Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 17. August 2011
Aktenzeichen: 4 W 41/11

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 17.08.2011, Az.: 4 W 41/11)

1. Bei einer negativen Feststellungsklage richtet sich der Streitwert nach allgemeiner Ansicht wegen der vernichtenden Wirkung eines obsiegenden Urteils nach dem Streitwert des Anspruchs, dessen sich der Gegner berühmt hat, und zwar ohne Abschlag.

2. Auch bei einer "100 Euro-Abmahnung" nach § 97a Abs. 2 UrhG steht die Streitbewertbemessung bei einer darauf folgenden negativen Feststellungsklage zu 1. nicht entgegen. Der Streitwert richtet sich dann dem Streitwert, den der Beklagte in einem anschließenden Prozess hätte geltend gemacht.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss im Anerkenntnis-Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 20.04.2011 (17 O 143/11) geändert und der Streitwert auf 7.000 € festgesetzt.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Eine Kostenentscheidung findet nicht statt.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt auf ihrer Website ... .

Die Beklagte, die u. a. eine Bilddatenbank mit Foto- und Textreportagen betreibt, mahnte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 16.03.2011 (K 2, Bl. 12) ab, weil auf der Seite ... im Onlinetagebuch (Blog) eines Mitglieds ein Foto veröffentlicht worden war, an dem sie alleinige Urheber- und Nutzungsrechte behauptet, weswegen ihr gegen die Klägerin Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach §§ 97 ff. UrhG zustünden. Die Beklagte forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis 25.03.2011 weiter auf, eine dem Schreiben beigefügte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen. Sie behielt sich ferner vor, Strafanzeige zu erstatten, wenn die Frist nicht eingehalten würde.

Die Klägerin erhob daraufhin am 21.03.2011 negative Feststellungsklage, da sie für eine etwaige Urheberrechtsverletzung ihres Mitglieds nicht verantwortlich sei. Nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens durch Verfügung vom 23.03.2011 (Bl. 15), der Beklagten zugestellt am 05.04.2011, erkannte die Beklagte den Klaganspruch an (Schriftsatz vom 11.04.2011, Bl. 20 ff.) und beantragte, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, da ein sofortiges Anerkenntnis vorliege.

Das Landgericht verurteilte die Beklagte gemäß ihrem Anerkenntnis und setzte in dem Anerkenntnisurteil vom 20.04.2011 den Streitwert der Angabe der Klägerin in der Klageschrift (S. 10 = Bl. 10) folgend auf 10.000 € fest.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 05.05.2011 eingegangenen Beschwerde (Bl. 39). Sie hält einen Streitwert von 317 € für angemessen, den sie aus den von ihr im Abmahnschreiben verlangten Rechtsanwaltskosten (100 €) und einem ihrer Ansicht nach maximal in Betracht kommenden Schadensersatzbetrag von 217 € entsprechend den Empfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) errechnet. Sie verweist ferner auf § 97 Abs. 2 UrhG (vgl. im Einzelnen S. 4 f. des Schriftsatzes vom 03.05.2011, Bl. 42 f.).

Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten (Schriftsatz vom 11.05.2011, Bl. 45 ff.)

Das Landgericht hat es mit Beschluss vom 12.05.2011 (Bl. 54 ff.) abgelehnt, ihr abzuhelfen.

II.

1.

Die Streitwertbeschwerde ist statthaft (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist der Beschwerdewert von 200 € erreicht und ist die Sechsmonatsfrist des § 68 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 63 Abs. 3 GKG gewahrt.

2.

Sie ist auch insoweit begründet, als der Streitwert von 10.000 € auf 7.000 € herabzusetzen ist.

a)

Den rechtlichen Rahmen der Streitwertbemessung in Urheberrechtssachen hat das Landgericht, wie die Ausführungen im Nichtabhiffebeschluss zeigen (S. 2 f. der Gründe unter II.), zutreffend gesehen.

Bei einer negativen Feststellungsklage richtet sich der Streitwert nach allgemeiner Ansicht wegen der vernichtenden Wirkung eines obsiegenden Urteils nach dem Wert des Anspruchs, dessen sich der Gegner berühmt hat, und zwar ohne Abschlag (Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rdnr. 16 Stichwort "Feststellungsklagen" mit zahlr. weiteren Nachw.).

Die Beklagte hat sich in ihrem Abmahnschreiben aber nicht etwa nur eines Anspruchs auf Ersatz von 100 € Rechtsanwaltskosten und eines darüberhinausgehenden Schadensersatzanspruchs berühmt, sondern weiter Unterlassung begehrt.

Die Annahme des Landgerichts, allein der Unterlassungsanspruch sei bei professionellen Fotografien regelmäßig mit 5.000 € anzunehmen, begegnet keinen Bedenken.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass § 97a Abs. 2 UrhG einer derartigen Streitwertbemessung nicht entgegensteht. Die Vorschrift beschränkt lediglich für bestimmte Konstellationen die Abmahnkosten, wie Wortlaut, Entstehungsgeschichte und systematische Stellung der Vorschrift eindeutig zeigen (siehe auch Wandtke/Bullinger/Kefferpütz, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rdnr. 34; Schricker/Loewenheim-Wild, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a Rdnr. 34).

b)

Allerdings ist entgegen der Annahme des Landgerichts im Nichtabhifebeschluss dem Abmahnschreiben nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte Ansprüchen gegen die Klägerin hinsichtlich mehr als eines Fotos berühmte. Das Schreiben spricht auf S. 1 (Bl. 12) von "einem Foto". Die beigefügte vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung spricht zwar im Plural von "Fotos", allerdings nur von solchen, "die sich aus der Anlage zum Aufforderungschreiben" (so Ziff. 1) ergäben. Diese Anlage enthält aber nur ein einziges Foto.

Aufgrund dessen ist unter Berücksichtigung der neben dem Unterlassungsanspruch geltend gemachten weiteren (Folge-)Ansprüche einerseits und dem Umstand, dass es sich um ein Einstellen des Fotos durch einen User der Klägerin handelt und nicht diese selbst andererseits ein Streitwert von bis zu 7.000 € festzusetzen.

Eine Halbierung des vom Landgericht festgesetzten Streitwerts erscheint hingegen nicht angemessen, zumal nicht für die Verletzung der Urheberrechte an einem Foto ein Streitwert angenommen und dieser dann ohne weiteres "automatisch" entsprechend der Zahl der Fotos vervielfacht werden kann.

III.

Die Entscheidung ergeht gerichtgebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 GKG).

Über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht zu befinden, da diese nicht statthaft ist (etwa BGH, Beschl. v. 06.10.2009, VI ZB 18/08 Tz. 4).






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 17.08.2011
Az: 4 W 41/11


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