 - hat der Senat antragsgemäß festgestellt, dass der Lizenzvertrag wegen Verstoßes gegen § 34 GWB a.F. formnichtig ist.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung, Schadensersatz und Vernichtung der Verfahrenserzeugnisse in Anspruch genommen. Ihr Unterlassungsbegehren hat sich einerseits auf die Vertriebshandlungen sämtlicher Beklagten in Deutschland und andererseits auf die Herstellungshandlungen der Beklagten zu 2. in Österreich gerichtet.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Daneben haben sie hilfsweise begehrt, dass der Rechtsstreit ausgesetzt wird, bis das Kantonsgericht Glarus über die von der Beklagten zu 1. gegen die Klägerin erhobene Klage auf einen nach deutschem Recht formwirksamen Neuabschluß des Vertrages vom 4. Mai 1987 entschieden hat; äußerst hilfsweise haben sie Aussetzung beantragt, bis über die von der Beklagten zu 1. gegen den deutschen Teil des Klagepatents erhobene Nichtigkeitsklage entschieden ist. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 1. die Klägerin im Wege der Widerklage auf Rechnungslegung und Schadensersatz in Bezug auf solche Zahlungen in Anspruch genommen, welche diese von der "D.-B. N.-W. GmbH" für eine Lizenz (u.a.) an dem Klagepatent erhalten hat.

Die Beklagten haben im wesentlichen geltend gemacht: Auf den Vertrag vom 4. Mai 1987 finde entweder das Recht der Schweiz oder dasjenige des Staates New York Anwendung; keine dieser Rechtsordnungen kenne eine dem § 34 GWB a.F. entsprechende Formvorschrift. Aus diesem Grund sei der Lizenzvertrag nur insoweit formnichtig, wie er sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beziehe. Im Übrigen sei er rechtsgültig zustande gekommen. Aus diesem rechtswirksamen Teil des Lizenzvertrages sei die Klägerin verpflichtet, mit der Beklagten zu 1. den Vertrag vom 4. Mai 1987 formwirksam für das Inland neu abzuschließen. Mit dieser Verpflichtung befinde sich die Klägerin in Verzug und schulde der Beklagten zu 1. daher Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Klägerin könne bei dieser Rechtslage zwar Lizenzgebühren verlangen, sie (die Beklagten) aber nicht wegen Patentverletzung in Anspruch nehmen.

Vor diesem Hintergrund sei - so haben die Beklagten reklamiert - auch die Widerklage gerechtfertigt. Die Klägerin sei nämlich nicht berechtigt gewesen, der "D.-B. N.-W. GmbH" eine Lizenz an den im Widerklageantrag bezeichneten Patenten zu erteilen und dadurch die Kündigung des entsprechenden (Unter)-Lizenzvertrages zu verursachen, den unstreitig die Beklagte zu 1. im Jahre 1995 selbst mit der "D.-B. N.-W. GmbH" abgeschlossen habe.

Im Hinblick auf ihren hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag haben sich die Beklagten auf einen von der Beklagten zu 1. beim Vermittleramt N. gestellten Antrag auf Durchführung einer Vermittlungsverhandlung (Anlage B 9 II) bezogen, in welchem diese begehrt hat, im Rahmen eines zwischen der Beklagten zu 1. und der Klägerin anhängigen Klageverfahrens vor dem Kantonsgericht Glarus die Verpflichtung der Klägerin auszusprechen, den Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 in einer nach deutschem Recht gültigen Form neu abzuschließen. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2000 (Anlage W 48 IV) hat das Kantonsgericht Glarus die dagegen gerichtete Uneinlässlichkeitseinrede der Klägerin für begründet erklärt.

Die Beklagten haben ihr Aussetzungsbegehren zudem damit begründet, dass sich das Klagepatent im anhängigen Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen werde.

Durch Urteil vom 22. März 2001 (AZ 4 O 67/00) hat das Landgericht der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hat - unter Klageabweisung im übrigen -

die Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,

es zu unterlassen,

durch ein Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien aus einem diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltenden biologischen Material, wobei das diese lipidlöslichen Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen wird, das biologische Material biologische Aktivität aufweist, die biologische Aktivität im wesentlichen erhalten bleibt und wenig oder kein biologisches Material während des Durchlaufs durch die Säule absorbiert wird (EP 0 366 946 Anspruch 1),

unmittelbar hergestellte Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, ausgenommen antihämophiler Faktor VIII, antihämophiler Faktor IX, intravenöses Gammaglobulin, Fibrinogen oder PPSB (rohes Thrombin);

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 9. Juni 1990 begangen haben, und zwar unter Angabe

der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

sich die Verpflichtung zur Rechnungslegung für die Zeit vor dem 1. Mai 1992 auf Handlungen in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den bis zum 2. Oktober 1990 bestehenden Grenzen beschränkt;

die Angaben zu e) von der Beklagten zu 1. nur für die Zeit ab dem 29. Juni 1998, von der Beklagten zu 2. nur für die Zeit ab dem 16. Juli 1998 und von den Beklagten zu 3. und 4. nur für die Zeit ab dem 7. Juni 1998 zu machen sind;

den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

die in ihrem Besitz befindlichen unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse gemäß Ziffer I. 1. zu vernichten;

festgestellt,

dass die Beklagten zu 1. bis 3. verpflichtet sind, der Klägerin für die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 9. Juni 1990 bis 1. April 1994 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

dass die Beklagten zu 1. bis 3. verpflichtet sind, der Klägerin nach Maßgabe der Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung dasjenige herauszugeben, was sie durch die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 2. April 1994 begangenen Handlungen auf Kosten der Klägerin erlangt haben, und zwar die Beklagte zu 1. für Handlungen bis zum 28. Juni 1998, die Beklagte zu 2. für Handlungen bis zum 15. Juli 1998, die Beklagte zu 3. für Handlungen bis zum 6. Juni 1998;

dass sämtliche Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, und zwar die Beklagte zu 1. für Handlungen ab dem 29. Juni 1998, die Beklagte zu 2. für Handlungen ab dem 16. Juli 1998 und die Beklagte zu 3. und 4. für Handlungen ab dem 7. Juni 1998.

Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor:

Das Verfahren zur Herstellung von "O." falle nicht in den Schutzbereich des Klagepatents, weil eine Festphasenextraktion durchgeführt werde.

Bei dem angegriffenen Produkt "O." handele es sich überdies nicht um ein unmittelbares Erzeugnis des Verfahrens nach dem Klagepatent im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG. Nach der Verkehrsanschauung sei das patentgemäße Verfahren zur Entfernung der für die Virusinaktivierung eingesetzten Chemikalien nicht für das Endprodukt prägend. Denn aus der Sicht der Patienten sei entscheidend, dass in dem Endprodukt aktive und physiologisch verträgliche Blutplasmaproteine vorhanden seien, und dieses Ergebnis erst durch eine Vielzahl verschiedener Verfahrensschritte erreicht; das in Rede stehende Verfahren der hydrophoben Austauschchromatographie sei lediglich einer von insgesamt neunzehn Verfahrensschritten.

Darüber hinaus wiederholen und vertiefen die Beklagten ihr erstinstanzliches Vorbringen zu der Frage, ob die Klägerin den formwirksamen Neuabschluss des Lizenzvertrages vom 4. Mai 1987 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland schulden und ob die Klägerin durch die Geltendmachung des Formmangels rechtsmissbräuchlich handele. Die Beklagten weisen in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hin, dass das Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgehoben worden sei. Schließlich wiederholen die Beklagten ihren Aussetzungsantrag in Bezug auf das gegen das Klagepatent anhängige Nichtigkeitsverfahren.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen;

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten zu 1. eingelegte Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent auszusetzen;

die Beklagte zu 1. beantragt außerdem im Wege der Widerklage,

die Klägerin zu verurteilen, ihr Rechnung zu legen über sämtliche Zahlungen, die die Klägerin von dem D.-B. N.-W. GmbH für die Benutzung der EP 0 050 061, EP 0 131740 und/oder EP 0 366 946 erhalten hat, und zwar unter Angabe der Daten, an denen die jeweiligen Zahlungen des D.-B. N.-W. GmbH bei der Klägerin eingegangen sind;

festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist, dass die Klägerin der D.-B. N.-W. GmbH eine Lizenz an den unter lit. a) genannten Patenten für die Herstellung, das Feilhalten und den Vertrieb von auf TNBP/Detergenz-Basis behandeltem Humanblut und Humanblutbestandteilen erteilt hat;

hilfsweise, entsprechend den vorstehenden Anträgen zu a) und b) zu erkennen mit zeitlicher Befristung ab dem 01.01.1999;

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Berufung im einzelnen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die Beklagten mit Recht aus dem Gesichtspunkt der Patentverletzung zur Unterlassung, Rechnungslegung und Vernichtung der patentverletzend hergestellten Produkte verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagten zu 1. bis 3. der Klägerin darüber hinaus eine angemessene Entschädigung schulden und ihr zum Schadensersatz verpflichtet sind. Über die Widerklage hat das Landgericht ebenfalls richtig entschieden. Der Senat schließt sich den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil an. Die gegen das angefochtene Urteil gerichteten Angriffe der Berufung bleiben erfolglos.

A. Zu Unrecht bezweifeln die Beklagten eine Patentverletzung im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG.

1. Die Beklagte zu 1. macht bei der Herstellung des Produkts "O." vom Klagepatent Gebrauch.

a) Das Klagepatent betrifft ein Verfahren, mit dem lipidlösliche Verfahrenschemikalien aus labilen biologischen Gemischen durch hydrophe Austauschchromatographie entfernt werden. Dabei geht es um Verfahren, die Lipid-Lösungsmittel zur Inaktivierung von Viren in Blutprodukte verwenden. Zur Vermeidung von Unverträglichkeiten und gesundheitsschädlichen Auswirkungen auf den Menschen ist es notwendig, die Blutprodukte von dem organischen Lösungsmittel und der Detergenz zu befreien. Der Patentanspruch sieht hierzu ein Verfahren zum Entfernen von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien mit den folgenden Merkmalen vor:

Die lipidlöslichen Chemikalien sind in biologischem Material enthalten.

Das biologische Material weist biologische Aktivität auf.

Das biologische Material

wird durch eine C-6 bis C-24 Harz enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen gelassen,

wobei seine biologische Aktivität erhalten bleibt.

Während des Durchlaufs wird wenig oder kein biologisches Material durch die Säule adsorbiert.

Mit dieser Merkmalskombination unterscheidet sich das erfindungsgemäße Verfahren von den vorbekannten Anwendungen der hydrophoben Austauschchromatographie dadurch, dass die bei ihm verwendeten Materialien und Bedingungen die Adsorption und Abtrennung von Proteinen minimieren und die Entfernung von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien maximieren, wobei das biologische Material weitgehend seine Wirkung behält. Das biologische Material ist nach der erfindungsgemäßen Entfernung der virusinaktivierenden Wirkstoffe in einer hohen Konzentration und biologischer Aktivität vorhanden.

b) Die Beklagte zu 1. macht von dieser patentgemäßen Lehre Gebrauch. Der Hinweis der Berufung, zur Herstellung des Produkts "O." werde eine Festphasenextraktion durchgeführt, die nicht Gegenstand des Klagepatents sei, ist nicht stichhaltig. Die Klägerin hat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Begriff der "Festphasenextraktion" lediglich eine andere Bezeichnung für das vorstehend in Merkmal Nummer 3. erwähnte Verfahren der hydrophoben Austauschchromatographie sei, welches darin bestehe, das (lipidlösliche) Chemikalien enthaltende biologische Material durch eine einen Feststoff - hier: C 6 bis C 24 Harz - enthaltende hydrophobe Austauschchromatographie-Säule laufen zu lassen. Dem sind die Beklagten nicht in rechtserheblicher Weise entgegengetreten. Sie haben vielmehr eingeräumt, sich selbst in einem vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich geführten Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent auf diesen Standpunkt gestellt und ausdrücklich behauptet zu haben, dass die Begriffe "Festphasenextraktion in einer Extraktionssäule" und "hydrophobe Austauschchromatographie" ein und denselben Vorgang bezeichnen.

2. Bei dem angegriffenen Produkt "O." handelt es sich auch um ein Erzeugnis, das im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG unmittelbar durch das für die Klägerin geschützte Verfahren hergestellt wird.

Zutreffend hat das Landgericht die Frage der "Unmittelbarkeit" im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG nicht danach beantwortet, ob das patentierte Verfahren den letzten Schritt in der zum Endprodukt führenden Produktionskette darstellt. Ziel des Gesetzgebers war es, durch das Tatbestandsmerkmal der "Unmittelbarkeit" eine zu weite Ausdehnung des Erzeugnisschutzes zu verhindern. Andererseits steht außer Frage, dass nicht schon jede Bearbeitung die Unmittelbarkeit entfallen lassen kann, weil ein Verfahren in wirtschaftlicher Hinsicht gerade dazu dient, dass seine Erzeugnisse verwertet werden. Vor diesem Hintergrund kann für das Erfordernis der "Unmittelbarkeit" nicht auf die Chronologie der Produktionsschritte, sondern nur darauf abgestellt werden, ob die Eigenschaften des Endprodukts durch das geschützte Verfahren bestimmt werden. Entscheidend ist, ob die Eigenschaften, die das Zwischenprodukt durch das geschützte Verfahren erlangt hat, noch für das Endprodukt wesentlich sind. In einem solchen Fall ist der Patentinhaber nämlich unabhängig von der Zahl und Qualität der bis zum Endprodukt durchgeführten Verarbeitungsschritte schutzwürdig, weil sich der Verletzer bei wertender Betrachtung die geschützte Erfindung aneignet (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.9.1977 - 2 U 148/76; Beier/Ohly, GRUR Int. 1996, 973, 985/986; Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl., Seite 140; von Pechmann, GRUR 1977, 377, 378). Ob man zur näheren Konkretisierung der "Wesentlichkeit" dabei - wie es das Landgericht befürwortet - auf die Verkehrsanschauung abstellt und prüft, inwieweit das patentgemäße Verfahren nach der Auffassung des angesprochenen (fachkundigen) Verkehrs für das Endprodukt prägend ist (ebenso: Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl., § 9 Rdz. 54; Schulte, PatG, 5. Aufl., § 9 Rdz. 62), oder ob man - wie es die Klägerin für geboten hält - auf den konkreten Erfindungsgedanken abstellt und untersucht, inwieweit die Verarbeitungsschritte zum Enderzeugnis gerade diejenigen Eigenschaften berühren, die aus der Sicht des konkreten Erfindungsgedankens wesentlich sind und Grund für die Patentierung waren, kann vorliegend auf sich beruhen. In dem einen wie in dem anderen Fall stellt nämlich das Produkt "O." ein unmittelbar aus dem Klagepatent hervorgegangenes Erzeugnis dar.

a) Hält man für ausschlaggebend, dass sich derjenige Erfindungsgedanke, der das Klagepatent ausmacht, in (irgend-)einer verkehrswesentlichen Eigenschaft des angegriffenen Endprodukt niedergeschlagen hat, ist die "Unmittelbarkeit" ohne weiteres zu bejahen. Das Klagepatent ist dadurch gekennzeichnet, dass die verwendeten Materialien und die Bedingungen, unter denen die Austauschchromatographie stattfindet, die Adsorption von Proteinen minimiert und die Entfernung von lipidlöslichen Verfahrenschemikalien maximiert, wobei das biologische Material nach der erfindungsgemäßen Behandlung die virusinaktivierenden Wirkstoffe in einer hohen Konzentration und biologischer Aktivität enthält. Das Ergebnis des Erfindungsgedankens - nämlich ein Blutplasma, das ein weitgehend von den lipidlöslichen Verfahrenschemikalien befreites, zugleich aber biologisch noch aktives biologisches Material enthält - findet ungeschmälert und ohne dass es durch spätere Verarbeitungsschritte verändert würde Eingang in das Endprodukt "O.". Der wesentliche Erfindungsgedanke des Klagepatents schlägt sich mithin unmittelbar in dem Endprodukt "O." nieder.

b) Das angegriffene Produkt "O." ist in gleicher Weise auch dann unmittelbar aus dem Klagepatent hervorgegangen, wenn man mit dem Landgericht darauf abstellt, ob das patentierte Verfahren nach der Auffassung des angesprochenen (sachkundigen) Verkehrs, d.h. eines technischen Fachmanns, für das Endprodukt prägend ist.

Das für die Klägerin geschützte Verfahren betrifft einen wesentlichen Produktionsschritt zur Herstellung des Präparats "O.". Mit seiner Hilfe werden nämlich die zur Virusinaktivierung eingesetzten Chemikalien entfernt. Gegenüber den herkömmlichen Verfahren zeichnet sich das Klagepatent dadurch aus, dass bei vollständiger Entfernung der eingesetzten Chemikalien die biologische Aktivität des eingesetzten Materials weitgehend erhalten bleibt. Darin liegt ein entscheidender Vorteil des klägerischen Verfahrenspatents gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik, der sich unmittelbar qualitätserhöhend auch im Endprodukt niederschlägt. Die Klägerin leitet daraus zu Recht die Behauptung her, dass sich das Produkt "O." aus der Sicht des (sachkundigen) Verkehrs gerade in diesem Punkt von den Konkurrenzerzeugnissen abhebe, und dass folglich das rechtsverletzend eingesetzte Verfahren der hydrophoben Austauschchromatographie für "O." prägend sei.

Die Beklagten sind dieser Behauptung nicht in rechtserheblicher Weise entgegengetreten.

aa) Die Beklagten machen zum einen geltend, "O." sei deshalb nicht durch das Klageverfahren zur Entfernung der Detergentien gekennzeichnet, weil es aus der Sicht des Patienten allein darauf ankomme, dass in dem Endprodukt "O." aktive und physiologisch verträgliche Blutplasmaproteine vorhanden seien, und weil dieses Ergebnis erst durch eine Vielzahl verschiedener Verfahrensschritte erreicht werde. Diesem Einwand ist schon im Ansatz nicht zu folgen. Die Frage, ob ein Endprodukt durch ein bestimmtes patentgeschütztes Verfahren geprägt wird, beantwortet sich nicht aus der Sicht der Verbraucher dieses Endprodukts, sondern - wie allgemein im Patentrecht - aus der Sicht des durch die Patentschrift angesprochenen Durchschnittfachmanns. Das ist - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - im Streitfall ein an einer Universität ausgebildeter Biochemiker mit praktischen Erfahrungen in der Aufbereitung von Blutplasmaprodukten.

bb) Die Beklagten machen zum anderen geltend, dass das Verfahren nach dem Klagepatent nur einen von insgesamt neunzehn Verfahrensschritten zur Herstellung des Produkts "O." betreffe. Der Blutplasmapool werde - so tragen sie vor - zunächst auf Viren getestet; dabei finde hinsichtlich der nichtlipidumhüllten Viren zugleich eine Virenneutralsierung statt. Anschließend werde das Plasma mit nichtionischen Tensiden versetzt, wobei dem Gemisch zur Vergrößerung der Lipidschicht Lipide zugeführt werden und die Lipidschicht sodann durch Ablassen mittels Siphon grob abgetrennt werde. In einem nachfolgenden Produktionsschritt finde eine Filtration an hydrophobem Material zur Feinabtrennung der verbliebenen Lipidschicht statt; dabei werde das Plasma an einem hydrophoben Filter von der Lipidphase gereinigt. Daran schließe sich die Festphasenextraktion an. Alsdann werde die Plasmaphase erneut gefiltert, mit Glycin versetzt und anschließend sterilfiltriert. Schließlich werde das Blutplasma in Plasmabeutel gefüllt und schockgefroren.

Mit diesem Sachvortrag ist die schlüssige Behauptung der Klägerin, "O." werde durch das für die Klägerin geschützte Verfahren der hydrophoben Austauschchromatographie geprägt, nicht in Zweifel gezogen. Alleine aus der Notwendigkeit zahlreicher Produktionsschritte lässt sich nämlich für die Frage, welcher der Verfahrensabschritte aus technischer Sicht für das Endprodukt prägend ist, nichts herleiten. Es kommt vielmehr entscheidend auf die Qualität und Bedeutung an, die der maßgebliche (sachkundige) Fachmann den jeweiligen Verfahrensschritten beimisst. Hierzu fehlt jeder Sachvortrag. Die Beklagten machen substantiiert selbst nicht geltend, dass "O." nicht durch das nach dem Klagepatent durchgeführte und gegenüber den herkömmlichen Anwendungen deutlich überlegene Extraktionsverfahren, sondern durch die anderen Produktionsstufen sein Gepräge erhalte. Dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.

Zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führt es, soweit die Beklagten den Verfahrensschritt der Glycin-Zugabe näher erläutern und ausführen, dadurch werde die Glycinkonzentration um rund das 330fache der Normalkonzentration erhöht, wodurch der pH-Wert stabilisiert, der Auftauprozess am Einsatzort des Präparats erleichtert sowie die Verdünnung der Plasmaproteine um etwa 10 % kompensiert und dadurch die Isotonizität gewährleistet werde. Denn es fehlt jedweder Sachvortrag, welche Bedeutung der (sachkundige) Verkehr diesen Verfahrensschritten beimisst und aus welchen Gründen das erfindungsgemäße Verfahren, das - wie ausgeführt - einen wesentlichen Verfahrensschritt betrifft und eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik darstellt, aufgrund der Glycinzugabe nicht prägend sein soll.

Gleiches gilt schließlich, soweit die Beklagten auf die Verwendung einer Abfüllmaschine verweisen, um die Plasmabeutel unter sterilen Bedingungen portionieren und versiegeln zu können.

B. Die Beklagten können dem Klagebegehren ebensowenig entgegenhalten, die Klägerin sei der Beklagten zu 1. gegenüber verpflichtet, den Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 in einer den deutschen Vorschriften genügenden (Schrift-)Form neu abzuschließen. Dies hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, entschieden. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung.

1. Der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 34 GWB a.F. i.V.m. § 125 Satz 1 BGB formnichtig. Das hat der Senat in dem Zwischenfeststellungsprozess der Parteien (U (Kart) 5/99) durch Urteil vom 12. Januar 2000 rechtskräftig festgestellt. Für die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist damit verbindlich entschieden, dass der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987, soweit er Regelungen für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland enthält, im Inland zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Rechtswirkungen entfaltet hat. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass die - zur Formnichtigkeit führende - Vorschrift des § 34 GWB a.F. mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgehoben worden ist. Es entspricht der höchstrichterlichen Judikatur, dass § 34 GWB a.F. auf Altverträge, die vor dem 1. Januar 1999 abgeschlossen worden sind, weiterhin anwendbar ist (BGH, NJW-RR 1999, 689), und dass dementsprechend das Rechtsgeschäft auch nach dem Wegfall des Schriftformgebots unwirksam bleibt (Bornkamm in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., Anhang zu § 34 Rdz. 8 m.w.N.; allg. auch: Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Überbl. v. § 104 Rdnr. 27 m.w.N.). Im Ergebnis ist somit der Beklagten zu 1. zu keiner Zeit eine auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bezogene Lizenz an dem Klagepatent erteilt worden.

2. Die Beklagte kann dem Vorwurf der Patentverletzung auch nicht im Wege der Arglisteinrede (§ 242 BGB) entgegenhalten, die Klägerin sei ihr aus dem Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 verpflichtet, den Vertrag in einer dem deutschen Recht genügenden Form neu abzuschließen. Es kann mit der Beklagten unterstellt werden, dass dem Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 im Wege der Auslegung nach dem maßgeblichen ausländischen Recht (Recht des Staates New York oder Recht der Schweiz) im Sinne einer salvatorischen Klausel die Verpflichtung der Vertragsparteien zu entnehmen ist, einen Wirksamkeitsmangel (hier: die Formnichtigkeit des Vertrages im Bundesgebiet) durch rechtsgültigen Neuabschluss zu beheben. Denn der Beklagten steht die dahingehende Vertragspflicht im Inland nicht rechtswirksam zur Seite.

a) Auf eine im Inland rechtswirksam gegründete Vertragspflicht der Klägerin zum Neuabschluss des Lizenzvertrages kann sich die Beklagte nicht stützen.

Wie der Senat durch Urteil vom 12. Januar 2000 rechtskräftig entschieden hat, entspricht der Vertrag vom 4. Mai 1987 nicht der erforderlichen Schriftform und ist deshalb (form-)nichtig. Infolge dieser Formnichtigkeit hat der Vertrag im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Rechtswirkungen entfaltet; er hat mithin im Bundesgebiet auch keinerlei Vertragspflichten der Parteien begründet. Denn nach gefestigter höchstrichterlicher Judikatur erfasst die Formungültigkeit nach §§ 98 Abs. 2, 34 GWB a.F., § 125 Satz 1 BGB nicht nur die wettbewerbsbeschränkenden Abreden, sondern den Vertrag in seiner Gesamtheit (vgl. nur: BGH, WRP 1997, 555, 556 m.w.N.). Ist der Vertrag vom 4. Mai 1987 aber im Hoheitsgebiet Deutschlands nicht wirksam geworden, können aus ihm im Inland auch keinerlei Rechte hergeleitet werden. Ebensowenig wie im Inland aus einer ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommenen salvatorischen Klausel ein Anspruch auf Neuabschluss des Vertrages abgeleitet werden könnte, kann dieses Ergebnis dann erzielt werden, wenn eine dahingehende Vertragspflicht - wie die Beklagten meinen - (nur) im Wege der Vertragsauslegung gewonnen werden kann. In dem einen wie in dem anderen Fall ist nämlich eine im Inland rechtswirksame Verpflichtung der Vertragsparteien zum Neuabschluss nie begründet worden.

Dass nach dem Normzweck des § 98 Abs. 2 GWB a.F. das GWB beim Vorliegen einer Inlandswirkung nur insoweit Anwendung findet, als sich die Wettbewerbsbeschränkung im Inland auswirkt (vgl nur: Rehbinder in Immenga/Mestmäcker, § 98 Abs. 2 Rdz. 223 m.w.N.) - und demzufolge sowohl die Formbedürftigkeit nach § 34 GWB a.F. als auch die Formnichtigkeit des Lizenzvertrages nach § 34 GWB a.F. i.V.m. § 125 Satz 1 BGB nur so weit reicht, wie der Vertrag Regelungen in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland enthält, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Denn der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 entfaltet auch insoweit eine Inlandswirkung, wie er die Verpflichtung der Parteien enthält, bei einem etwaigen Formmangel das Vertragsverhältnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland formgültig neu abzuschließen. Im übrigen ist durch das Senatsurteil vom 12. Januar 2000 zwischen den Parteien rechtskräftig geklärt, dass der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 insgesamt - und damit auch eine etwaige Vertragspflicht der Klägerin zum Neuabschluss - (form-)nichtig ist.

b) Ebensowenig kann die Beklagte einen Anspruch auf Neuabschluss des Lizenzvertrages daraus herleiten, dass der Vertrag vom 4. Mai 1987 in der Schweiz oder in den USA - in denen eine § 34 GWB a.F. entsprechende Formvorschrift nicht existiert(e) - vollumfänglich rechtswirksam zustande gekommen ist.

Das ergibt sich unmittelbar aus § 98 Abs. 2 GWB. Nach dieser Vorschrift findet das GWB auf alle Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung, die sich im Inland auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Kartellgesetzes veranlasst worden sind. Es handelt es sich um eine zwingende Kollisionsnorm, die dem allgemeinen Kollisionsrecht vorgeht. Sie unterstellt im Inland wirkende Wettbewerbsbeschränkungen auch dann den Normen des deutschen Kartellrechts - und mithin auch dem Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. (vgl. nur: Jungbluth in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 8. Aufl., § 98 Abs. 2 Rdz. 100 m.w.N.) - , wenn der Vertrag im übrigen ausländischem Recht unterliegt. § 98 Abs. 2 GWB a.F. verwehrt es Unternehmen damit, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen mit Inlandswirkung dadurch der Anwendung des GWB zu entziehen, dass sie die Absprache einem ausländischen Recht unterstellen (Rehbinder, a.a.O. Rdz. 7, 222 m.w.N.). Bezogen auf den rechtswirksamen Abschluss einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung mit Inlandswirkung bedeutet dies: Eine solche Vereinbarung entfaltet im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nur dann Rechtswirkungen, wenn sie nicht nur nach dem maßgeblichen ausländischen Vertragsstatut rechtswirksam geschlossen worden ist, sondern wenn sie überdies auch nach den Bestimmungen des GWB - d.h. vorliegend unter Beachtung des Schriftformgebots des § 34 GWB a.F. - rechtsgültig zustande gekommen ist. Diese Erkenntnis schließt es im Streitfall aus anzunehmen, die Klägerin sei mit Rechtswirkung im Bundesgebiet deshalb dem Anspruch auf Neuabschluss des Lizenzvertrages vom 4. Mai 1987 ausgesetzt, weil dieser Vertrag nach dem Normen des maßgeblichen ausländischen Vertragstatuts (im Ausland) rechtsgültig geschlossen worden ist. Denn diese Argumentation stünde in einem diametralen Gegensatz zu der Vorschrift des § 98 Abs. 2 GWB a.F. Danach genügt es nämlich für die Rechtsgültigkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung mit Inlandswirkung im Bundesgebiet gerade nicht, dass der Vertrag im Ausland nach Maßgabe des anzuwendenden ausländischen Vertragsrechts wirksam geworden ist. Hinzu kommen muss vielmehr, dass auch die Vorschriften des deutschen Kartellrechts beachtet worden sind, vorliegend also auch dem Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. genüge getan worden ist. Das ist indes - wie der Senat mit Urteil vom 12. Januar 2000 rechtskräftig entschieden hat - nicht der Fall.

Aus dem Umstand, dass das Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. zum Ende des Jahres 1998 aufgehoben worden ist, ergibt sich nicht Gegenteiliges. Für Verträge, die deutschem Vertragsrecht unterliegen, ist - wie bereits ausgeführt - anerkannt, dass der Fortfall des Schriftformerfordernisses den formnichtigen Altverträgen nicht zur Rechtswirksamkeit verhilft. Für Verträge nach ausländischem Vertragsstatut, die gemäß § 98 Abs. 2 GWB a.F. in gleicher Weise wie Verträge nach deutschem Recht den Bestimmungen des GWB unterliegen, kann nichts anderes gelten.

d) Ohne Erfolg machen die Beklagten in diesem Zusammenhang weiter geltend, dass der im Inland formnichtig abgeschlossene Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987 als ein Vorvertrag zu behandeln sei. Es kann auf sich beruhen, ob dieser rechtlichen Qualifizierung zuzustimmen ist; denn sie vermag an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern. Es ist anerkannt, dass Vorverträge in gleicher Weise wie Hauptverträge dem Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. unterliegen (BGH, WuW/E BGH 1356 ff.; ebenso: Immenga/Mestmäcker, a.a.O. Rdz. 16). Vor diesem Hintergrund gelten die vorstehenden Ausführungen zu Art. 34 EGBGB in vollem Umfang auch dann, wenn das Vertragsverhältnis vom 4. Mai 1987 in Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland als ein Vorvertrag einzuordnen sein sollte.

C. Die Beklagten können sich dem Klagebegehren gegenüber schließlich nicht mit Erfolg auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) berufen. Die Klägerin handelt, indem sie sich auf die Formnichtigkeit des Lizenzvertrages vom 4. Mai 1987 beruft, nicht rechtsmissbräuchlich.

1. Unter der Geltung des § 34 GWB a.F. entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Berufung auf die Formnichtigkeit des Vertrages nicht mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begegnet werden kann (BGH, WuW/E BGH 1356, 1358 - Werkstück-Verbindungsmaschine; WuW/E BGH 1513, 1514 - Belüftungsgitter; WuW/E BGH 1592, 1593 - Branchenübliche Preislisten). Ihre Rechtfertigung fand diese Judikatur in der Tatsache, dass das Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen und effektiven kartellrechtlichen Kontrolle diente. Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 ist die Vorschrift des § 34 GWB a.F. ersatzlos gestrichen worden. Daraus wird in der kartellrechtlichen Literatur gefolgert, dass die Anwendung des § 242 BGB fortan nicht mehr mit dem Hinweis auf die Wahrung öffentlicher Interessen generell versagt werden könne, sondern sie nunmehr in gleicher Weise wie bei anderen Formvorschriften in Betracht komme (Bornkamm, a.a.O. Rdz. 39).

2. Es kann auf sich beruhen, ob dieser Ansicht zuzustimmen ist. Selbst wenn man ihr folgt, steht den Beklagten im Streitfall der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht zu. Die Nichtigkeitsfolge wegen eines Formmangels ist nur in Ausnahmefällen mit Treu und Glauben unvereinbar, etwa wenn eine Partei den Formfehler arglistig herbeigeführt hat (BGHZ 85, 315, 318 f.), in Fällen schwerer Treuepflichtverletzung (BGHZ 92, 164, 172 f.), in Fällen der Existenzgefährdung (BGHZ 119, 387, 388 f.) oder dann, wenn die Parteien den formnichtigen Vertrag über längere Zeit praktiziert haben und die eine Seite hieraus erhebliche Vorteile gezogen hat, die nicht ohne weiteres zurückgewährt werden können (BGHZ 121, 224, 233 f.). Dass vorliegend einer dieser Ausnahmetatbestände gegeben ist, lässt sich nicht feststellen. Die Beklagten machen Entsprechendes substantiiert selbst nicht geltend; dazu ist auch sonst nichts ersichtlich.

D. Greifen damit die Angriffe der Berufung gegen die vom Landgericht angenommene Patentverletzung nicht durch, erweist sich das angefochtene Urteil auch im Umfang des Urteilsausspruchs als richtig. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zum Inhalt und Umfang der aus der festgestellten Patentverletzung resultierenden Unterlassungs-, Rechnungslegungs-, Entschädigungs-, Schadensersatz- und Vernichtungspflichten verwiesen werden, gegen welche die Beklagten auch keinerlei Einwendungen erheben.

E. Die Widerklage ist unbegründet. Der Beklagten zu 1. stehen die geltend gemachten Rechnungslegungs- und Schadensersatzansprüche nicht zu, weil die Klägerin sich durch die Erteilung einer Lizenz an die "D.-B. N.-W. GmbH" nicht vertragswidrig verhalten hat. Der Lizenzvertrag vom 4. Mai 1987, auf dem die Widerklageforderung beruht, ist formnichtig und hat - wie dargelegt - der Beklagten zu 1. auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu keiner Zeit irgendwelche Rechte an dem Klagepatent verschafft.

F. Eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO kommt weder im Hinblick auf den beim Kantonsgericht Glarus anhängigen Rechtsstreit der Parteien noch mit Blick auf die von der Beklagten zu 1. gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage in Betracht. Das hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, entschieden. Hinsichtlich der Nichtigkeitsklage ist im übrigen eine Aussetzung im derzeitigen Verfahrensstand um so weniger gerechtfertigt, als das Bundespatentgericht zwischenzeitlich den Bestand des Klagepatents, soweit es vorliegend von Interesse ist, bestätigt hat.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Der besondere auf § 712 ZPO gestützte Vollstreckungsschutzantrag ist nicht näher begründet worden und daher erfolglos.

III.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Rechtsstreit rechtsgrundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung des Prozesses hängt zum einen von der Definition des Begriffs der "Unmittelbarkeit" in § 9 Satz 2 Nr. 3 PatG und zum anderen von der Frage ab, ob § 98 Abs. 2 GWB a.F. (= § 130 Abs. 2 GWB) der Verpflichtung aus einem im Ausland wirksamen abgeschlossenen Vertrag entgegensteht, diesen Vertrag nach Wegfall des § 34 GWB a.F. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland neu abzuschließen. Zu beiden Fragen liegt bislang eine höchstrichterliche Judikatur nicht vor.

IV.

Der Streitwert beträgt 1.073.712, 95 Euro. Dies entspricht der gemäß § 26 Nr. 11 EGZPO maßgeblichen Umrechnung des Streitwertes von 2.100.000, - DM, den das Landgericht - unwidersprochen - für den im Berufungsverfahren noch streitbefangenen Teil des Prozesses angesetzt hat.

J. D. K.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 04.10.2002
Az: VI-U (Kart) 44/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/756335b69583/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_4-Oktober-2002_Az_VI-U-Kart-44-01




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