Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 2. März 2010
Aktenzeichen: 4 U 217/09

(OLG Hamm: Urteil v. 02.03.2010, Az.: 4 U 217/09)

Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das am 14. Oktober 2009 ver-kündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hagen abgeändert.

Die einstweilige Verfügung vom 17. Februar 2009 - 4 O 55/09 - wird auf-gehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Antragstellerin verkauft in ihrem Onlineshop unter der Internetadresse ............... sowie in einem seit 2005 betriebenem Ladenlokal in C2 unter anderem Taschen, Rucksäcke und Reisegepäck. Der Antragsgegner bietet gewerblich ebenfalls Rucksäcke und Schultaschen unter dem Verkäufernamen "P" auf der Handelsplattform Y zum Verkauf an.

Im Januar 2008 bewarb der Antragsgegner einen Z Rucksack Z2 mit der pauschalen Aussage "30 Jahre Herstellergarantie" (Bl.7 ff.). Die Antragstellerin sah in dieser Art von Werbung einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 477 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB und eine Irreführung der angesprochenen Verbraucher im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG und ließ den Antragsgegner mit Schreiben vom 28. Januar 2009 erfolglos abmahnen. Sie legte in der Abmahnung einen Streitwert von 5.000,-- € zugrunde.

Mit Antrag vom 16. Februar 2009 erwirkte die Antragstellerin am 17. Februar 2009 eine einstweilige Verfügung der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hagen -4 O 55 / 09 (Bl.41 f.), nach der es der Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen hatte,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Schultaschen

und Rucksäcke im Internet, insbesondere auf der Internetplattform Y

anzubieten und zu verkaufen und dabei mit einer Garantie zu werben,

ohne dabei vollständig darüber zu informieren, dass die gesetzlichen

Rechte der Käufer durch die Garantie nicht eingeschränkt werden und /

oder dabei nicht alle wesentlichen Angaben zu machen, die für die

Geltendmachung der Garantie erforderlich sind und dabei insbesondere

nicht Dauer und räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie

Namen und Anschrift des Garantiegebers anzugeben.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner nach Zustellung der einstweiligen Verfügung am 27. Februar 2009 mit Anwaltsschreiben vom 28. März 2009 (Anlage B 6) zur Abgabe einer Abschlusserklärung auffordern lassen. Die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin haben dem Antragsgegner in Zusammenhang mit dem Aufforderungsschreiben eine Kostennote über 2.004,15 € übersandt, bei der sie von einem Gegenstandswert von 15.000,-- € ausgegangen sind.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 30. April 2009 Widerspruch gegen die Beschlussverfügung eingelegt. Die Antragstellerin hat im Widerspruchsverfahren, das an die zuständige Kammer für Handelssachen verwiesen worden ist, den Erlass der einstweiligen Verfügung verteidigt. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner die einstweilige Verfügung ignoriert habe und am 7. September 2009 in seinem Q2-Shop weiter mit der wettbewerbswidrigen Werbeaussage "30 Jahre Z-Garantie" geworben habe (Anlage A 14). Daraus ergebe sich für sie sogar ein gesteigertes Interesse an dem Verbot. Die Antragstellerin hat mit näheren Ausführungen in Abrede gestellt, dass sie bei ihren Abmahnungen vorrangig ein Gebührenerzielungsinteresse verfolge. Sie hat sich vehement gegen die nach ihrer Einschätzung ins Blaue hinein aufgestellten Behauptungen des Antragsgegners zu Absprachen mit ihren Prozessbevollmächtigten gewandt. Es gebe insoweit keinerlei Kostenabsprachen. Dazu hat sie ihre eidesstattliche Versicherung vom 25. Mai 2009 (Bl.93) vorgelegt. Anwaltskosten von 2.000,-- € im Jahr wende sie, die Antragstellerin, für die Rechtssicherheit ihrer Shops auf. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hätte es zuletzt in den Mittelpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit gestellt, ihr einen Rechtsmissbrauch nachzuweisen. Er habe veranlasst, dass sie insbesondere auch im "Z3" öffentlich denunziert worden sei, indem dort einseitig über sie betreffende Gerichtsverfahren berichtet worden sei. Dennoch habe bislang kein Gericht ihre Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich erachtet. Sie sei in der letzten Zeit zwar gegen mehrere Mitbewerber im Wege von Abmahnungen vorgegangen, die sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben im Fernabsatz gehalten hätten. Aus der Vielzahl der Abmahnungen könne aber noch nicht auf einen Rechtsmissbrauch geschlossen werden. Das gelte umso mehr, als mindestens 2.000 Y-Shops in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu ihrem Unternehmen stünden. Angesichts dessen relativiere sich die Zahl der abgemahnten Mitbewerber. Bei den Aufstellungen des Antragsgegners falle zudem auf, dass verschiedene Aktenzeichen gleich mehrfach auftauchten. Die Verfügungsverfahren gingen in der Liste der Abmahnungen auf. Nach der Einschätzung der Antragstellerin steht ihr Abmahnverhalten auch in einem vernünftigen und wirtschaftlichen Verhältnis zu ihrer gewerblichen Tätigkeit. Zu ihrem Umsatz trägt die Antragstellerin vor, dass sie in den 30 Tagen vor dem 4. März 2009 trotz des umsatzschwachen Monats Februar nur bei Y einen Gesamtumsatz von 25.774,05 € gemacht habe (Anlage A 5). In umsatzstärkeren Zeiten erziele sie bei Y sogar einen Umsatz von 35.000,-- € pro Monat. Allein aus der Anzahl der Bewertungen bei Y und dem Durchschnittskaufpreis der angebotenen Artikel lasse sich auf einen dortigen Jahresumsatz von 418.879,-- € schließen. Sie erziele tatsächlich insoweit auch einen Jahresumsatz von 400.000, €. In ihrem Ladengeschäft komme ein weiterer Umsatz in Höhe von 150.000,-- € pro Jahr hinzu. Die vom Antragsgegner vorgelegten Umsatzanalysen Dritter sagten dem gegenüber nichts aus. Sie bezögen sich nur auf den Einzelhandel mit Lederwaren und sparten ersichtlich den Onlinehandel aus. Auffallend sei auch, dass ihre Umsätze in letzter Zeit kontinuierlich stiegen. Ihre Gewinnmarge belaufe sich auf 39,54 %. Der Nettogewinn decke selbst das vom Antragsgegner angeführte Kostenrisiko ab, das allerdings nur im schlimmsten Fall auftreten könnte. Sie verkaufe bei Rucksäcken die namhaften Marken in einem solchen Umfang, dass sie bei Z zu den Top 10 in I gehöre und bei McNeill zu den Top 5. Es treffe auch nicht zu, dass sie Kostenerstattungsansprüche von mehr als 40.000,-- € habe verjähren lassen. Die Verjährung nicht ausgeglichener Abmahnkosten sei durch Mahnbescheide gehemmt worden. Soweit erforderlich würden die Verfahren weiter geführt. Im Fall der von ihr abgemahnten Frau X sei nicht absehbar gewesen, dass es sich um eine "kleine" Unternehmerin gehandelt habe. Sie habe sich verpflichtet, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Unterlassungsverpflichtung und unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs eine Vertragsstrafe von 2.500,-- € zu zahlen. Wochen nach Abgabe der Unterlassungserklärung habe sie in insgesamt 68 Fällen erneut eine unrichtige Widerrufsbelehrung verwandt. Nur 10 Verstöße seien gerichtlich geltend gemacht worden. Im Rahmen des Vertragsstrafeverfahrens hätte sie dann in jeweils mindestens 10 weiteren Fällen weitere Verstöße gegen zwei weitere vertragliche Unterlassungspflichten festgestellt. Dennoch sei die Vertragsstrafe dann im Vergleichswege auf 6.300,-- € reduziert worden und der Frau X eine Ratenzahlungsmöglichkeit eingeräumt worden, als sich deren angespannte finanzielle Situation abgezeichnet habe. Eine gerichtliche Entscheidung wäre für Frau X folgenschwerer ausgefallen. Schon in der Klage habe sie sich verpflichtet, die Vertragstrafe nach Abzug ihrer Kosten an die Stiftung "Z5" weiterzuleiten. Die Spende der Vertragsstrafe sei dann auch zum Gegenstand des Vergleichs gemacht worden. Das sei ein gewichtiges Argument dafür, dass es ihr nur um einen fairen Wettbewerb gehe. Im Falle der K GmbH habe das Landgericht G auch in Kenntnis der hier vorgetragenen Fakten einen Rechtsmissbrauch verneint. Es sei aber davon ausgegangen, dass die für zwei Verstöße verlangte Vertragstrafe nur einmal verwirkt worden sei. Die Antragstellerin habe auch im dortigen Verfahren einen Vergleich geschlossen, in dem sie sich verpflichtete, auch diese Vertragsstrafe zu spenden. Der Vergleich sei aber von der Gegenseite widerrufen worden. Auch wenn sich die einzelnen Abmahngründe bei den Abmahnungen zum Teil wiederholten, sei die Verwendung von Textvorlagen insoweit üblich und nicht zu beanstanden. Schon aus den Aufstellungen des Antragsgegners ergebe sich, dass ihre Bevollmächtigten nicht immer mit einer 1,8 Gebühr abrechneten. Im Übrigen entspricht eine solche Abrechnung in Wettbewerbsstreitigkeiten nach Ansicht der Antragstellerin der üblichen Praxis, die auch von der Rechtsprechung toleriert werde. Es komme hinzu, dass es einen erheblichen Aufwand darstelle, den gesamten Shop des Antragsgegners auf das Vorhandensein von entsprechenden Garantiebedingungen zu durchsuchen und die einzelnen Shopseiten zu sichern. Weder ihr Ehemann noch ihr Verkaufsleiter X5 hätten gegenüber den Herren L2 und X die behaupteten Äußerungen getätigt. Insoweit legt die Antragstellerin eidesstattliche Versicherungen von X6 (Bl. 94) und X5 (Bl.95) vor. Bei der früheren Abmahnung des Antragsgegners von November 2008 sei es um die Verletzung von Informationspflichten und eine für unlauter gehaltene vergleichende Werbung (Bl.77) gegangen. Das Gericht habe im Hinblick auf diese Werbung einen Verstoß verneint. Gerade diese Abmahnung mache deutlich, dass sie sich nicht darauf beschränke, nur sichere Verstöße abzumahnen. Zum Zeitpunkt der früheren Abmahnung habe sie keine Kenntnis von der Werbung mit der 30jährigen Garantie gehabt. Diese unlautere Werbung habe sie erneut abgemahnt, weil sich der Antragsgegner damit einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Die angesprochenen Verbraucher legten beim Studium der Angebotsseiten großen Wert auf solche Garantieaussagen. Das folge schon daraus, dass sie regelmäßig Anfragen von Interessenten erhalte, ob ihre Produkte nicht auch mit einer so langjährigen Garantie versehen seien. Wegen des Wettbewerbsvorteils der Gegenseite sei auch wahrscheinlich, dass ihr ein Schadens entstanden sei. Selbst wenn ihr aber kein Auskunftsanspruch zugestanden haben sollte, ließe sich aus der Geltendmachung eines solchen Anspruchs in der Abmahnung nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen, weil ein Auskunftsanspruch gerichtlich in keinem Falle geltend gemacht worden sei. Die Reduzierung des Streitwerts im Verfügungsverfahren auf 5.000,-- €, also auf 1/3 von 15.000,-- € habe der gängigen Praxis entsprochen. In dem Verfahren gegen die T GmbH sei nur deshalb trotz der verweigerten Abschlusserklärung kein Hauptsacheverfahren durchgeführt worden, weil das Verhalten dieser Firma im Verfügungsverfahren die Vermutung nahegelegt habe, es drohe eine Insolvenz. Intensiver Widerstand hätte sie in keinem Fall davon abhalten können, ihre Rechte durchzusetzen. Im Fall Q habe es sich bei der Angabe des Streitwerts von 55.000,-- € um einen schlichten Tippfehler gehandelt. Deshalb habe sie es auch hingenommen, dass ihr die Anwaltskosten nur auf der Grundlage eines Streitwerts von 15.000,-- € erstattet worden seien. Es treffe auch nicht zu, dass sie in gezielter Form den Gerichtsstand gewechselt habe.

Der Antragsgegner hat behauptet, dass es sich bei der Tatsache, dass die beanstandete Werbung trotz der Verbotsverfügung von der Antragstellerin bei Q2 erneut hochgeladen werde konnte, um ein technisches Versehen gehandelt habe. Er hat das Vorgehen der Antragstellerin für rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG gehalten. Er hat gemeint, aus deren Verhalten zwischen dem 10. Oktober 2008 und dem 25. Februar 2009 ergebe sich zwangsläufig, dass sie bei den Abmahnungen in erster Linie an der Generierung von Kosten interessiert gewesen sei und dass sie zu diesem Zweck kollusiv mit ihren Prozessbevollmächtigten zusammengewirkt habe. Der Antragsgegner hat zunächst insgesamt 54 Vorgänge, im Wesentlichen Abmahnungen der Antragstellerin aus der oben genannten Zeit aufgelistet, aus denen sich ein Anwaltskostenaufwand in Höhe von 53.636,50 € errechnen soll, der in Höhe von 41.525,46 € nicht erstattet worden sei. Er hat gemeint, dass der tatsächliche Umfang des Kostenaufwands für die Antragstellerin noch erheblich höher liegen müsse, weil nicht alle Abmahnungen bekannt geworden seien. Daneben habe die Antragstellerin in nicht unerheblichem Umfang Verfügungsverfahren eingeleitet und Abgemahnte auf Zahlung von Vertragsstrafe in Anspruch genommen, was zu einem weiteren erheblichen Kostenrisiko geführt habe, weil es nur in geringem Umfang zur Zahlung von Vertragsstrafen gekommen sei. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin ein Gesamtkostenrisiko von mindestens 150.000, € mit ihrer Rechtsverfolgung von Mitbewerbern eingegangen sei. Diesem Kostenrisiko stehe in dem abmahnintensivsten Zeitraum vom 19. Oktober 2008 bis zum 16. Januar 2009 ein Onlineumsatz von 38.539 € gegenüber, also von weniger als 13.000,-- € im Monat. Das ergebe sich aus einer Terapeak-Auswertung (Anlage B1), die die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt widerlegt habe. Höhere Umsätze habe die Antragstellerin lediglich in Bezug auf andere Zeiträume behauptet. Selbst wenn es dieser gelungen sein sollte, ihre Monatsumsätze ab Februar 2009 etwa als Folge von ausfallender Abmahntätigkeit und von Quersubventionen dauerhaft anzuheben, könnten die Umsätze das sich nunmehr verstärkende Kostenrisiko nicht tragen. Wenn man von einer Gewinnmarge von 20 % ausgehe, hätte die Antragstellerin aus ihren Internetgeschäften zu dieser Zeit monatlich nicht mehr als höchstens 3.000 € erlöst. Erfahrungsgemäß würden Onlinehändler auch nur in absoluten Ausnahmefällen mehr als 10 % ihres Umsatzes außerhalb des Internets machen. Der Antragsgegner hat im Hinblick auf die frühere Zeit noch eine Umsatzauskunft auf der Basis einer Schätzung (Bl.84) vorgelegt, nach der die Antragstellerin im Jahre 2007 einen Umsatz von 150.000,-- € und im Jahre 2008 einen Umsatz von 140.000,-- € erzielt hat. Der Einzelhandelsverband Ostwestfalen-Lippe e.V. gehe dagegen von einem Jahresumsatz von 175.000,-- € pro Jahr aus. Angesichts dieser Umsatzzahlen und des sich daraus ergebenden monatlichen Erlöses wäre das Kostenrisiko für die Abmahnungen für sie in hohem Maße existenzgefährdend, wenn die Kosten nicht in Absprache mit ihren Prozessbevollmächtigten begrenzt worden wären. Das gelte umso mehr, als die Antragstellerin inzwischen ihrerseits vermehrt abgemahnt worden sei und Kosten von mehr als 16.000,-- € (Bl.202) für die anwaltliche Vertretung in Verfügungsverfahren und sogar Hauptsacheverfahren habe aufwenden müssen. Z10 sei es auch nicht zu erklären, dass die Antragstellerin die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von über 40.000,-- € nicht weiter betreibe, nachdem sich ab Februar 2009 ein massiver Widerstand gegen ihre Abmahntätigkeit formiert habe. Auch im vorliegenden Fall sei eine noch offene Kostenerstattungsforderung nicht geltend gemacht worden. Er, der Antragsgegner, habe im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch inzwischen negative Feststellungsklage erhoben. Dabei sei aufgefallen, dass die Antragstellerin in Zusammenhang mit dem Erlass der einstweiligen Verfügung nunmehr erhöhte Kosten in Bezug auf die mit der Abmahnung geltend gemachte Erstattungsforderung beanspruche. Der Ehemann der Antragstellerin habe gegenüber dem abgemahnten Herrn L2 selbst erklärt, dass er jährlich 2.000,-- € für anwaltliche Beratung in Zusammenhang mit dem Onlineshop ausgebe und dass dieses Geld wieder hereinkommen müsse (Anlage B 4). Gegenüber dem abgemahnten Herrn X habe der Ehemann der Antragstellerin erklärt, dass in Bezug auf die Abmahnungen eine Liste abgearbeitet werde und dass die gegenüber Frau X geltend gemachte Vertragsstrafe von 25.000,-- € vom Anwalt veranlasst sei. Man habe Vertragstrafen erst einmal gerichtlich geltend gemacht und den dabei eingenommenen Betrag von 10.000,-- € gespendet. Dazu hat der Antragsgegner eine eidesstattliche Versicherung des Herrn X vom 20. Februar 2009 vorgelegt (Anlage B 5). Bei den Abmahnungen der Antragstellerin falle auf, dass sie fehlerhafte Widerrufsbelehrungen ebenso abmahne wie unzureichende Angaben zu Garantien, also Wettbewerbsverstöße, die sich auf das Geschäft der Antragstellerin nicht auswirkten. Zum Umfang der Abmahnungen kämen auch noch zahlreiche Indizien hinzu, die für einen Missbrauch sprächen. Nach einer erfolglosen früheren Abmahnung habe die Antragstellerin vor dem Landgericht Stuttgart eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt. Sie sei dort zu 50 % unterlegen. Offenbar um diesen Schaden zu relativieren, sei die das vorliegende Verfahren betreffende weitere Abmahnung erfolgt. Auffallend sei auch, dass die Antragstellerin, die zunächst das Landgericht Stuttgart so lange angerufen habe, bis dieses die Streitwerte auf zuletzt 2.500,-- € abgesenkt habe, zunächst zum Landgericht Frankfurt gewechselt sei und nun die Verfahren an den Heimatgerichten der Abgemahnten anhängig mache. Die Antragstellerin habe in der Regel überhöhte Streitwerte angegeben und zudem auch einen überhöhten Gebührensatz von 1,8 geltend gemacht. Es seien bereits in den Abmahnungen nicht bestehende Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden. Diese seien unstreitig in keinem Fall gerichtlich verfolgt worden. Das sei ein Indiz für einen sachfremden Abmahnzweck. Der Antragsgegner hat sodann das typische Vorgehen der Antragstellerin in Beispielsfällen wie den Abmahnvorgängen T GmbH, Z7, Z8 und X2 geschildert. Es seien etwa Ansprüche auf Unterlassung und Zahlung von Vertragsstrafe und Kostenerstattung nicht weiter verfolgt worden, es sei die Aufforderung zu einem Abschlussschreiben zweimal versandt worden und es seien Kostenerstattungsansprüche im Mahnverfahren geltend gemacht worden, die dann nicht weiter verfolgt worden seien. Das sei jeweils geschehen, wenn Missbrauchsvorwürfe erhoben und Gegenabmahnungen ausgesprochen worden seien. Im Verfahren Q (Beiakte 4 U 144 / 09 des Senats) seien bei der Abmahnung jeweils überhöht ein Streitwert von 55.000,-- € und eine Gebühr von 1,8 angesetzt worden. Nach Abgabe der Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafenvereinbarung nach dem neuen Hamburger Brauch habe die Antragstellerin rechnerisch eine Vertragstrafe von 296.000,-- € geltend gemacht, aber noch im selben Schreiben eine Einigung auf 32.000,-- € vorgeschlagen. Im Mahnverfahren habe die Gegenseite noch 15.000,-- € verlangt, dann im Verfahren vor dem Landgericht einen Vergleich auf 5.100,-- € akzeptiert, dem die Gegenseite nicht zugestimmt habe. Das Landgericht habe dann zur Zahlung von nur 3.000,-- € verurteilt. Von der Mitbewerberin X habe die Antragstellerin eine Vertragsstrafe von 25.000,-- € verlangt, eine Summe, die einen Jahresgewinn ihres Unternehmens ausmachte und diese wirtschaftlich zu ruinieren drohte. Die Tatsache, dass sie den eingeklagten Betrag an eine gemeinnützige Einrichtung weiterleiten wollte, stelle nur den Versuch dar, das eigene unsittliche Vorgehen nachträglich moralisch zu legitimieren. In diesem Verfahren habe man sich schließlich auf die Zahlung eines Betrages von 6.300,-- € verglichen, ohne dass die dortige Beklagte auf den Missbrauchseinwand verzichtet hätte. Im Verfahren gegen die K GmbH seien als Vertragsstrafe zunächst 15.003,-- € verlangt, dann 10.002,-- € eingeklagt und schließlich 5.001,-- € ausgeurteilt worden. Im Verfahren gegen Frau K2 vor dem LG Halle sei der Missbrauchseinwand erhoben worden und die Parteien hätten sich vor dem OLG Naumburg dahin geeinigt, dass der Vorgang erledigt sei und jede Seite ihre eigenen Kosten zahle. Die Antragstellerin habe damit auf Unterlassungsansprüche, Abmahnkosten, Vertragsstrafe und Kostenerstattung verzichtet. In dem Fall X2 habe die Gegenseite sogar mit dem Hinweis auf Unterlassungsansprüche Dritter gedroht, um Abgemahnte unter Druck zu setzen (Anlage B 20). Im Verfahren gegen die Parteien Z9 und Z10 seien sogar die Abmahnungen verwechselt worden. Auf Gegenwehr habe die Antragstellerin sofort mit weiteren Abmahnungen oder der Geltendmachung von Vertragsstrafen reagiert. Auffällig sei, dass die Vollmachten stets das Datum des Tages vor der Abmahnung trügen. Es sei zu vermuten, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin über Blankovollmachten verfügten. Dazu hätten diese in einem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart keine genaue Erklärung abgeben können (Anlage B 7). In einem Verfahren vor dem Landgericht Essen habe die Antragstellerin einen gegen sie gerichteten Unterlassungsantrag wegen eines Wettbewerbsverstoßes anerkannt. Davon sei aber einem Kollegen in einem Parallelverfahren in M offenbar nichts bekannt gewesen.

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Zur Begründung hat es zunächst ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG gehandelt habe. Die vom Antragsgegner vorgetragenen Umstände rechtfertigten weder für sich noch in ihrer Gesamtheit den Schluss, dass das beherrschende Motiv der Antragstellerin bei der Abmahnung des Antragsgegners sachfremde Ziele waren. Allein die Anzahl der vorgenommenen Abmahnungen genüge insoweit nicht. Auch die Art und Weise des Vorgehens der Antragstellerin rechtfertigte nicht die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, nachdem die Antragstellerin die Besonderheiten der jeweiligen Fallgestaltung erläutert habe. Entscheidend sei vielmehr auf das eigene Verhalten des Antragsgegners abzustellen, der am 13. Oktober 2009 bei einem Angebot im Q2-Shop erneut gegen seine Unterlassungsverpflichtung verstoßen habe, wie ein Internetausdruck vom selben Tage belege. Dem Antragsgegner sei es offenbar auch nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung vom 17. Februar 2009 nicht gelungen, den Wettbewerbsverstoß nachhaltig abzustellen. Dann könne der Antragstellerin auch keine Rechtsmissbräuchlichkeit attestiert werden, wenn sie ihre Unterlassungsansprüche gegenüber dem Antragsgegner weiter verfolge.

In der Sache bestehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, wie auch zwischen den Parteien nicht weiter im Streit sei.

Der Antragsgegner greift das Urteil mit der Berufung an. Erstmals äußert er erhebliche Zweifel an der Dringlichkeit des Verbotsbegehrens, weil er die entsprechenden Angebote schon im ganzen Jahr 2008 in der beanstandeten Weise gestaltet habe, so dass die Antragstellerin davon bereits zum Zeitpunkt der ersten Abmahnung vom 4. November 2008 Kenntnis erlangt haben müsse. Der Unterlassungsantrag sei auch zu weit gefasst, weil die Dauer der Garantie und der Garantiegeber sehr wohl ersichtlich seien. In der Hauptsache macht er aber weiterhin geltend, die Antragstellerin habe sich bei der Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG verhalten. Sie habe mit ihren Prozessbevollmächtigten eine Abmahngemeinschaft gebildet, bei der Partei und abmahnender Anwalt kollusiv zusammen arbeiteten. Die Antragstellerin habe massenhaft abgemahnt, wie sich aus einer aktualisierten Liste ergebe, in der 64 Vorgänge mit einem Kostenaufwand von 60.500,10 € aufgelistet seien (Anlage B 24). In einer nochmals überarbeiteten Liste (Anlage B 52), bei der in einer ersten Tabelle die Abmahnungen mit Datum und Aktenzeichen benannt seien, in der zweiten Tabelle die von den Abgemahnten verlangen Kosten und in einer dritten Tabelle die von diesen bezahlten Kosten aufgeführt worden seien, ergäben sich sogar Kosten von 64.554,30 € und eine Finanzierungslücke von 40.000,-- €. Das Abmahnvolumen stehe somit in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Umsatz der Antragstellerin. Dazu habe er, der Antragsgegner, verschiedene Umsatzauswertungen vorgelegt. Die Antragstellerin habe zwar einen weit höheren Jahresumsatz behauptet, dazu aber keine nachvollziehbaren Unterlagen vorgelegt. In der eidesstattlichen Versicherung vom 5. März 2009, die sie in einem Parallelfall abgegeben habe, habe sie für Dezember 2008 und Januar und Februar 2009 auch selbst erheblich geringere monatliche Umsätze angegeben. Die Antragstellerin gehe inzwischen mit Freistellungsklagen gegen abgemahnte Mitbewerber vor, um die Verjährung von Kostenerstattungsansprüchen zu verhindern. Das ändere aber nichts daran, dass in großen Teilen in Bezug auf solche Ansprüche schon Verjährung eingetreten sei. Jedenfalls im Falle der Firma W habe die Antragstellerin Abmahnkosten in Höhe von 869,-- € verjähren lassen und als Folge einer Aufrechnung 651,80 € selbst tragen müssen. Es spreche aber für sich, dass Freistellung verlangt werde. Daraus ergebe sich, dass nicht die Antragstellerin ihre Anwälte bezahle, sondern diese nur darauf hofften, ihre Kosten von den Abgemahnten gezahlt zu bekommen. Angesichts des Abmahnvolumens hätte die Antragstellerin ansonsten auch ihre wirtschaftliche Existenz aufs Spiel gesetzt, um den Prozessbevollmächtigten sechsstellige Einnahmen zu verschaffen. Davon sei nach der Lebenserfahrung nicht auszugehen. Zumindest müsse im Verhältnis von Antragstellerin und Anwälten eine langfristige Stundung vereinbart worden sein. Es komme hinzu, dass es zu Beginn der Abmahnwelle in erheblichem Umfang Gegenabmahnungen und einstweilige Verfügungen gegen die Antragstellerin gegeben habe. Eine mit Kostenrisiken belastete Partei hätte angesichts dessen die Abmahnwelle eingestellt und sich um eine unauffällige Konfliktlösung bemüht. Stattdessen habe die Antragstellerin mit der K GmbH sogar einen Hersteller abgemahnt und von diesem die Zahlung einer Vertragsstrafe von 5001,-- € erhalten. Bei sämtlichen Abmahnungen der in Vorkasse tätigen Anwälte sei im Rahmen der Kostenberechnung eine 1,8fache Geschäftsgebühr verlangt worden, obwohl klar gewesen sei, dass kein Gericht eine solche Forderung zusprechen würde. Aus all diesen Umständen ergebe sich, dass ein tragender Grund für die Abmahnungen ein Gebührenerzielungsinteresse gewesen sei. Das erkläre auch, warum Gegenabmahnungen stets wieder mit Abmahnungen begegnet worden sei, um verlorene Gebühren zu kompensieren. Beispielsweise habe die Antragstellerin im November 2008 ihren Konkurrenten X2 abgemahnt. Dieser habe darauf verwiesen, dass er schon gegenüber der E GmbH eine Unterlassungserklärung abgegeben habe. Nachdem Herr X2 seinerseits zum zweiten Mal eine Gegenabmahnung ausgesprochen habe, habe die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sie die E GmbH über einen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung informieren werde, wenn die Abmahnung nicht zurückgenommen werde. Die Gegenseite habe dann tatsächlich der E GmbH die Verwertung von solchen Verstößen angeboten, wenn die E GmbH ihre Ansprüche gegen die Antragstellerin auf die Hälfte reduzieren werde (Anlage B 26). Der Fall Q zeige, dass die Antragstellerin in völlig unverhältnismäßiger Weise gegen Mitbewerber vorgehe. Das mache auch das Vorgehen gegen die Firma C deutlich, wie es sich aus dem Schriftverkehr des Landesverbandes des Bayerischen Einzelhandels mit den Rechtsanwälten X3 und Partner (Anlage B 53) ergebe. Die eigenen Angebotsgestaltungen der Antragstellerin seien auch nach wie vor fehlerhaft. Dafür gibt der Antragsgegner Beispiele. Weitere Indizien für den Rechtsmissbrauch seien das Überlassen von Blankovollmachten und erhebliche Organisationsfehler der Gegenseite, auch durch falsche Verwendung von Textbausteinen. Im vorliegenden Fall sei der Streitwert nach Erlass der einstweiligen Verfügung von 5.000,-- € auf 15.000,-- € erhöht worden.

Im Hinblick auf ihre eigenen Verstöße gegen die Unterlassungspflicht weist der Antragsgegner darauf hin, dass er kein böswilliger Wiederholungstäter sei, sondern dass ihm bei seinem Auftritt bei Q2 Angaben untergeschoben worden seien, die er sofort nach ihrer Entdeckung abgestellt habe. Der genaue internetauftritt dort sei nicht zu kontrollieren. Deshalb habe er nunmehr die Konsequenz gezogen, dort keine Angebote mehr einzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt mit näheren Ausführungen das angefochtene Urteil und nimmt zunächst auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Sie verweist darauf, dass sich die Zuwiderhandlungen gegen den Beschluss des Landgerichts Hagen in einem Q2angebot vom 2. Dezember 2009 (Anlage A 20) fortgesetzt hätten. Auch in diesem Angebot werde mit einer "30 Jahre Z Garantie" geworben, ohne zu erläutern, wann denn diese Garantie zu laufen beginne. Auch der Garantiegeber werde wieder nicht erkennbar, weil dem Käufer nicht klar genug sei, wer sich hinter "Z" verberge. Sogar noch am 16. und 22. Februar 2010 habe der Antragsgegner auf der Handelsplattform Q2 mit derselben Aussage geworben. Mit solchen pauschalen Aussagen zum Vorhandensein einer Garantie binde der Antragsgegner nach wie vor Kunden an sich, während sie, die sich gesetzestreu verhalte, zahlreiche Garantieanfragen von Kunden erhalte. Wenn der Antragsgegner sich nicht in der Lage sehe, seine Angebote auf der Plattform Q2 gesetzeskonform zu gestalten, müsse er seine Handelsaktivitäten dort ebenso einstellen, wie sie es notgedrungen auch getan habe. Im Hinblick auf den geltend gemachten Rechtsmissbrauch habe das OLG Stuttgart den dort ausführlich begründeten Einwand geprüft und verworfen. Die Antragstellerin bezieht sich auf das Urteil vom 10. Dezember 2009 (Anlage A 22). Es bleibe dabei, dass der Antragsgegner bislang vor keinem Gericht mit dem Vortrag zum Rechtsmissbrauch durchgedrungen sei. Sie verlange in den fraglichen Verfahren Freistellung, weil ihr von ihren Prozessbevollmächtigten keine Vorschussrechnungen erteilt worden seien. Das ändere aber nichts dran, dass die Antragstellerin beim Abschluss eines Verfahrens sämtliche offenen Kosten begleichen müsse. Es sei auch bei guten Mandanten durchaus üblich, dass die sie vertretenden Anwälte von ihnen keine Vorschüsse verlangen würden. Die Antragstellerin habe bislang alle ihr überreichten Kostennoten zeitnah ausgeglichen. Sie habe auch durch die ausgesprochenen Abmahnungen nicht ihre Existenz aufs Spiel gesetzt. Ihre Jahresumsätze von 400.000,-- € allein im Onlinehandel bei Y und weiterer 150.000,-- € durch das Ladengeschäft reichten aus, um entstehende Kostenrisiken abzudecken. Im Hinblick auf die zunächst in Ansatz gebrachte Gebühr von 1,8 sei sie erst vom OLG Stuttgart darauf hingewiesen worden, dass dieser Gebührenansatz zu hoch sei. Die Antragstellerin stellt sodann aus ihrer Sicht dar, wie die Verfahren vor dem Landgericht B gelaufen sind, bei der die dortige Gegnerin in nahezu allen drei Verfahren unterlegen sei. Dennoch tauchten die Verfahren in der Anlage B 24 unter den Nummern 36, 37 und 60 unter dem Namen Aden auf, wobei die jeweiligen Gebühren den angeblichen Gesamtkosten zugerechnet worden seien. In der Aufstellung über bezahlte Kosten tauchten dann die Verfahren trotz der für sie günstigen Kostenentscheidungen nicht mehr auf. Herr X2 überziehe sie geradezu mit Verfahren; er sei in drei Verfahren mit einer wahren Antragsflut gegen sie vorgegangen, die selbst das Landgericht Essen als ungewöhnlich empfunden habe (Anlage A 24). Im Fall K2 sei sie nur deshalb zu einem Vergleichsabschluss bereit gewesen, weil das dortige OLG Naumburg die Gefahr der Aufhebung der einstweiligen Verfügung infolge eines Formfehlers aufgezeigt habe. Die Antragstellerin stellt erneut klar, dass sie keine Kostenersatzansprüche habe verjähren lassen. Die Verjährung nicht ausgeglichener Abmahnkosten sei stets gehemmt worden.

II.

Die Berufung ist begründet, weil der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung nicht zusteht. Dieser fehlt wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens schon die Antragsbefugnis.

Die Antragstellerin hat in Bezug auf die hiesige Abmahnung des Antragsgegners vom 28. Januar 2008 (Bl. 35 ff.) rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG gehandelt. Das hat zur Folge, dass es auch im hiesigen Verfügungsverfahren an der Antragsbefugnis fehlt und der Verfügungsantrag als unzulässig zurückzuweisen ist.

1) Von einem Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs ist unzulässig, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Davon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgen kann, wobei es sich dabei auch um das Interesse der von ihm beauftragten Anwälte handeln kann. Sachfremd ist es auch, wenn ein Berechtigter nach "Gutsherrnart" abmahnt und dabei aus persönlichen Gründen Mitbewerber besonders hartnäckig verfolgt oder ihnen aus Gutdünken Kostenerstattungs- und Vertragsstrafenansprüche erlässt.

2) Die Antragstellerin ist Mitbewerberin des Antragsgegners, weil beide Parteien Rucksäcke an Endverbraucher verkaufen. Als Mitbewerberin kann sie ein berechtigtes Interesse an der Rechtsverfolgung haben, wenn sie durch unlautere Wettbewerbshandlungen beeinträchtigt werden kann. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn wie hier über Herstellergarantien, mit denen geworben wird, nicht in der erforderlichen Weise informiert wird. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass sie Anfragen von Kaufinteressenten zu einer etwaigen Herstellergarantie erhält, was deren besonderes Interesse an solchen Informationen deutlich macht. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dient. Deshalb können auch umfangreiche Abmahntätigkeiten für sich allein noch keinen Missbrauch belegen, wenn zugleich umfangreiche Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen (BGH GRUR 2005, 433, 434 -Telekanzlei; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 56; Köhler/ Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 8 Rdn. 4.12). Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begründen können. Solche Umstände können Indizien für eine Rechtsverfolgung im primären Gebührenerzielungsinteresse ebenso sein wie eine selektive Schuldnerauswahl oder Indizien für eine Rechtsverfolgung lediglich im Interesse eines Dritten. Kommen solche Umstände bei einem Mitbewerber mit vielfachen Abmahnungen zusammen, ist ein Missbrauch der an sich bestehenden Klagebefugnis aber gerade im Bereich des Internethandels, wo es bekanntermaßen gerade auch im Bereich der Informationspflichten zu einer kaum überschaubaren Vielzahl von Wettbewerbsverstößen kommt, nicht ungewöhnlich. Das gilt insbesondere dann, wenn die Abmahntätigkeit auf einem Gebiet entfaltet wird, in dem der Abmahnende nur zum Schein oder nur in einem geringen Umfang tätig ist oder wenn die Abmahntätigkeit so umfangreich ist, dass sie in keinem vernünftigen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden mehr steht. In einem solchen Fall hat sich die Abmahntätigkeit dann erkennbar verselbständigt. Ob das letztlich der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Begleitumstände der Verletzungshandlung, des Wettbewerbsverhältnisses und der sonstigen Umstände im Rahmen des Freibeweises zu würdigen. Insoweit ergibt sich etwas wie eine Wechselwirkung. Je größer die Zahl der Abmahnungen ist, umso eher ist das ein Indiz für ein missbräuchliches Verhalten (vgl. schon Köhler WRP 1992, 359, 361). In einem solchen Fall müssen dann umso weniger sonstige Umstände hinzukommen. Dagegen kann auch bei einer geringen Zahl von Abmahnungen oder im Extremfall auch schon bei einer einzigen Abmahnung auf einen Rechtsmissbrauch zu schließen sein, wenn ganz besonders gewichtige Umstände vorliegen, die auf sachfremde Motive schließen lassen.

3) Legt man dies im vorliegenden Fall zugrunde, ist davon auszugehen, dass das maßgebliche Motiv der Antragstellerin bei der Rechtsverfolgung des Antragsgegners das Gebührenerzielungsinteresse war. Die Antragstellerin hat im Rahmen einer regelrechten Abmahnwelle in der Zeit von Mitte Oktober 2008 bis Mitte Februar 2009 etwa 60 Abmahnungen ausgesprochen, die der Antragsgegner in verschiedenen Listen erfasst hat. Sie hat die während dieser Zeit abgemahnten Mitbewerber auch gerichtlich auf Unterlassung und auf Zahlung von Vertragsstrafen in Anspruch genommen. Abmahnungen vor dieser Zeit sind nicht vorgetragen oder bekannt geworden; Abmahnungen nach dieser Zeit gab es nur noch vereinzelt. Das Vorliegen einer solchen Abmahnwelle allein reicht zwar aus den oben genannten Gründen für sich noch nicht aus für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Es kommt hier aber hinzu, dass die konkreten objektiven Begleitumstände auf ein solches sachfremdes Motiv schließen lassen. Das gilt ungeachtet davon, dass vom Antragsgegner und dessen Prozessbevollmächtigten eine regelrechte Kampagne betrieben und dabei auch Vorwürfe erhoben werden, die sich angesichts der Gesamtumstände nicht verifizieren lassen. So lässt sich insbesondere nicht feststellen, dass die Antragstellerin mit ihren Prozessbevollmächtigten zum Zwecke der Generierung von Kosten kollusiv zusammenarbeitet und die Antragstellerin ihren Anwälten die Kosten nicht zu erstatten braucht, wenn die Abmahnungen oder daraus folgende Verfahren nicht zum Erfolg führen. Davon ist nach dem Vortrag der Antragstellerin und ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht auszugehen. Aus dem Vortrag des Antragsgegners ergeben sich aber unstreitige oder aus den vorgelegten Schriftstücken und Akten ersichtliche Tatsachen, die für sachfremde Motive auf Seiten der Antragstellerin sprechen. Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass die vom Landgericht in den Vordergrund gestellte Erwägung, dass der Antragsgegner auch nach dem gerichtlichen Verbot weiter dagegen verstoßen hat, nichts darüber aussagen kann, ob die Abmahnung rechtsmissbräuchlich gewesen ist oder nicht. Späteren weiteren schuldhaften Verstößen kann mit der Geltendmachung einer versprochenen Vertragsstrafe oder einem Ordnungsgeldantrag begegnet werden. Sie lassen aber keinen Schluss auf die Motive zu, die die Antragstellerin zur Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Antragsgegner veranlasst haben.

4) Als zusätzlicher Umstand, der neben der Vielzahl und auffälligen Häufung der Abmahnungen für einen Rechtsmissbrauch spricht, ist zunächst das wirtschaftlich wenig vernünftige Verhältnis zwischen dem Umsatz der Antragstellerin und dem sich als Folge der Abmahnwelle ergebenden und vom Antragsgegner aufgelisteten Kostenrisiko zu sehen. Die Antragstellerin übt zwar nach ihrem Vorbringen verschiedene Geschäftstätigkeiten aus; entscheidend ankommen kann es allerdings nur auf den Verkauf von Taschen, Rucksäcken und Reisegepäck online, weil sie nur insoweit in Konkurrenz zum Antragsgegner tritt. Die Kostenrisiken der aufgelisteten Abmahnungen sind hoch und werden durch die Kosten von Rechtsstreiten auch als Folge von "Gegenabmahnungen" der zuvor Abgemahnten, zu denen es hier auch schon vor der hier streitgegenständlichen Abmahnung des Antragsgegners am 28. Januar 2009 vermehrt gekommen ist, schwer überschaubar. Gerade wenn wegen der Häufung der Abmahnungen der Einwand des Rechtsmissbrauchs erhoben wird, kann dieser auch in Fällen zum Erfolg führen, in denen der mit der Abmahnung geltend gemachte Anspruch an sich sachlich gerechtfertigt ist. Das Kostenrisiko belastet die Antragstellerin vor allem auch vor dem Hintergrund, dass sie von ihren Prozessbevollmächtigten in keinem Falle von den Rechtsverfolgungskosten freigestellt wird. Der Antragsgegner hat zum Umsatz der Antragstellerin über die Handelsplattform Y zur entscheidenden Zeit der Abmahnwelle vorgetragen und insoweit auch einen Umsatz in Höhe von 38.539,-- € für die Zeit der etwa drei Monate auf der Basis einer Terapeak-Auswertung genannt. Denen ist die Antragstellerin in ihrem Vortrag jedenfalls nicht mit anderen Zahlen in Bezug auf den Zeitraum Oktober 2008 bis Januar 2009 entgegen getreten. Lediglich in der eidesstattlichen Versicherung vom 5. März 2009 hat die Antragstellerin für Dezember 2008 einen Umsatz von mehr als 16.000, €, für Januar 2009 von mehr als 15.000,-- € angegeben. Sie hat dann zu den Umsatzzahlen von Februar 2009 (mehr als 23.000,-- €) und den Folgemonaten Stellung genommen und pauschal einen Jahresumsatz von 400.000,-- € genannt, ohne dabei Einzelheiten zu erwähnen oder Belege beizubringen. Dieser Umsatz lässt sich mit ihrer eigenen Erklärung, dass nur in umsatzstarken Monaten ein Umsatz von 35.000,-- € pro Monat erzielt werde, nicht in Übereinstimmung bringen. Soweit es um die Bewertungen bei Y geht, fällt auch auf, dass deren Zahl zur Zeit der Abmahnwelle erheblich geringer war als zu einem späteren Zeitraum. Die Antragstellerin trägt unter Bezugnahme auf das Bewertungsprofil (Anlage A 17) selbst vor, dass die Antragstellerin in den sechs Monaten vor dem 30. September 2009 1.047 Bewertungen erhalten hat, während es in den sechs Monaten davor, also in dem hier entscheidenden Zeitraum 547 Bewertungen waren, also nur wenig mehr als die Hälfte. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Antragstellerin aufgrund ihrer geschäftlichen Erfahrungen mit einem später höheren Jahresumsatz rechnen konnte, war der sich daraus ergebende Gewinn nicht in der Lage das volle Kostenrisiko für den Eintritt des schlimmsten Falles abzudecken. Das gilt selbst dann, wenn man die von der Antragstellerin selbst angegebene Gewinnmarge zugrundelegt. Allein dieser Umstand spricht schon sehr stark für sachfremde Motive der Antragstellerin in Zusammenhang mit der Abmahnwelle.

5) Es kommt aber noch hinzu, dass die Art und Weise der Verfolgung gleichfalls für ein Gebühreninteresse spricht. Es werden ganz in der Regel bestimmte Verstöße gegen Informationspflichten über das Widerrufsrecht oder bei der Werbung mit Garantien abgemahnt. Zum Teil haben die Anwälte der Antragstellerin dabei mit Textbausteinen gearbeitet. Angesichts der nicht unüblichen umfangreichen Verkaufstätigkeit auf mehreren Internetplattformen können dadurch für die Abgemahnten Haftungsfallen geschaffen werden. Dies gilt umso mehr, wenn in den vorformulierten Unterlassungserklärungen erhebliche Vertragsstrafen für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprochen werden und der Internetauftritt -wie im Fall Q geschehen- alsbald nach Abgabe der Unterlassungserklärung kontrolliert wird. Dann kann es zu einer Vielzahl von Verstößen kommen, die den Mitbewerber wirtschaftlich ernsthaft bedrohen kann. Wer sich dermaßen auf die Abmahnung bestimmter Verstöße in einem solchen Sinne spezialisiert, macht damit deutlich, dass es ihm insgesamt eher nicht um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs geht (Senat OLGR 2009, 474 =4 U 211 / 08). Die Antragstellerin hat auch bei der Geltendmachung der Anwaltskosten unterschiedliche Streitwerte angesetzt. Im Fall Q hat die Antragstellerin ihrer Kostenerstattungsforderung zudem zunächst einen völlig überhöhten Streitwert von 55.000,-- € zugrunde gelegt. Dabei soll es sich um einen Schreibfehler gehandelt haben. Sie hat sich insoweit auf Rüge des Gegenanwaltes auf einen Streitwert in Höhe von 15.000,-- € eingelassen. Selbst wenn es aber ein Schreibfehler gewesen sein sollte, zeigt das wiederum, dass die Antragstellerin oder ihre Anwälte angesichts der vielen Fälle die Übersicht verloren haben, worauf unten noch eingegangen wird. Ansonsten liegen die Streitwerte nach der vorgelegten Aufstellung zwischen 2.500,-- € und 40.000,-- €, wobei sich ein Durchschnitt von ca. 20.000,-- € ergibt. Das sind keine auffallend hohen Werte. Im vorliegenden Fall ist der Wert in der Abmahnung und im Verfügungsverfahren mit 5.000,-- € angegeben worden, also sehr niedrig. Auffällig ist dafür aber, dass der Wert dann für die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung auf 15.000,-- € erhöht worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die einstweilige Verfügung erlassen worden. Dadurch war das Risiko für die Antragstellerin erheblich geringer geworden. Es trifft auch nicht zu, dass hier entscheidend auf das Wertgefälle zwischen einstweiliger Verfügung und zu vermeidendem Hauptverfahren abgestellt werden kann. Denn auch die Abmahnung hat sich am Wert des Hauptverfahrens zu orientieren. Auffällig ist aber in jedem Fall auch die Höhe der in Rechnung gestellten Gebühr. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist eine 1,3fache Gebühr für solche Abmahnungen angemessen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 12 Rdn. 1.94). Nur eine solche Gebühr wird nach der Erfahrung des Senats auch üblicherweise in Rechnung gestellt. Eine Gebühr von 1,8, die sogar über der Mittelgebühr liegt, kann dagegen nur ausnahmsweise bei Darlegung eines besonderen Prüfungsumfangs oder einer besonderen Schwierigkeit etwa in Markenrechtsverfahren zugebilligt werden. Davon kann im vorliegenden Fall ersichtlich keine Rede sein. Die Abgemahnten werden in der Abmahnung von einer Kontaktaufnahme zu der Antragstellerin abgehalten. Außerdem wird ihnen in der Abmahnung eine Kostennote (Bl.18) übersandt, die sie binnen einer bestimmten Frist auszugleichen haben. Deutlicher kann man kaum machen, dass der Anwalt die Zahlung der Gebühren, die sich aus seinem Verhältnis zu seinem Mandanten ergibt, in Wirklichkeit von dem Abgemahnten erwartet. Damit gerät die Kostenforderung, die in Wirklichkeit nur ein Aufwendungsersatzanspruch ist, in gleicher Weise in das Blickfeld wie der Unterlassungsanspruch, um den es der Partei ja in der Hauptsache gehen sollte. Dieser Eindruck wird noch dadurch bestärkt, dass jedenfalls im Fall T nach Durchführung des Verfügungsverfahrens und Ablehnung der Abgabe einer Abschlusserklärung kein Hauptverfahren mehr betrieben worden ist. Einen ganz auffälligen Umstand stellt es auch dar, dass die Antragstellerin sich ganz allgemein und in dieser Form sicher zu Unrecht schon in der Abmahnung eines Schadensersatzanspruches berühmt, da für einen konkreten Schaden der Antragstellerin hier nichts ersichtlich ist. Gerade der Hinweis auf den Schadensersatzanspruch soll den abgemahnten Mitbewerber vielmehr weiter einschüchtern und dazu bringen, die Unterwerfungserklärung abzugeben und die Anwaltsgebühren zu zahlen. Hinzu kommt, dass ohne jede Darlegung einer Schadenswahrscheinlichkeit eine Verpflichtung zur Auskunft als sicher gegeben dargestellt und Auskunft mit dem Abmahnschreiben sogar schon gesondert verlangt wird. Das erstaunt angesichts der Tatsache, dass im Rahmen solcher Internetverstöße in den seltensten Fällen Auskunfts- und Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden und dann gegeben sind und dass unstreitig auch hier in keinem Fall ein Auskunftsanspruch später gerichtlich geltend gemacht worden ist.

6) Hinzu kommen Auffälligkeiten aus den Parallelverfahren in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Vertragsstrafen, nachdem sich die Risiken aus den oben schon erwähnten Haftungsfallen verwirklicht haben. In verschiedenen Fällen hat die Antragstellerin aus einem einheitlichen Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung viele Einzelverstöße gemacht und auf diese Verstöße überhöhte Vertragsstrafenansprüche gestützt. Die sich dadurch ergebenden Beträge hat die Antragstellerin dann aber nicht in vollem Umfang gerichtlich geltend gemacht, sondern erheblich geringere Beträge, über die sie sich dann verglichen hat mit dem Ergebnis, dass schließlich ein noch geringerer Betrag gezahlt werden musste. Es hat den Anschein, als ob die Antragstellerin die Unterlassungsschuldner mit den hohen und im Fall X existenzbedrohenden Vertragsstrafen einschüchtern will, um sie dann wie bei einem Rabattsystem zur freiwilligen oder vergleichsweisen Zahlung weit geringerer Beträge zu veranlassen. Das war insbesondere in Rahmen der Klage gegen die Firma Q so (vgl. Beiakte 4 U 141 / 09). Nach einer Kontrolle am 25. Oktober 2008 nach der Abgabe der Unterlassungserklärung am 23. Oktober 2008 entdeckte die Antragstellerin, dass die Unterlassungsschuldnerin bei mindestens 64 Internetangeboten weiterhin über das Widerrufsrecht unvollständig belehrte. Die Antragstellerin berief sich als Folge davon auf einen Anspruch in Höhe von jedenfalls 64 X 1,500,-- €, also von 96.000,-- €, wenn nicht noch eines erheblich höheren Anspruchs, weil sie auch zwischen den drei Y-Shops der damals Beklagten noch differenzierte. Jedenfalls ging sie von 64 fehlerhaften Widerrufsbelehrungen bei Internetangeboten und damit 64 Verstößen aus. Diese Auffassung war unrichtig, wie der Antragstellerin als Klägerin sowohl das Landgericht als auch der Senat bescheinigt haben, als sie schließlich eine zehnfach verwirkte Vertragsstrafe in Höhe von 15.000.-- € einklagte. Es ging nämlich in allen Fällen um die unrichtig gebliebene Widerrufsbelehrung und damit um einen einheitlichen Verstoß. Ähnlich ging die Antragstellerin auch im Fall X vor. Insoweit war eine Vertragsstrafe von 25.000, € geltend gemacht worden und es kam zu einem Vergleich auf Zahlung von 6.300,-- €. Gegenüber der K GmbH waren geltend gemacht 15.003,-- €, eingeklagt wurden 10.002,-- € und zugesprochen schließlich 5.001,-- €. Auch die Tatsache, dass die Antragstellerin die im Fall X ausgeurteilte Vertragsstrafe spenden wollte und nach Vergleichsabschluss auch den überschießenden Teilbetrag tatsächlich gespendet hat, besagt nichts Entscheidendes gegen sachfremde Motive. Denn zu dieser Besonderheit ist es erst zu einem Zeitpunkt gekommen, als die Antragstellerin von dem intensiven Widerstand der Abgemahnten in Zusammenhang mit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs Kenntnis hatte und in diesem Zusammenhang auch die geltend gemachten Vertragsstrafen erwähnt worden waren. Auch dann, wenn von Mitbewerbern überhöhte Vertragsstrafen verlangt werden, die nicht behalten, sondern gespendet werden, kann es sich um einen Fall von einem sachfremden Kostenbelastungsinteresse handeln, möglicherweise mit dem Ziel eines eigennützigen Interesses an einer Marktbereinigung. Im Fall X2 hat die Antragstellerin unstreitig sogar mit einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht gegenüber einem anderen Mitbewerber Handel treiben wollen, wie sich aus der Anlage B 20 ergibt. Auch das ist selbst dann auffällig, wenn der Mitbewerber X2 seinerseits besonders massiv gegen die Antragstellerin vorgegangen ist, nachdem diese ihn abgemahnt hatte. Der Senat hat bereits entschieden, dass es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, nach einer Abmahnung das Angebot des Abmahnenden zu durchsuchen und diesen dann wegen vorgefundener Verstöße im Wege der Retourkutsche seinerseits abzumahnen, wenn nicht ersichtlich ist, dass allein das Kostenbelastungsinteresse im Vordergrund steht (Senat, Urteil vom 16. Dezember 2008 - 4 U 173 / 08).

7) In dieses Gesamtbild passt auch das Verhältnis der Antragstellerin zu ihren Anwälten. Zur Zeit der Abmahnwelle waren die Prozessbevollmächtigten jedenfalls in erster Linie für die Antragstellerin tätig, wie man ihren Aktenzeichen aus der Aufstellung des Antragsgegners entnehmen kann. Auch wenn für Absprachen über Kosten nichts ersichtlich ist, ist auffällig, dass die ausgesprochenen Abmahnungen nicht zeitnah der Mandantin in Rechnung gestellt werden, sondern erst nach Abschluss der jeweiligen Verfahren. Das hindert die Antragstellerin aber nicht, den Abgemahnten im Rahmen der Abmahnung Kostenrechnungen übersenden zu lassen, obwohl sie nur ihren Aufwendungsersatzanspruch geltend machen kann. Sie begehrt quasi vorab die Erstattung von Gebührenforderungen, die noch nicht fällig sind. So wie die Prozessbevollmächtigten nach Versendung des Abmahnschreibens gegenüber den Abgemahnten abrechnen konnten, hätten sie es auch gegenüber der Antragstellerin tun können. Diese wird allerdings mit den Kosten noch nicht einmal im Wege einer Vorschusszahlung belastet. Ob die Antragstellerin tatsächlich in größerem Umfang Ansprüche auf Erstattung von Anwaltskosten hat verjähren lassen, lässt sich allerdings nicht feststellen. Die Antragstellerin will stets rechtzeitig Mahnverfahren eingeleitet haben, um die Verjährung zu unterbrechen. Auch dabei handelt es sich aber um eine auffällige, weil zaghafte Verfahrensweise. In mehreren Fällen hat die Antragstellerin auch schon auf Freistellung von den Kosten geklagt. In anderen Fällen ist von den Abgemahnten negative Feststellungsklage erhoben worden. Auffallend ist insoweit, dass die Antragstellerin jedenfalls nicht besonders auf einen Abschluss der Verfahren drängt und deshalb auch im Hinblick auf die schwebenden Verfahren überhaupt noch nicht mit den Abmahnkosten belastet worden ist.

8) Unstreitig haben die Antragstellerin oder ihre Anwälte aber auch verschiedentlich die Kontrolle über ihre Abmahnverfahren bereits verloren. Sie haben in den Fällen Z9 und Z10 Abmahnungen vertauscht und bei dem Verfahren gegen Q den Streitwert völlig überhöht angegeben, Bei einem Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg haben sie nicht mehr gewusst, einen Unterlassungsanspruch mit einem bestimmten Inhalt in einem Verfahren vor dem Landgericht Essen anerkannt zu haben.

9) Angesichts dieser zahlreichen für einen Rechtsmissbrauch sprechenden Umstände wäre es Sache der Antragstellerin gewesen, diese Umstände zu widerlegen und darzutun, dass es ihr dennoch in erster Linie um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs gegangen ist (BGH GRUR 2006, 243 -MEGA SALE). Dazu hat die Antragstellerin aber nichts Entscheidendes vorgetragen; sie hat insbesondere in keiner Weise den wettbewerbsschützenden Sinn der auffallenden Abmahnwelle erklären können. Die Verstöße von Mitbewerbern, gegen die sie in der Zeit ab Oktober 2008 massiv vorgegangen ist, gab es auch schon vorher. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso sie etwa durch den pauschalen Hinweis auf die Herstellergarantie im Rahmen der Produktbeschreibung in besonderer Weise beeinträchtigt worden sein soll. Gleiches gilt für die fehlende Belehrung darüber, dass die Widerrufsfrist nicht vor Erteilung der erforderlichen Informationen nach §§ 312 c Abs. 2 oder 312 e BGB beginnt wie im Fall Q. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Antragstellerin festgestellte und gerügte Verstöße konsequent und zügig auch dann immer weiter verfolgt, wenn die Unterlassungserklärung nicht abgegeben wird. Schließlich hat sich die Antragstellerin selbst auch nicht vollständig wettbewerbskonform bei ihrem Internetauftritt verhalten, wie die verschiedenen erfolgreichen Inanspruchnahmen deutlich machen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 02.03.2010
Az: 4 U 217/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/753826fd20f5/OLG-Hamm_Urteil_vom_2-Maerz-2010_Az_4-U-217-09




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